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Übertragung von A. v. Keller

Matteo Bandello

Frauentreue: Männertugend

In meiner Vaterstadt Venedig die neben ihren Schätzen reich ist an schönen, holden Frauen wie nur irgendeine Stadt Italiens, lebten zu der Zeit, wo der weise Fürst Francesco Foscari die Herrschaft darüber führte, zwei junge Edelleute, deren einer Girolamo Bembo, der andere Anselmo Barbadico genannt wurde. Zwischen beiden bestand, wie das oft zu geschehen pflegt, die tötlichste Feindschaft und ein so heftiger bitterer Haß, daß sie nicht müde wurden, einander durch geheime Ränke zu schaden und auf alle ihnen mögliche Weise Schmach anzutun. Sie ließen Hader und Zwietracht so weit unter sich aufkommen, daß es beinahe unmöglich schien, sie jemals wieder zu vereinigen. Da geschah es, daß, als sie zu einer und derselben Zeit Weiber nahmen, der Zufall es wollte, daß ihre beiderseitige Wahl zwei sehr schöne und liebliche edle Jungfrauen traf, welche von der gleichen Amme ernährt und aufgezogen waren und sich so schwesterlich liebten, als wären sie aus einem Leibe hervorgegangen. Die Gattin Anselmos, welche Isotta hieß, war die Tochter von Messer Marco Gradenigo, einem Manne von größtem Ansehen in unserer Stadt, der zu den Prokuratoren von Sanct Marcus gehörte, deren Zahl damals noch nicht so groß war, wie heutzutage, weil nur die weisesten und besten Bürger zu einer so edlen und angesehenen Würde gewählt wurden und keiner durch Ehrgeiz oder Geld dazu gelangte. Luzia hieß die andere. Sie hatte zum Gatten den andern der beiden Edelleute genommen, von welchem ich bereits gesprochen habe, Girolamo Bembo. Sie war die Tochter des Ritters Messer Gian Francesco Valerio, eines gelehrten Mannes, welcher schon mehrere Gesandtschaften im Auftrag seiner Vaterstadt besorgt hatte und in jenen Tagen von Rom zurückgekehrt war, wo er zur höchlichen Zufriedenheit aller beim heiligen Vater das Amt eines Botschafters verwaltet hatte. Als nun die beiden jungen Frauen verheiratet waren und die zwischen ihren Gatten obwaltende Feindschaft wahrnahmen, empfanden sie dies mit großer Betrübnis und Verdrossenheit; sie erachteten es für einen unerträglichen Zwang, nicht länger ihr freundschaftliches Verhältnis fortsetzen zu dürfen, an das sie seit ihren zartesten Jahren gewöhnt waren. Klug und verständig aber, beschlossen sie doch, um des Hausfriedens willen nach außen hin auf gewohnte innige Vertraulichkeit zu verzichten und sich nur an gelegenen Orten und zu schicklichen Zeiten den Umgang zu gestatten. Das Glück war ihnen hierin insofern günstig genug, als ihre beiden Paläste dicht nebeneinander lagen und die dazu gehörigen kleinen Gärten hinter ihnen nur durch einen dünnen Zaun voneinander geschieden waren, so daß sie sich täglich sehen und häufig sprechen konnten. Überdies unterhielt die Dienerschaft des einen Hauses hinter dem Rücken ihrer Herren ganz freundlichen Verkehr mit der des andern. Den beiden Freundinnen machte dies das größte Vergnügen: sobald ihre Männer ausgingen, konnten sie mit bester Muße im Garten lange sich miteinander unterhalten, und sie taten dies oft. Unter solchen Verhältnissen vergingen etwa drei Jahre, ohne daß eine von ihnen schwanger geworden wäre. Mittlerweile hatte der Anblick der reizenden Schönheit Madonna Luzias in Anselmo eine solche Leidenschaft entzündet, daß er sich nicht beruhigen zu können meinte, bevor er nicht lange Zeit mit ihr geliebäugelt hätte. Ihr Scharfsinn und ihre Schlauheit versahen sich auch dessen bald, und da sie ihm weder Liebe, noch auch völlige Unbekümmertheit zeigte, hielt sie ihn zwischen Furcht und Hoffen in Ungewißheit, um besser erspähen zu können, worauf seine verliebten Blicke abzielten. Doch tat sie mehr, als ob sie ihn gern sähe, als umgekehrt. Auf der andern Seite hatte das sittsame Wesen, das kluge Betragen und die anmutvolle Schönheit Madonna Isottas Messer Girolamo so gefallen, wie die Vorzüge einer Geliebten nur jemals einem Liebenden. Er wußte nicht ohne ihren holden Anblick zu leben, und es wurde Isotta, die mit ihrem gescheiten Wesen sehr klar sah, sehr leicht, diese unerwartete Liebe zu bemerken. Sie war aber sehr keusch und ehrbar, liebte auch ihren Gatten im höchsten Grade, und machte daher Girolamo ein ebenso freundliches oder nicht freundliches Gesicht, wie im allgemeinen jedem Bürger oder Fremden, der sie ansah, und pflegte sich zu stellen, als kenne sie ihn gar nicht. Seine Leidenschaft entflammte sich aber mehr und mehr und er verlor ganz die Freiheit, wie einer, dem der Pfeil der Liebe das Herz getroffen hat; er konnte schließlich auf nichts anderes mehr seine Gedanken wenden, als auf sie. Die zwei Freundinnen waren gewohnt täglich zur Messe zu gehen, und zwar meist nach der Kirche San Fantino, weil diejenigen, welche später aufstanden, dort bis Mittag immer eine Messe fanden. Sie hielten sich dann jederzeit in einer kleinen Entfernung voneinander, und ihre beiden Liebhaber fanden sich auch ein und gingen der eine da, der andere dort umher, so daß sie beide für eifersüchtige Ehemänner verrufen wurden, da man sie so hinter ihren Frauen herkommen sah, während doch beide nur bemüht waren, einander auf die Festung Hornberg zu bringen. Es begab sich nun, daß die beiden getreuen Milchschwestern, von denen bis jetzt noch keine das Geheimnis der andern ahnte, sich vornahmen, einander ihre Eroberungen mitzuteilen, damit sie nicht etwa im Verlaufe der Zeit dem zwischen ihnen bestehenden guten Vernehmen Störung bereiten. Dieser beiderseitige Beschluß führte sie eines Tages, als ihre Männer beide ausgegangen waren, an der gewohnten Stelle am Gartenzaun zusammen. Als sie sich trafen, lachten sie einander zu gleicher Zeit ins Gesicht, und nach den gewohnten freundlichen Begrüßungen nahm Madonna Luzia folgendermaßen zuerst das Wort: Meine liebe Schwester Isotta, du weißt noch garnicht, daß ich dir eine allerliebste Geschichte von deinem Herrn Gemahl zu unterbringen habe.

Und ich, fiel Madonna Isotta sogleich ein, habe dir ein Abenteuer von dem deinigen zu erzählen, das dich in nicht geringes Erstaunen, wo nicht gar in gewaltigen Zorn versetzen wird.

Was ist denn?

