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Übertragung von Walther Petry

Agnolo Firenzuola

Wie über die Antwort einer klugen Tochter einer sorglichen Mutter der Atem wegbleibt.

Wißt also, daß in Siena – vor noch nicht so langer Zeit, daß Ihr Euch nicht erinnern könntet – im Viertel von Camporeggi die Dame Monna Francesca wohnte, die, einer hiesigen, vornehmen, reichbegüterten Familie entboren, als Mutter einer heiratsfähigen Tochter und eines eben siebenjährigen Sohnes Witwe geworden war und nun einzig dieser Kinder Erziehung lebte ohne jede Absicht, sich jemals wieder ehlich zu binden. Nach, unbestimmt wieviel, Monaten vermählte sie die Tochter an einen gewissen Meo di Mino da Rossia, der aber die meiste Zeit in der Verwaltung der Landgüter des erlauchten Borghese außerhalb Sienas verbrachte. Während die Mutter auf solche Art mit ihren Kindern lebte, geschah es einem Bruder des heiligen Dominicus und Baccalaureaus, mit Namen Fra Timoteo, an ihre Frische und Jugend sein Herz zu verlieren; ob nun die vielen Kasteiungen denen er sich unterzog oder sonst ein Fasten und Askese Ursache war, daß seine Haut in dem Purpur einer Röte brannte, die mitten im Januar einen Schwefelfaden hätte entzünden können, es kam jedenfalls der guten Dame, die ihrem ruhsamen Witwenstande nichts sonst als einen solchen versprechenden Kerl zufügen mochte, der Gedanke, sie fände, was sie nur suche, bei ihm voll vorhanden. Ob die Anbahnung ihr oder sein Werk war, weiß ich nicht, es genüge zu sagen, daß sie es so weit trieben, daß sich die Dame dem Herrgott verschwägerte und sie von nun an so eilfertig zur Beichte lief, so freudig in San Dominico verweilte, daß sich in der ganzen Nachbarschaft ihr Ruf als einer halben Heiligen zu verbreiten begann.

Wie nun die Dinge so gehen, faßte dieser Dame Tochter, Laura, die an vielerlei Anzeichen die Klugheit ihrer Mutter erkannte, den nahliegenden Entschluß, in ihren Spuren zu wandeln, um nicht das schöne Sprichwort Lügen zu strafen, das da sagt: Was je die Henne gebar, es scharrt; und sie wußte es in kurzer Zeit so zu richten, daß sie, wenn die Mutter mit dem heiligen Manne ihr Gewissen erforschte, mit Messer Andreuolo Pannilini, einem Doktor der Rechte, das Mittel fand, ehliche Zeremonien abzuhandeln.

Da geschah es einmal, daß die gute Witwe, die ihren Beicht- und Herzensvater zu gewissen Befragungen in ihre eigene Kammer hatte kommen lassen, dies nicht so verborgen machte, daß es die Tochter nicht gemerkt hätte; um nun für immer der Mutter jeden Grund, sie in beschwerlicher, lästiger Zucht zu halten, zu entwinden, ließ sie, kaum daß sie es gemerkt hatte, durch ihr Brüderchen ihre Nachbarin Agnesa rufen, eine Frau, deren Bereitwilligkeit zu allerlei heimlichen Diensten sprichwörtlich war, und trug ihr auf, ihren Liebhaber ohne Verzug ihr zuzuschicken. Als dieser Herr die Botschaft hörte, eilt er ohne langes Besinnen auf dem gewohnten Wege in ihr Haus, findet sie in ihrem Zimmer und legt sich unter allerhand Schäkerspielen mit ihr ins Bett. Laura aber, anstatt dem Beispiel ihrer Mutter, alles heimlich und in der Stille zu tun, zu folgen, beginnt mit tönender Stimme und gerade als ob sie zu ihrem Ehemann spräche die reizendsten Liebesworte der Welt zu sagen: »Oh meine teure Seele, tausendmal willkommen! So zarte Wangen, so lockend rote Lippen, wievieler Küsse bedürfte es wohl, um Eurer Reize ganz gesättigt zu sein? Ich glaube, wir fänden zu keinem Ende und wenn wir das ganze Leben durch nichts sonst hätten wie Lust von den Lippen pflücken!« Und mit diesen Worten überfiel sie ihn mit Küssen, daß das Echo davon bis von Camollia widertönte. Der Doktor, in alles eingeweiht und nicht faul zu diesem Spaße seinen Teil beizutragen, gab rüstig Antwort, daß endlich des Scherzens, Gelärmes, Gekoses ein solcher Tumult wurde, daß er zu den Ohren Monna Francescas drang.

