Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Übertragung von A. v. Keller

Giustiniano Nelli

Giulio und Aurelios Frau

Es sind erst wenige Monate, daß in unserem Siena ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren, sehr schöner Gestalt, edlem Blut und preiswürdiger Sitten, des Namens Giulio, sich in eine sehr schöne, gewandte und über die Maßen reizende, nicht weniger sittsame als liebenswürdige junge Frau heftig zu verlieben anfing. Von dieser Liebe getrieben unterließ er nichts, von dem er meinte, daß es ihr gefalle oder daß es ihm dienlich sein könne, ihr Wohlgefallen zu erlangen. Diese Liebschaft war seine einzige Beschäftigung, wie das häufig bei jungen Leuten geht; er widmete sich dem Lautenschlagen, Flötenspielen, Hornblasen, Singen und Tanzen; es war kein Frühstück, Hochzeit, Mahlzeit oder andere Zusammenkunft, der Isabella beiwohnte, wo nicht Giulio alsbald auch hingegangen wäre; ich schweige von der Maskenlust, dem Limonenwerfen und Ausstreuen wohlriechender Sachen, wie es unsere jungen Leute in der Faschingszeit zu üben pflegen; aber es waren wenig Nächte, wo er ihr nicht eine Musik oder sonst eine artige Unterhaltung zu ihrem großen Vergnügen zu hören gab. Durch diese Kundgebungen merkte nicht bloß ihr Gatte Aurelio Giulios Liebe, sondern sie war fast allen jungen Leuten in Siena bekannt, weshalb auch häufig Aurelio mit seiner Isabella darüber scherzte, in vollem Vertrauen auf die Keuschheit und Treue seiner teuren Frau. Isabella andererseits war zwar aufs Beste gesinnt, teils wegen ihrer natürlichen guten Gemütsart, teils wegen des liebevollen Betragens, das ihr Gatte ihr angedeihen ließ, aber dennoch mißfiel es ihr nicht, sich von Giulio geliebt zu sehen; sie betrachtete es gegenüber den anderen Frauen als Vorzug, wiewohl sie sich stellte, als kümmere sie sich gar nicht darum, (wie wir das täglich schöne Frauen so machen sehen);denn so schön, reich, jung und edel auch ihr Gemahl sein mag, so sehr sie von ihm geliebt sein mögen, versäumen sie doch niemals, Alles ins Werk zu setzen, wovon sie glauben, von anderen für schön gehalten zu werden; und so schön sie auch die Natur mag hervorgebracht haben, so bestreben sie sich doch künstlich noch viel schöner zu erscheinen; ja sie würden sich lieber arm und sittenlos, als häßlich und alt nennen hören. Und fragt man eine solche, die dergleichen Anstrengungen machen: Warum tust du das? antworten sie: Um meinem Mann zu gefallen. Wenn sie ihm aber schon gefallen, so antworten sie: Um sein Wohlgefallen zu erhalten.