Und was ist denn? sprach eine zu der andern. Und am Ende erzählte jede, was ihr Gatte im Schilde führte. Obgleich voll Unwillens gegen ihre Gatten, mußten sie doch hierüber sehr lachen. Sie waren freilich der Meinung (und mit vollem Recht) sie seien vollkommen hinreichend und geeignet, die Wünsche ihrer Männer zu befriedigen; daher fingen sie an, diese zu schmähen, und behaupteten, sie verdienten es, daß ihnen Hörner wachsen, wenn sie ebenso unehrbare Frauen wären als sie unvorsichtige und pflichtvergessene Männer. Nachdem sie nun hierüber viel hin und hergeredet hatten, beschlossen sie unter sich, es sei das geratenste, gemeinschaftlich abzuwarten, wie ihre Männer ihre Absichten weiter verfolgen werden. Sobald sie dann unter sich verabredet hatten, wie es wohl am passendsten wäre, sich zu verhalten, auch wie sie sich täglich über alles Vorfallende in Kenntnis setzen wollten, ließen sie es ihre erste Sorge sein, ihre Liebhaber mit schmachtenden und verlockenden Blicken enger in ihr Garn zu locken und mit falschen Hoffnungen auf ihre Gunst zu erfüllen. Sie gingen daher aus den Gärten hinweg, und wenn sie in San Fantino oder in Venedig selbst zufällig einen erblickten, schlugen sie mit lächelnder Miene, lustig und keck ihren Schleier beiseite. Als nun die zwei Liebenden sahen, welche freundlichen Gesichter ihnen ihre Geliebten machten, meinten sie, da kein Mittel sei, mit ihnen zu reden, müßten sie zu Briefen ihre Zuflucht nehmen. Sie suchten daher gewisse Botinnen, an denen unsere Stadt immer sehr großen Überfluß hat, und jeder schrieb der seinigen einen Liebesbrief des Inhalts, daß jeder aufs Höchste wünsche, zu geheimer Unterredung sich mit ihr zusammen zu finden. Nach wenigen Tagen, fast gleichzeitig, schickten sie die Briefe ab. Die verschlagenen Frauen nahmen die Briefe an, erwiesen sich aber anfangs gegen die Kupplerinnen etwas spröde; nach gegenseitiger Übereinkunft jedoch erteilten sie ihnen eine Antwort, welche mehr Hoffnung, als das Gegenteil enthielt. Sie hatten einander die Briefe, sobald sie eingelaufen waren, gezeigt und viel darüber gelacht. Sie dachten, ihr Plan gelinge ihnen vortrefflich; jede behielt den Brief ihres Gatten für sich und sie verabredeten, ohne daß eine der andern zu nahe trete, durch eine köstliche List ihre Männer zu verführen. Und hört nun, auf welche Weise! Sie beschlossen nämlich, sich erst gehörig von ihnen bitten zu lassen und ihnen sodann zu wissen zu tun, sie seien bereit, ihre Wünsche zu befriedigen, so oft die Sache auf geheime Weise geschehen könne, ohne daß es jemand wisse, und so oft er sich getraue um eine Zeit, wo ihr Mann ausgegangen sei, in ihr Haus zu kommen, natürlich nur bei Nacht, da bei Tag, ohne Gefahr der Entdeckung, dies nicht möglich wäre. Dagegen hatten die scharfsichtigen und gescheiten Frauen mit ihren Dienerinnen, die vollständig ins Vertrauen gezogen waren, die Abrede getroffen, durch den Garten eine in der andern Haus zu kommen und daselbst, in die Schlafzimmer verschlossen, ohne Licht ihre Gatten zu erwarten, sich aber unter keiner Bedingung sehen zu lassen oder zu erkennen zu geben. Nachdem diese Abrede getroffen und festgesetzt war, ließ Madonna Luzia zuerst ihrem Geliebten sagen, er solle in der nächsten Nacht um vier Uhr durch die Haustüre nach dem Kai, die er offen treffen werde, ins Haus treten; dort werde eine Dienerin bereit stehen, um ihn in ihr Zimmer zu führen, da Messer Girolamo am Abend in der Barke nach Padua abfahren werde; sollte indes diese Reise nicht zustande kommen, so wolle sie ihn davon in Kenntnis setzen. Das Gleiche ließ Madonna Isotta Messere Girolamo sagen und bestimmte ihm als Zeit fünf Uhr, weil er alsdann bequem eintreten könne, indem Messer Anselmo heute Abend mit ein paar Freunden speise und in Murano übernachte. Die beiden Verliebten sahen sich auf diese Nachrichten für die beglücktesten Menschen an, als dürften sie die Sarazenen aus Jerusalem jagen oder dem Großtürken das Kaisertum von Konstantinopel entreißen und den Helm ihres Feindes mit einem besonderen Schmucke krönen. Sie wußten sich vor übergroßer Wonne gar nicht zu lassen und vor Sehnsucht nach der Nacht schien ihnen jede Stunde des Tages eine Ewigkeit. Als der von Allen so ersehnte Abend endlich genaht war, überredeten die vergnügten Ehemänner ihre Frauen, oder glaubten wenigstens sie überredet zu haben, wichtige Angelegenheiten verhindern sie, diese Nacht im Hause zuzubringen. Die schlauen Frauen, welche ihr Schifflein gut im Gange sahen, taten, als glaubten sie alles. Die jungen Männer nahmen jeder seine Barke, oder, wie es bei uns heißt, Gondel, fuhren, nachdem sie in einem Gasthause zu Nacht gespeist, in den Kanälen der Stadt spazieren und erwarteten die festgesetzte Stunde. Um drei Uhr kamen die Frauen im Garten zusammen und begaben sich, nachdem sie viel gescherzt und gelacht hatten, eine jede in der andern Haus, wo sie von den Dienerinnen in das Schlafgemach geführt wurden. Dort nahm jede bei brennendem Lichte das ganze Zimmer, seine Lage und was darin war, genau in Augenschein und prägte sich aufs Sorgfältigste alles Merkwürdige ins Gedächtnis. Darauf aber löschten sie das Licht aus und sahen mit Zittern und Zagen der Ankunft ihrer Männer entgegen. Punkt vier Uhr stand Madonna Luzias Dienerin an der Tür und erwartete die Ankunft Messer Anselmos. Er war nicht säumig, zu kommen, und ward von der Dienerin froh hineingeführt, an die Schlafkammer geleitet, hineingebracht und an das Bette gestellt. Hier war alles dunkel, wie in einem Wolfsrachen, und daher war keine Gefahr, daß er seine Gattin erkenne. Die beiden Frauen waren überdies an Größe und Sprache sich so ähnlich, daß man sie in dieser Dunkelheit nur äußerst schwer unterscheiden konnte. Der gute Anselmo entkleidete sich und wurde von der Frau liebevoll empfangen. In der Meinung, Girolamos Gattin zu umarmen, nahm er aber seine eigene Frau in die Arme, küßte sie tausendmal auf das Zärtlichste und wurde eben so oft von ihr hold wieder geküßt. Sodann machte er sich an den Genuß der Liebe und sie spielten mehrere Partien im Minnespiel, wobei immer die Frau verlor, zu Anselmos großem Vergnügen. Girolamo erschien ebenso um die fünfte Nachtstunde, wurde von der Zofe in die Schlafkammer geführt und schlief bei seiner eigenen Gattin, zu viel größerer Befriedigung seiner, als seiner Frau. Die beiden jungen Männer, in der Meinung ihre Geliebten im Arme zu haben, taten auch, um als frische und rüstige Ritter zu erscheinen, viel besser ihre Schuldigkeit, als gewöhnlich, und wohnten ihren Frauen mit so herzlicher Neigung und Liebe bei, daß nach dem Willen des Höchsten, wie die Geburt seiner Zeit erwies, die Frauen jede ein sehr schönes Knäblein empfingen, worüber sie, da sie bisher noch keine Kinder gehabt, beide sehr vergnügt und glücklich waren. Der geheime Umgang währte eine geraume Zeit, und es verging selten eine Woche, wo sie nicht eine Nacht zusammengekommen wären. Dessen ungeachtet erkannten die Betrogenen ihre Täuschung nicht und schöpften nicht den mindesten Verdacht und konnten auch um so weniger Argwohn schöpfen, als nie ein Licht in die Schlafkammer gebracht wurde und die Frauen bei Tag jede Zusammenkunft verweigerten. Ihre Schwangerschaft schritt mittlerweile bedeutend vor, und die Männer empfanden ungemeines Ergötzen daran, indem sie vollkommen überzeugt waren, jeder dem andern den Hörnerschmuck auf den Helm gesteckt zu haben. Und doch hatten sie nur ihren eigenen, nicht den fremden Acker gepflügt und ihre rechtmäßige Besitzung begossen. Als sich nun die treuen schönen Freundinnen in diesem verwirrten Liebeshandel schwanger geworden sahen, was ihnen früher noch nie begegnet war, fingen sie an, unter sich zu überlegen, auf welche Art und Weise sie sich von diesem Unternehmen losmachen könnten, besorgend, es möchte irgendein Ärgernis entstehen, welches Veranlassung werden könne, die Feindschaft zwischen ihren Männern noch zu vergrößern. Während sie so dachten, ereignete sich etwas, was ihnen aus der Verlegenheit half, und den Verkehr abbrach, wenn auch nicht auf eine Art, wie sie es wünschten. An demselben Strome und Kanäle, nicht weit von ihren Häusern, wohnte nämlich eine sehr schöne artige junge Frau, die noch nicht ganz zwanzig Jahre alt, kurz zuvor durch den Tod ihres Gatten, Messer Niccolo Delfino, Witwe geworden war, die Tochter Messer Giovanni Moros; sie hieß Gismonda. Dieselbe besaß außer ihrer väterlichen, auf mehr als zehntausend Zechinen sich belaufenden Mitgift eine schöne Summe Geldes, viele Edelsteine, Silbergeräte und andere Kostbarkeiten, die ihr ihr Mann als Morgengabe zum Geschenk gemacht hatte. Aloise Foscari, der Neffe des Herzogs, hatte sich heftig in sie verliebt und gab sich alle Mühe, ihre Hand zu erwerben. Er beliebäugelte sie daher den ganzen Tag, und betrieb das Unternehmen durch fortwährende Botschaften und Freiwerbungen so ernstlich, daß sie sich dazu verstand, in einer Nacht, an einem Fenster ihres Hauses, das auf ein kleines Gäßchen sah, ihn anhören zu wollen. Aloise, äußerst erfreut über eine so ersehnte Nachricht, ging, als die Nacht kam, gegen fünf oder sechs Uhr mit einer Strickleiter (denn das Fenster war sehr hoch) ganz allein dahin. Dort angelangt machte er das angegebene Zeichen und wartete nach der Verabredung, bis seine Geliebte den Bindfaden herabließ, um die Leiter emporzuziehen, was auch in kurzem geschah. Nachdem er die Leiter an dem Bindfaden festgeknüpft hatte, sah er sie in kurzem emporziehen. Sobald Gismonda die Spitze der Leiter in der Hand hatte, befestigte sie sie irgendwo und machte dann dem Liebhaber ein Zeichen, empor zu steigen. Von der Liebe kühn gemacht, stieg er keck die Stufen hinan und hatte fast schon das Fenster erreicht, als er, aus übermäßiger Begierde, hineinzuspringen und die Geliebte zu umarmen, oder aus was immer für einem Grunde rückwärts hinunterfiel. Zwei oder dreimal versuchte er, sich wieder an der Leiter anzuklammern, aber es gelang ihm nicht. Doch half es ihm so viel, daß er die Gewalt des Falles brach und nicht so heftig auf das Backsteinpflaster stürzte; wäre dies geschehen, so wäre er ohne allen Anstand des Todes gewesen. Nichts destoweniger stürzte er mit solcher Heftigkeit herab, daß es ihm fast alle Glieder zerschlug und eine tiefe Wunde im Kopfe beibrachte. Hielt sich nun gleich der unglückliche Liebhaber in Folge dieses elenden Falles für eine Beute des Todes, so blieb doch seine heiße und echte Liebe für die junge Witwe stärker und mächtiger in ihm, als der übergroße Schmerz von der heftigen Erschütterung und die Ermattung seines fast ganz lahmen zerschlagenen Körpers. Er raffte sich daher auf, so gut es möglich war, hielt sich den Kopf schnell mit beiden Händen fest, um das Blut nicht hier ausströmen zu lassen, wo es