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Übertragung von Walther Petry

Ascanio de' Mori

Kein Gift, Feigbohnenmehl, aber Hörnerschmuck und gutes Ende

Salo, Hauptort am Ufer des Gardasees, zum Brescianer Gebiet gehörend, gebadet von den klaren Wellen des berühmten Benacus, ist ein gar gesitteter Ort, aber sehr unfruchtbar, weil, nur auf einem schmalen Streif hinliegend, es von einem großen Berge überragt, ja fast eingeschlossen wird. Daher kommt es, daß die Einwohner, gewerbsam und vorzugsweise zur Handelschaft geneigt, auch sehr geldreich und stolz sind. Weitere Folge hiervon ist, daß ein beständiger Wetteifer unter ihnen herrscht, und sie oft miteinander um den Vorrang streiten. Etwas ähnliches begegnet an anderen Nachbarorten selten, weil die Bewohner derselben weder solchen Reichtum, noch überhaupt Wohlstand irgendeiner Art besitzen. In Salo also war in früherer Zeit ein Kaufmann, Namens Simone, einst arm und dürftig, durch Handel reich geworden und gut ausgerüstet mit Gütern, die ihm das Glück geliehen. Er hatte große Geschäfte in Venedig, Lyon, in Antwerpen und an anderen Orten glücklich beendet. Dieser kam nun in einen Streit um den Vortritt (eine närrische Laune, die schon in gewissem Betracht Adligen schlecht steht, geschweige Handelsleuten), mit einem anderen Kaufmann, der nicht minder reich, auch nicht minder stolz und töricht war, und der Wetteifer wuchs von Tag zu Tag derart, daß jeder von ihnen sein Haus voll hatte jenes traurigen Geschmeißes, das wir Schächer Scherani, genau Meuchelmörder, eine Art Leibwache. nennen, die aber schicklicher Zerstörer der Hühnerhöfe und Weinkeller heißen könnten; die mit Possen Leute umbringen und in Schrecken setzen; aus ihren garstigen Mäulern nichts hervorzubringen wissen, was nicht durchweg zur Entehrung des Schöpfers gereichte; und die, um ihre törichte Kraft zu versuchen, des Nachts sich damit erlustigen, irgendein armes Weibchen zu peinigen, indem sie Fenster und Türen zerschlagen und tausend ähnliche Belästigungen anstellen. Derlei Gesindel also füllte die Häuser der beiden Kaufleute, daß keiner dem andern es irgend zuvor tue; und damit es ihnen nicht an solchen Leuten fehle, hielten sie mit dem größten Aufwand Beauftragte in den benachbarten Orten, die reichlich und ohne Rücksicht in diesem häßlichen Treiben vergeudeten. Es begab sich nun, daß einer von ihnen, genannt der Barbaccia, zu solchen Geschäften bezahlt und unterhalten von Messer Simone zu Medole Südlich vom Gardasee, an einem bei Borgoforte in den Po sich ergießenden Flüßchen., sich die Sache recht angelegen sein ließ und nur darauf bedacht, ihm dergleichen Leute zuzuschicken, einen jungen Mann sah, namens Innocenzio, der gemeinhin nur Ciente genannt wurde, der aussah und lebte, wie mehr für die Hacke als für den Degen passend; der den ganzen Tag im Freien umherirrte, belastet und abgemüht von einem Eisenpanzer; Degen und Dolch an der Seite, mit zwei bis drei Schießgewehren im Gürtel, einem verrosteten Sichelspieß auf der Schulter, den Kopf keck zurückgeworfen und die Nase in der Luft. Er war früher seines Handwerks Wollenarbeiter gewesen, hatte Kämme und Kartätschen in den Winkel geworfen und sich in den Kopf gesetzt, sich im Waffenwerk auszeichnen zu wollen. Barbaccia hielt ihn, mit seinem Schwert in der Hand, gut geharnischt und mit Waffen überhäuft und belastet, für einen recht tapferen Mann. Er nahm sich daher vor, ihn mit Messer Simone zusammenzubringen, machte ihm die ausgedehntesten Anerbietungen, versprach ihm guten Sold, Auskommen und Unterhalt nebst reichlicher Tafel, zu der er sich morgens und abends niedersetzen könnte, wenn er sich dazu verstehe, bei Messer Simone in Dienste zu gehen. Barbaccia hatte leichtes Spiel; Ciente