Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Übertragung von A. von Keller

Giovanni Francesco Straparola

Simplicio di Rossi

In dem Flecken Santa Eufemia unter Campo Sanpietro auf dem Gebiet der berühmten und weit bekannten Stadt Padua wohnte schon vor langer Zeit Ghirotto Scanferla, ein für einen Landmann sehr reicher und mächtiger, aber aufrührerischer Mann und unruhiger Kopf. Dieser hatte eine junge Frau Namens Giliola, die für eine Dörflerin bei allen Leuten für sehr schön galt. In diese verliebte sich heftig ein gewisser Simplicio di Rossi, ein Bürger von Padua, und weil sein Haus nicht weit von dem Hause Ghirotto's entfernt stand, ging er mit seiner Gattin, die artig gesittet und schön war, oft in der Gegend spazieren. Und so viele Eigenschaften die Gattin auch besaß, die sie schätzenswürdig machten, kümmerte er sich dennoch nicht viel um dieselbe und war so sehr von Liebe zu Giliola entzündet, daß er Tag und Nacht nicht mehr zur Ruhe zu gelangen wußte. Er hielt seine Liebe in seinem Herzen verborgen und wagte sie auf keine Weise zu entdecken, teils aus Furcht vor ihrem Mann, teils wegen des rechtschaffenen Wandels der Giliola, teils auch um der klugen Gattin kein Ärgernis zu geben. Herr Simplicio hatte am Hause einen Brunnen, aus welchem so klares, wohlschmeckendes Wasser hervorsprudelte, daß nicht nur Lebende, sondern auch Tote zu ihrem Nutz davon getrunken hätten. Daher kam Giliola morgens und abends und so oft es nötig war zu der klaren Quelle, schöpfte Wasser mit einem aus Zweigen geflochtenen Eimer und trug es nach Hause. Die Liebe, die in der Tat niemand frei ausgehen läßt, spornte Herrn Simplicio unaufhörlich. Da er jedoch das Leben, das sie führte, und den guten Ruf, der dafür bürgte, kannte, wagte er nicht, sich gegen sie zu äußern, sondern weidete sich nur zuweilen an ihrem Anblick und tröstete damit sein Herz. Sie selbst wußte nichts davon und hatte es nie bemerkt, denn als eine rechtschaffene in gutem Ruf stehende Frau hatte sie nur Acht auf ihren Mann und ihr Haus und auf sonst nichts. Als nun eines Tages Giliola an den Brunnen ging, wie sie es im Gebrauch hatte, um Wasser zu schöpfen, traf sie zufällig auf Herrn Simplicio und sagte in aller Einfalt, wie jede andere Frau auch getan haben würde, zu ihm: Guten Tag, Herr!

Er aber antwortete ihr: Fick.

Er meinte, durch dieses Wort sie aufmerksam und etwas vertraut machen zu sollen; sie aber dachte an weiter nichts, antwortete ihm auch nicht, sondern ging weiter ihren Angelegenheiten nach. Herr Simplicio hatte oft und viel dieselbe Antwort Giliola gegeben, die ihn immer, so oft sie ihn sah, grüßte; sie aber, die seine Bosheit nicht merkte, kehrte ohne aufzublicken nach Hause zurück. Da jedoch Herr Simplicio mit dieser Antwort immer fortfuhr, nahm sich Giliola vor, es Ghirotto, ihrem Manne, zu sagen. Und als sie eines Tages im zärtlichen Gespräche mit ihm war, sagte sie: Mein lieber Mann, ich muß Euch etwas sagen, worüber Ihr vielleicht lachen werdet.

Nun was? fragte Ghirotto.

So oft ich, versetzte Giliola, an den Brunnen gehe, um Wasser zu schöpfen, finde ich den Herrn Simplicio und sage ihm guten Tag; er aber antwortet mir immer: Fick! Ich habe mich oft und viel über das Wort besonnen, konnte mir aber nie vorstellen, was das heiße: Fick.

Und du, sagte Ghirotto, was hast du ihm geantwortet?

Ich, antwortete Giliola, ich habe ihm niemals etwas darauf erwidert.

Aber in Zukunft, fuhr Ghirotto fort, wenn er wieder zu dir sagt: Fick! so antworte ihm: Fack! Dann sieh zu und merke, was er dir sagt! Sonst aber antworte ihm nichts, sondern geh wie gewöhnlich nach Hause!

Giliola ging um dieselbe Stunde wie sonst nach dem Brunnen, um Wasser zu holen, traf Herrn Simplicio und sagte ihm: Guten Tag!

Er antwortete ihr nach seiner Gewohnheit: Fick!

Giliola aber entgegnete, wie ihr Gatte sie unterwiesen hatte: Fack!

Darüber geriet Herr Simplicio in Entzücken, dachte, sie habe seine Liebe bemerkt, meinte, er habe sie jetzt ganz zu seinem Befehl, faßte sich deshalb ein Herz und fragte weiter: Wann soll ich kommen?