Sie merken nicht, daß sie Vieles tun und treiben, was Männern weit mehr mißfällt; wie, sich die Haare aus der Stirne zu raufen, hohe Schuhe zu tragen und dergleichen Dinge, welche die Schönheit eher beeinträchtigen als erhöhen. Bei alledem aber, um auf Giulio zurückzukommen, hatte er nie mehr, als einige seltene Liebesblicke von ihr erhalten können. Er erfand verschiedene Wege, seine Liebe einem Ziel entgegenzuführen, wiewohl er wenig Hoffnung hatte; aber ein Verfahren gefiel ihm vorzugsweise und daran hielt er fest, nämlich ein gefälliges Frauenzimmer zu ihr zu schicken, um ihr auseinanderzusetzen, daß er in Liebe zu ihr glühe. Er nahm sich vor, keine Ausgabe zu scheuen. Er hörte denn von einer gewissen Bonda, welche in Camollia wohnte, einer zu ähnlichen Leistungen sehr geeigneten Person, sie hatte ihre Jugend im Dienste der Liebe hingebracht und war nun aus Menschenliebe gern anderen behilflich, die die ihre ebenso hinbringen wollten; sie hätte lieber die Messe nicht gehört, den Rosenkranz nicht gebetet oder die Predigt versäumt, als eine ihr aufgetragene Botschaft eines Verliebten nicht besorgt, wiewohl sie auch kein Mönchskloster einen ganzen Tag unbesucht ließ und wenig Vespern gehalten wurden, die sie nicht anhörte; sie war immer die letzte, die die Kirche verließ, um zu hören und zu sehen, was dieser und jener junge Mann sprach, wen er ins Auge faßte, was Base so und so mit ihrer Nachbarin plauderte; mit allen hatte sie zu tun; nie gingen ihr die Worte aus; immer wußte sie, was in der ganzen Stadt und in der Umgegend geschah. Diese Frau also suchte Giulio auf und sagte zu ihr: Monna Bonda, Euer guter Ruf hat mich gelockt, herzukommen und mich unter Euren Schutz zu stellen. Wie Ihr wißt, ist es nun so die Art der jungen Leute, daß sie verliebt sind, und mein Unstern will, daß ich meine ganze Liebe auf ein Weib gerichtet habe, von der ich ohne Eure Vermittlung nie ein gutes Wort zu bekommen hoffen kann. Ihr allein könnt mir helfen; in Eure Hände lege ich mein Heil. Helft mir, ich bitte Euch darum, und verfügt über mich, soweit ich vermag, über Habe und Person; ich bin nie undankbar gewesen gegen die, die mir Wohltaten erwiesen haben. Und weil ich Eure Klugheit kenne, vertraue ich Euch meine Liebe an, damit Ihr so gut seid und hingeht, mit Isabella Aurelios Frau zu sprechen, wenn Ihr sie kennt, und ihr, so gut Ihr immer könnt, mich empfehlt.

Bonda setzte sich darauf nieder und antwortete bedächtig: Giulio, allerdings war es immer mein Bestreben, rechtschaffenen Männern Vergnügen zu verschaffen, sowohl als ich jung war, als auch jetzt; immer, so weit die Sittsamkeit zuließ. Aber so wahr der liebe Gott mir meine zwei Töchter erhalten möge, die der Stab meines Alters sind, ich habe solche Dinge nie gern getan. Und jetzt nun will ich die wenige Zeit, die mir noch zu leben übrig bleibt, dazu anwenden, nach Ablaß zu gehen, Kirchen zu besuchen und Gott zu dienen. Er weiß, daß ich oft um dergleichen angegangen worden bin, um meine eigenen Töchter selbst, denen ich aber niemals ein Wörtchen davon sagen mochte. Allerdings, wenn sie von selber sich einmal einen Freund erbeutet haben, bald um einen langen Schlafrock, bald um ein paar Ärmel zu erhalten, habe ich sie machen lassen; nur ich meinesteils will nicht in der anderen Welt darüber Rechenschaft zu geben haben. Ich sage dir, ich glaube, ich habe einen so guten Willen, als nur irgendeine meines Gleichen. Du sagst mir, ob ich Aurelio und seine Frau kenne. Welche Frau oder Mädchen von zehn Jahren und darüber gibt es in dieser Stadt, verheiratete oder unverheiratete, die ich nicht kenne? Es gibt wenige Häuser von Bürgern, wo ich nicht bekannt wäre und aus und einginge wegen der Spinnerei, die ich treibe; denn ich mag nicht, daß mir irgend sonst eine die Spindel aus der Hand nehme. Ich flicke Hemden für Studenten, Kapuzen für Mönche, warte den Nonnen auf; in der Sapienz und in der Stadt ist kein Student, der mich nicht kennt; bei Sanct Franz, Sanct Dominicus und Sanct Augustin kein Mönch, in dessen Zelle ich nicht tausendmal gewesen bin; von den Nonnen sage ich nichts; denn ohne Dispens habe ich Einlaß in alle Klöster; mit Gottes Hilfe bin ich nunmehr überall bekannt. Wisse überdies, daß deine Mutter mich so lieb gehabt hat, daß ichs gar nicht sagen kann; und alle Geschenke, die sie deiner Schwester Ginevra gegeben, habe ich mit diesen Händen gesponnen. Oh wie viel Gutes habe ich von jener Frau genossen, Gott habe sie selig! Aber seit sie tot ist, und ihr keine Frauen im Hause habt, mochte ich nicht mehr hinkommen; und es wundert mich nicht, daß du dich daran nicht erinnerst oder darauf besinnst, denn vor drei Jahren warst du noch ein Knabe, jetzt bist du ein schöner Jüngling geworden. Wie groß bist du! Du gleichst deinem Großvater, der war der schönste junge Mann in Siena. Gott segne dich, mein Sohn! Ja, ich wäre sehr ungerecht und müßte die empfangenen Wohltaten vergessen haben, wenn ich dir nicht dienen möchte, soweit ich kann. Wiewohl es nicht mein Gewerbe ist: dir zu Liebe will ich mein Leben daran setzen, und ich sage dir sogar, daß, wenn du mich selbst um meine eigene Töchter angegangen hättest, hätte ich kaum nein sagen können, so groß ist die Neigung und Liebe, die ich für dein Haus gehegt habe und noch hege.

