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Übertragung von Walther Petry

Giovanni Francesco Straparola

Die Rache

In Bologna der edeln Stadt in der Lombardei, der Mutter der Gelehrsamkeit, und von einem Überflusse, der ihre Pflege begünstigt, lebte ein adliger Student aus Kreta, des Namens Filenio Sisterna, ein aufgeweckter, liebenswürdiger Jüngling. Eines Tages beging man in Bologna ein schönes, glänzendes Fest, zu dem viele der schönsten Frauen der Stadt geladen waren und man unter vielen bolognesischen Edelleuten und Studierenden auch Filenio sah. Nach Sitte junger Leute richtete er seine Blicke bald auf diese bald auf jene Schöne, und da sie ihm sämtlich wohlgefielen, wollte er sich mit einer von ihnen dem Ringeltanz anschließen. Er trat zu ihr, der Gattin des Messer Lamberto Bentivogli, Emerentiana, heran und forderte sie zum Tanz auf. Sie war artig und nicht minder aufgeräumt als schön, und schlug den Antrag nicht aus. Mit zögerndem Schritt führte sie daher Filenio zum Tanz, drückte ihr die Hand und flüsterte ihr leise die Worte zu: Edle Dame, Eure Schönheit ist so groß, daß sie unbestritten jede andere überstrahlt, die je mein Auge gesehen. Auf der Welt ist kein Weib, zu der ich so heftige Liebe empfände, wie zu Eurer Hoheit; und wenn Ihr meine Liebe aufnähmet, würde ich mich für den glücklichsten, seligsten Menschen halten, der auf der Welt zu finden wäre; wenn Ihr mich aber verschmäht, werdet Ihr mich bald des Lebens beraubt sehen und die Schuld meines Todes tragen. Da ich Euch nun, Gebieterin, liebe, wie ich es tue und wie es Pflicht ist, so nehmt mich zu eurem Diener und verfügt über mich und das Meinige, wie geringfügig es sein mag als über Euer Eigentum! Keine höhere Gnade wüßte ich vom Himmel zu erflehen, als einer so hohen Herrin Untertan zu werden, die mich wie einen Vogel auf der süßen Leimrute der Liebe gefangen hält.

Emerentiana, welche die holden lieblichen Worte mit Aufmerksamkeit gehört hatte, war klug genug, sich taub zu stellen; sie antwortete nichts. Als der Tanz beendigt war und sie ihren Sitz wieder eingenommen hatte, ergriff der junge Filenio die Hand einer anderen Dame und trat den Tanz mit ihr an. Kaum hatte er ihn begonnen, redete er sie mit folgenden Worten an: »Gewiß, anmutigste Dame, habe ich nicht nötig, Euch mit Worten auszudrücken, wie groß und heftig die heiße Liebe ist, die ich zu Euch trage und tragen werde, so lange mein Geist diese schwachen Glieder, dieses unselige Gebein belebt. Aber glücklich, ja überselig müßte ich mich achten, wenn ich zu meiner Herrin und Schutzheiligen Euch erwürbe. Da ich Euch nun so sehr liebe und Euch ganz ergeben bin, wie Ihr selber leicht bemerken werdet, verschmäht es nicht, mich zu Eurem unterwürfigsten Diener anzunehmen, da all mein Glück, mein Leben selbst von Euch und niemanden sonst abhängig ist.«