Giliola aber antwortete nichts, wie ihr Gatte ihr aufgegeben hatte, kehrte nach Hause und sagte, von ihrem Gatten befragt, wie es gegangen sei. Sie habe befolgt, was er ihr vorgeschrieben und als Herr Simplicio sie gefragt habe: Wann soll ich kommen? habe sie ihm nichts geantwortet. Ghirotto, obschon ein Landmann, scharfsichtig genug, die Worte des Herrn Simplicio wohl zu verstehen, wurde sehr ärgerlich, denn er stellte sich vor, daß diese Reden auf etwas anderes hinauslaufen sollten, als Perlen im Dunkeln einzufädeln. Darum sprach er zu seiner Frau: Wenn du wieder hinkommst und er sagt: Wann soll ich kommen? so antworte ihm: Heut' Abend.

Dann komm nach Hause und laß mich machen. Als nun der folgende Tag gekommen war, ging Giliola nach ihrer Gewohnheit, um Wasser aus dem Brunnen zu holen und fand Herrn Simplicio, welcher sie mit größtem Verlangen erwartete. Sie sagte zu ihm: Guten Morgen, Herr!

Darauf antwortete Herr Simplicio: Fick.

Und sie sagte zu ihm: Fack.

Er fuhr fort: Wann soll ich kommen?

Heut Abend, antwortete Giliola.

Recht, sagte er, heut Abend.

Giliola kehrte nun nach Hause zurück und sagte zu ihrem Mann: Ich habe ausgeführt, was Ihr mir befohlen habt.

Und was hat er dir geantwortet? fragte Ghirotto.

Recht, heut Abend, sagte Giliola.

Ghirotto, der schon ganz voll war, aber nicht von Nudeln und Makkaroni, sagte: Giliola, komm, wir wollen 12 Säcke Korn messen, denn ich will tun, als ginge ich in die Mühle, und wenn Herr Simplicio kommt, so empfange ihn freundlich und ehrenvoll. Dann halte einen leeren Sack in Bereitschaft neben den mit Korn gefüllten, und wenn du hörst, daß ich nach Hause gekommen bin, so mach, daß er in den bereitliegenden Sack schlüpft, um sich zu verstecken! Das Weitere überlaß mir!

Es sind aber nicht so viel Säcke im Hause, als Ihr verlangt, sagte Giliola.

So schicke, fiel Ghirotto sogleich ein, unsere Nachbarin Cia zum Herrn Simplicio, und mache, daß er dir zwei leiht, und laß ihm sagen, ich wünsche sie zu haben, weil ich diesen Abend in die Mühle gehe.

Und so geschah es. Herr Simplicio, der Giliolas Reden aufs Beste aufgefaßt hatte und nun sah, daß sie zu ihm schickte, um zwei Säcke von ihm zu entlehnen, glaubte wirklich, ihr Mann gehe in die Mühle; hielt sich nun für den glücklichsten und zufriedensten Mann von der Welt, da er sich überredete, sie sei ebenso von Liebe zu ihm entzündet, wie er zu ihr. Aber der arme Narr ahnte nicht, was gegen ihn gesponnen und vorbereitet war, sonst hätte er sich vielleicht etwas vorsichtiger benommen. Herr Simplicio, der in seinem Hofe viel gute Kapaunen hatte, nahm zwei der besten heraus und schickte sie durch seinen Diener der Giliola mit dem Auftrag, sie möge sie zubereiten, denn er werde heute Abend nach der getroffenen Verabredung zu ihr kommen. Als die dunkle Nacht gekommen war, ging Herr Simplicio heimlich von Hause weg und nach Ghirotto's Haus hin, wo er von Giliola artig empfangen wurde. Als er nun die Säcke voll Korn sah, fragte er Giliola, da er geglaubt hatte, ihr Mann sei schon zur Mühle gegangen: Wo ist Ghirotto? Ich glaubte, er sei in der Mühle. Nun sehe ich aber hier noch die Säcke im Hause. Was bedeutet das?

Giliola antwortete: Herr, macht Euch keine Gedanken und fürchtet nichts! Es wird alles gut gehen. Es ist nämlich um Vesperzeit sein Schwager ins Haus gekommen, der die Nachricht brachte, seine Schwester sei von einem unaufhörlichen Fieber schwer belästigt, daß er sie wohl morgen nicht mehr am Leben treffen würde. Er stieg daher zu Pferd und ritt weg, um sie vor ihrem Tode nochmals zu sehen.

Herr Simplicio, der eigentlich hätte Simpel heißen sollen, nahm dies alles für wahr hin und beruhigte sich. Während nun Giliola geschäftig war, die Kapaunen zu braten und den Tisch zu decken, siehe da kam Ghirotto, ihr Mann, plötzlich in den Hof geritten und sobald ihn Giliola hörte, sagte sie, sich sehr betrübt stellend:

Ach weh uns! Wir sind des Todes!

