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Übertragung von Walther Petry
Girolamo Parabosco
Vor nicht langer Zeit lebten in der schönen und berühmten spanischen Stadt Valencia zwei italienische Jünglinge, die einiger Geschäfte wegen dorthin gekommen waren; Lucio der eine, Alessio der andere genannt; beide ihrem Heimatlande nach Sienesen. Da sie beide derselben Art Erwerb nachgingen, beide einer Stadt entstammten, war es natürlich, daß sie in kurzem als gute Freunde sich aneinander schlossen: man sah selten Einen ohne den Andern; im ganzen eine Brüderlichkeit, die ohne Beispiel war. Beide waren sie nun seit langem schon in zwei Edelfrauen verliebt, die, jung und schön, in der gleichen tiefen Freundschaft wie die Jünglinge einander zugetan waren. Lucio, einfallsreicher und in Liebeshändeln erfahrener als sein Freund, hatte bereits hundert Wege geglättet, das Herz seiner Dame zu erobern, hatte nichts unversucht gelassen, in Worten, Gebärden und sonstigem seine Liebe darzutun, ihre Größe zu erweisen, ohne daß die Angebetete jedoch anders als mit freundlichen Blicken ihre Geneigtheit bewiesen hätte, ihn zu verstehen. Die beiden Erkorenen waren zwei vornehmen Rittern verheiratet, was die beiden Jünglinge hinderte, geradezu, mit Briefen und Botschaften, sie zu bestürmen; indem sie sich also begnügten, wo sie konnten ihnen Blicke zu geben, lebten sie der Hoffnung, daß der Himmel selbst eines Tages Gelegenheit senden würde, ihre Qual zu entdecken und Mitleid dafür zu erbitten.
Es dauerte auch nur kurze Zeit, daß das Glück, erzwungen durch ihre Standhaftigkeit und Treue, sich ihnen hold erwies. Als nämlich eines Tages die Geliebte des Lucio, Isabella, in die Kirche Santa Monarca tritt, findet sich Lucio, zufällig und durch einen heftigen Regensturz gezwungen Obdach zu suchen, hinzu, sieht sich mit der Dame an dem verschwiegensten Orte der Kirche allein, beschließt eine derart schöne Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen, und tritt also heran, bietet einen höflichen Gruß und erhält von ihr, die von ausgezeichneter Höflichkeit war, eine ebenso höfliche Antwort. Ihre Begleiterin tritt mit offensichtlicher Feinherzigkeit, als ob sie sich etwas ansehen wollte, zurück, vielleicht, weil von der Dame ihr die Neigung Lucios bekannt war und sie glauben mochte, daß ihre Herrin in der Absicht ihn zu sehen in diese Kirche gegangen sei; ihre zarte Rücksicht bemerkend, kommt dem Lucio, in nicht eben kühner Überlegung, der Gedanke, daß sie in ihn verliebt sein könne. Er tritt also vor und beginnt ohne Umschweife folgendermaßen zu sprechen: Schönste und liebenswürdigste Dame, wenn die Macht Eurer Augen und Eurer unglaubhaften Schönheit Euch ganz bewußt sind, werdet Ihr es nicht unfaßbar finden, daß ich Euch ergeben und in Verehrung Euch zugeneigt bin seit dem ersten Tage, wo ich Euch bewundern durfte; so stark ist der Zug meines Herzens, daß seither, und zwei Jahre sind darüber schon vergangen, nichts anderes mehr in meinem Kopf und Herz Raum hat. Merkwürdig, zu glauben, daß ich solange dieses verzehrende Feuer habe ertragen können, ohne bei