wünschte nichts anderes, als, der Anstrengung und der Langenweile gram, diesen zwei Übeln zu entgehen. Er entschloß sich kurz und machte sich ohne weiteren Aufschub mit einem Beglaubigungs- und Empfehlungsschreiben von Barbaccia morgens bei Zeiten nach Salo auf den Weg; kam genau um die Stunde des Abendessens dort an, stellte sich Messer Simone vor und übergab den Brief. Nachdem der ihn gelesen und das ehrenvolle Zeugnis entnommen hatte, das Barbaccia dem Ciente gab, musterte er ihn mehrmals mit seinen Blicken von Kopf zu Fuß, und, ihn geeignet findend für seine Bedürfnisse, nahm er ihn an, umschmeichelte ihn sehr, so daß der gute Gesell nachher bei ihm blieb, Monate und Jahre; und als später Friede erfolgte, fand er den Boden so fett und gedüngt, daß er, wo er bisher als Soldat gekämpft hatte, als Lustigmacher in Dienste ging, weil er in jener anmutigen und sichern Kunst auch viel mehr sein Glück machte, als in dem bittern und gefahrvollen Handwerk des Krieges; war er doch von Natur mehr redselig und witzig, als mutig und stolz. Während er sich nun dort aufhielt, fielen seine Blicke auf ein kleines giftiges Frätzchen, die Tochter eines armen Alten aus dem Gebirge, die sich im Hause des Messer Simone aufhielt und verschiedene Dienste verrichtete. Er verliebte sich mehr als in sie in einiges Geld, das, wie sie behauptete, ihr Vater ihr nebst einer kleinen Hütte als Mitgift geben wolle, eine Hütte, die er nicht weit entfernt in einem Dorfe, Thei mit Namen, besaß. Diese Hütte hatte der gute Kerl mit großen Mühsalen, wie Lasttragen, Holzspalten und anderen ähnlichen Plackereien, denen er sich sein Leben lang unterzog, erworben; Ciente also verliebte sich in die kleine Barschaft, liebäugelte mit dem Mädchen, und es gelang ihm, mit der Empfehlung des Messer Simone, die ihm nicht weniger half als seine eigene Bemühung, sie zur Frau zu bekommen. Als er sie nun besaß, hätte er mit dem Gewinn zufrieden sein können; aber es fiel ihm ein, mit dem Gelde, das sie ihm zubrachte, ein wenig Handel zu treiben, um es in dem Maße zu vermehren, daß er davon in Ruhe leben könne, wenn es ihm einmal entleidet sei, fremdem Brote nachzugehen. Sein Plan gelang um so leichter, als er damals von Herrschafts wegen im Hause seines Gebieters samt seiner Frau Unterhalt finden konnte; dazu kamen noch die Geschenke, die er von demselben und von anderen Ortsangehörigen für seine Späße erhielt, außerdem die Ersparnisse Bartolommea's (so hieß sein Weib) vom Waschen Spinnen und andern dergleichen weiblichen Geschäften, was am Ende des Jahres doch auch ein Sümmchen ausmachte. Aber das Geschick setzt sich menschlichen Gedanken gern entgegen, und so widerfuhr es auch ihm und ließ ihn tölpischerweise etwas ganz anderes ernten, als er erwartet hatte. Er stattete nämlich Bartolommea weit mehr in die Augen fallend als ihrem Stande angemessen war aus, und da sie genötigt war, bald da bald dort in fremde Häuser zu gehen, an den See zum Waschen und andere Geschäfte besorgen mußte, da er sie ferner als viel kecker und lebhafter denn billig war kannte, auch aus Erfahrung wußte, daß sie auf gewisse Dinge mehr aus war, als Katzen auf Speck, wurde der arme Tropf so völlig eifersüchtig, so übel aufgelegt, daß weder er noch sie eine gute Stunde mehr hatten; er, wegen des unermüdlichen Wurms, der ihm am Herzen fraß, sie, weil der eifersüchtige Narr beständig die Fäuste auf ihrem Rücken übte. Er gab daher den Plan mit dem Handel ganz auf; dachte an kein Geschäft mehr, als sich selbst und sein armes Weib zu plagen; wenn er zum Unstern je bemerkte, daß sie sich umsah, stieg ihm das Blut in den Kopf; vermeinend, sie schlage ihm ein Schnippchen und sende ihn nach Hornberg, überhäufte er sie mit Schlägen; sie mochte