Dieser Schluß Bondas hatte Giulio ganz erheitert, während er bisher sehr zweifelhaft gewesen war, bei seiner Unkenntnis solcher Leute, welche Keuschheit predigen und denen doch kein Verbrechen zu groß scheint, wenn es überhaupt ein Verbrechen heißen kann, verliebte junge Leute zu unterstützen. Ihre Reden gaben ihm also Mut und er eröffnete ihr ausführlicher seine Gesinnung; nachdem sie hiernach verabredet hatten, daß sie am folgenden Tage sie aufsuchen solle, nahm er von ihr Abschied. Am anderen Tage kurz nach der Vesper, als Aurelio nicht zu Hause war, verfügte sich Bonda zu Isabella, trat ins Haus, erkundigte sich nach der Hausfrau und ging weiter in den Saal, wo bei ihrer Ankunft Isabella, die sie nicht kannte, nicht wenig verwundert war, daß sie so ohne Umstände in ihr Haus komme. Sie fragte sie, was sie suche. Bonda hatte feinen Faden für Handtücher zu verkaufen bei sich und antwortete, man habe ihr gesagt, sie bedürfe welchen. Damit zog sie aus dem Ärmel eine kleine Schachtel mit etwa vier Lot Faden, das Lot zu einem Gulden hervor, zeigte es ihr, fing ein langes Gespräch darüber an, setzte ihr auseinander, wie nützlich es sei, solche Handtücher zu machen, erzählte ihr, wie viele sie solche verkauft habe, flocht dann ein, wie sie mit ihrer Mutter sei befreundet gewesen, welche Gefälligkeiten sie von ihr empfangen habe und viel dergleichen Zeug. Darauf fügte sie hinzu: O welch ein trauriges Leben ist das doch heutzutage! Wie keck sind die jungen Leute jetziger Zeit! Während ich da in Euer Haus ging, kam mir ein junger Mensch, den ich nur dem Namen nach kenne, er heißt Giulio, der war so frech mir zu sagen, ob ich ihn mit ins Haus nehmen wolle, er wolle unter meinen Rock schlüpfen. Gott verdamm' ihn! Seht, was das für artige Streiche sind!

Isabella antwortete nichts hierauf, lächelte nur etwas, ließ sich aber nicht einfallen, worauf das alles abziele. Bonda faßte dadurch neuen Mut und fuhr fort: Gott erhalte Euch! Ihr kommt mir schöner vor, als je, und seid frisch und voll wie eine Rose und doch noch so jung! Ich erinnere mich, wie von gestern her, daß Euch Eure Mutter in die Messe und überall wohin sie ging, mitnahm. Und was sagt Ihr dazu, daß dieser Bursche auch noch so keck war mir zu sagen: Empfehlt mich der Frau vom Hause! Und noch viel Anderes, was ich Euch nicht sagen mag.

