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Übertragung von A. v. Keller

Giovanni Fiorentino

Die Kunst zu lieben

In Rom lebten in dem Hause der Savelli zwei Freunde und Gefährten, wovon der eine Bucciuolo und der andere Pietro Paolo hieß, beide von guter Herkunft und reich an irdischen Gütern. Diese beschlossen der Studien wegen nach Bologna zu gehen, wo der eine bürgerliches, der andere kanonisches Recht hören wollte; so nahmen sie Abschied von ihren Verwandten, kamen nach Bologna und studierten dort ihrem Vorsatze gemäß eine gute Zeit der eine weltliche, der andere geistliche Satzungen. Und wie ihr wißt, hat das kanonische nicht den Umfang wie das römische, weshalb Bucciuolo, welcher eben das erste studierte, früher fertig war als Pietro Paolo mit dem seinigen. Da er nun Lizentiat geworden war, beschloß er nach Rom zurückzukehren und sprach zu Pietro Paolo: Lieber Bruder, da ich es nun zum Lizentiaten gebracht habe, bin ich entschlossen, nach Hause zu reisen.

Pietro Paolo antwortete: Ich bitte dich, laß mich nicht hier allein, sondern warte noch diesen Winter; im Frühling reisen wir dann zusammen. Du kannst inzwischen eine andere Wissenschaft lernen, verlierst also deine Zeit nicht.

Bucciuolo war damit zufrieden und versprach ihm, zu warten. Um seine Zeit nicht in den Wind zu werfen, ging er zu seinem Meister und sprach: Ich habe mich entschlossen, auf meinen Kameraden und Vetter zu warten, und bitte euch, mich unterdessen irgendeine andere schöne Wissenschaft zu lehren.

Der Meister gab zurück, er sei es zufrieden, und fuhr fort: Suche dir einen Zweig, welchen du willst, aus, und ich will dich gern darin unterweisen.

Gab Bucciuolo zur Antwort: Lieber Meister, ich möchte sehr gern lernen, wie man sich verliebt und wie man sich dabei zu verhalten hat.

Der Meister entgegnete lächelnd: Das gefällt mir nicht übel. Du hättest nicht leicht eine Wahl treffen können, über die ich zufriedener gewesen wäre. Begib dich also nächsten Sonntagmorgen in die Kirche der Minoritenbrüder, wenn alle Frauen dort versammelt sind, und gib acht, ob eine da ist, die dir wohlgefällt; findest du eine, so folge ihr unauffällig, bis du siehst wo sie wohnt; und komm dann wieder zu mir. Dies soll die erste Aufgabe sein in diesem Lehrgang.

Bucciuolo ging und am folgenden Sonntagmorgen fand er sich nach der Anweisung seines Meisters in der Minoritenkirche ein, die Frauen zu mustern, die sich zahlreich genug versammelt hatten. Er sah unter ihnen eine, die ihm sehr gefiel; sie war ausnehmend schön und reizend. Als sie die Kirche verließ, folgte ihr also Bucciuolo, sah und merkte sich das Haus, wo sie wohnte, woraus die Dame schloß, daß dieser Student im Begriffe sei, sich in sie zu verlieben. Bucciuolo ging zu seinem Meister zurück und sprach: Ich habe getan, was ihr mir sagtet, und habe eine gefunden, die mir sehr zusagt.

Der Meister hatte darüber eine große Freude und lachte heimlich über Bucciuolos Vorsatz, eine solche Wissenschaft zu lernen. Dann sprach er zu ihm: Jetzt, mein Sohn, mußt du versuchen, zwei- oder dreimal am Tage in guter Haltung an ihrem Fenster vorüberzugehen. Halte die Augen bei dir und laß niemand merken, daß du zu ihr hinblickst! Ergötze dich immerhin so lange an ihrem Anschauen, bis sie deine Neigung gewahrt; und komm dann wieder zu mir. Das soll deine zweite Aufgabe sein.