Die junge Frau, die Panthemia hieß, schwieg und setzte, obwohl sie alles verstanden hatte, den Tanz mit vielem Anstande fort; nahm, als er zu Ende war, halb lächelnd neben den anderen Damen wieder ihren Platz ein. Es währte nicht lange, so ergriff der verliebte Filenio die Hand einer dritten, die die artigste, reizvollste und schönste Frau war die man dazumal in Bologna finden mochte, und begann sich mit dieser im Tanze zu schwingen, sich eine Gasse durch das bewundernde Gedränge bahnend. Ehe sie aber den Tanz beschlossen, redete er sie in folgender Art an: »Verehrungswürdige Frau, vielleicht werdet Ihr mich für nicht wenig anmaßend halten, wenn ich Euch jetzt die stille Liebe entdecke, die mein Herz für Euch empfindet und längst empfunden hat. Aber beschuldigt nicht mich sondern Eure Schönheit, die Euch über alle anderen Frauen erhebt und mich ewig zu Eurem Gefangenen macht. Ich schweige von Euren untadeligen Sitten, Euren ausgesuchten und bewundernswürdigen Tugenden, die so groß und zahlreich sind, daß Sie Macht hätten, die höchsten Götter vom Himmel herunterzulocken. Wenn also Eure natürliche kunstlose Schönheit den unsterblichen Göttern gefällt, was Wunder, daß sie mich zwingt, Euch zu lieben und Euer Bild in den Tiefen meines Herzens zu tragen? Darum bitte ich Euch, edle Herrin, einziger Balsam meines Lebens, den wert zu halten, der des Tages tausendmal für Euch stirbt. Dann werde ich glauben, ich verdanke mein Leben Euch, um deren Gunst ich werbe.«

Die schöne Frau, die Sinforosia hieß, hatte die süßen, holden Worte wohl verstanden, die aus dem feurigen Herzen Filenios drangen, sie konnte einen kleinen Seufzer nicht unterdrücken; jedoch gedenkend ihrer Ehre und daß sie vermählt sei, antwortete sie nichts, sondern ließ sich nach beendigtem Tanz wieder auf ihrem Platze nieder. Nun saßen die drei beisammen, unterhielten sich mit angenehmen Gesprächen, als Emerentiana, die Frau des Messer Lamberto, nicht in böser Absicht, sondern scherzweise zu ihren zwei Gefährtinnen sprach: Meine lieben Frauen, soll ich Euch einen Spaß erzählen, der mir heute begegnet ist?

Nun was denn? fragten die Freundinnen.

Ich habe, fuhr Emerentiana fort, beim Tanzen einen Liebhaber gefunden und zwar den schönsten, artigsten und gebildetsten, der zu finden ist. Er sagt, er sei so entbrannt für mich und meine Schönheit, daß er Tag und Nacht keine Ruhe finde.

So erzählte sie ihnen Wort für Wort, was er ihr gesagt hatte. Als dies Panthemia und Sinforosia hörten, sagten sie, ganz dasselbe sei ihnen begegnet, und sie verließen das Fest nicht, ohne herausgebracht zu haben, daß ihnen der gleiche Jüngling den Hof gemacht habe. Es wurde ihnen gewiß, daß jene Worte des Verliebten nicht aus aufrichtiger Liebe, sondern aus Verstellung und Arglist hervorgegangen seien und sie maßen ihnen daher denselben Glauben bei, den man den Fieberträumen der Kranken und den Possen der Bänkelsänger zu schenken pflegt. Sie schieden auch nicht eher, bis sie sich das Wort gegeben hatten, ihn jede auf eine andere Weise zum Besten zu haben, daß der Verliebte sich zeitlebens erinnern solle, daß auch Frauen zu foppen verstehen.

Filenio fuhr fort, bald dieser bald jener schön zu tun, und da sie sich ihm alle drei gewogen zeigten, nahm er sich vor möglichst von jeder die letzte Frucht der Liebe zu empfangen; aber seine Hoffnung wurde vernichtet. Emerentiana, der geheuchelten Liebe des albernen Studenten überdrüssig, rief eines ihrer Mädchen, das sehr anmutig und schön war, und trug ihm auf, zu gelegener Zeit mit Filenio zu sprechen, ihm die Liebe zu vertrauen, die ihre Herrin für ihn fühle, und ihm anzubieten, eine Nacht in ihrem Hause zu verbringen. Als das Filenio hörte, wurde er froh und sprach zu dem Mädchen: Geh, eile nach Haus, empfiehl mich deiner gnädigen Frau und sage ihr von mir, sie solle mich heute Abend erwarten, da ihr Mann nicht im Hause übernachtet.