Euch um Hilfe zu flehen, die Ihr allein sie mir doch gewähren könnt; aber meines Schweigens Grund war Eure Edelheit und die große Liebe, die unziemlich zu Euch sich nicht erhebt. Dies wars, daß ich mir solcher Gunst stets unwürdig erschien, dies ließ mich immer fürchten, ich möchte zum Schaden Eurer Ehre und zum Nachteil Eures Lebens etwas begehen. Und wirklich, hätte der Himmel mir nicht so in seiner Gnade es gewährt, ohne Gefahr mit Euch zu sprechen, ich wäre gestorben, ohne mich zu verraten, obgleich meine Leiden und Schmerzen, um Euch erduldet, in einigem Betracht mich Eures Mitleids würdig machen. Ich bitte Euch also, o einzige Hoffnung meines Lebens, daß Ihr anseht was ich um Euch erlitten; daß Ihr Nachsicht habt und mich erhört; daß Ihr aus dieser Gelegenheit, die ohne unser Zutun der Himmel uns schenkt, erschließt, daß es den Göttern unbillig scheint, ja, daß sie es für Sünde achten, wenn Ihr in Grausamkeit mich länger noch schmachten laßt. Die Dame, nicht weniger herzenserzogen und liebenswürdig als schön und durch das Vorige von Lucios übermächtiger Liebe überzeugt, wollte nicht länger als nötig die Hartsinnige spielen und gab ihm folgende Antwort zurück: Ich kann und mag es nicht leugnen, daß Eure unendliche Liebe schon aus tausend Zeichen zu mir sprach; Liebe, die ich um so höher achtete, für um so wertvoller anschlug, als ich Eure Verdienste und Eure Weisheit kenne, und sah, daß Ihr nicht durch Musik, durch Briefe oder ähnliche gefahrvolle Spiele meine Ehre bedrohtet; so also von Eurer Neigung überzeugt, bedarf es der Worte nicht, mir die erduldeten Leiden noch länger zu schildern. Ich ahne ihre Heftigkeit, ihre Stärke messend an dem Unmöglichen, sie zu offenbaren. Ich habe das alles an mir selbst empfunden, da ich von Sitte und Bildung Eurer Person nicht weniger als Ihr von meiner Schönheit ergriffen war, so Ihr mir hier nicht schmeichelt. Dem Himmel sei Dank für dieses Zusammentreffen, daß uns gefahrloses gutes Sprechen gestattet. Seid überzeugt, daß ich die Eure bin, und wenn sich mir Gelegenheit ergibt, Euch dies zu beweisen, soll keine Zeit mir zu kostbar, kein Mittel zu entlegen sein, es zu tun. Die Danksagungen, Vorschläge und Pläne, die der Jüngling ihr vorlegte, zu erzählen, würde zu weit führen; als wahrer und treuer Freund vergaß er nicht seines lieben Alessio sich zu erinnern, bat Isabella zu versuchen, daß auch er, der auf das Heftigste vor Liebe zu ihrer Freundin glühe, einige Linderung seiner langen Qual empfange; er sprach von ihm als dem wackersten Jüngling und dem treuesten Freund, den man finden könne. Die Dame versprach denn auch, sich auch für seine Herzensruhe und für Belohnung seines langen Dienstes zu bemühen. Wie nun der Regen aufhörte und wie, da es Vesper war, viele Leute in die Kirche strömten, nahm Lucio Abschied von der Dame, ging, und nach kurzem verließ sie ebenfalls die Kirche. Lucio lief zu seinem lieben Alessio, diesem mit überströmender Freude seinen ganzen Erfolg mitzuteilen, ihm versichernd, er habe auch für ihn so viel erreicht, daß er hoffen könne, den Lohn für seine Liebe bald zu ernten.