Hierauf verließ Bucciuolo seinen Meister und begann mit kluger Vorsicht an dem Hause seiner Dame vorüberzugehen, bis sie deutlich erkannte, daß es um ihretwillen geschehe. Sie begann nun ebenfalls mit den Wimpern zu spielen, Bucciuolo fing an, bescheiden sich vor ihr zu verneigen, sie erwiderte auch da, woraus er schloß, daß die Frau ihn liebe. Er berichtete alles seinem Meister, worauf dieser sagte: Recht schön; ich bin mit dir zufrieden; du hast dich bis jetzt in Allem wohlgehalten. Nun muß es deine Sorge sein, ihr eines jener Weiber zuzuschicken, die in Bologna mit Spitzen, Börsen und dergleichen hausieren. Laß ihr sagen, du stehest ganz zu ihren Diensten; es sei niemand auf der Welt, den du mehr liebtest als sie; und du seiest gern bereit alles für sie zu tun, was ihr gefalle. Du wirst hören, was sie dir antworten läßt! Je nachdem du dann Bescheid erhältst, komm wieder her und erzähle es mir; ich werde dir sagen, was du weiter zu tun hast.

Bucciuolo begab sich schnell hinweg und machte eine Hausiererin ausfindig, die für seine Zwecke tauglich schien.

Ihr könnt mir einen außerordentlichen Dienst leisten, sprach er zu ihr, für den ich euch bezahlen will, daß ihr mit mir zufrieden seid.

Die Alte antwortete: Ich will tun, was ihr von mir fordert, guter Herr, ich lebe nur von dem, was ich mir verdiene.

Darauf gab ihr Bucciuolo zwei Gulden und setzte hinzu: So bitte ich euch, daß ihr heute in die Straße Mascarella geht, wo eine junge Frau des Namens Giovanna wohnt, die ich über alles in der Welt liebe. Empfehlt mich ihr und sagt ihr, ich sei bereit, alles, was ihr angenehm sein könnte, für sie zu tun. Das mögt ihr in allerlei zierliche süße Worte einwickeln, wie sie euch gewiß einfallen werden. Um diesen Dienst bitte ich euch also, inständig und mit ganzem Herzen.

Und die Alte: Laßt mich nur machen! Ich will schon den rechten Zeitpunkt finden.

Geht, antwortete Bucciuolo; ich erwarte euch hier.

Die Alte setzte sich gleich mit einem Korb voll Waren in Trab, ging damit zu der Frau, die sie unter der Tür sitzend vorfand, begrüßte sie und sprach dann: Madonna, ist euch vielleicht etwas unter diesen meinen Waren genehm? Nehmt immer heraus, was euch gefällt.

Dabei setzte sie sich zu ihr und begann, Schleier, Börsen, Schnüre, Spiegel und anderes dergleichen vorzuzeigen. Nachdem die Dame alles gesehen hatte, gefiel ihr unter allem besonders eine Börse und sie sagte: Wenn ich Geld hätte, würde ich gern diese Börse kaufen.

Die Verkäuferin entgegnete: Madonna, darauf braucht ihr durchaus keine Rücksicht zu nehmen. Wählt, was euch von meinem Kram irgend gefällt! Es ist alles bezahlt.

Die Frau wunderte sich über diese Worte und über die besondere Freundlichkeit der Alten und fragte: Was wollt ihr damit sagen, gute Frau? Was bedeuten diese Worte?

Die Alte sprach darauf ganz rührsam: Das, Madonna, will ich euch wohl sagen. Ein Jüngling des Namens Bucciuolo hat mich hergeschickt. Er liebt euch, er ist euch mit ganzer Seele ergeben. Es ist nichts auf der Welt, das er nicht für euch tun würde, wenn es in seiner Macht stünde; er läßt euch sagen, daß ihm Gott keine größere Gnade erzeigen könnte, als wenn er ihm ein Gebot von euch zukommen ließe. In der Tat kommt es mir vor, als ob er sich ganz verzehrte vor lauter Begierde, mit euch zu sprechen; und doch habe ich vielleicht nie einen rechtschaffeneren jungen Mann gesehen als ihn.

Als die Frau diese Worte hörte, wurde sie ganz rot im Gesicht, wendete sich mit Heftigkeit zu der Alten und rief: Wenn mich nicht die Rücksicht auf meine Ehre davon abhielte, wollte ich euch übel entgegnen! Schämst du dich nicht, kupplerische Alte, einer ehrbaren Frau solche Botschaft zu übermitteln? Möge dich Gott dafür strafen!