nun umsehen oder nicht, sprechen oder schweigen, gehen oder bleiben, immer hatte er einen Grund, sie zu verdächtigen; kurz, sie konnte gar nichts tun, was ihm gefiel. Jeden Morgen machte sich der Unglückliche ein arges Vergnügen daraus, ihr zuzumuten, daß sie ihm erzähle, was sie nachtüber geträumt habe. Da ertappte er sie denn ein über das anderemal auf einem Wörtchen, das, gehörig hin und her gedreht, verdächtig werden konnte; dann aber die Faust ans Geschäft! Ich übergehe Schimpf- und Scheltworte, die er ihr dabei flüsterte, indem er sie leichtsinnig, schamlos und untreu nannte. Das arme Weibchen, das sich in so gottlose Hände gefallen und unschuldiger Weise so schlecht behandelt sah, wußte sich gar nicht mehr zu helfen und zu raten, und sah keinen Ausweg. Ihr Vater war erst vor kurzem gestorben, ihre Mutter lange zuvor schon; treue Freunde hatte sie keine; und von ihren Verwandten war sie weit entfernt. So trieb sie die Not, die aus Schwachen und Schüchternen Helden emporzwingt, nachdem ihr verschiedenste Entschlüsse durch den Kopf gegangen waren, endlich auf den Gedanken, (den sie auch, wie es bei verzweifelten Weibervorsätzen zu gehen pflegt, hartnäckig festhielt), den Mann zu vergiften und ihn sich so vom Halse zu schaffen. Sie nahm sich vor, die erste Gelegenheit zu benützen, ihren festen und wackren Vorsatz auszuführen; das Schicksal zögerte nicht, ihr eine solche zu bieten. Ciente war eines Tages genötigt, wiewohl ungern und nach vielen Krümmungen und Windungen wie eine Schlange die man zum Zaubern treibt, er war genötigt, in Dienstangelegenheiten mit Messer Simone auszugehen, fünf Meilen von seiner Wohnung weg dem Ufer des Sees entlang. Er hatte seiner Bartolommea beim Abschied die Weisung erteilt, sich, wenn er zurückkehre, wieder so von ihm finden zu lassen, wie er sie beim Weggehen verlasse, sonst solle sie auf sein Messer oder einen Strick um den Hals gefaßt sein. Sie hatte aber bereits die Furcht und damit auch Tränen und Seufzer verbannt und einen Mut gefaßt, der, innersten Ursprungs, über ihr Geschlecht hinausging. Kaum sah sie ihn also von seinem Hause weggehen, war sie der Ansicht, der günstige Augenblick zur Rache sei gekommen und fing an, ihren Entschluß kühnlich ins Werk zu setzen. Im Nu hatte sie ihren Rock übergeworfen, verhüllte nach Landessitte den Kopf, nahm den Weg unter die Füße und eilte nach der Apotheke mit ein paar Pfennigen, die sie sich zuvor von ihrem Gatten zu diesem Zweck gebettelt und in einem kleinen Loche der Mauer einer armseligen Hütte verborgen hatte, die Ciente hart an der Wohnung Messer Simone's gemietet hatte. Sie erreichte die Apotheke, grüßte artig den Apotheker und verlangte von ihm Gift für die Mäuse, die ihr, wie sie behauptete, die Bettücher und was noch schlimmer, die Kissen selbst zernagt hatten, weshalb die Federn herausgingen und sie genötigt sei, auf dem Boden zu schlafen. Dem Herrn Apotheker, der der boshaftigste und weibersüchtigste Mann von der Welt war, stach sie gleich in die Augen; er bekam Absichten auf sie; antwortete ihr liebevoll und warf ihr allerlei höfliche und freundliche Worte zu, die lauter Schlingen waren, aber auf ihr Begehren nach Gift garnicht paßten. So neckte er sie einige Zeit und da sie sich, um ihren Zweck zu erreichen, nicht spröde zeigte, tastete er weiter und versuchte immer schmeichelndere Worte und Scherze. Sie aber, deren Gedanken durchaus auf den Tod ihres Mannes gerichtet waren, und die nichts anderes wünschte, lag ihm fortwährend um das Gift an. Zuletzt, als sie sah, daß er gar nicht auf ihre Angelegenheit einging, und daß sie nur Zeit verliere, sagte sie: Seid so gut, Messere, macht, daß ich fertig werde, ich habe keine Zeit, hier zu verweilen. Da ist Euer Geld.