Während nun die beiden Galane fröhlich auf Nachricht harrten, traf es sich, daß der Dame ein Einfall kam, wie sie auf sichere Art ihren und ihres Liebhabers Wunsch befriedigen könne. Sie ließ sogleich Lucio bestellen, daß er kommende Nacht um acht Uhr begleitet von seinem Alessio bei ihrer Tür sich einfinden solle; man würde sie zu ihrem größten Wohlgefallen und völliger Zufriedenheit einlassen. Nachdem die beiden beratschlagt und übereingekommen waren, beschlossen sie zu gehen; und nachdem die Nacht gekommen war, stellten sie sich zur richtigen Zeit und richtigen Orts ein. Sie waren kaum dort, als die Tür geöffnet wurde und sie eintreten konnten. Aber es war nur Isabella, die ihnen entgegentrat und nach der schuldigen Begrüßung so zu ihnen zu sprechen begann: Lucio, Amor weiß, wie ich tausend Wege und tausend Arten wieder und wieder überlegt habe, dir zu beweisen, wie deine untadeligen Sitten und deine Schönheit mich erobert haben, auch wie ich wünsche, daß du in allem, was dein Begehren ist, befriedigt werdest. Aber unter vielen Gedanken, die ich aufnahm und fallen ließ, konnte ich nur einen finden, dich zu beglücken. Mein Mann, ohne Sinn für weltliche Ehren, denkt nicht mehr daran an den Hof zu gehen, verläßt fast nie die Stadt, treibt nicht die Jagd oder anderes, das ihn aus seinen Wänden locken könnte, was alles große Schwierigkeiten sind; es bleibt deshalb nur übrig, jetzt wo alle Diener auf Jagd gegangen sind, die Lage, wie sie nun einmal ist, zu nutzen: Alessio, dein treuer Freund, muß sich entkleiden, und mir in meine Schlafkammer folgen; er muß sich dort neben meinen Mann, der die Gewohnheit hat, bei seinem häufigen Bewegen und Umdrehen seitwärts nach mir hinzufühlen, ins Bett legen, daß er jemanden findet und glauben kann, ich wäre es; im übrigen kann Alessio so sicher tun, als liege er in seinem Bett; mein Mann ist gewohnt derart bis in den Tag hinein zu schlafen, daß auch ein Erdbeben ihn nicht erwecken würde. Ich habe Euch alles gesagt; und Alessio verspreche ich als Dank für so großen und hingebungsvollen Dienst, daß er noch vor morgen Abend seine geliebte Dame in die Arme schließen wird; sollte er aber, was wir von ihm erbitten, ausschlagen, beweist er wohl, daß er uns nicht liebt, uns bleibt ein anderer Weg als dieser nicht offen und so müssen wir ihn denn wohl gehen.
Der Vorschlag schien Alessio zunächst ein wenig gefährlich; aber überredet von seinem Freunde, getrieben durch die Furcht seine geliebte Dame zu verlieren und ermutigt durch die Hoffnung, die er aus den Worten Isabellas für sich entnahm, bald jedes Vergnügen der Liebe zu genießen, schwur er, alles zu tun, und sei es mit dem Einsatz seines Lebens, über welche Treuehaltung er von seinem Freund und der Dame vielfältig gelobt wurde. Er entkleidete sich also, stand in kurzem in einem schönen Hemd da und folgte der Dame, die ihn nach der gemeinsamen ehelichen Schlafkammer führte. Sie ließ ihn an ihrer Statt leise zu Bette gehen und ging dann zu ihrem wartenden Freund zurück, Alessio mit dem Versprechen tröstend, bald zurückzukehren und ihn heil wieder herauszubringen. Alessio war nun zwar der ergebenste Freund von der Welt, aber so groß sie immer war, ging seine Freundschaft doch nicht so weit, daß er nicht bald traurigen Mutes bereute, sich haben hierher führen zu lassen. Er wagte vor Furcht kaum zu atmen; beim geringsten Geräusch, das das Bett machte, oder das in der Kammer laut wurde, beim Knarren von Tür oder Fenster und beim Pfeifen des Windes empfahl er seine Seele Gott. Bis in den Grund seines Herzens erschrak er beim Gedanken an die Möglichkeit niesen oder gähnen zu müssen! Ach, hielt er mit sich selbst Zwiesprache, wie