Und mit diesen Worten hatte sie das Querholz der Türe ergriffen und tat, als wollte sie sie damit schlagen.

Wenn du je wieder hierherkommst, wütete sie weiter, so werde ich dich bedienen, daß nicht mehr viel von dir zu sehen ist.

Das Mütterchen nahm sehr behende ihren Kram zusammen, ging ihrer Wege und hatte große Angst, sie möchte jene Stange verschmecken, hielt sich auch nicht für sicher, bis sie wieder bei ihrem Jüngling angelangt war. Als Bucciuolo sie vor sich sah, fragte er sie, was sie bringe und wie seine Sache stehe.

Ah, schlecht steht sie! antwortete die Alte; in meinem Leben bin ich nicht so erschrocken. Mit einem Wort, sie will nichts von dir hören noch sehen! Hätte ich mich nicht schnell aus dem Staube gemacht, so wäre wahrscheinlich mein alter Rücken mit einem Türbalken gesalzen worden, den sie recht gefährlich in der Hand schwang! Was mich betrifft, so habe ich keine Lust, mehr zu ihr zurückzulaufen und rate auch dir, mit dieser entschlossenen Dame dich nicht mehr zu befassen.

Bucciuolo blieb ganz trostlos zurück; dann begab er sich zu seinem Meister und erzählte ihm, was ihm begegnet sei. Der Meister tröstete ihn und sprach: Nur Ruhe, Bucciuolo! Kein Baum fällt auf den ersten Streich. Geh heute Abend noch einmal vorbei und gib acht, was sie dir für ein Gesicht macht, ob sie aufgebracht scheint oder nicht! Dann komm wieder und gib Bericht!

Bucciuolo machte sich also auf und ging nach der Wohnung seiner Geliebten. Diese hatte ihn kaum erblickt, als sie ihrem Mädchen rief und sprach: Geh dem Jüngling dort nach und bestell ihm in meinem Namen, daß er mich heute Abend besuche und ja nicht ausbleibe!

Das Mädchen kam zu ihm und sprach: Mein Herr, Madonna Giovanna gibt euch die heimliche Botschaft, sie diesen Abend zu besuchen; sie wünscht euch zu sprechen.

Bucciuolo war betroffen; doch antwortete er: Sage der Dame, ich werde mit Freuden kommen.

Dann aber lief er zu seinem Meister und hinterbrachte ihm alles. Der Meister wunderte sich und begann plötzlich zu argwöhnen, ob dies nicht etwa seine eigene Frau sei, ein Gedanke, der, wie wir sehen werden, nicht jeglichen Grundes entbehrte.

Schön, sprach er zu Bucciuolo, und du wirst hingehen?

Bucciuolo: Freilich.

Da sprach der Meister: Wenn du also zu ihr gehst, sage doch erst bei mir Bescheid.

Bucciuolo sagte: Es soll geschehen.

Damit ging er. Die junge Frau war aber wirklich die Gattin des Meisters. Bucciuolo wußte das nicht, aber der gute Meister fing schon an, Eifersucht zu empfinden; er schlief den Winter über in der Schule, um noch bei Nacht den Studenten Vorlesungen halten zu können, und die Frau war zu Hause mit ihrer Magd allein. Ich möchte doch nicht, überlegte er, daß man auf meine Kosten studiert. Muß doch sehen, dahinterzukommen.

Am Abend kam Bucciuolo und rief hinein: Meister, ich gehe jetzt.

Der Meister sagte: Nun ja, sei klug!

Bucciuolo entgegnete: Laßt mich nur machen!

Er lief schon. Er hatte sich einen dichten Panzer umgeschnallt, ein scharfes Schwert unter dem Arm, einen guten Dolch an der Seite, ging also nicht wie Hans Leichtsinn in sein Abenteuer. Als er weg war, folgte ihm der Meister, ohne daß Bucciuolo etwas davon merkte, auf dem Fuße. Er kam an die Tür der Dame, hatte kaum angeklopft, als man ihm aufschloß und ihn einließ. Wie nun der Meister wirklich merkte, daß es seine eigene Frau war, geriet er ganz außer sich und sprach: Nun sehe ich wohl, der studiert auf meine Kosten.