Meister Gian, der seine Augen gar nicht von ihr wegbrachte, und der nicht übel in Flammen stand, da sie ihm reizend und wie für ihn gemacht vorkam, der auch nicht wußte, wer sie war, beschloß, sie nicht unbefriedigt zu entlassen; aber auch seinerseits von ihr Befriedigung zu begehren. Deshalb setzte er hinzu: Kommt herein, schöne junge Frau, daß ich Euch besser anhöre, denn ich habe Euch nicht recht verstanden, und von dergleichen Dingen darf man nicht zu laut reden.

Sie fügte sich willig, denn sie hatte im Hause des Messer Simone Zutrauen gelernt. Als sie nun in die Bude getreten war, gedachte der wackere Apotheker, der sich so nahe der Quelle fand, ohne viel von ihren Angelegenheiten zu wissen, sie unter allen Umständen zu seinem Vergnügen zu benützen, und als ein alter Fuchs wohl wissend auf wieviel Beinen man gehen kann, auch mehr als mit einer Braut in seinem Bett schon fertig geworden, nahm er die Lage wahr, daß sie, wenn sie nur das Gift erhielte, sich ihm wohl ergeben werde, zumal sie mit fast leerer Hand gekommen war. Auch merkte er an der Dringlichkeit ihres Begehrens, daß sie kein Gift verlange, um Mäuse töten, sondern um irgendein Unheil anzustiften, und daß sie, um es zu bekommen, sich jedem noch so harten Wagnis hingeben würde. Nachdem er also in Gedanken ins Reine gebracht hatte, wie er es anstellen wolle, ihr ohne jemandes Nachteil ihren Willen zu tun und sie seinen Wünschen geneigt zu machen, sagte er zu ihr: Meine Schöne, weiß Gott, ich möchte Euch von Herzen gern dienen, und nicht allein mit dem, was Ihr von mir verlangt. Aber wir Apotheker dürfen dergleichen Ware keinem Menschen auf der Welt geben, wenn wir ihn nicht aufs Genaueste kennen, es steht Todesstrafe auf Übertretung. Darum weiß ich zu meinem größten Bedauern Euch nicht gefällig zu sein.

Die Frau merkte wohl, daß, wenn sie das Gift nicht bekomme und sie diesmal ihren Höllenteufel nicht aus dem Wege schaffe, sie Gefahr laufe, einmal selber das Leben einzubüßen. Daher bat sie ihn von neuem inständigst.

Dies war aber dem neuen Liebhaber nur eine weitere Aufforderung, sie nicht weggehen zu lassen, ohne seine Absicht erreicht zu haben. Sie versicherte ihn bei ihrer Ehre als rechtschaffene Frau, sie wolle es zu nichts, als um Mäuse zu vergiften. Er war boshaft genug, sie hinzuhalten und auszuforschen und fuhr fort: Wahrhaftig, ich sehe nicht, wie ich Euch dienen kann, ohne die augenscheinlichste Gefahr für mein Leben. Und ich hoffe, Ihr werdet mir nicht zumuten, dieses aus so geringfügigen Veranlassung aufs Spiel zu setzen.

Wehe mir, versetzte sie – und Tränen rollten ihr über die Wangen; es kostete sie keine große Mühe, ihren schönen Augen, die wie Feuerflämmchen glühten, heiße Tropfen zu entlocken, darum auch den Apotheker um so heftiger angriffen und ihm große Hoffnung einflößten – wehe mir, versetzte sie, um so mehr von Begierde glühend, ihren Zweck zu erreichen, je mehr ihr die Hoffnung darauf in die Ferne rückte.

So wollt Ihr also zugeben, daß die verruchte Brut mir mein bißchen Hausgerät zugrunde richtet, das ich mit soviel Mühe erworben habe? Grausamer Mann! Was für Unheil meint Ihr denn, das ich anstellen könnte? Haltet Ihr mich für verrückt? Traut mir doch nicht solche Albernheit zu, daß ich etwas mache was nicht ganz recht wäre. Ich bin nicht von der Art.