Isabella war ganz verwirrt; es machte ihr wohl Freude, von Giulio sprechen zu hören, da sie wußte, wie sehr er sie hebe, doch fürchtete sie, mit dieser Frau davon zu reden, um keine Irrungen zu veranlassen; sie traute ihr nicht und schmälte am Ende Bonda mit spröden Worten mit dem Beifügen, nie mehr in ihr Haus zu kommen. Bonda erwiderte, entschuldigte sich und ließ nicht nach, bis sie sie begütigt hatte, worauf sie wegging mit dem Versprechen wiederzukommen und anderen schöneren Faden mitzubringen. Sie suchte Giulio auf, erzählte ihm den ganzen Hergang und sprach ihm zu, guten Mutes zu sein; denn es sei die Art aller Frauen, in solchen Fällen immer abzuschlagen, so gern sie auch zusagen wollten. Er solle sie nur machen lassen, in wenigen Tagen werde sie ihn zufriedenstellen. Weil aber im ganzen Lande Soldaten seien, habe sie das Korn, das sie von einem Landmann im Arbiatale gekauft habe, nicht kommen lassen können, und er würde sie sehr verbinden, wenn er ihr etwas Korn oder Mehl leihen wollte. Giulio, der schon so weit zu lesen verstand, sagte, hieran, wie auch an Wein und Sonstigem werde er es ihr nie fehlen lassen, sie solle nur allen ihren Fleiß anwenden. Sie versprach ihm von Neuem und nur noch eindringlicher das Beste, und nahm Abschied voll Freude im Gedanken an das Mehl, das sie gewonnen hatte. Giulio sandte ihr am gleichen Abend einen Sack Mehl und ein Fäßchen Wein und erinnerte sie an ihre Arbeit. Monna Bonda ging am folgenden Tag um dieselbe Stunde zu Isabella und brachte ihr gebleichten Zwirn und Borten zum Geschenk und eine Flasche sehr wohlriechendes Gesichtswasser und etwas Zwirn ähnlich dem früheren. Als sie kam, machte ihr Isabella nicht eben das beste Gesicht; sie aber sagte ganz heiter und lächelnd: Madonna, ich habe seit gestern mich vielfach betrübt, wenn ich daran dachte, wie Ihr, um nichts Euch erzürnt habt. Es ist so meine Art, mit schönen Frauen, wie Ihr, zu plaudern, und ich würde Euch nicht zürnen, was Ihr auch sagen wolltet. Ich bitte Euch daher, seid mir nicht böse und seid versichert, sobald Ihr mich kennt, wird Euch mein Besuch nicht unangenehm sein; ich kann Euch vielleicht in Manchem helfen. Ich habe Geheimmittel, um Haare, wo immer man will, auf eine Art fortzubringen, daß sie nie wiederkommen. Ich kann Gesichtswasser machen von verschiedener Art, hell wie Kristall, und solches, das das Gesicht schön und frisch erhält, wie das Eure; anderes, das glänzen macht wie Elfenbein; wieder anderes, das die Hautrunzeln zusammenzieht, was Ihr freilich nicht nötig habt. Ich kann sublimiertes Quecksilber bereiten, ohne einen Fratino oder sonst einen Apotheker, was freilich nicht viel heißen will, denn das sind Schminken für die Unverständigen. Und damit Ihr mir glaubt, will ichs Euch mit der Tat beweisen. Damit zog sie ein Fläschchen hervor und gab es ihr. Nehmt das, sprach sie, als Andenken von mir! Es ist das, von dem ich zuerst sprach. Darauf gab sie ihr den Zwirn und die Borten und sagte: Und das gehört Euch auch; dieser Tage hat mirs eine befreundete Nonne von Santo Prospero gegeben, aber ich brauche es nicht und wüßte es nicht besser anzubringen, als bei Euch.

Isabella betrachtete die Sachen, die ihr ausnehmend gefielen, und die Alte hatte sie so mit Worten umstrickt, daß sie nur zu erwidern wußte, daß sie nicht zornig sei und diese Sachen gern nehme. Sie dankte ihr und versicherte sie, sie dürfe sich auf sie verlassen. Sie rief die Magd, ließ ihr zwei Käslaibe geben und sagte: Ihr müßt in diesem Fasching mir zu Liebe die Bluttorten machen.