Inzwischen ließ Emerentiana einige Bündel scharfer Dornen zusammenlesen und fegte sie unter ihr Bett, so die Ankunft ihres Liebhabers erwartend. Als die Nacht kam, griff Filenio nach seinem Degen und schlich ganz allein zu dem Hause seiner Feindin, wo ihm beim ersten Zeichen geöffnet wurde. Nachdem sie sich eine Weile mit Gespräch unterhalten, auch festlich miteinander zu Nacht gespeist hatten, gingen sie zusammen in die Kammer, um sich schlafen zu legen. Aber kaum hatte sich Filenio entkleidet, um zu Bette zu gehen, kam Messer Lamberto, ihr Gemahl, daher. Als die Frau dies hörte, stellte sie sich sehr erschrocken, und in der Angst ihren Liebhaber zu verbergen, befahl sie ihm unters Bett zu kriechen. Als Filenio die drohende Gefahr sah, keinen anderen Ausweg wußte, wälzte er sich, nur behemdet, unter das Bettgestell und zerkratzte sich so entsetzlich, daß an seinem ganzen Leibe keine Stelle war, die nicht Blut geschwitzt hätte. Und je mehr er sich in der Dunkelheit der Dornen erwehren wollte, desto ärger zerstachelte er sich; durfte gleichwohl nicht schreien, damit Messer Lamberto ihn nicht höre und umbringe. Ich überlasse es Euch, den Zustand Euch vorzustellen, in dem der heißblütige Jüngling die Nacht verbrachte, der, da er keinen Laut wagen durfte, auch fast keinen Schmerz mehr fühlte. Als am Morgen der Ehemann das Haus verließ, kleidete sich der arme Schüler so gut er konnte wieder an und begab sich, blutrünstig, zerstöchert und übel zerschunden, nach Hause, wo er noch lange Todesangst zu leiden hatte. Doch unter der Pflege eines sorgsamen Arztes erholte er sich bald und wurde wieder so gesund wie vorher. Es währte auch nicht lange, so verfiel er von neuem in seine Verliebtheiten und fuhr fort, den beiden andern, Panthemia und Sinforosia, den Hof zu machen, bis er eines Abends Gelegenheit fand, Panthemia zu sprechen, der er seinen langen Kummer, seine steten Schmerzen klagte und sie innig bat, doch Mitleid mit ihm zu haben. Die schlaue Panthemia stellte sich, als bedaure sie ihn, entschuldigte sich, keine Gelegenheit zu wissen, ihn zufrieden zu stellen; zuletzt aber, wie von seinen süßen Bitten und heißen Seufzern besiegt, ließ sie ihn ins Haus. Schon war er, um mit ihr zu Bette zu gehen, entkleidet, als ihm Panthemia anriet, in die Nebenkammer zu gehen, wo sie ihr wohlriechendes Wasser und Räucherwerk habe, und sich, bevor er ins Bett komme, zu parfümieren. Der Student, sich keiner Arglist bei der schönen Frau versehend, trat in die Kammer. Kaum hatte er den Fuß auf eine Planke gesetzt, die von dem Tragbalken, der sie hielt, losgemacht war, so stürzte er, ohne sich halten zu können, mit dem Brett in ein Gewölbe hinab, in dem einige Kaufleute baumwollene und wollene Zeuge gelagert hatten. Obwohl tief herabgefallen, hatte er sich doch beim Sturz keinen Schaden getan. Als er sich nun an diesem dunkeln Ort befand, begann er umherzutappen, ob er eine Treppe oder Türe fände; da er aber nichts fand, verfluchte er Stunde und Augenblick, wo er Panthemia kennen gelernt hatte. Als der Morgen dämmerte und der arme Jüngling den Betrug der Frau, freilich zu spät, einsah, bemerkte er an einer Seite des Warenlagers einige Risse der Wand, die etwas Licht eindringen ließen, und da die Mauer alt und von ekelhaftem Schimmel zerfressen war, begann er mit ungeheurer Anstrengung Steine herauszubrechen und machte ein Loch, groß genug, daß er hinausschlüpfen konnte. Hier fand er einen Pfad, nicht weit von der öffentlichen Straße gelegen, und schlug barfuß und im wehenden Hemd den Weg nach seiner Herberge ein, wo er auch, ohne von jemand erkannt zu werden, glücklich anlangte. Sinforosia, die schon von den beiden Streichen vernommen hatte, die dem Filenio gespielt worden, sann darauf, einen dritten hinzuzufügen, der den ersten nichts nachgäbe. Sie begann, so oft sie ihn sah, ihn von der Seite bedeutsam anzublicken, als wolle sie ihm zu verstehen geben, wie sie sich um ihn verzehre. Der Student, der die erlittene doppelte Unbill schon vergessen hatte, fing bald an, vor ihrem Hause vorüberzuspazieren und den Verliebten zu spielen. Als Sinforosia sah, wie völlig dieses Fischlein schon in ihrem Garn zappelte, schickte sie ihm durch ein altes Mütterchen einen Brief, worin sie ihm kundtat, er habe sie mit seiner Schönheit und edlem Betragen so sehr eingenommen und gefesselt, daß sie Tag und Nacht keine Ruhe finde; sie wünsche über alles in der Welt, wenn es ihm nicht unangenehm wäre, mit ihm zu sprechen. Als Filenio den Brief empfangen und den Inhalt gelesen hatte, dachte er an keinen Betrug, vergaß alle früher erfahrenen Beleidigungen und war der fröhlichste und zufriedenste Mensch, der jemals gefunden war. Er nahm Papier und Feder und antwortete, wenn sie ihn liebe und nach ihm schmachte, so gehe es ihm nicht besser, denn er liebe sie noch viel mehr als sie ihn; zu jeder Stunde, wo sie befehle, sei er zu ihren Diensten bereit. Sobald sie die Antwort gelesen und den günstigen Augenblick gefunden hatte, ließ ihn Sinforosia ins Haus kommen und sprach zu ihm nach vielen erheuchelten Seufzern: Mein Filenio, ich weiß nicht, wer außer dir mich zu dem Schritte verleitet hätte, zu welchem du mich gebracht hast; deine Schönheit, Anmut und der Reiz deiner Rede aber haben ein solches Feuer in meiner Seele entzündet, daß ich wie trocknes Holz zu lodern glaube.