Die Gründe, die Bartolommea mit soviel Feuer vortrug, steigerten den Verdacht, die Begier und die Kühnheit des klugen Apothekers. Er entgegnete von neuem: Seht, schöne Tochter, ich habe Euch gesagt, welchen Schaden es mir bringen könnte, wenn ich Euch dieses Gift leichtfertig verabreichte. Indeß, da ich Euch ansehe, daß Ihr verständig und rechtschaffen seid, und es mir leid täte, wenn diese verdammten Tiere eine Frau zu Grunde richteten, der ich jedes Heil und Gedeihen wünsche, wenn es mich auch mein eigenes Herzblut kosten sollte, so will ich ...

Hier faßte er sie ans Kinn, und da sie stille hielt trat er näher und fuhr fort, ihr mit gedämpfter Stimme fast ins Ohr sprechend, um seinen Worten desto mehr Glauben zu verschaffen: Ich bin bereit, Euch den Gefallen zu tun, wenn Ihr mir Eure Liebe dafür schenkt und versprecht, daß nie ein lebendes Wesen eine Silbe davon erfährt; denn Ihr wäret die Ursache meines ganzen Verderbens.

Es brauchte bei dieser Frau nicht viele Worte und Anerbietungen; er durfte nicht mit solcher Vorsicht zu Werke gehen, sie war ja kein Tiger, nicht einmal eine Lucrezia; sie hatte vielmehr den Entschluß gefaßt, ihrem Manne etwas anzutun und noch schlimmer mit ihm umzuspringen; sie achtete also das für nichts, da es ihr nichts kostete, als die Mühe, das Kleid ein wenig aufzuschlagen, zumal sie sich bei jeder Gelegenheit so verhalten zu können dachte, daß man keine Spur davon merke. Wozu also solche Listen und Künste, da sie vollkommen gestimmt war, jeden Frevel zu begehen, nur um ihren gottlosen Zweck zu erreichen? Kurz, sie ließ sich nicht lange bitten, sondern schlug die Augen nieder, gab seinem Gesuche nach und ließ sich von ihm leiten, der sich ihrer schon, wie ein Raubvogel seiner Beute, bemächtigt hatte. Er nahm sie bei der Hand, führte sie in ein gewisses geheimes Kämmerchen, wo er ein Bett bereit hatte, das für dergleichen Geschäfte ganz passend war, und klopfte ihr hier weidlich den Staub aus. Ehe er aufstand, mußte er sorglichst ..., was Ciente aufs Strengste ... bei seinem Weggange befohlen hatte. Sodann reichte er ihr statt des Gifts Feigbohnenmehl, schärfte ihr noch mehrmals ein, alles geheim zu halten, bat sie, von Zeit zu Zeit wieder bei ihm einzusprechen, wenn sie etwas brauchen könne was er habe, seine Töpfe würden für sie niemals leer sein, wie sie es jetzt auch erfahren habe. Er schenkte ihr noch ein paar Geldstücke und entließ sie. Nun konnte er aber kaum den Augenblick erwarten, wo er seinen Freund Ciente spräche, mit dem er als lebenslustiger junger Mann schon lange auf vertrautestem Fuß stand und dem er freigebig schöne Geschenke machte, so sehr sich erfreuend an seiner ergötzlichen Laune. Ciente hatte es sich deßwegen zur Pflicht gemacht, ihn täglich zu besuchen und wenigstens