Ohne einen Augenblick zu verlieren hieß sie Herrn Simplicio in den Sack schlüpfen, der leer geblieben war. Er kroch hinein, wiewohl nicht ohne Widerstreben und der Sack mit Herrn Simplicio wurde hinten an die anderen Säcke, die mit Korn gefüllt waren, angelehnt, und so wartete sie, bis ihr Mann ins Haus käme. Als Ghirotto ins Haus trat, den Tisch gedeckt und die Kapaunen sah. die in der Pfanne brieten, sagte er zu seiner Gattin: Was bedeutet das, daß du mir ein so kostbares Abendessen bereitet hast? Giliola antwortete: Ich dachte, Ihr werdet recht müd und matt nach Hause kommen und vielleicht erst um Mitternacht, damit Ihr Euch dann etwas erquicken und bei Euren beständigen Anstrengungen in Kräften halten könnt, wollte ich Euch etwas Gutes zum Nachtessen bereiten. Meiner Treu, sagte Ghirotto, daran hast du wohl getan; es ist mir ganz unwohl, ich kann es kaum erwarten, bis ich zu Nacht essen und ins Bett gehen darf, damit ich morgen zeitig in die Mühle komme. Aber ehe wir uns zum Essen setzen, will ich sehen, ob die Säcke, welche nach der Mühle wandern sollen, auch die rechte Schwere haben und voll sind.

Er trat zu den Säcken, begann zuerst, sie zu zählen, und fand, daß es dreizehn waren. Er tat, als habe er nicht recht gezählt, zählte also nochmals von vorn und da er wieder dreizehn fand, sagte er zu seiner Frau: Wie kommt denn das, Giliola, daß hier dreizehn Säcke stehen? Wir haben doch nur zwölf zugerüstet. Was soll das nun bedeuten? Sie gab ihm zur Antwort: Ich weiß wohl, daß, als wir das Korn einfüllten, es nur zwölf Säcke waren. Wie aber der dreizehnte hinzukam, das kann ich nicht sagen.

Herr Simplicio, der in dem Sacke steckte und wohl wußte, daß es dreizehn waren, aber nicht mit seinem Willen, verhielt sich ganz still, betete leise Vaterunser, verwünschte in seinem Herzen das Weib, seine Liebe und sich selbst, daß er ihr getraut hatte; und wenn er hätte aus ihren Händen kommen können, so wäre er gern geflohen. Aber er fürchtete fast noch mehr den Spott, als den Schaden. Ghirotto jedoch kannte den Sack wohl, packte ihn, schleppte ihn hinaus vor die Tür, die er listigerweise hatte offen halten lassen, in der Absicht nämlich, daß jener, wenn er die Püffe bekäme, freies Feld habe, um aus dem Sack zu kriechen und zu fliehen, wohin ihm behebe. Ghirotto hatte einen zu diesem Zwecke bereitgehaltenen Knotenstock ergriffen und fing nun an, ohne Atemnot so gewaltig auf ihn loszuschlagen, daß ihm am ganzen Leibe kein ganzes heiles Glied blieb und er halbtot am Boden lag. Wäre nicht die Frau gewesen, die aus Mitleid oder aus Furcht, ihr Mann möchte dafür mit dem Bann belegt werden, ihm den Stock aus der Hand riß, hätte er ihn vielleicht getötet. Ghirotto ging daher weg, gab das Unternehmen auf; Herr Simplicio kroch aus dem Sack und eilte nach Hause, so schnell er nach dieser üblen Behandlung vermochte, denn er meinte, Ghirotto mit seinem Stocke sei ihm beständig auf den Fersen. Er legte sich zu Bett und blieb mehrere Tage darin, bis er sich wieder erholt hatte. Ghirotto hatte unterdessen mit seiner Giliola auf Kosten des Herrn Simplicio trefflich zu Nacht gegessen und begab sich nunmehr zur Ruhe. Nach einigen Tagen, als Giliola an den Brunnen kam, sah sie Herrn Simplicio wieder, der in der Halle an seinem Hause auf und ab ging, und grüßte ihn mit heiterem Gesicht, indem sie sagte: Fick.

Herr Simplicio aber, welcher noch die wegen dieser Worte empfangenen Schläge fühlte, rief ihr entgegen:

Nicht guten Tag! Nicht Fick noch Fack!
Ihr kriegt mich nimmer in den Sack!

Als Giliola das hörte, schwieg sie und kehrte errötend nach Hause. Herr Simplicio aber änderte nach einer so außerordentlichen Erfahrung seinen Sinn und behandelte seine Frau, die er fast gehaßt hatte, mit großer Aufmerksamkeit und Liebe, und warf seinen Haß auf fremde Weiber, damit ihm fürder das nicht mehr widerfahre, was ihm das Schicksal zu seiner Bekehrung beschieden hatte.

*

 


 << zurück weiter >>