seine Geliebte hätte verdächtigen können, und schleppte sich bis auf den Steinweg vor den Häusern der früher genannten Feinde Anselmo und Girolamo. Mit größter Anstrengung seiner Kräfte war er so weit gekommen; nun aber vermochte er nicht mehr weiter zu gehen; von unsäglichem Schmerz gepackt, konnte er nicht mehr, er sank ohnmächtig wie tot zu Boden, das Blut stürzte aus der Wunde, und er lag ausgestreckt auf der Erde, so daß, wer ihn gesehen hätte, ihn ganz und gar für tot hätte halten müssen. Madonna Gismonda, äußerst betrübt über diesen schweren Unglücksfall und sehr fürchtend, der arme Liebhaber möchte den Hals gebrochen haben, tröstete sich wieder einigermaßen, als sie ihn weggehen sah, und zog die Leiter in ihr Zimmer herauf. Doch kehren wir zu dem unseligen Liebhaber zurück! Kaum war er halb tot und ohnmächtig niedergesunken, als einer der bei Nacht Wache habenden Hauptleute mit seinen Häschern herankam, ihn hegen sah, für Aloise Foscari erkannte und als einen Toten in die nächste Kirche schaffen hieß, was sogleich geschah. In Betracht des Orts aber, wo er ihn gefunden hatte, vermutete er, Girolamo Bembo oder Anselmo Barbadigo, vor deren Häusern der Mord begangen zu sein schien, seien die Täter. Er glaubte dies um so mehr, weil er ein leises Geräusch von Fußtritten an einer von ihren Türen gehört zu haben meinte. Er teilte daher seine Begleitung, schickte einen Teil rechts, den andern links, und bemühte sich, so gut als möglich, die Häuser zu umstellen. Der Zufall wollte, daß er wegen der Fahrlässigkeit der Mägde beide Haustüren offen fand. Es waren nämlich in jener Nacht die beiden Verliebten wieder jeder in das Haus des andern gegangen, um bei ihren Frauen zu schlafen. Die Frauen aber, als sie das Trappen und den Lärm der Schergen im Hause hörten, sprangen plötzlich aus dem Bette, nahmen ihre Kleider auf den Rücken und schlichen durch den Garten, von niemand gesehen, in ihre Häuser, wo sie zitternd abwarteten, was hieraus werden solle. Girolamo und Anselmo wußten nicht, was der Lärm bedeute, und während sie in der Dunkelheit sich beeilten, sich anzukleiden, wurden sie von den Häschern der Nachtwache verhaftet, und fielen so, Girolamo in Anselmo's, Anselmo in Girolamo's Schlafzimmer, in die Hände der Gerechtigkeit. Der Hauptmann und die Häscher verwunderten sich darüber nicht wenig, da alle die zwischen beiden herrschende Feindschaft wohl kannten. Als man aber viele Lichter anzündete und die beiden Edelleute aus dem Hause führte, war ihr eigenes Erstaunen noch viel größer, als sie sahen, wie einer in des andern Hause fast nackt festgenommen war. Mit diesem Erstaunen wuchs auch ihr Unwille gar sehr, wie jeder sich einbilden und vorstellen mag. Über alle Begriffe aber waren sie erbittert auf ihre so unschuldigen Frauen und einander selbst warfen sie die grimmigsten Bücke zu. Sie wurden nun weggeführt und stießen bereits den Kopf an die Kerkerwand, noch ehe sie die Ursache ihrer Gefangenschaft erfuhren. Als sie hernach erfuhren, daß sie als Mörder Aloise Foscaris eingesetzt seien, waren sie, obgleich weder Mörder noch Diebe, darüber sehr betrübt, daß nun, wie sie wohl sahen, ganz Venedig erfahren werde, daß sie, deren Todfeindschaft so ziemlich allbekannt war, in einem Punkte Genossen geworden waren, wo eine Genossenschaft niemals hätte eintreten sollen. Und obgleich sie es nicht über sich gewannen, miteinander zu sprechen, da sie sich aufs Tötlichste haßten, so waren doch beider Gedanken auf denselben Punkt gerichtet. Am Ende aber siegte die Fülle des bittersten Grolls gegen ihre Weiber und die Dunkelheit des Orts, wo kein Lichtstrahl eindringen konnte, was ihnen zum guten Teil ihre Verlegenheit nahm und sie kamen, ich weiß selbst nicht wie, in ein Gespräch miteinander und gaben sich mit erschrecklichen Eiden das Wort, sich die Wahrheit zu offenbaren, wie es komme, daß sie beide einer in des andern Schlafkammer seien gefangen genommen worden, worauf denn jeder freimütig erzählte, wie er es angefangen habe, um in den Besitz der Gattin seines Nachbars zu gelangen. Sie offenbarten sich in dieser Beziehung Alles mit den kleinsten Umständen. Sonach mußten sie ihre Frauen für zwei der schamlosesten Buhlerinnen in Venedig halten und diesen zum Trotz vergaßen sie ihre alte eingewurzelte Feindschaft, söhnten sich miteinander aus und wurden Freunde. Sie meinten die Blicke der Menschen nun nicht mehr ertragen zu können und mit verhüllter Stirn durch die Stadt gehen zu müssen; das verstimmte sie denn dermaßen, daß sie den Tod dem Leben weit vorgezogen hätten. Da ihren empfindlichen Kummer auch nicht der mindeste Trostgrund linderte, und sie gar keinen Ersatz dafür wußten, ergaben sie sich beiderseits einer unbegrenzten Verzweiflung, bis sie endlich den einzigen Weg gefunden zu haben meinten, auf einen Schlag von allem Kummer, aller Schmach und dem Leben selbst befreit zu werden. Sie beschlossen nämlich durch eine Fabel, die sie ersannen, sich als Aloise Foscaris Mörder anzugeben. Nach verschiedenem Hin- und Herreden bestärkten sie sich immer mehr in einen so grausamen sträflichen Vorsatz, billigten ihn jeden Augenblick mehr und erwarteten sehnlich, von dem Gerichte verhört zu werden. Wie gesagt, war der Foscari in eine Kirche gebracht und dort dem Kapellan angelegentlich empfohlen worden. Der geistliche Herr ließ ihn mitten in der Kirche niederlegen, zündete zu beiden Seiten desselben zwei kleine Wachslichter an und gedachte, als die Scharwache sich wieder entfernt hatte, selbst noch einmal sein wohl noch nicht kalt gewordenes Bett zu besteigen und vollends auszuschlafen. Da es ihm aber schien, daß die schon ziemlich weit heruntergebrannten Lichtstümpfchen nicht mehr über zwei oder drei Stunden brennen würden, nahm er zwei große und stellte sie statt der halbverbrannten auf, damit, wenn ein Verwandter des Toten oder sonst jemand käme, ihm keine Vernachlässigung Schuld gegeben werden könnte. Indem er nun weggehen wollte, nahm er wahr, daß der Leichnam sich zu bewegen anfing; ja, wenn er ihm fest ins Gesicht schaute, war es ihm, als öffne er ein wenig die Augen. Der Mann Gottes entsetzte sich darob höchlich und hätte beinahe laut aufschreiend die Flucht genommen. Indessen faßte er doch Mut, trat zu dem Körper heran, legte ihm die Hand auf die Brust und fühlte das Klopfen des Herzens, woraus er sich überzeugte, daß noch Leben in ihm sei, wiewohl der übergroße Blutverlust es aufs Äußerste geschwächt haben müsse. Er rief seinen Kollegen, der schon zu Bette gegangen war, zurück, trug mit dessen und eines Altarknaben Hilfe, so schonend er konnte den Foscaro in sein eigenes, an die Kirche stoßendes Wohnzimmer, und ließ sodann einen in der Nähe wohnenden Wundarzt kommen, damit dieser die Kopfwunde sorgfältig untersuche. Der Chirurg nahm die Wunde genau und gründlich in Augenschein, reinigte sie, so gut er konnte, von dem geronnenen Blute und erkannte bald, daß sie nicht tötlich war. Er wandte daher Öle und andere köstliche Salben so geschickt an, daß Aloise fast ganz wieder zur Besinnung kam. Er rieb sodann den ganzen verwundeten Körper mit einem stärkenden Balsam ein und überließ ihn nun der Ruhe. Der geistliche Herr schlief darauf noch ein Stückchen, bis der Tag anbrach, und eilte dann mit der guten Nachricht, daß Foscari lebe zu dem Hauptmann, welcher ihm denselben zur Obhut anvertraut hatte, hörte aber, er sei in den Sanct Marcuspalast gegangen, um mit dem Fürsten zu reden. Er ging deshalb auch dorthin, wurde vorgelassen und erfreute den Herzog sehr durch die Gewißheit von dem Leben seines Neffen, nachdem kaum eben der Hauptmann ihn durch die Nachricht von seinem Tode sehr betrübt hatte. Der Fürst befahl einem der hohen Gerichtsbeamten mit zwei berühmten Wundärzten in Begleitung dessen, der die Kur seines Neffen schon begonnen hatte, zur schicklichen Stunde zu dem Kranken zu gehen und seinen Zustand genau wahrzunehmen, wodann die drei Ärzte sorgen und besorgen sollten, was zur Herstellung des Kranken dienlich sei. Sobald es ihnen daher Zeit schien, gingen der wachehabende Edelmann und die Ärzte hin, sie ließen in das Haus des Priesters den Mann rufen, welcher zuerst den Kranken gepflegt hatte, und nachdem sie von ihm vernommen hatten, daß die Wunde, wenn auch gefährlich, doch nicht tötlich sei, traten sie in die Schlafkammer, wo der Jüngling ruhte. Da sie ihn wachfanden, obgleich er noch etwas betäubt war, begannen sie ihn eindringlich zu fragen, wie die Sache gegangen sei und forderten ihn auf, nur alles frei zu gestehen, da sie schon der erste Arzt versichert habe, daß die Wunde nicht von einem Degen herrühre, daß er vielmehr von einer Höhe herabgefallen oder von einer Masse getroffen worden sei; nach allem aber, was man habe erfahren können, müsse man annehmen, er sei hoch herabgefallen und habe sich den Kopf zerschellt. Durch diese Fragen der Ärzte war Aloise überrascht, und ohne viel zu überlegen, gab er die Höhe des Fensters und die Besitzerin des Hauses an. Kaum aber hatte er es gesagt, so reute es ihn sehr. Ja, der peinigende Schmerz, den er darüber empfand, regte seine schlummernden Lebensgeister mit einem Male dermaßen auf, daß er lieber zu sterben, als etwas zur Unehre von Madonna Gismonda zu bekennen beschloß. Der Edelmann von der Nachtwache fragte ihn weiter, was er um diese Stunde im Hause und an einem so hohen Fenster von Madonna Gismonda gewollt habe. Da er bei der Amtseigenschaft des Fragenden hierauf nicht schweigen konnte, und doch nicht wußte, was er sagen sollte, faßte er plötzlich bei sich den Beschluß, wenn die Zunge durch unüberlegte Worte gefehlt habe, so solle der Körper die Strafe dafür leiden. Ehe daher irgendwie die Ehre derjenigen befleckt würde, die er mehr alt sein Leben liebte, entschloß er sich, sein Leben und seine Ehre in die Hand der Gerechtigkeit zu legen und sprach: Ich habe schon gesagt, und bin nicht gemeint, es zu widerrufen, daß ich von den Fenstern des Hauses der Madonna Gismonda Mori herabgefallen bin. Und was ich um diese Stunde dort suchte, will ich Euch gleichfalls sagen, da ich doch jedenfalls des Todes bin. Ich dachte, daß Madonna Gismonda als junge Witwe keine Männer im Hause habe, um sich zu verteidigen, weshalb ich sie berauben könne; denn es heißt, sie sei sehr reich an Juwelen und Geld. Ich ging hin, um ihr Alles zu stehlen; ich hatte durch besondere Werkzeuge eine Leiter am Fenster zu befestigen gewußt und stieg daran mit dem festen Vorsatze empor, jeden zu töten, der mir Widerstand leisten würde. Mein Unglück wollte aber freilich, daß die nicht wohl angebrachte Leiter, unter meiner Last abreißend, mit mir zu Boden fiel; ich meinte, mit der Strickleiter noch mein Haus erreichen zu können, und schleppte mich hinweg, wurde aber unterwegs, wo, weiß ich nicht, ohnmächtig.