Diese hatte den Lärm kaum vernommen, als sie sich auch schon aus ihrer demütigen Stellung erhob, um auf gereckten Zehen leise zu der Tür dieses unbefangenen Pärchens zu schleichen, wo es ihr denn leicht wurde, sich zu überzeugen, daß der Lärm auch noch von anderem denn nur Worten kam. Als eine Frau, der fremde Sünden immer heftiger zu Herzen drangen denn eigene, betrübte sie sich ohne Maßen, stieß die Tür auf, trat fliegenden Schrittes herein und zum Bette hin, der erschreckten Laura gerade vors Angesicht und alldies mit einer so offenen Wut, als ob sie sie lebendig hätte verschlingen wollen. So schleuderte sie denn die unmäßigsten Beschimpfungen, die je einem ehrvergessenen Weibe das Gewissen rühren sollten, ins Angesicht, und schrie ungefähr so: »Niederträchtiges Frauenzimmer das du bist, wer ist der, mit dem du dich so nach Herzenslust unterhalten hast, Balg? Laura, Laura, so also treibst dus? So also treiben es anständige Mädchen! Folgst du derart dem Beispiel, das ich dir gegeben habe? Wie habe ich dich gepflegt, aufgezogen in Reinheit, und zu dem Ende, daß du mir unter meinen Augen solche zuchtlosen Streiche schlägst und mir solche schöne Ehre anhängst? Siehst du nicht auf mich, oder hast du mich jemals so etwas tun sehen? Wem, o Gott, schlägst du nach, Ungeratne? Und da sagt man, nimm dir ein Weib von der Art, wie du dir Kinder wünschst! O mein Gatte, wie glücklich bist du, daß ehe mit deinen Augen du dieses sahst was ich jetzt sehe, du gestorben bist! Vergiftet ist nun mein Leben! Die neue Verwandtschaft wird ins Grinsen fallen, das arme Hornvieh von deinem Mann, der dich sowieso mißtrauisch ansieht, wird sich die Hände reiben! Hättest du wenigstens mit dieser Schamlosigkeit gewartet, bis du in seinem Hause gewesen wärest, daß er dich als die heimgeführt hätte, die er heimzuführen noch immer glauben wird! Fort jetzt, du niederträchtiges Weib, fort mit dir, mach daß du weiterkommst, ich will dich nicht mehr zur Tochter, du geschändetes, schamloses Ding! O Gott, ich hätte es ja mit geringerem blindem Vertrauen wohl alles kommen sehen! Aber wehe! wenn ich je von meiner Tochter eine solche Bösart hätte glauben sollen, die mir noch immer nicht ansteht, ob ich sie gleich mit Ohren und Augen habe aufnehmen müssen! Die übergroße Liebe und die Reinheit in der mein eigenes Leben hinging, haben mich in Sicherheit gewiegt! Jetzt weiß ich den Grund, warum mir gestern die Andreoccia gesagt hat, ich solle dich nicht so auf allen Festen herumtollen lassen; sie weiß schon etwas und das hat uns gerade noch gefehlt, daß du zum Stadtgespräch wirst. Das also war der vertraute Umgang mit dieser kupplerischen Agnesa! Aber glaub mir, du verfehltes Früchtchen, ich werde dirs eintränken! Ja, wenn ich dir nicht einen so rüstigen Gatten gegeben hätte, hübsch und jung und tüchtig wie einer! Aber wart nur bis er zurückkommt, ich werde mit deiner Tugendhaftigkeit nicht hinterm Berg halten und er mag dich wie du es verdienst dann selbst beloben!« Mit diesem und ähnlichem glattfließenden Gezeter verübte sie ein ärgeres Geschrei als ein armes Weiblein, der der Fuchs die Hennen samt dem Hahn wegfraß.