leichtfertig bin ich gewesen! Wer sagt mir, daß Isabella, der Liebe Lucios überdrüssig und um sich der Verkettung von Gefahr und Unannehmlichkeit zu entziehen, nicht jetzt ihn und mich in diese feingelegte Schlinge gelockt hat; daß ihr Mann, in alles eingeweiht, erst vielleicht noch zweifelnd, aber nun durch diesen offenkundigen Beweis überzeugt, nicht aufspringt und uns alle beide tötet? Indessen ging unter diesen Überlegungen ein Teil der Nacht hin; er sah nicht, daß das Versprechen, ihn aus seiner Lage zu erlösen, gehalten wurde, glaubte sich schon erdolcht und meinte fest, er und sein Kamerad seien hierher zur Abschlachtung geführt. So verbrachte der Unglückliche die ganze endlose Nacht in Not und Herzensangst, sah die Morgenröte sich am lichten Himmel andeuten, sah durch die Spalten der Läden die ersten Strahlen des aufsteigenden Taggestirnes, und begann sich jetzt nur noch mehr zu fürchten, weil ihm ein anderer Gedanke den Zusammenhang der Dinge noch gefährlicher zeigte. Er stellte sich vor, daß Lucio, von Müdigkeit besiegt, in den Armen seiner Herrin und sie in den seinen eingeschlafen sei, und daß deshalb die Dame ihr Versprechen nicht gehalten habe; und er folgerte weiter, daß Lucio, als er seine Verfehlung bemerkt, mit der Dame geflohen sei. Indessen gewann das Licht mehr und mehr an Kraft, durch alle Fenster spielten bereits die Sonnenstrahlen, als er, auf dem Gipfel der Verwirrung, sich schon die Worte zurechtlegte, die am besten seine merkwürdige Lage entschuldigen würden. Während er so halbtot seine Lage besann, öffnete sich die Tür heftig und mit solchem Lärm, daß er nicht nur, der zum Fürchten den ersten Anlaß hatte, sondern alles in der Kammer bebte und schwang. Als er durch den Bettvorhang hinausschielte, sah er seinen Freund und Isabella, beide in trauter Umarmung, hereintreten; unvermögend, den Sinn des Vorganges zu fassen, glaubte er zu träumen, aber bald wurde ihm von seinem Lucio bedeutet, daß die Dinge dieser Nacht, anders als sein angstbestürmtes Hirn es sich dachte, zusammenhingen. Denn Lucio, seinen Namen rufend, riß den Bettvorhang zur Seite, Isabella zog gleichzeitig die Decke fort und sagte mit ihrem zweideutigsten Lächeln: Habt Ihr Eurer Dame gute Gesellschaft geleistet? Und während er hierauf eine Antwort suchte, blickte er seitwärts und erkannte, daß er die ganze Nacht, die ihm höllenmäßige Qualen bereitet hatte, neben der gelegen, die ihm seit langem das Paradies seiner Wünsche bedeutete. Von großer Beschämung, größerer Freude besiegt, verschloß ihm Verwirrung den Mund; er warf sich, um irgendwie die Spannung zu lösen, schweigend, mit einer einzigen Bewegung der Geliebten um den Hals, küßte sie mehr als tausend mal; sie, die die Augen ebensowenig wie er während der ganzen Nacht geschlossen hatte. Und da erzählte dann die Dame Alessio, daß die beiden Ritter, ihre Eheherrn, gestern zu Hofe gegangen waren, was ihnen Zeit und Gelegenheit zur Ausführung ihres Planes gegeben hatte; sie bat ihn wegen der jammervollen Nacht, die sie ihm bereitet, um Verzeihung; ihn als den ergebensten und treuesten Kameraden preisend, der in der Welt nur zu finden sei; weiterhin dankte sie ihrer Freundin, daß sie ihr Versprechen gehalten und eine ganze langgedehnte Nacht sich dem Liebhaber nicht zu erkennen gegeben hatte, was, wie sie sagte, Zeichen eines festen und beständigen Herzens sei, von einer Art, wie man sie noch nicht gesehen. Dieses Ende hatte die Intrigue der klugen Isabella, und man kann wohl glauben, daß die beiden Jünglinge den beiden Frauen noch oft in herzlicher Liebe beilagen, ob ihre Männer nun zu Hofe gegangen waren oder nicht.
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