Der Nachtpolizeimeister, Messer Domenico Maripetro, erstaunte nicht wenig über dieses Bekenntnis und betrübte sich darüber um so mehr, als alle in dem Zimmer Anwesenden es vernommen hatten, und das waren, wie dies in solchem Falle geschieht, nicht wenige. Er wußte sich aber nicht anders zu helfen und sagte: Aloise, du bist doch ein gar zu großer Tor gewesen. Du dauerst mich sehr; aber ich bin dem Vaterland und meiner Ehre mehr Rücksicht schuldig, als irgend jemand. Du bleibst deshalb hier unter der Aufsicht, die ich dir lassen werde. Wärest du nicht in dem Zustande, in dem ich dich finde, so würde ich dich augenblicklich, wie du es verdienst, in den Kerker abführen lassen.

Er gab dem Jüngling eine starke Wache bei und verfügte sich unverweilt in den Rat der Zehn, der erlauchtesten und angesehensten Behörde in unserer Stadt, und da er die Herren des Rates gerade versammelt fand, erstattete er ihnen über das Ganze ausführlichen Bericht. Die Häupter des Rats, bei denen schon seit langem unzählige Klagen über mehrere freche Diebstähle, die in der Stadt nächtlicherweile verübt wurden, vorkamen, befahlen einem ihrer Hauptleute, Aloise Foscari im Hause des Priesters unter sorgfältigster Obhut zu halten, bis er imstande sei, gerichtlich vernommen und durch Anwendung der Folter zum Bekenntnisse der Wahrheit genötigt zu werden, angenommen nämlich, daß man ihn ganz gewiß als den Urheber oder mindestens als den Mithelfer vieler anderer begangener Räubereien ansehen könne. Es kam sodann die Angelegenheit des Girolamo Bembo zur Sprache, welcher im Schlafzimmer Anselmo Barbadico's und die des Anselmo, der im Schlafzimmer Girolamo's um Mitternacht halb nackt aufgegriffen und gefangen gesetzt worden waren. Da man aber über andere ungleich wichtigere Dinge, nämlich über den Krieg zu verhandeln hatte, den man mit Filippo Maria Vesconte, Herzog von Mailand, führte, so ward beschlossen, sie auf ein andermal zu vertagen und die Gefangenen inzwischen vernehmen zu lassen. Der Fürst war fortwährend im Rate gegenwärtig gewesen und einer von denen, die am strengsten gegen den Neffen gesprochen hatten. Nichtsdestoweniger fiel es ihm schwer, zu glauben, daß sein Neffe als ein so reicher und feingebildeter Mann, sich zu dem verächtlichen und gemeinen Laster des Diebstahls erniedrigt haben sollte. Er trug deshalb in seinem Sinn mancherlei Bedenklichkeiten und brachte zuletzt die Wahrheit von seinem Neffen heraus, da er Gelegenheit fand, im tiefsten Geheimnis mit ihm sprechen zu können. Auf der andern Seite bekannten Anselmo und Girolamo, als sie von dem dazu verordneten herrschaftlichen Beamten befragt wurden, was sie jeder in des andern Hause um solche Stunde gesucht haben, daß sie, nachdem sie Aloise Foscaro oftmals zu ungewöhnlicher Stunde vor ihren Häusern haben vorübergehen gesehen, in dieser Nacht zufällig und unabhängig voneinander bemerkt haben, wie er vor denselben stehen bleibe; sie seien beide der Überzeugung gewesen, dies geschehe um ihrer Weiber willen, seien herausgebrochen, haben ihn in die Mitte genommen und umgebracht. Sie legten dieses Bekenntnis, wie sie es miteinander verabredet hatten, ein jeder einzeln für sich ab. In Betreff des Umstandes, daß sie sich einer in des andern Hause befunden hatten, sagten sie ein nicht eben wohl erfundenes Märchen aus, worin sie sich widersprachen. Als der Herzog alle diese Dinge vernommen hatte, war er im höchsten Grade verwundert und wußte gar nicht, wie er die Wahrheit ausfindig machen sollte. In der folgenden ordentlichen Ratsversammlung, als alle übrigen Geschäfte abgetan waren und man auseinander gehen wollte, sprach daher der erlauchte Fürst, ein Mann von hohem Geiste, der durch alle Grade des Staatsdienstes bis zur höchsten Würde emporgestiegen war, folgendermaßen: Meine Herren, wir haben noch eine Sache zu besprechen, die vielleicht bis jetzt nicht erhört worden ist. Es liegen uns zwei Rechtshändel vor, die nach meinem Dafürhalten einen ganz anderen Ausgang nehmen werden, als zu erwarten sein mag. Anselmo Barbadico und Girolamo Bembo, zwischen denen von jeher eine bittere, ihnen von ihren Vätern vererbte Feindschaft bestand, sind einer in des andern Hause, halb nackt von unseren Schergen festgenommen worden, und haben ohne Folter, ja ohne Androhung derselben auf die einfache Erkundigung unserer Beamten aus freien Stücken bekannt, vor ihren Häusern unseren Neffen Aloise ermordet zu haben. Dieser unser Neffe aber ist am Leben und hat weder von ihnen, noch von sonst jemand eine Wunde erhalten; dennoch bekennen sie sich als seine Mörder. Wer vermag uns diese Widersprüche zu lösen? Ferner hat unser Neffe seinerseits ausgesagt, daß er, um in Madonna Gismonda Moros Hause zu rauben und bei etwaigem Widerstande auch zu morden, ausgegangen und von ihrem Fenster auf die Erde gefallen sei, was bei den vielen jetzt in unserer Stadt zur Klage gekommenen Diebstählen auch anderen Verdacht auf ihn zieht, als könne er der Missetäter sein. So müßte man also mit Foltern die Wahrheit von ihm herausbringen und, wenn er schuldig befunden würde, ihm die verdiente strenge Strafe angedeihen lassen. Als er nun gefunden wurde, hatte er weder eine Leiter, noch Waffen irgendeiner Art bei sich. Hieraus läßt sich schon vermuten, daß die Sache sich anders verhalte. Dieweil nun unter den sittlichen Vorzügen die Mäßigung immer das größte Lob von Allen geerntet hat, auch die Gerechtigkeit, wenn sie nicht gerecht geübt wird, zur Ungerechtigkeit wird, scheint es uns gerecht, in diesem mit so seltsamen Umständen verwickelten Falle eher Mäßigung als strenge Gerechtigkeit zu üben. Und damit ich nicht ohne Grund so zu sprechen scheine, so hört weiter, was ich Euch sage! Die beiden Todfeinde bekennen sich zu etwas, was schlechthin unmöglich ist, weil unser Neffe, wie gesagt, noch lebt; und die Wunde, die er erhalten hat, nicht von einer Waffe herrührt, wie er auch selbst angibt. Könnte es nicht sein, daß Scham, einer in des andern Schlafzimmer gefunden worden zu sein, und ihre Weiber für unehrbar erkennen zu müssen, sie veranlaßt habe, aus Überdruß am Leben sich in die Arme des Todes zu werfen? Wenn wir unsere Nachforschungen hierin mit Fleiß anstellen, so werden wir die Verhältnisse sich anders gestalten sehen, als der gemeine Mann glaubt. Man muß also den Fall sorgfältig prüfen, und um so mehr, als aus ihrem Geständnisse erhellt, daß sie gar nichts aussagen, was den Schein der Wahrheit für sich hätte. Andererseits klagt sich unser Neffe selbst als Dieb an und bekennt überdies, er habe in das Haus von Madonna Gismonda Moro mit dem festen Vorsatze eindringen wollen, umzubringen, wer ihm Widerstand leiste. Unter diesem Grase steckt unseres Bedünkens eine andere Schlange, die sich selbst nicht achtet. Er stand niemals im Rufe solcher Ausschweifungen; nicht der geringste Verdacht dieser Art fiel ihm je zur Last. Ihr wißt ja auch alle, daß er anständige Reichtümer besitzt und des Eigentums anderer Leute nicht bedarf. Seine Diebereien werden wohl anderer Art sein, als er eingesteht. Es will uns also bedünken, ihr Herren, wenn ihr anders mit mir einverstanden seid, daß ihr uns diese Untersuchung am besten ganz allein überlaßt. Wir geben Euch unser fürstliches Wort, uns der ganzen Sache mit der äußersten Gewissenhaftigkeit anzunehmen, und hoffen, sie so zu Ende zu führen, daß uns kein gerechter Vorwurf treffen wird; das Endurteil wollen wir überdies Euch überlassen.