Laura, während die Mutter so ihre Epistel sang, immer mit gesenkten Augen schweigend, als ob sie des Schämens und Zitterns keine Grenze wüßte, antwortete jetzt: »Meine herzliebste Mutter, ich bekenne ja, daß ich furchtbar gefehlt habe und bitte Euch um Gottes Willen um Verzeihung! Nehmt meine große Jugend als Entschuldigung und laßt Euch erweichen, um meine und Eure Ehre nicht zugleich zu tilgen, dies vor meinem Gatten noch einmal geheimzuhalten und mir zu vergeben, denn ich schwöre Euch bei aller Liebe, die ich meinem Manne entgegenbringe, nichts mehr gegen Euren Willen zu unternehmen. Und damit der Herr mir diesen Fehltritt verzeiht und damit ich mich durch der heiligen Maria Fürbitte aus den Klauen Luzifers rette und mich vom Stachel meines Gewissen so befreie, möchte ich noch, bevor ich schlafen gehe, beichten; seid drum so gut und bittet den in Eurer Kammer eingeschlossenen Mönch, mir diesmal diese Wohltat zu erweisen.«

Nun denkt Euch, meine Damen, wie sich die Ehrwürdige gefühlt haben mag, als sie solche Worte zu hören bekam, und nun bedachte, was für einen Lärm sie einer Sache wegen aufgeschlagen hatte, der sie nun selbst sich überführt sah! Als sie, um ihre übergroße Schande einigermaßen zu vertuschen, allerlei sinnloses Zeug faselte, schien es dem hinter dem Bettvorhang versteckten Andreuolo Zeit, aus seiner heimlichen Belustigung hervorzutreten und als guter Doktor der Rechte die Sache zum Abschluß zu bringen; er sah also plötzlich heraus und sagte: »Monna Francesca, ist es denn Not soviel Wörtlein zu schleifen und so die Finger zu verringen? Ihr habt Eure Tochter mit einem jungen Mann ertappt, sie Euch mit einem Bruder, und also steht das Spiel gleich, laßt drum das Krumme gerade sein. Das Beste was Ihr tun könnt, ist, Euch in Euer Gemach zu begeben und mich mit Laura hier allein zu lassen, daß wir uns alle vier in heiliger Eintracht unserer Liebe freuen können. Das wird in solcher Heimlichkeit vor sich gehen, daß kein Mensch davon nur einen Schatten merkt; wenn Ihr aber Unbesonnenheiten treiben wollt, so werdet Ihr einen Topf Fleisch ans Feuer hängen, der einen Wald braucht, um zum Kochen zu kommen, und Ihr werdet die erste sein, der vom Rauch die Augen tränen. Seid also gescheit und nehmt die guten Bissen wo Ihr sie findet und sagt nicht nachher: Man hat mich nicht belehrt.«

Vor lauter Scham drehte sich die Witwe auf der Stelle hin und her und hätte gern ihr ganzes Geld auf einmal hingegeben, wenn sie ohne ein weiteres Wort sich hätte entfernen können. Indessen lag die Wahrheit zu klar auf der Hand, und so sagte sie denn beschämt: »Weil also die Sache so steht und ich mich nicht reinwaschen kann, will ich Euch Freiheit geben, zu tun, was Euch am Besten paßt. Euch aber, wackerer Jüngling, bitte ich vielmals, meine und meiner Tochter Ehre Euch anbefohlen sein zu lassen, da uns nun unser Unstern so verblendet hat, daß wir leicht nicht anders können, als wir tun.« Mit diesen ergebungsvollen Worten ging die Dame, der die Zeit ihres Verweilens wie tausend Jahre geschienen hatte, und begab sich in ihr Gemach zu Timoteo zurück, aber gefolgt von dem flinken Andreuolo, der nicht eher von ihr abließ, bis er ihre Einwilligung zu einem Abendmahl erhalten hatte, das sie alle vier wie gute Verwandte miteinander begehen wollten, so daß künftighin ohn jegliches Fürchten sie immer wieder zu ihrem löblichen Tun zusammentreffen konnten. Diese heilige Eintracht war von so guter Wirkung, daß beider Frauen Zufriedenheit von Tag zu Tag wuchs. Jedoch ist es wahr, daß es sich des Morgens, wie es so Gebrauch ist, zu plaudern und die Tüchtigkeitsproben ihrer Liebhaber zu erwägen, manchmal traf, daß der Mönch, ob auch größeren Alters, den Jüngling öfter um mehr als einen Punkt geschlagen hatte, so daß Laura, neidisch auf die Mutter, ihrem Andreulo strenge Verweise erteilen mußte.

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