Sie dachte nicht daran, wohin diese Freigebigkeit führen werde. Mutter Bonda kehrte zu ihrem Zwirn zurück und kam dann auf Giulio mit der Frage, ob es ihr Vetter sei, da er sich so eifrig nach ihr erkundige. Isabella antwortete nur allmählich und setzte auseinander, wie sehr sich die versündigen, die ihren Ehemännern die Treue brechen; sie würde sich lieber umbringen lassen, als sich hierzu zu verstehen. Bonda entgegnete darauf: Ihr sprecht fürwahr ganz wie eine rechtschaffene Frau und ich gehöre auch zu denen, die hiervon nie ein Wort hören wollten. Aber, wenn unsere Männer so viel Rücksicht auf uns nähmen, wie sie es von uns gegen sie verlangen, so wäre das noch vernünftiger. Dagegen sehe ich, die Frau mag schön oder häßlich sein, daß sie eher mit einer Hand, als mit einer Frau sich begnügen würden, und sich den ganzen Tag bald mit der Haushälterin, bald mit der Magd, bald mit der Pächterin und tausend anderen Sudeldirnen einlassen. Ja, was noch mehr ist, am Abend rühmen sich die Männer dessen vor einander in den Schenken und das Gesetz erlaubt ihnen, daß sie hierüber nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, während die armen unglücklichen Frauen, wenn sie sich nur ein paar Male am Fenster zeigen, gleich in Aller Mund sind. So wahr Gott lebt, das ist Ungerechtigkeit; und wenn ich wieder jung würde, so weiß ich gewiß, daß mir kein Wunsch unbefriedigt bleiben sollte. Allerdings, da die Frauen so großer Beschämung ausgesetzt sind, tun sie wohl daran, mit Vorsicht zu Werke zu gehen, mit Heimlichkeit und mit Leuten sich einzulassen, die der Mühe wert sind wie eben jener junge Mann, von dem wir soeben sprachen. Ich bin überzeugt, daß eine Frau, die es macht, wie ich gesagt habe, nur dazu beiträgt, die Sünden ihres Mannes in der anderen Welt zu tilgen; denn wenn der Mann seine Pflicht gegen die Frau nicht einhält und die Frau sich ebenfalls versorgt, so ist klar, daß sie quitt sind und also hat keines von beiden gefehlt.

Isabella konnte hierbei kaum das Lachen halten, stellte sich jedoch äußerlich verwirrt und sprach: Ihr redet, wie ein Magister der Theologie; aber es ist doch lauter unverständiges Zeug, Bonda! Wer es tun will, mags tun; ich aber meines Teils bin entschlossen, mit keinem Mann zu schaffen zu haben als mit meinem Aurelio, und ich will auch nicht wissen, ob er mit anderen Weibern zu schaffen hat.

Bonda gab Worte zurück, Isabella entgegnete wieder, bis endlich die Alte mit der Erklärung hervortrat, sie gehe nicht weg, bis sie ihr eine Antwort an Giulio aufgetragen habe, damit er sie nicht weiter belästige. Darauf versetzte Isabella, als wollte sie sie zurechtweisen, sie solle ihm sagen, sie werde diese Dinge nicht tun ohne Erlaubnis ihres Gatten, und wenn er sie sprechen wolle, solle er zu einer Zeit zu ihr kommen, wenn Aurelio zu Hause sei, dann wolle sie ihn anhören, sonst nicht. Bonda meinte, das sei keine Antwort, die sie gebrauchen könne, und fuhr fort mit Bitten. Isabella entließ sie aber und ging in ihre Kammer. Bonda kehrte zu Giulio zurück und verlangte von ihm vorerst zwei Dukaten, die sie ausgegeben habe für Wasser, Zwirn und Borten, die sie seiner Isabella geschenkt, und sagte ihm sodann, sie werde ihm etwas sagen, was ihn glücklich machen werde. Giulio griff in die Börse und gab ihr zwei Golddukaten mit der Bitte, ihm zu sagen, was sie ausgerichtet habe. Bonda berichtete sofort alle ihre Gespräche mit Isabella, flocht auch noch manches aus dem Kopfe ein und sagte ihm dann den Schluß ihres Besuches.

Und in wiefern, antwortete Giulio, wird mich das glücklich machen, wenn ich von ihrem Mann dazu Erlaubnis einholen soll?

Ich habe mir eine gute Art ausgedacht, sagte Bonda, wie du ins Haus kommen sollst, der Ehemann soll dich selbst zu ihr in die Kammer bringen. Wenn du dir aber dann nicht weiter zu helfen weißt, so ist es deine Schuld.

Weiter will ich nicht, sagte Giulio. Sie erzählte ihm, was sie ausgedacht habe, und nun verabredeten sie alles Erforderliche auf morgen. Um die Zeit des Frühmahls ließ sie den Giulio sich als Weib verkleiden nach Art einer Bäuerin, mit einem dicken Tuche auf dem Kopf, und darüber ein Knäuel Werg, einen silbernen Ring am Finger, einen Rocken an der Seite, einen Korb am Arm und eine Alte hinter sich, so machte er sich auf den Weg nach der Straße, die vom Tore herkam und auf Aurelios Haus zuführte. Als käme er zum Tore herein, trat er in Isabellas Haus und ging hinauf in einen Saal, ohne zu rufen. Dort angelangt fing Giulio fast weinend also zum Hausherrn zu sprechen an: Ich flehe Euch an, edler, Herr, gewährt mir Sicherheit in Eurem Hause!