Den Räten gefiel die weise Rede des Herzogs über die Maßen gut; es tat sich beim Abstimmen dar, daß sie insgesamt der Meinung waren, nicht allein die Untersuchung dieser Rechtssachen, sondern auch die Entscheidung durchaus in seine Macht zu stellen. Der bedachtsame Fürst, der über die Angelegenheit seines Neffen bereits vollständig unterrichtet war, richtete nunmehr sein ganzes Augenmerk darauf, nunmehr auch den Grund zu erfahren, warum Bembo und Barbadico sich so törichterweise dessen anklagten, was sie nicht begangen hatten, und nach reiflicher Überlegung und vielen gehaltenen Nachfragen und Verhören, als seines Neffen Wiedergenesung fast ganz vollendet war, daß er hätte umhergehen können, wenn er frei gewesen wäre, glaubte er zuletzt die Lage der beiden gefangenen Ehemänner ziemlich ermessen zu haben und legte seine gemachten Erfahrungen dem Rate der Zehn vor. Er ließ sodann auf eine unverdächtige Art die Nachricht in Venedig verbreiten, Anselmo und Girolamo werden zwischen den zwei Säulen enthauptet, Aloise aber aufgehangen werden, und erwartete nun, was für einen Eindruck dies auf ihre Frauen machen werde. Sobald die Neuigkeit ihren Weg durch Venedig gefunden hatte, sprach man verschiedentlich davon, ja in öffentlichen und Privatkreisen war sonst von gar nichts die Rede. Da nun alle drei Verbrecher den edelsten Geschlechtern angehörten, fingen ihre Verwandte und Freunde an, sich um ihre Rettung auf das Angelegentlichste zu bemühen. Sobald jedoch ihre Bekenntnisse stadtkundig wurden, und, wie es zu gehen pflegt, das Gerücht das Übel immer ärger machte, hieß es, der Foscari habe viele freche Diebstähle eingestanden, so daß kein Freund oder Verwandter für ihn ein Wort einzulegen wagte. Madonna Gismonda, die die Krankheit ihres Geliebten bitterlichst beweint hatte, fühlte, als sie das von ihm abgelegte Bekenntnis vernahm und deutlich erkannte, daß er, um ihre Ehre nicht zu beflecken, lieber sein Leben und seine Ehre miteinander aufopfern wolle, ihr Herz von so glühender Liebe gegen ihn sich entzünden, daß sie fast dadurch starb. Es gelang ihr, es ihm in seinem Kerker wissen zu lassen, er möge gutes Mutes sein und sich beruhigen; sie sei bereit, um ihn vor dem Tode zu schützen, alles was zwischen ihnen vorgefallen, öffentlich und der Wahrheit getreu zu bekennen; zum Zeugnisse derselben sowohl seine ihr geschriebenen Liebesbriefe, als auch die von ihr in ihrem Zimmer aufbewahrte Strickleiter zu zeigen. Als Aloise diese liebevollen Zeugnisse hörte, das seine Angebetete zu seiner Errettung abzulegen sich bereitete, war er der glücklichste Mensch von der Welt. Er ließ ihr unendlich danken und ihr versprechen, sobald er aus dem Kerker befreit sei, sie als seine rechtmäßige Gattin heiraten zu wollen. Die Frau empfand hierüber die größte Freude, da sie ihren teuern Liebhaber mehr als ihr Leben liebte. Madonna Luzia und Madonna Isotta hatten zu gleicher Zeit die Nachricht von dem Tode ihrer Männer erhalten und von Madonna Gismondas Geschichte gehört, und Madonna Luzia insbesondere hatte etwas von einem Weibe darüber munkeln hören, und so ahnten sie nun auch den wahren Zusammenhang der Sache. Sie berieten sich beide miteinander darüber, was zu tun sei, um ihre Männer zu retten, bestiegen eine Gondel und suchten Madonna Gismonda auf. Die drei Frauen teilten sich nun alles Vorgefallene mit und kamen überein, das Leben ihrer Männer zu retten. Die zwei verheirateten Frauen waren nach der Einkerkerung ihrer Männer den beiderseitigen Freunden und Verwandten ihrer Häuser verhaßt geworden, weil jedermann sie für die unkeuschesten Geschöpfe hielt; es hatte sie auch aus diesem Grunde niemand besucht, um sie zu trösten in ihrem Unglück. Als sich nun das Gerücht verbreitet hatte, die Gefangenen sollen von der Gerechtigkeit vom Leben zum Tode gebracht werden, ließen sie ihren Verwandten sagen, sie sollen nur unbesorgt und unbekümmert sein und nicht weiter forschen, aber sich überzeugt halten, daß sie vollkommen ehrbar seien und ihren Männern kein Haar gekrümmt und weder Schaden noch Schande bereitet werden solle. Sie baten sie indes dafür zu sorgen, daß einer der Herren Schirmvögte den Fall zur Verhandlung bringe; im übrigen sollen sie Alles ihnen überlassen, da sie keine Sachwalter und Rechtsbeistände bedürfen. Den Verwandten kam zwar dieses Ansinnen wunderlich genug vor und sie wußten nicht, was sie davon denken sollten, da sie die ganze Angelegenheit als eine sehr schmachvolle und entehrende ansahen. Indessen taten sie doch, was in ihren Kräften stand, zur Befriedigung der an sie gestellten Bitte, und reichten, da sie vernahmen, der Rat der Zehn habe dem Herzog die ganze Untersuchung anheimgestellt, bei dem Fürsten selbst im Namen der drei Frauen ein untertäniges Gesuch ein, worin diese nichts weiter als Gehör begehrten. Der Fürst sah nach seinem Ratschlage also alles sich zum Besten wenden und bezeichnete einen bestimmten Tag, an dem sie vor ihm und dem Rate der Zehn nebst denen des Kollegiums erscheinen sollten. Der Tag kam, die hohen Richter versammelten sich, begierig zu erfahren, welchen Ausgang die Sache nehmen werde. Am Morgen kamen die drei Frauen mit ehrbarem Geleite in den Palast, und als sie über den Sanct Marcusplatz gingen, hörten sie Viele, welche übel von ihnen redeten. Einige schrien, wie die gemeinen Leute vom Volke sind, unverständig genug: Seht da die hübschen sittsamen Madonnen! Macht ihnen Euer Kompliment! Die haben ihre Männer, ohne sie über die Lagunen zu lassen, nach der Festung Hornberg geschickt, und schämen sich jetzt nicht einmal, sich öffentlich zu zeigen, die schamlosen Huren! Es ist gar, als hätten sie ein löbliches Werk vollbracht.