Als der Student sie so sprechen hörte, zweifelte er keinen Augenblick, daß sie vor Liebe zu ihm zerschmelzen wolle. So erging sich der arme Schelm eine Weile mit Sinforosia in zierlichen ergötzlichen Liebsreden und als es ihm endlich Zeit schien, sich im Bette an ihre Seite zu schmiegen, sprach Sinforosia: Meine süße Seele, bevor wir zu Bette gehen, scheint es mir rätlich, uns ein wenig zu stärken.

Sie ergriff ihn bei der Hand und führte ihn in ein Seitengemach, wo ein Tisch mit köstlichem Zuckerwerk und trefflichen Weinen bereit stand. Die verschlagene Frau hatte den Wein mit Kräutersaft gemischt, einer Betäubungsmixtur, um zu erreichen, daß er an einem gewissen Zeitpunkt entschliefe. Filenio ergriff den Becher, füllte ihn mit jenem Wein und trank ihn, ohne Betrug zu ahnen, aus. Nachdem er die Lebensgeister erfrischt und sich mit wohlriechendem Wasser bestäubt und durchduftet hatte, begab er sich zu Bett. Es währte nicht lange, so tat der Trank seine Wirkung: der Jüngling fiel in einen so tiefen Schlaf, daß der stärkste Geschützdonner oder jeder andere noch so heftige Lärm ihn schwerlich erweckt hätte. Sinforosia, sehend, daß er fest schlafe, und der Saft seine Wirkung vollkommen bewähre, ging hinaus und rief eine junge rüstige Magd, die in das Geheimnis eingeweiht war, und beide ergriffen den Studenten bei Händen und Füßen, öffneten die Türe und schleppten ihn auf die Straße, wo sie ihn etwa einen Steinwurf weit vom Hause liegen ließen. Eine Stunde vor dem Anbruch der Morgenröte, als der Trank seine Kraft verloren hatte, erwachte der Arme und meinte an Sinforosias Seite zu liegen, fand sich aber statt dessen barfuß und im Hemde halbtot vor Kälte auf der bloßen Erde liegen. Kaum konnte sich der Bedauernswürdige, an Armen und Beinen Erstarrte wieder auf die Füße heben. Mit großer Beschwerde stand er auf, konnte sich fast nicht aufrecht halten und schleppte sich, so gut ers vermochte und ohne von jemand bemerkt zu werden, zu seiner Herberge zurück und sorgte nun für seine Gesundheit. Und wäre nicht die Kraft der Jugend ihm zu Hilfe gekommen, so wäre er gewiß nervenlahm geworden. Als er aber seine frühere Gesundheit wiedererlangt hatte, verschloß er die erlittenen Beleidigungen in der Tiefe seines Herzens, und ohne sich irgend gekränkt oder erbittert zu zeigen, stellte er sich vielmehr in alle drei noch weit verliebter als zuvor, indem er bald nach der einen, bald nach der anderen liebäugelte. Jene versahen sich seiner Arglist nicht, sondern hatten ihre Freude an seinem Betragen und zeigten ihm die freundliche wohlwollende und heitere Miene, die man wahrhaft Liebenden nicht versagt. Manchmal war der gereizte Jüngling nahe daran, seine Hand zu gebrauchen und ihnen das Gesicht zu zeichnen; aber er bedachte klüglich den hohen Stand der Frauen und wie schimpflich es für ihn wäre, drei schwache Weiber zu schlagen, und er bezwang seinen Ingrimm. Lange sann er hin und her, auf welche Art er sich rächen könne, und da er durchaus nichts anzustellen wußte, geriet er außer sich vor Betrübnis. Nach geraumer Zeit fiel ihm ein, was er tun müsse, seinen Wunsch leicht zu