Aurelio, in hohem Grade erstaunt, sprach also: Madonna, fürchtet Euch nicht! Was habt Ihr?

Die Alte, welche ihn begleitete, übernahm das Wort, damit Giulio nicht erkannt werde.

Edler Herr, sagte sie, wenn gleich diese Frau der Tracht nach eine Bäuerin zu sein scheint wie ich, so ist sie dennoch von Adel und die Gemahlin von ... Hier nannte sie einen unserer Mitbürger, welcher seit ein paar Jahren von hier weggewesen war. Wie ihr wißt, ist ihr Gatte auswärts und wünschte, sie solle ebenfalls auf ihre Güter kommen. Da nun aber auf Befehl der Acht angeordnet worden ist, daß kein Bürger oder Bürgerin die Stadt verlasse, ist sie, um ihrem Mann zu gehorchen, auf den Einfall gekommen, diese Kleidung anzulegen, um unerkannt zu bleiben. Sobald wir aber am Tore waren, sei es, daß sie zu verlegen einherging oder was für ein Unstern sonst über uns waltete, fingen die Wachen an, sie so fest ins Auge zu fassen, daß sie gut merkten, sie sei nicht vom Lande. Ja, einer von ihnen sagte zu ihr: Madonna, kehrt nur um und gebt Euern Werg heim! Heut dürft Ihr es nicht zum Spinnen tragen. Wenn Ihr aber bei mir bleiben wollt, so will ich Euch nicht Werg, sondern Flachs zu spinnen geben. Wenn ich solche Pächterinnen hätte, die behielte ich in Siena und ließe sie nicht aufs Land; meiner Treu, euer Gesicht ist nicht der Art, als müßtet ihr bei Bauern schlafen. Darum bleibt Ihr besser in der Stadt. Wir antworteten nichts darauf, damit sie uns nicht erkennen, kehrten eiligst um und sind nun, ohne umzusehen, ob man uns nacheilt, hier in Euer Haus geflüchtet, damit sie uns nicht finden, wenn sie uns nachgeschickt und gesehen hätten, wohin wir gehen. Denn sonst hätten sie die arme Frau zu tausend Dukaten verurteilt, wie die Verordnung lautet. Wenn wir nun auch hier hereingekommen sind, könnt Ihr ja sagen, wir seien durch die Hintertüre wieder hinaus und Ihr habet uns nicht gesehen; es ist ja klar, daß Ihr keine solche Frauen bei Euch habt, die veranlaßt wären, in dieser Weise Siena zu verlassen.

Während die Alte dies sprach, stand Giulio immer mit gesenktem Haupte da, tat, als weinte er und hielt bald diese, bald die andere Hand vors Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Aurelio, der ein Ehrenmann war, ließ sich von dieser Erzählung zu großem Mitleid rühren und befahl sogleich dem Burschen, die Haustüre zu schließen und niemandem ohne seine Erlaubnis zu öffnen.

Madonna, sagte er, es tut mir sehr leid, daß Ihr auf so unangenehme Weise berührt worden seid; hier aber dürft Ihr ganz ohne Besorgnis sein. Ihr könnt so lange hier bleiben, als wenn Ihr meine eigene Schwester wäret, und ich weiß niemand, der Euch hier suchen würde. Ihr dürft daher nicht mehr weinen; niemand kennt Euch; betrachtet Euch hier ganz als zu Hause; Isabella wird nicht ermangeln, Euch gute Gesellschaft zu leisten.

Er wies hierauf seine Gattin an, in die Kammer zu gehen, ihn mitzunehmen und ihm alle mögliche Bequemlichkeit zu verschaffen, tröstete überdem die vermeintliche Frau, so gut er konnte, und ging sodann weg und seinen Geschäften nach. Isabella trat mit der neugebackenen Frau und mit der Alten in die Kammer und bat sie, so gut sie konnte, sich es nicht mehr leid sein zu lassen, sie sei jetzt an einem Orte, wo sie sich sicher nennen könne. Die gute Alte wandte sich, als es ihr Zeit schien, zu Isabella und zu ihrer Herrin und sagte: Madonna, es ist vielleicht besser, wenn ich an das Kloster der heiligen Maria Magdalena gehe, um Eurer Schwester mitzuteilen, wie die Sache ausgegangen ist, und ihr zu sagen, daß Ihr heut Abend oder morgen in aller Frühe zu ihr kommt, da ihr nicht mehr heimkehren wollt. Ich bringe Euch dann eure Kleider her, damit die anderen Nonnen Euch nicht in dieser Tracht sehen. Euch, Madonna Isabella, empfehle ich, so sehr ich kann, meine Gebieterin.