Andere brachten noch schönere Redensarten wider sie vor, und keiner wollte hinter dem andern zurückbleiben. Alle übrigens, als sie Madonna Gismonda darunter sahen, waren der Meinung, sie gehe vor die Herrschaft, um wider Aloise Foscaro klagbar aufzutreten, und so riet keiner die Wahrheit. Die Frauen kamen im Palast an, stiegen jene hohen Marmortreppen empor und wurden in den Saal des Kollegiums geführt, wohin der Herzog sie zum Gehör beschieden hatte. Dorthin kamen mit den nächsten Verwandten die drei Frauen, und der Fürst befahl, ehe noch jemand das Wort ergreife, auch die drei Gefangenen herbeizubringen. Es waren überdies noch viele andere Edelleute gegenwärtig, welche mit größtem Verlangen den Ausgang so seltener Begebnisse erwarteten. Als es still geworden war, redete der Fürst die Frauen also an: Ihr habt uns ersuchen lassen, edle Frauen, Euch ein öffentliches Gehör zu bewilligen; und so sind wir denn bereit, hier zu vernehmen, was ihr uns zu sagen wünschet.

Die beiden gefangenen Ehemänner waren aufs Äußerste gegen ihre Frauen erzürnt und um so mehr von Wut und kochendem Groll erfüllt, als sie dieselben mit kühnem Mut und freier Stirn, wie die schuldlosesten und getreuesten Gattinnen vor dem schreckensvollen und ehrfurchtgebietenden Gerichtshofe stehen sahen. Die beiden getreuen Freundinnen versahen sich jedoch des Zornes ihrer Männer sehr wohl und ließen sich durch sie nicht im mindesten irren, sondern lächelten heimlich für sich und warfen sogar nach Frauenart den Kopf ein wenig wie zum Hohn in die Höhe. Anselmo, der etwas mehr noch, als Girolamo, jähzornig und ungeduldig war, erhitzte sich darüber so sehr, daß durch weit geringeren Zorn schon manche gestorben sind. Er vergaß völlig die Majestät des Orts, auf dem sie standen, und fing an, seiner Frau die härtesten Dinge zu sagen; ja, er wollte ihr fast nach den Augen fahren und hätte, wenn es ihm möglich gewesen wäre, ihr übel mitgespielt. Ungeachtet sich Madonna Isotta von ihrem Gatten in Gegenwart so vieler Herren so schimpflich anschreien hörte, verlor sie doch die Fassung nicht, ergriff vielmehr die ihr vom Fürsten bereits erteilte Erlaubnis zu reden und begann mit heiterem Gesichte und fester Stimme also: Durchlauchtigster Fürst und Ihr erhabene Herren, in Ansehung dessen, daß mein vielgeliebter Ehegatte so ehrenrührige Beschwerden wider mich erhebt, steht zu erwarten, daß Messer Girolamo Bembo die nämliche Gesinnung gegen seine Gemahlin hegen mag. Wollten wir sie nun hierauf ohne alle Erwiderung lassen, so könnte es scheinen, als wäre das Recht ganz auf ihrer Seite und als geständen wir, ein großes Verbrechen an ihnen begangen zu haben. Mit Euer Herrlichkeiten Vergunst fühle ich mich daher genötigt, in Madonna Luzias und meinem Namen zur Verteidigung von uns und unserer Ehre zu sprechen, was mir einfällt; und zwar sehe ich mich genötigt, meinen Plan über das, was ich sagen wollte, zu ändern. Denn hätte er geschwiegen und nicht so rasch sich vom Zorn zu Beleidigungen hinreißen lassen, so hätte ich auf andere Weise für ihre Befreiung und unsere Entschuldigung gesprochen. Dennoch aber will ich, so weit meine schwachen Kräfte reichen, beides zu bewerkstelligen versuchen. Ich behaupte demnach, daß unsere Männer zu Unrecht und gegen Pflicht und Vernunft sich über uns beschweren, wie ich es auf der Stelle handgreiflich zeigen werde. Ich hege die feste Überzeugung, daß ihr Verdruß und herber Kummer nur aus zweierlei Ursachen entspringen kann, nämlich aus dem Mord, welchen sie fälschlicherweise begangen zu haben vorgaben, und aus dem Groll, der ihnen am Herzen nagt, daß wir unkeusche Weiber seien, da jeder in des andern Schlafzimmer, ja fast in des andern Bette ergriffen wurde. Hätten sie aber ihre Hände mit eines andern Menschen Blute befleckt, was sie allerdings peinigen und betrüben müßte, was könnte es denn um Gottes willen uns angehen, wenn sie ohne Rat, Beihilfe und Mitwissen von unserer Seite eine so gräßliche Missetat begangen hätten? Ich kann in der Tat nicht einsehen, wie uns für dieses Vergehen irgendein Vorwurf treffen könnte, und noch weniger, wie sie sich über uns beklagen könnten, denn man weiß ja, daß, wer das Böse tut oder Anlaß gibt, es zu tun, notwendigerweise die verdiente Strafe und strenge Züchtigung nach der Vorschrift der heiligen Gesetze dulden muß, um andern ein Beispiel zu geben, das sie von ähnlichen bösen Handlungen abhält. Doch wer wird uns hier noch widersprechen, wo die Blinden sehen müssen, daß das Recht auf unserer Seite ist, zumal da wir hier Gott sei Dank Messer Aloise lebendig vor uns sehen, der ganz das Gegenteil von dem versichert, was hier diese unsere uns so wenig liebenden Männer törichterweise eingestanden haben? Hätten sie sich verleiten lassen, Hand an Leib und Leben irgendeines Menschen zu legen, so wäre es vernünftigerweise an uns, uns über sie zu beschweren und sehr über sie zu klagen. Denn sie, die vom edelsten Blute geboren sind und als Herren gelten in dieser hochedeln Stadt, die ihre Freiheit immer jungfräulich und rein erhalten hat, wären Schächer, Mörder, Menschen der verworfensten Gattung geworden, indem sie einen so schmählichen Makel auf ihr edles Blut brachten und uns in unserer Jugend in den Witwenstand versetzten. Es übrigt nur noch, daß sie sich über uns deshalb beschweren, daß sie um Mitternacht einer in des andern Schlafzimmer gesehen und festgenommen worden sind; und das ist, wie mir scheint, der Hauptknoten; Grund und Ausgang ihres ganzen Zornes und Ärgers. Das kann ich Euch sagen, denn ich weiß es gewiß, das ist der Nagel, der ihnen das Herz durchbohrt und der einzige Anlaß ihres Mißmutes. Wie Menschen also, die das Ganze nicht gehörig geprüft und Weniges genau in Berechnung gezogen haben, haben sie sich in Verzweiflung angeklagt, das begangen zu haben, was sie nie getan, ja nie entfernt zu tun im Sinne gehabt hatten. Um aber nicht unnötige Worte zu machen und damit das, was ich zu sagen beabsichtige, auf einmal gesagt werde und ihr, gnädige Herren, nicht Eure Zeit über unnötigem Hin- und Herreden verlieret, während Ihr Staatsgeschäfte zu besorgen habt, wäre es mir äußerst lieb, und ich bitte Euch, durchlauchtiger Fürst, sie zu veranlassen, daß sie aussprechen, worüber sie denn sich so bitter gegen uns beschweren.