befriedigen, und das Glück begünstigte ihn, den entworfenen Plan ins Werk zu rufen. Filenio hatte in Bologna einen sehr schönen Palast mit einem geräumigen Saal und geschmackvollen Zimmern gemietet. Hier beschloß er ein prächtiges und pompöses Fest zu geben, viele Frauen einzuladen, worunter auch Emerentiana, Panthemia und Sinforosia waren. Die Einladung wurde bestellt und angenommen und als der Tag des glänzenden Festes erschien, begaben sich die Frauen, in ihrem Leichtsinn nichts ahnend, alle drei dahin. Als es Zeit war, die Frauen mit kühlen Weinen und köstlichem Zuckerwerk zu erquicken, ergriff der verschlagene Jüngling seine drei Liebsten bei der Hand und führte sie mit vielem Anstand in ein Nebengemach mit der Bitte, sich ein wenig zu erfrischen. Kaum aber waren die törichten unvorsichtigen Frauen in der Kammer angelangt, so verschloß der Jüngling die Türe derselben, wandte sich zu ihnen und sprach: Jetzt, ihr boshaften Weiber, ist die Stunde gekommen, mich zu rächen, und Euch für die Beleidigungen zu strafen, mit denen Ihr meine heiße Liebe vergaltet.

Als die Frauen diese Worte hörten, waren sie mehr tot als lebendig, bereuten im stillen ernstlich, ihn beleidigt zu haben, machten sich darauf die größten Vorwürfe, daß sie ihm getraut hatten, den sie doch hätten hassen sollen. Mit drohender, zornglühender Miene befahl ihnen der Jüngling, wofern ihnen ihr Leben lieb sei, sich nackt auszuziehen. Als die Schelminnen dies vernahmen, sahen sie einander an, begannen heftig zu weinen, baten ihn auch, wenn nicht um ihrer Liebe, so doch um seiner Ritterlichkeit und angeborenen Menschlichkeit willen, mindestens ihrer Ehre zu schonen. In der Freude seines Herzens gewährte ihnen der Jüngling dies, bestand aber darauf, daß sie sich in seinem Beisein entkleideten. Die Frauen warfen sich dem Studenten zu Füßen und flehten unter kläglichen Tränen demütig, ihnen dies zu erlassen und so unendliche Schmach ihnen nicht zuzufügen. Aber er hatte sein Herz schon zum Diamant verhärtet und sagte, es sei dies nichts Tadelnswertes, sondern gerechte Rache. So mußten sich denn die Frauen ausziehen, daß sie wie aus dem Mutterleibe gekommen dastanden, und doch waren sie nackt nicht minder schön als bekleidet. Der junge Student betrachtete sie von Kopf bis zu Fuß und als er sie so schön und zart erblickte, daß die Weiße ihrer Haut den Schnee übertraf, begann sich doch einiges Mitleid zu regen, aber die Erinnerung der erlittenen Beleidigung und der Todesgefahr schlug wieder auf und verscheuchte alles Erbarmen, so daß er in seinem grausamen fühllosen Vorsatz beharrte. Alsdann nahm der listige Jüngling die Kleider und alles Zeug, das sie an sich gehabt hatten, legte es in ein Nebenzimmer und befahl ihnen, nicht eben allzu höflich, sich alle drei nebeneinander in das Bett zu legen. Ganz bestürzt und bebend vor Schrecken, riefen sie aus: Wehe über unsere Torheit, was werden unsere Männer, was unsere Eltern sagen, wenn sie erfahren, daß man uns hier so nackt, wie wir sind, ermordet gefunden! Besser wären wir in den Windeln gestorben, als daß die Welt diese Schmach und Schande von uns erfahren soll!