Er beschloß, ihn zu ermorden, lief nach der Schule zurück, ergriff Schwert und Dolch und rannte in großer Wut wieder zu seinem Hause, mit dem festen Vorsatz, Bucciuolo umzubringen. Vor der Türe angelangt, begann er mit Ungestüm zu klopfen. Die Frau saß eben mit Bucciuolo am Feuer, da sie an die Türe klopfen hörte, dachte sie gleich, es sei der Meister, nahm den Knaben und versteckte ihn unter einem Haufen ungetrockneter Wäsche, der auf einem Tische neben dem Fenster lag. Dann lief sie zur Türe und fragte, wer da sei. Der Meister antwortete: Mach auf! Wirst es wohl wissen, liederliches Weib, das du bist!

Die Frau schloß auf, und da sie ihn bewaffnet sah, rief sie: O Himmel, Herr, was soll das?

Der Meister sprach: Du weißt wohl, wen du im Hause hast!

Ich Unglückliche, sagte sie, was sprichst du? Bist du von Sinnen? Sucht nach, und wenn ihr jemand findet, so vierteilt mich! Wie sollte ich jetzt anfangen, was ich doch nie getan habe? Hütet euch, lieber Herr, daß euch nicht der böse Feind etwas vorspiegelt und euch um eure Seligkeit bringt!

Der Meister ließ eine Kerze anzünden und begann im Keller zwischen den Fässern zu suchen, stieg dann empor, suchte die ganze Kammer durch, im und unter dem Bette, er durchstach den Strohsack nach allen Seiten und ließ mit einem Worte auch den kleinsten Winkel des Hauses nicht undurchforscht, ohne daß er doch Bucciuolo finden konnte. Seine Frau ging ihm dabei immer mit dem Licht in der Hand zur Seite und sagte oft: Lieber Meister, schlagt ein Kreuz, denn gewiß hat euch der Feind Gottes versucht und euch eine Sache vorgegaukelt, die nimmermehr geschehen kann; wenn nur ein Haar an meinem Leibe nach so etwas verlangte, so brächte ich mich selber um! Darum bitte ich euch um Gottes Liebe, laßt euch nicht betören!

Wie nun der Meister Bucciuolo nicht fand und die Frau fortwährend so reden hörte, maß er ihr fast Glauben bei, blies endlich seine Kerze aus und ging wieder nach der Schule. Die Frau riegelte geschwinde die Tür ab, zog Bucciuolo unter der Wäsche hervor, fachte ein helles Feuer an, bei dessen Licht sie einen großen fetten Kapaun verspeisten und mehrere gute Sorten Wein dazu tranken. Während sie so eine vortreffliche Abendmahlzeit hielten, sagte die Frau wiederholt: Siehst du, mein schlauer Mann hat sich nicht träumen lassen, wo du seist.

Nach Scherzen und Kurzweilen nahm ihn endlich die Frau bei der Hand, führte ihn in die Kammer, wo sie miteinander zu Bett gingen und sich in jener Nacht des Vergnügens ersättigten, welches beide Teile wünschten, und einander wiederholt mit vieler Inbrunst verschafften. Da so die ersehnte Nacht vorüber ging und der Morgen anbrach, stand Bucciuolo auf und sagte: Madonna, ich muß nun von euch scheiden. Habt ihr mir noch irgendetwas zu gebieten?

Oja, sagte sie, daß du diesen Abend wiederkommst.

Bucciuolo: Das soll geschehen!

Hierauf nahm er zärtlichen Abschied, ging hinaus und kehrte zur Schule zurück, wo er zu dem Meister sagte: Ich habe euch etwas zu erzählen, Meister, worüber ihr genug lachen werdet.

Nun? antwortete der Lehrer.

Gestern Abend, sagte Bucciuolo, als ich bei ihr im Hause war, kommt plötzlich der Mann, schüttelt das ganze Haus durch, weiß mich aber doch nicht zu finden. Sie hatte mich unter einem Berg von Wäsche versteckt, die noch getrocknet werden sollte; wußte überdies so klug zu sprechen, daß er endlich die Tür von außen schloß. Wir haben, guter Meister, nachher einen dicken Kapaun verdrückt und feine Weine geschleckert, alles, wie ihr euch wohl denken könnt, mit der größten Heiterkeit und Wonne, und so blieben wir munter und machten uns guten Spaß bis zum Morgen. Da ich nun die ganze Nacht wenig geschlafen habe, will ich mich jetzt zur Ruhe legen, denn ich habe ihr versprochen, diesen Abend wieder zu ihr zu kommen.