Im Auftrag des Herzogs von einem der dabeistehenden Herren befragt, erwiderten beide, sie haben ihre Frauen als Buhlerinnen erkannt, die sie doch für durchaus ehrbar hielten und es auch hätten sein sollen, und das sei der ganze Zorn und Grimm, der ihnen am Herzen nage; und da sie solche Schmach nicht ertragen noch es auf sich nehmen können, im Angesichte der Menschen zu leben, haben sie sich aus Verlangen nach dem Tode zu dem Geständnis bewogen gefunden, etwas getan zu haben, was doch nie der Fall gewesen sei. Als Madonna Isotta dies vernahm, fuhr sie in ihrer Rede fort und sagte zu ihrem Gatten und zu Bembo gewandt: Weshalb beschwert Ihr Euch denn nun über uns, daß es nicht gut steht? An uns ist es, darüber uns gegen Euch zu beschweren. Was suchtet denn Ihr, mein Gemahl, in dem Schlafgemach meiner teuern Freundin um diese Stunde? Was fand sich denn dort Besseres, als in dem Eurigen? Und Ihr, Messer Girolamo, wer zwang Euch, das Bett Eurer Gattin zu verlassen und bei Nacht das meines Gatten aufzusuchen? Waren die Leintücher des einen nicht so weiß fein sauber, so wohlduftend wie die des andern? Ich meines Teils, durchlauchtiger Fürst, beklage mich aufs Ernstlichste über meinen Gatten und werde mich unaufhörlich über ihn beklagen, daß er, um eine andere zu genießen, als mich, von mir hinweg und anderswohin gegangen ist, ungeachtet ich noch keineswegs zum Krüppel geworden bin und wohl unter den schönen Frauen dieser unserer Vaterstadt mich sehen lassen kann. Ebenso ist es mit Madonna Luzia, die, wie Ihr seht, gleichfalls den Schönen beigezählt werden kann. In der Tat, ein jeder von Euch hätte mit seiner Gattin zufrieden sein und nicht, wie Ihr schnöder Weise getan habt, sie verlassen sollen, um besseres Brot zu suchen, als Hausbrot. Wie rühmlich ist es, hingebende schöne und brave Frauen zu verlassen, um zu anderen zu gehen! Ihr beschwert Euch über Eure Frauen, und hättet doch über Euch selbst und über sonst niemand Klage führen, neben dieser Klage und Reue aber die größte Geduld üben sollen; denn obgleich ihr zu Hause Euer gutes Auskommen hattet, suchtet Ihr Euch gegenseitig mit Eurer Liebe Schmach anzutun, weil Euch die Hausmannskost verleidet und zum Überdruß geworden war. Aber gelobt sei Gott und unsere weise Vorsicht, denn wenn hier irgendwo Schaden und Schande ist, so muß sie ganz auf Eurer beider Seite sein. Beim Kreuz Gottes, ich sehe nicht ein, wie Ihr Männer eher Erlaubnis haben sollt, zu sündigen, als wir, wiewohl Ihr aus Geringschätzung unseres Geschlechts tun wollt, was Euch am meisten behagt. Nein, so wenig ihr die unbeschränkten Herren seid, so wenig sind wir Sklavinnen; vielmehr wollen wir Eure Genossinnen sein, denn die heiligen Gesetze der Ehe, des ersten Sakraments, das Gott nach der Erschaffung der Welt den Sterblichen gegeben hat, diese Gesetze wollen, daß die Treue eine beidseitige sei, und der Gatte ist ebensowohl gehalten, der Frau treu zu sein, als sie ihm. Was wollt Ihr Euch nun beklagen? Wie man in den Wald schreit, schreit es heraus. Wußtet Ihr nicht, daß die Wage der Gerechtigkeit gerade stehen muß, ohne mehr auf die eine als auf die andere Seite neigen zu dürfen? Lassen wir nun aber den Streit darüber und gehen wir auf den Anlaß über, weshalb wir uns hier vorgestellt haben. Zwei Dinge, gerechtester Fürst, haben uns hierher vor Euer und dieser erlauchten Herren erhabenes Angesicht geführt, da wir sonst nicht gewagt hätten, uns öffentlich zu zeigen; und noch weniger hätte ich die Dreistigkeit gehabt, vor dieser hochansehnlichen Versammlung zu reden, was nur geübten und sehr beredten Männern vergönnt ist, nicht aber uns, die kaum für Nadel und Spindel hinreichen. Einmal haben wir unser Haus verlassen, um zu zeigen, daß unsere Männer keine Mörder sind, weder des Messer Aloise, der hier steht, noch irgendeines andern; und dafür hatten wir hinreichendes und glaubwürdiges Zeugnis. Hierbei brauche ich mich aber nicht aufzuhalten; denn alle Mühe, die mich dieser Punkt hätte kosten können, erspart mir die Anwesenheit Messer Aloises, und von der Ermordung eines andern war ja gar nicht die Rede. Es bleibt uns nun noch eines übrig, nämlich, daß Madonna Luzia und ich den durchlauchtigsten Fürsten ehrerbietig bitten, zu geruhen, mit seiner und dieser erlauchten Herren Gunst und Ansehen uns mit unsern Männern auszusöhnen, und zu machen, daß wir ihre Vergebung erlangen, wenn wir ihnen handgreiflich bewiesen haben, daß wir die Beleidigten, sie die Beleidiger sind und daß unser Fehler, wenn man es so nennen kann, so groß war, als sie es haben wollten. Und um nun zum Schlusse zu kommen, sage ich, daß ich schon von Kindesbeinen an von meiner Mutter seligen Angedenkens, die oftmals meine Schwestern und Madonna Luzia, unsere Milchschwester, mit uns in verschiedentlichen Dingen unterrichtete, sagen hörte, alle Ehre, die eine Frau ihrem Manne antun könne, besteht darin, daß sie sittsam lebe; da ohne Keuschheit eine Frau gar nicht am Leben bleiben dürfte; zumal die Frau eines Edelmanns oder eines andern, wenn sie sich einem Fremden hingibt, ein gemeines Weib wird, auf das man allenthalben mit Fingern zeigt; und auch ihr Mann wird verhöhnt und geschmäht von allen, denn es scheint, dies sei die größte Beleidigung und Verhöhnung, die ein Mann von einer Frau empfangen, und der schmachvollste Tadel, der einem Hause zugefügt werden kann. Das wußten wir, und wollten nicht, daß die ungeregelten und zügellosen Lüste unserer Männer sie zu einem unschicklichen Ziele führten, taten daher durch einen frommen und löblichen Betrug die Vorkehrung, die uns das geringere Übel schien. Ich weiß, daß es überflüssig sein würde, hier der Feindschaft zu gedenken, welche seit vielen Jahren zwischen den Eltern unserer Gatten und dann auch leider zwischen ihnen selbst besteht; es ist in der ganzen Stadt bekannt. Wir sind von der Wiege an miteinander aufgewachsen, und da wir die Feindschaft unserer Männer bemerkten, machten wir aus der Not eine Tugend und wollten lieber unseren holden Umgang meiden, als Anlaß zu häuslichem Zwiste geben. Die Nachbarschaft unserer Häuser bot uns jedoch ein Mittel dar, das Bedürfnis nach Mitteilung zu befriedigen, das uns die widernatürliche Feindschaft versagte und verbot. Wenn sie ausgegangen waren, fanden wir uns nämlich oft in unseren Gärtchen ein, die durch einen einfachen Zaun von Meerschilf voneinander getrennt sind und pflegten dort geselligen Gesprächs. Wir benützten diese Bequemlichkeit mit Vorsicht, und da wir merkten, daß Ihr, unsere Männer, einer in des andern Frau verliebt seid oder vielleicht Euch verliebt stelltet, teilten wir einander diese Eure Liebe mit und lasen immer miteinander die Liebesbriefe, die Ihr uns zuschicktet. Eine andere Schmach wollten wir Euch nicht antun über die Unbill, die Ihr uns, Euren Weibern, antatet, wiewohl es gut gewesen wäre; Euch zu warnen, lag nicht in unserer Absicht, denn wir wollten nichts, als Euch zu Freunden machen; wäre Euch aber etwas gesagt worden von diesem gegenseitigen Verlieben, so hätte das Eure Feindschaft nur vermehrt und Euch die Waffen in die Hand gegeben. Wir berieten uns also miteinander und kamen zu einem gleichen Entschluß überein; wir urteilten, daß unsere Pläne ausgeführt werden könnten, ohne einem der Beteiligten Schaden oder Schande zu bereiten, ja sie müßten zur Freude und Genugtuung Aller ausschlagen. In allen den Nächten also, wo Ihr bald da, bald dorthin zu gehen vorgäbet, kam Madonna Luzia mit Hilfe meiner Dienerin Cassandra durch den Garten in mein Schlafzimmer und ich begab mich vermittelst ihrer Magd Giovanna auf demselben Wege in ihr Schlafgemach. Ihr wurdet durch diese unsere Dienstfrauen in die Zimmer geführt und laget jeder bei seinem Weibe; so habt ihr also Euer eigenes und nicht, wie Ihr meintet, fremdes Feld gepflügt. Es waren aber Umarmungen nicht von Ehemännern, sondern von Liebhabern; so verbandet Ihr Euch uns immer mit heftigerer Lust als gewöhnlich; so daß wir uns beide bald schwanger fühlten. Dies muß Euch im höchsten Grade angenehm sein, wenn es wahr ist, daß Ihr so große Begierde habet, Kinder zu bekommen, wie Ihr Euch anstelltet. Wenn Euch daher kein anderes Vergehen drückt, wenn Euer Gewissen Euch nichts weiter vorwirft, und wenn Ihr über sonst nichts Schmerz fühlt, so heitert Euch auf und dankt unserer List und der heiteren Posse, die wir Euch gespielt haben; und wenn Ihr bis jetzt Feinde gewesen seid, so legt nunmehr den alten Haß ab, versöhnt Euch miteinander und lebt fortan als befreundete Edelleute, Euren Groll dem Vaterlande zum Opfer bringend, das wie eine zärtliche liebreiche Mutter alle seine Söhne in Eintracht sehen möchte. Damit Ihr nun aber nicht etwa glaubt, ich habe alle meine Behauptungen aus der Luft gegriffen und sowohl zu Eurer Errettung, als zu unserer Entschuldigung fälschlich vorgebracht, so sehet hier alle Eure Briefe, die Ihr an uns schriebet.

Es gaben nunmehr beide Frauen ihren Männern so viele Beweise und entscheidende Zeichen an, und sie wußten ihre Gründe dem Fürsten und den Herren so einleuchtend zu machen, daß ihre Männer sich für zufriedengestellt erklärten, die Herren alle gleichfalls ganz befriedigt waren und auch alle einstimmig die beiden Männer freisprachen. So wurden denn beide mit Genehmigung des Fürsten und aller Herren völlig freigegeben. Die Verwandten und Freunde der Ehemänner und ihrer Frauen hatten mit größter Verwunderung die lange Geschichte angehört, sie lobten die geschehene Freisprechung in hohem Grade und hielten beide Frauen für keusch; Madonna Isotta aber erkannten sie auch für eine große Rednerin, da sie ihre eigenen Angelegenheiten, wie die ihrer Männer und ihrer Freundin so gewandt verteidigt hatte. Anselmo und Girolamo umarmten und küßten öffentlich mit großer Freude ihre Frauen, dann gaben sie sich selbst die Hand und küßten sich und schlossen Brüderschaft zusammen, lebten auch fortan in vollkommener Freundschaft und vertauschten die wollüstige Liebe, die sie einer zu des anderen Frau gehabt hatten, mit brüderlichem Wohlwollen, was in der ganzen Stadt große Freude erregte. Sobald die allgemeine Aufregung der Versammlung über diesen Vorfall in etwas nachgelassen hatte, wendete sich der Fürst mit erheitertem Angesicht zu Madonna Gismonda und sagte zu ihr: Und was begehrt Ihr von uns, schöne Frau? Sagt uns Euer Anliegen freimütig! Wir hören Euch mit Vergnügen zu.