Als der Student sie nebeneinander liegen sah wie Mann und Weib, nahm er ein schneeweißes Leintuch, das aber nicht sehr fein war, damit das Gesicht nicht durchschimmern und sie verraten möchte, bedeckte sie damit von Kopf bis Fuß. Dann verließ er das Gemach, verschloß die Türe und suchte ihre Männer auf, die im Saale tanzten. Als der Tanz vorbei war, führte er sie in das Nebengemach, wo die drei Frauen im Bette lagen, und sprach zu ihnen: Ihr Herren, ich habe Euch hierher geführt, um Euch ein kleines Vergnügen zu machen und Euch den schönsten Anblick zu verschaffen, der Euch in Euerm Leben zu Teil geworden ist.

Er näherte sich dem Bette mit einer Kerze in der Hand, zog allmählich das Leintuch von den Füßen empor und wickelte es auf, indem er die Frauen bis zu den Knieen bloßdeckte, so daß die Männer die runden weißen Beine mit den zierlichen Füßen sehen konnten, was ein wundervoller Anblick war. Dann enthüllte er sie bis zur Brust und zeigte ihnen die blendenden Schenkel, die zwei Säulen von reinem Marmor schienen, und den gerundeten Leib, dem feinsten Alabaster ähnlich. Hierauf enthüllte er sie weiter, zeigte ihnen den zarten sanftgewölbten Busen mit den zwei festen köstlichen runden Brüsten, die den erhabenen Jupiter gezwungen hätten, sie zu liebkosen und zu küssen. Dies gewährte den drei Ehemännern ein Vergnügen und Ergötzen, das sich nicht denken läßt. Ich überlasse es Euch, zu ermessen, wie es den armen unglücklichen Frauen zumute war, als sie hörten, wie ihre Männer sich an ihrem Anblick weideten. Sie hielten sich ruhig und wagten, um nicht erkannt zu werden, kaum Atem zu holen. Die Männer versuchten den Studenten zu bewegen, auch von dem Gesicht den Vorhang wegzuziehen; er aber, in fremden Angelegenheiten vorsichtiger als in seinen eigenen, wollte nicht einwilligen. Aber dennoch begnügte sich der Student nicht hiermit, sondern nahm die Kleider der drei Frauen und zeigte sie ihren Männern. Diese überfiel bei ihrem Anblick eine gewisse herzdrückende Betroffenheit. Mit steigendem Erstaunen betrachteten sie dieselben näher und sprachen bei sich selbst: Ist dies nicht das Kleid, das ich meiner Frau machen ließ? Ist das nicht die Haube, die ich ihr kaufte? Ist das nicht das Halsgehänge, das ihr vom Hals vor der Brust niederhängt? Sind dies nicht die Ringe, die sie am Finger trägt?