ein Stündchen ihn mit irgendeinem seiner Späße zu unterhalten, an denen er, wie gesagt, reich war. Heute also, schien dem Apotheker, blieb er allzu lang und gegen seine Gewohnheit weg; er fand keine Ruhe vor der Lust, ihm die Posse zu erzählen, die ihm so glücklich gelungen war. Ciente verfehlte auch nicht, sobald er von der Begleitung des Messer Simone zurückkam und er in seiner kleinen Wohnung jeden Winkel ausgespäht und nach seiner verdächtigen Frau geschaut hatte, ohne irgend etwas Unrechtes zu bemerken, zu erscheinen; vielleicht hatte er nicht seine scharfe Brille auf der Nase. Die Frau, sobald sie von ihrem Freunde los war, hatte sich eiligst und geraden Weges nach Haus begeben, dort eingeschlossen und war nun auf die Ausführung dessen bedacht, was sie ausgesonnen hatte. Sie erwartete ihren Gatten, um ihn sich so schnell wie möglich aus den Augen zu schaffen; sie war überzeugt, wenn er ihr bisher Prügel gegeben habe, werde er sie künftig, nachdem sie ihn mit Hörnern geschmückt hatte, blutig schlagen. Da es aber noch lange war bis zum Abend, und er von neuem ausgegangen war, nahm sie andere Geschäfte vor. Der gute Esel oder vielmehr Hirsch kam also in die Bude des Apothekers und dieser trat ihm entgegen, konnte aber gar nicht sprechen vor lauter Lachen, das in reichem Maße hervorplatzte und immer zunahm, je mehr er sich des Vorfalles erinnerte, so daß Ciente sich gar nicht denken konnte, weshalb sein guter Freund so wiehere. Als sich nun das Gelächter des Apothekers etwas mäßigte, ließ er Ciente sich gegenüber sitzen, um ihm die Geschichte zu erzählen. Da begann denn der Sturm von neuem und zog auch den guten Hornmeister mit in seine Kreise, der freilich keinen anderen Grund zum Lachen, als das Gelächter seines Freundes wußte, das ihn freilich sehr dazu aufforderte. Zuletzt erfuhr jedoch Ciente die Ursache und darauf lachten sie beide von neuem lange Zeit. Ciente wünschte aber nun womöglich die Frau zu kennen, um zu sehen, ob er auch anbeißen könne; denn er besaß neben manchem andern auch die Tugend, sich nicht mit der häuslichen Kost zu begnügen. Er bat ihm den Gefallen zu tun, ihn gelegentlich mit ihr bekannt zu machen. Er konnte dies leicht von seinem Freunde erlangen, zumal der Apotheker ebensoviel Verlangen hatte, sie ihm zu zeigen, als jener, sie zu sehen. Der Apotheker versprach ihm also, sobald sich Gelegenheit gebe, sie ihm vorzustellen, er hätte sie leicht aus tausenden wiedererkannt. Köstlicherweise hatten sie nun kaum soweit gesprochene, als die schöne Bartolommea, beladen mit Wäsche aus dem Hause Messer Simone, die sie nachdem See trug, vorüberging. Sobald der Apotheker sie bemerkt und deutlich erkannt hatte, winkte er seinem Freunde und sagte zu ihm: Da ist sie, diese ists, die eben vorübergeht.