Madonna Gismonda wurde über und über rot und erschien noch liebenswürdiger als gewöhnlich durch die natürliche Schamhaftigkeit, die sich über ihre Wangen ergoß; sie hielt eine kleine Weile ihre Augen auf den Boden gerichtet, schlug sie dann schüchtern empor und sprach, nachdem sie ein wenig Zuversicht gewonnen hatte: Wenn ich, durchlauchtigster Fürst, in Gegenwart von Personen sprechen sollte, welche nie geliebt haben oder nicht wissen, was Liebe ist, so wäre ich mehr als zweifelhaft darüber, was ich zu sagen hätte, und würde mich vielleicht gar nicht getrauen, den Mund zu öffnen. Da ich aber oftmals von meinem Vater gottseligen Angedenkens erzählen gehört habe, daß Ihr, durchlauchtigster Fürst, in Eurer Jugend auch nicht verschmäht habt, den Liebesflammen Eure Brust zu öffnen, vielmehr ein zärtlicher Liebhaber waret, und da ich überzeugt bin, daß niemand hier ist, der wenig oder gar nicht geliebt hat, hoffe ich für das, was ich jetzt zu sagen habe, bei Euch allen Mitleid, jedenfalls Verzeihung zu finden. Um also zur Sache zu kommen, so verhüte Gott, daß ich eine der scheinheiligen Frauen werden möchte, die, den ganzen Tag mit den Heiligen redend, Vaterunser verschlingen und Teufel hervorbringen, da ich wohl weiß, daß die Undankbarkeit ein Wind ist, der die Quelle der himmlischen Barmherzigkeit austrocknet und zum Versiegen bringt. Ich liebe das Leben, wie natürlich alle Menschen, und die Ehre zunächst, die ihm vielleicht noch vorangestellt sein sollte, weil es keinem Zweifel unterliegt, daß das Leben ohne Ehre nicht der Mühe lohnt; ein solches Leben ist ein lebendiger Tod, das man mit gebrandmarkter Stirn lebt. Aber die Liebe, die ich für meinen von mir einzig geliebten Messer Aloise Foscari hege, welcher hier gegenwärtig ist, geht mir über alles, und folglich halte ich sie höher als mein Leben und dies mit vollstem Rechte, denn wenn ich auch nicht früher von ihm so sehr geliebt worden wäre, da er mich doch geliebt hat, so sehr man nur lieben kann, und wenn ich ihn auch nicht geschätzt hätte, da er mir doch der teuerste und weit mehr als meine Augen von mir geliebt war, so macht doch der innige Liebesbeweis, den er mir in der letzten Zeit gegeben hat, wo er sich freigebig, ja verschwenderisch mit seinem eigenen Leben gezeigt hat, damit auch nicht der mindeste Verdacht von Unkeuschheit auf mich falle, daß ich ihn unvergleichlich höher achten muß, als mein Leben und meine Seele selbst. Und wo findet sich, daß je eine solche Freigebigkeit von einem Liebhaber so unbedingt geübt wurde? Wer hat je freiwillig den Tod gewählt, um nicht fremden Ruf zu beflecken? Gewiß niemand, glaube ich, oder so wenige, daß diese Gattung so selten und seltener ist, als weiße Raben. O einzige und unerhörte Aufopferung! Das ist ein Liebesbeweis, der nie genug gepriesen werden kann! Das ist eine Liebe, die echte Liebe ist und wo sich keine Erdichtung denken läßt. Messer Aloise, ehe er den geringsten Teil meines Rufes bemakeln oder ein Etwas von Verdacht, der mich beschmutzen könnte, bei irgend jemand aufkommen lassen wollte, hat sich freiwillig als Dieb angegeben, und mich und meine Ehre weit mehr berücksichtigt als die seine und sein Leben. Und wiewohl er sich auf tausend Arten befreien konnte, nachdem er einmal in dem vom Falle noch halb betäubten Zustande gesagt hatte, er sei von meinen Fenstern herabgestürzt, und nun bemerkte, wie sehr dieses Geständnis meine Ehre beeinträchtigen und ihre Reinheit schwärzen könne, zog er freiwillig lieber den Tod vor, ehe er ein Wort sagte, das irgendeine schlimme Meinung über mich oder so viel Schimpf als das kleinste Muttermal hervorbringen konnte. Da er jedoch nicht mehr zurück konnte mit dem, was er schon über den Fall gesagt hatte, auch das einmal Geäußerte nicht so zu drehen war, daß die Sache gut stand, entschloß er sich, den Ruf des Nächsten mit seinem eigenen Schaden zu retten. Wenn er daher so bereitwillig sein Leben zu meinem Nutz und Frommen auf das Spiel gesetzt, und noch weit mehr für die Erhaltung meiner Ehre gesorgt hat, als für seine eigene, sollte ich nicht zu seiner Errettung meine Ehre beiseite setzen? Unbedenklich! Ehre und Leben, und wenn ich tausend Leben hätte, würde ich zu seiner Erhaltung hingeben, und wenn ich es von Neuem tausendmaltausendmal zurück erhielte, so würde ich es eben so oft wieder aufs Spiel setzen, wenn ich nur im Geringsten ihm zu helfen wüßte. Ja, ich beklage mich und werde mich immer beklagen, daß mir nicht vergönnt ist, mehr zu tun, als meine geringe Möglichkeit ist. Wenn er stürbe, könnte ich nicht am Leben bleiben; wenn er nicht da wäre, was sollte ich im Leben tun? Ich glaube darum nicht, gerechtester Fürst, ein Quentchen Ehre zu verlieren; denn da ich, wie man sieht, eine junge Witwe bin und mich wieder zu verheiraten suche, war mir erlaubt, ein Liebesverhältnis anzuknüpfen, freilich zu keinem andern Zwecke, als um einen meinem Stande angemessenen Gatten zu bekommen. Wenn ich aber auch die Ehre verlöre, warum soll ich sie nicht verlieren für den, der um die meinige zu retten, wie so oft schon gesagt wurde, die seinige hat verlieren wollen? Um nun aber zur Sache zu kommen, so sage ich mit aller schuldigen Ehrerbietung, daß es nicht wahr ist, daß Messer Aloise je als Dieb und wider meinen Willen in mein Haus gekommen ist. Er kam vielmehr dahin ganz im Einverständnis mit mir und als teurer und inniger Liebhaber. Hätte ich ihm nicht die Erlaubnis gegeben zu kommen, wie wäre es ihm gelungen, eine Strickleiter so hoch empor zu ziehen und sie oben so fest zu machen, daß sie für immer gehalten hätte? Wenn dieses Fenster zu meinem Schlafzimmer gehört, wie konnte es um diese Stunde offen stehen ohne meine Einwilligung? Ich ließ den Bindfaden hinab, an welchen er die Strickleiter anband, mit Hilfe meiner Magd zog ich sie empor und nachdem ich sie fest gemacht hatte, so daß sie nicht losgehen konnte, machte ich Messer Aloise ein Zeichen heraufzusteigen. Aber sein und mein Mißgeschick wollte, daß er, ohne daß er mir nur hätte die Hand berühren können, zu meinem unsäglichen Schmerze zu Boden stürzte. Er möge daher das frühere Geständnis zurücknehmen, daß er ein Dieb sei, und die Tatsache bekennen, wie sie ist, da ich mich nicht schämte, das Geständnis abzulegen. Hier sind die vielen Briefe, die er mir schrieb, um eine Unterredung mit mir zu erflehen und um meine Hand zu bitten. Hier ist die Leiter, welche bisher in meinem Schlafzimmer geblieben ist. Hier ist meine Dienerin, welche an allem vermittelnd und unterstützend teilnahm.

Messer Aloise gestand auf die Frage der Ratsherren, wie die Sache gegangen war. Er wurde nun ebenso von diesen Herren freigesprochen und wollte seine teure Geliebte als rechtmäßige Gemahlin heimführen. Der Fürst lobte sehr seinen Entschluß. Es gingen daher alle Verwandte beider Teile nach dem Hause Madonna Gismondas, wo er sie zur allgemeinen Freude feierlich heiratete. Es wurde eine kostbare und äußerst prächtige Hochzeit veranstaltet; und Messer Aloise lebte mit seiner Gattin lange Zeit in ungetrübtem Frieden. Madonna Luzia und Madonna Isotta gebaren mit der Zeit zwei schöne Söhnchen, was die Zufriedenheit ihrer Väter nicht wenig erhöhte. Sie lebten mit ihren Müttern ruhig zusammen und belachten unter sich in brüderlichem Einvernehmen oft den ihnen von ihren schlauen Gattinnen gespielten Streich. Das weise Urteil des Fürsten in dieser Sache wurde in Venedig allgemein anerkannt und vermehrte noch um Vieles den großen Ruhm seiner Klugheit.

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