Damit nahm sie Abschied und verließ das Haus. Isabella war nun mit der angeblichen Frau allein und fing an, mit ihr in aller Einfalt zu plaudern. Giulio antwortete nichts, stand auf und ging an die Türe, um sie zu schließen. Er nahm Isabella bei der Hand, riß sich das Tuch vom Kopfe, stand nun in einer seidenen Mütze da und gab sich zu erkennen. Sobald sie dies sah, war sie wie tot vor starrem Erstaunen und wollte zu schreien anfangen. Giulio aber sagte zu ihr: Madonna, schreit nicht! Ich bin nicht hier, um Euch irgend etwas Unangenehmes zuzufügen. Setzt nicht mit einem Male mein Leben und Eure Ehre in Gefahr, wiewohl ich mirs zum Ruhm anrechnete, um Eure Liebe zu sterben. Aber nur um Euch täte es mir leid, denn wenn ich hier gefunden werde, wer wird annehmen, daß ich ohne Anordnung von Euch hierhergekommen sei? Und je mehr Ihr Euch hierüber entschuldigen würdet, um so mehr würdet Ihr Euch anklagen. Da es nun so ist, so laßt es Euch gefallen, freundlich mit mir zu reden.

Isabella suchte ihm fortwährend aus den Händen zu kommen und ihm zu entfliehen, aber sie konnte nicht, er hielt sie fest. Da sagte sie weinend: Ach, treuloser Verräter, wie hast du jemals die Keckheit gehabt, mich auf diese Art zu täuschen, wenn du mich so sehr liebst, wie du sagst? Jetzt weiß ich gewiß, daß du mich niemals geliebt hast, da du dich dazu hergibst, mir so beschwerlich zu fallen. Sobald ich von dir wegkomme, werde ich mit Messer oder Gift mein Leben enden, damit du mich nicht anderen mit dem Finger zeigend dich rühmst, du habest mich hintergangen.

Darauf sprach Giulio, fast mit Tränen in den Augen: Meine Gebieterin, hätte die Natur mir Verstand gegeben, Euch meine Gründe auseinanderzusetzen, wie sie mir Anlaß gegeben hat, Euch zu lieben, so zweifle ich nicht, daß ich mit einem Schlage Euch von solcher Hartnäckigkeit, mich von solcher Pein befreien könnte, denn Ihr habt Unrecht, Euch über mich zu beklagen; denn wenn ich Euch über alles liebe, ist es Eure Schuld, wenn es Euch mißfällt, denn Ihr seid über Alles schön. Wenn Ihr meint, ich sei betrügerischer Weise ins Haus gekommen, so erinnert Euch, daß Ihr selbst es geraten und befohlen habt, daß ich kommen solle, solange Euer Mann zu Hause sei, da Euer Ruf gefährdet worden wäre, wenn ich auf andere Weise hätte kommen wollen. Mögt Ihr nicht den Befehlen Eures Mannes gehorchen, welcher Euch sagte, Ihr sollt mir in Allem, soweit Ihr könnt, gefällig sein? Ich bitte Euch, mein allerliebstes Herz, nehmt mich zu Eurem Diener an und schenkt mir Eure Liebe, denn es ist mir viel angenehmer, zu wissen, daß Ihr mich liebt oder wenigstens, daß es Euch gefällt, wenn ich Euch liebe, als ob mir die ganze Welt gehorchte. Und wenn Ihr auch für gut finden solltet, mir den Tod zu geben, bin ich bereit, Euch zu gehorchen in Allem, was Euch recht ist.