Der Meister gab mit vieler Mühe zur Antwort: Wenn du hingehst, so sage es mir doch an!

Bucciuolo antwortete: Herzlich gern!

Und er verließ ihn. Der Meister aber, von Zorn entbrannt, daß er sich vor Schmerz nicht zu fassen wußte, war den ganzen Tag nicht imstande, eine Vorlesung zu halten, so völlig war sein Herz in Anspruch genommen. Immer dachte er daran, wie er ihn am nächsten Abend erreichen werde, entwarf Pläne, und borgte sich zuguterletzt einen Panzer und eine Pickelhaube. Als es an der Zeit war, begab sich der sorglose Bucciuolo zu seinem Lehrer und sagte: Meister, jetzt gehe ich!

Der Meister sprach: Geh nur und komm morgen früh wieder und erzähle mir, wie es dir ergangen ist!

Bucciuolo: Das will ich tun.

Also machte er sich ungesäumt auf den Weg nach dem Hause der Frau. Der Meister aber legte ungesäumt seine Waffen an, folgte dem Bucciuolo fast auf dem Fuße und gedachte ihn noch unter der Türe zu erwischen. Die Frau aber hatte ihren Liebhaber bereits erwartet, ließ ihn ein und verschloß die Türe wieder. Der Meister kam im Augenblick darauf und begann zu pochen und einen gewaltigen Lärm zu machen. Die Frau löschte schnell das Licht aus, schob den Bucciuolo hinter sich, schloß die Tür auf, umarmte ihren Gemahl, während sie mit dem anderen Arm den Bucciuolo hinaus schob, ohne daß ihr Mann es merkte, schrie dann: Herbei, herbei, der Meister ist toll geworden! ihn dabei immer fest umschlungen haltend. Die Nachbarn liefen auf den Lärm herbei und da sie den Mann bewaffnet sahen und die Frau rufen hörten: »Haltet ihn, er ist übergeschnappt vom vielen Studieren!« glaubten sie es und waren der Überzeugung, daß er von Sinnen sei. Sie fingen daher an und sprachen: Ei, Meister, was soll das bedeuten? Geht zu Bette, um auszuruhen, und strengt euch nicht weiter an!

Der Meister sagte: Wie soll ich zur Ruhe kommen, wenn das schlechte Weib einen Mann im Hause hat, den ich selbst hereinschleichen sah?

Da rief die Frau: Ich unglückliches Weib! Fragt alle diese Nachbarn, ob sie mir den geringsten Fehltritt nachsagen können!

Da antworteten Männer und Frauen aus einem Munde: Meister, habt doch nicht solche Gedanken! Es ward ja nie eine bessere Frau geboren als diese, von reineren Sitten und unbefleckterem Ruf.

Was? rief der Meister. Wenn ich nun selbst einen hereinschleichen sah und weiß, daß er hier ist?

Unterdessen kamen zwei Brüder der Frau. Da begann sie zu weinen und sprach: Lieben Brüder, seht her, mein Mann da ist übergeschnappt und will mich ums Leben bringen, weil er behauptet, ich habe einen Mann im Hause. Ihr wißt doch wohl, daß ich nicht der Art bin, daß man mir derlei Schuld geben kann.

Die Brüder sprachen: Wir wundern uns sehr, Freund, wie Ihr unsere Schwester hier ein schlechtes Weib nennen könnt. Was bringt Euch denn so plötzlich gegen sie auf, da sie doch schon so lange mit Euch zusammenlebt?

Der Meister erwiderte: Ich sage Euch, es ist einer hier im Hause und ich habe ihn selbst gesehen.

Wohlan, antworteten die Brüder, laßt uns ihn suchen! Und finden wir ihn, so wollen wir so bei ihr aufräumen und sie dergestalt bestrafen, daß Ihr zufrieden sein sollt.

Einer der beiden rief die Schwester beiseite und sprach: Sage mir die Wahrheit, hast du einen im Hause?