Sie verließen das Gemach, um nicht das Fest zu stören, entfernten sich aber nicht, sondern blieben zum Abendessen. Der Student hatte bereits gehört, daß das Mahl fertig und von seinem einsichtigen Haushofmeister vollkommen angeordnet sei, und forderte daher die Gesellschaft auf, sich zu Tisch zu begeben. Während nun die Gäste es sich wohlschmecken ließen, kehrte der Student in das Nebengemach zurück, wo die drei Frauen im Bett lagen, deckte sie auf und sprach: Guten Morgen, meine Damen, habt Ihr Eure Männer nicht gehört? Sie erwarten Euch draußen mit dem heißesten Verlangen. Worauf wartet Ihr? Steht auf, ihr Schlafratzen, gähnt nicht lange, laßt ab, Euch die Augen zu reiben! Nehmt Eure Kleider und schlüpft hinein! Es ist Zeit, in den Saal zurückzukehren, wo Euch die andern Frauen erwarten.

So neckte er sie und weidete sich an ihrer Ratlosigkeit. Die trostlosen Frauen fürchteten, ihr Abenteuer werde ein grausames Ende nehmen; sie weinten und verzweifelten an ihrem Heil. So geängstigt und von Schmerz durchbohrt erhoben sie sich und erwarteten nichts sicherer als den Tod.

Filenio, sprachen sie zu dem Studenten, du hast vollkommene Rache an uns genommen. Es bleibt nichts mehr übrig, als daß du dein scharfes Schwert nimmst und uns den Tod gibst, den wir über alles in der Welt wünschen. Willst du uns aber diese Gnade nicht erzeigen, so laß uns wenigstens unerkannt nach Hause gelangen, damit unsere Ehre unbescholten bleibe.

Filenio glaubte nun genug getan zu haben, holte ihre Kleider, gab sie ihnen zurück und befahl ihnen, sich eiligst anzuziehen. Als dies geschehen war, ließ er sie durch ein geheimes Hinterpförtchen hinaus und so kamen sie beschämt, ohne von jemand erkannt zu werden, nach Hause. Sogleich zogen sie ihre Kleider wieder aus, die sie getragen hatten, verschlossen sie in ihre Schränke, begaben sich aber klüglich noch nicht zu Bett, sondern setzten sich an die Arbeit. Nach der Mahlzeit dankten ihre Männer dem Studenten für die gute Aufnahme, die sie bei ihm gefunden, noch mehr aber für das Vergnügen, das er ihnen gewährt, indem er sie die köstlichen Glieder habe sehen lassen, deren Schönheit die Sonne überstrahlt habe, nahmen Abschied von ihm und kehrten zurück in ihre Wohnungen. Zu Hause fanden sie ihre Frauen in ihrem Kämmerlein neben dem Feuer sitzend und nähend. Weil ihnen aber die Kleider, Ringe und andere Kostbarkeiten, welche sie in Filenio's Kammer gesehen hatten, noch einigen Verdacht erregten, fragten sie, um auch diesen zu beseitigen, jeder die seinige, wo sie den Abend zugebracht habe und wo ihre Kleider seien. Ganz unbefangen antworteten ihnen die Frauen, sie haben diesen Abend das Haus nicht verlassen, nahmen die Schlüssel zu dem Schrein, wo der Anzug verwahrt wurde, und zeigten ihnen Kleider, Ringe und alles, was ihnen ihre Männer hatten machen lassen. Als die Männer dies sahen, wußten sie nicht, was sie sagen sollten, verhielten sich ruhig, erzählten aber doch ihren Frauen alles haarklein, was ihnen an jenem Abend begegnet sei. Als dies die Frauen hörten, stellten sie sich, als wüßten sie von nichts, und nachdem sie das Abenteuer eine Weile belacht hatten, entkleideten sie sich und begaben sich zu Bette. Wenige Tage vergingen, so begegnete Filenio seinen holden Damen mehrmals auf der Straße und sagte zu ihnen: Wer von uns hat mehr Angst ausgestanden? Wer von uns ward übler behandelt?

Sie aber schlugen die Augen nieder und antworteten nichts. Und so rächte sich der Student so gut, als er wußte und konnte, für die erlittenen Beleidigungen; ohne alle Gewalttätigkeit, wie es einem Manne geziemt.

*

 


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