Er umarmte und küßte sie und erwartete schweigend die Antwort. Isabella aber erwiderte nichts und blieb mit gesenktem Gesicht immer seufzend stehen. Giulio setzte daher seine Reden fort und sagte, Küsse unter die Worte mischend, also: Ach, warum, Madonna, bekümmert Ihr Euch so? Ihr seid nicht die erste und werdet die letzte nicht sein. Und glaubt Ihr, wenn Euer Aurelio sich so mit einem schönen Mädchen zusammen sähe, würde er sich so viel besinnen, ob er Euch mißfalle? Glaubt Ihr, andere Frauen machen es nicht ebenso? Es gibt keinen anderen Unterschied der Keuschheit der Frauen, als daß manche ihre Liebe geheim zu halten verstehen. Keuschheit bedeutet weiter nichts als vorsichtig sein. Weil einige so töricht sind, daß sie ihre Liebschaften nicht geheim zu halten wissen, werden sie von den Männern für sittenlos gehalten. Uns kann das nie widerfahren, denn wenn man es nicht erfährt, ist das ebensoviel, als wenn nie etwas gewesen wäre. Wenn es eine Sünde wäre, wie man sagt, würden die Gesetze diesem, wie anderem, vorbeugen. Habt Ihr aber je Frauen vor Gericht kommen sehen, weil sie mit ihren Liebhabern zusammen waren? Gewiß niemals. Und wenn jemand erführe, daß wir hier beisammen gewesen sind, was würde er anders denken, als daß wir einander genossen haben? Wenn aber niemand es erfährt, wie es niemand erfahren wird, wer kann uns darüber zur Rede stellen, ob wir gut oder übel getan haben? Ebenso wenig wünsche ich, da ich Eure Liebe so sehr schätze, daß es zu jemandes Kunde käme, wie lange wir hier beisammen gewesen sind, und daß ich unbefriedigt von Euch geschieden bin; jeder würde glauben, daß irgendein unschickliches Wesen oder Ungezogenheit von meiner Seite Schuld war, weshalb ich zu Recht von Euch abgewiesen würde; oder daß Ihr die grausamste und sprödeste Frau wäret, die es auf der Welt gibt. Da aber nun keines von beiden der Fall ist, so laßt Euch lieber als erbarmungsvoll loben, denn als grausam tadeln. Warum glaubt Ihr, daß die Frauen so manche Widerwärtigkeiten treffen, wie Entfremdung ihrer Männer ohne Grund, schlechte Aufführung der Söhne, Anfeindung in der Nachbarschaft und anderes Unangenehme, als weil sie undankbar sind gegen ihre Liebhaber?

Durch diese Worte ward lsabellas Gemüt etwas besänftigt, sie leistete nicht mehr so entschiedenen Widerstand wie bisher.

Bei meinem Mann, sagte sie, trifft mit Recht das Sprichwort ein, welches besagt: Der zu schnell Gläubige wird oft betrogen.

Später sprachen sie noch vieles andere, was ich, weil sie es leise sagten, nicht verstanden habe, wiewohl ich aufmerksam an der Kammertüre wie bisher lauschte. So viel weiß ich, daß Giulio Kammer und Haus in derselben Kleidung verließ, in der er gekommen war; aber viel heiterer als beim Eintritt. Auch Isabella schaute von nun an recht kecklich drein und sie richtete es so, daß sie Bonda nicht mehr nötig hatten. Als Aurelio des Abends zum Essen heimkehrte, fragte er nach der Frau, welche er zu Hause zurückgelassen habe. Isabella antwortete, ihre Magd habe sie in das Kloster geführt und sie habe sich sehr über ihr Weggehen betrübt, denn sie hätten den ganzen Tag in so lebhaftem und anmutigem Gespräche miteinander zugebracht, daß sie wohl nie in ihrem Leben jemand gefunden habe, der ihr so wohl gefallen hätte; jene sei so klug und rede so verständig, als wäre sie ein Mann; hätte sie nicht gefürchtet, allzu begehrlich zu scheinen, hätte sie sie eingeladen, bei ihr zu essen und zu schlafen. Aurelio lobte sehr ihre gegen die junge Frau geübte Höflichkeit und war vergnügt, diesen Abend in die Familie der Hörnerträger einzutreten. Die Frau hatte den Unterschied zwischen den Umarmungen des Liebhabers und denen des Gatten geschmeckt; lebte lange Zeit mit ihm in Wonne und Freuden, wie sie jedem treuen Liebenden zuteil werden möge; andern aber nicht, weil diese es nicht verdienen.

*

 


 << zurück weiter >>