Man darf glauben, daß er nicht zu einem Tauben sprach. Ciente war ganz munter geworden, als er ihr Lob singen hörte, und wäre in hundert Jahren nicht darauf gekommen, daß man so von seiner Frau spreche, hatte vielmehr gemeint, es sei eher jede andere, als sie. Neugierig fuhr er daher in einem Nu auf sie los, um ihr ins Gesicht zu sehen und sie nach Herzenslust zu betrachten; ja, während er sonst immer seinem Wesen nach träg und langsam war, zeigte er sich nunmehr so rasch und gewandt, daß der Magister sich nur darob verwunderte, der nicht wußte, daß er ihn kurz vorher in eine andere Gattung von Wesen verwandelt hatte. Nun aber, da Ciente sie erblickte und sie recht ins Gesicht faßte und sie als seine Bartolommea erkannte, auf die er so eifersüchtig war, die er mit solcher Sorgfalt hütete und in so aufmerksamer Pflege hielt, mag man sich denken, ob ihm nicht die Grillen aus dem Kopfe wichen, ob er nicht schnell seine Liebesgelüste verscheuchte, verstummte und ein stechendes Weh im Herzen fühlte! Er schlug die Blicke zu Boden, sah selber aus wie der Boden, ja, der Arme wäre fast umgesunken und des Todes gewesen. Dann war er nahe daran, verrückt zu werden, sich zu verfluchen und wider sich selbst zu wüten. Was sagte er nicht alles? Was tat und dachte er nicht! Kurz, er entlief, ohne lange Abschied zu nehmen. Grausam, wie er war, zerkratzte er sich das Gesicht, biß sich auf Lippen und Finger und lief nach Hause, um dort seine Frau zu erwarten und sie abzuschlachten, sobald sie heimkäme. Der Apotheker war gleichfalls erstaunt über das, was er gesehen hatte, besann sich hin und her, und kam endlich auf die Vermutung, Ciente müsse bei der Sache sonderbar beteiligt sein. Er eilte der Frau nach, und als er sie erreicht hatte, fragte er sachte nach ihren Verhältnissen; wußte ihr auch so zu schmeicheln, daß sie, der der Umgang mit ihm außerordentlich gefallen hatte, und die, um nur beständig um ihn zu sein, sich gern dazu verstanden hätte, ihm in der Bude zu dienen, den ganzen Tag den Pfefferstößel zu regieren und im Gang zu halten, auch sämtliches Geräte zu reinigen, daß sie, sage ich, ihm offenbarte, wie bitter ihre Lage sei, ihm alle Geheimnisse ihres Lebens enthüllte und endlich mitteilte, daß sie Ciente's Frau sei. Der Apotheker war hierüber so verwundert als verdrießlich und ärgerlich; aber er sah ein, daß ein Stein, der einmal geworfen ist, nicht wieder zurückkommt und daß Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden kann; beschloß daher ein zweckdienliches Linderungsmittel in Anwendung zu bringen. Zuvörderst unterrichtete er die Frau von allem, was ihm mit ihrem Gatten begegnet war und von dem, was ihr drohe, wenn sie jetzt nach Hause zurückkehre, und fügte bei, wie sie am besten tue, sich in ihre Lage zu fügen. Sie war darüber ganz verblüfft, und unfähig, sich selbst zu helfen, legte sie ihm ihre Lage ans Herz mit der Bitte, ihr beizustehen. Sie warf sich ihm in die Arme und bat unter vielen Tränen, nachdem er sie in ein solches Labyrinth geführt habe, auch um Aushilfe besorgt zu sein, daß sie mit heiler Haut sich zurechtfinde. Ganz freundlich führte er sie daher in seine Wohnung, da er dort keine Frauen im Hause hatte, mit der Absicht, zu sehen, wie er noch vor Sonnenuntergang für die Wunde seines Freundes eine Salbe oder ein Pflaster fände, um der Anmut seiner Unterhaltung nicht verloren zu gehen. Die Sache nahm jedoch eine andere viel gelegenere Wendung. Denn ob er in Ciente auch einen angenehmen Gesellschafter verlor, so gewann er doch mit seiner Gattin eine noch viel angenehmere Gesellschafterin; und wenn sie auf lange Zeit ihren bösen Mann los wurde, so tauschte sie dafür einen braven Liebhaber. Wie gesagt, es ging alles anders und alles kam doch zu gutem Ende. Denn als der neue Aktäon seine Frau bis zum Einbruch der Nacht erwartet hatte und sie nicht kommen wollte, merkte er, wie die Sache gegangen sein könnte, und änderte seinen Plan. Er packte zusammen, so viel er tragen konnte, und ging fort, ehe es Tag wurde, da er sich dachte, die Posse würde auskommen (wie es auch wirklich geschah), und dann könne er sich nicht mehr öffentlich sehen lassen. Wie eine lichtscheue Eule kehrte er daher in seine Heimat zurück, schalt sich für seine Eifersucht, aber freilich zu spät; und gestand sich, daß ihm das ganz recht geschehe. Aber auch in dem Ort blieb er nicht lange, das behende und geschwätzige Gerücht verbreitete die Sache auch in Medole und der arme Schelm sah sich genötigt, auch von dort wegzugehen, bis die Zungen stille wurden und die Nachrede einschlief. Endlich kehrte er zurück, hatte sich in eine andere sanftere Gemütsart gewöhnt und durch die Vermittlung seiner Freunde und des Apothekers, der ihm weiß machte, alles sei nur ein Traum gewesen, söhnte er sich wieder mit seiner Frau aus. Er traf sein Haus gut bestellt; sah seine Frau schöner als je. Bei der Aussöhnung aber, die er wünschte, mußte er das Versprechen ablegen, die Eifersucht völlig zu verbannen. Und das tat er auch. Sie lebten nachher lange in ungetrübtem Frieden und er begehrte nicht zu wissen, wie sie gelebt habe, solange er entfernt war, um ja nicht auf das zu treffen, was er nicht gerne gefunden hätte, und was den Eifersüchtigen gerade so oft begegnet. Daraus entsprang denn für die schöne Bartolommea manchmal eine bequeme Gelegenheit, sich unbeschrieen der Liebe ihres klugen Apothekers zu erfreuen, so daß keinem von beiden ihre Freundlichkeit fehlte, zu dritt sie glücklich waren.

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