Die Frau erwiderte: Weh mir, was sagst du? Der Heiland bewahr mich davor und gebe mir eher den Tod, ehe ich auch nur mit einem Härchen mich so etwas gelüsten lasse. Weh, soll ich jetzt begehen, was nie eine beging aus unserem Hause? Schämst du dich nicht, mich nur danach zu fragen?

Den Bruder beruhigte das sehr und sie begannen nun zugleich mit dem Meister Haussuchung zu halten. Der Meister stürzte plötzlich auf jene Wäsche los und durchbohrte sie, als fechte er mit Bucciuolo, denn er glaubte, da sei er verborgen.

Hab ichs Euch nicht gesagt, rief die Frau, daß der Meister übergeschnappt ist? Die Waschleinwand zu verderben, die ihm nichts zuleid getan hat!

Da sahen die Brüder, daß der Meister von Sinnen sei; und nachdem sie alles genau durchsucht und nichts gefunden hatten, sagte der eine: Er ist verrückt. Und der andere sprach: Meister, in der Tat, lieber Meister, Ihr habt sehr Unrecht, unsere Schwester ein schlechtes Weib zu nennen.

Darüber geriet der Meister in die äußerste Wut, weil er doch wußte, was er gesehen hatte, und begann sich mit höchst leidenschaftlichen Worten gegen sie auszulassen, immer dabei das bloße Schwert jonglierend. Da nahmen die Brüder jeder einen derben Stock in die Hand und prügelten den Meister so inbrünstig durch, daß sie ihm die beiden Stöcke auf dem Rücken zerbrachen. Dann knebelten sie ihn als einen Verrückten, der, wie sie sagten, vom allzuvielem Bücherwälzen irrmeinig sei, und hielten ihn die ganze Nacht, während sie sich mit ihrer Schwester zur Ruhe begaben, gebunden. Am Morgen ließen sie einen Arzt rufen; der verordnete, ihm an der Feuerseite ein Bett zu machen, und befahl, man solle ihn mit niemand reden lassen, ihm auch auf nichts antworten und ihn so lange fasten lassen, bis er wieder bei Verstand wäre; was denn auch pünktlich vollzogen wurde. Das Gerücht durchlief Bologna, der Meister sei ein Narr geworden; jedermann bedauerte ihn deshalb und einer sagte zum anderen: Gewiß, ich habe es schon gestern bemerkt, denn er war nicht imstande, richtig seine Vorlesung zu halten. Ein anderer sagte: Ich sah es von Tag zu Tag, wie er ein anderer Mensch wurde. Und also erklärten ihn allesamt für einen Verrückten und verabredeten, ihn miteinander zu besuchen. Bucciuolo wußte von alledem nichts und kam zur Schule, um dem Meister auch seine neuesten Erlebnisse mitzuteilen. Da erfuhr er denn, daß der Meister kopfkrank geworden sei. Bucciuolo erstaunte, betrübte sich darüber sehr und begleitete die anderen nach dem Hause des Meisters. Jetzt begann er aber sich über die Maßen zu verwundern, ja er sank fast in Ohnmacht, als er erkannte, wie es um diese Sache beschaffen war. Damit aber niemand etwas merke, ging er mit den anderen hinein. Im Saale angelangt, sah er den Meister ganz erschöpft und gefesselt am Feuer im Bett liegen. Die Studenten drückten dem Meister ihr Beileid aus, ihm mannigfach erklärend, wie sehr sie sein Unglück bedauerten. Als aber die Reihe an Bucciuolo kam, sagte er zu ihm: Lieber Meister, Ihr tut mir leid wie mein Vater, wenn ich Euch in irgend etwas gefällig sein kann, so gebietet über mich, wie über einen Sohn!

Der Meister antwortete und sprach: Bucciuolo, Bucciuolo, lauf mit Gott von dannen! Du hast auf meine Kosten studiert.

Die Frau fügte hinzu: Achtet nicht auf seine Worte, denn er faselt und weiß selber nicht, was er spricht.

Bucciuolo aber ging hinweg, suchte Pietro Paolo auf und sagte: Lieber Bruder, mein Bruder, gehab dich wohl! Ich habe so viel gelernt, daß mir für weiteres der Appetit vergangen ist.

Er reiste auch sogleich ab und kam glücklich nach Rom.

*

 


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