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Übertragung von A. v. Keller

Giovanni Fiorentino

Wie ein Hahnrei durch Schläge getröstet wird

In Florenz lebte einst eine sehr schöne Frau, Madonna Isabella geheißen, die an einen sehr reichen Kaufmann des Namens Lapo verheiratet war. Sie war die gefeiertste Frau in ganz Florenz, und wirklich war dazumal keine schönere zu finden. Ihr Ruf verbreitete sich durch ganz Toscana, so schön, anmutig und wohlgeartet war sie in jedem Stücke. Als nun ein reicher junger Mann von Perugia, des Namens Ceccolo von Cola Raspanti von ihrer Schönheit hörte, und vernahm, daß oft ihr zu Liebe Turniere veranstaltet wurden, bekam er Lust, sie zu sehen und auch um sie Lanzen zu brechen. Er kaufte also Pferde und Turniergeräte, kleidete sich anständig und zierlich, nahm hinreichend Geld zu sich und ging nach Florenz, wo er im Umgang mit den jungen Männern viel Aufwand machte. Er wollte sie sehen und sobald er sie sah, war er in sie verliebt und sprach bei sich selbst: Sie ist wahrhaftig noch weit schöner als ich glaubte. Von nun an umwarb er sie, ging häufig an dem Hause vorüber, machte Musik und Gesang und stellte Essen und Gastmähler an, alles ihr zu Ehren. Er ging auf Feste und Hochzeiten, und wohin immer die Frau kam, zeigte er sich in den Waffen und zu Pferde, kleidete seine Dienerschaft kostbar, schenkte Kleider und Rosse hin, alles ihr zu Liebe. So lange nun sein Vermögen und sein Geld vorhielt, war er gerne gesehen und es wurde ihm Ehre erwiesen. Jeden Tag schickte er nach Hause, um von seinen Besitzungen zu verkaufen und zu verpfänden und den Aufwand durchführen zu können, den er angefangen hatte. Das ging wohl eine Weile. Da es aber nicht mehr länger dauern konnte, sah er sich auf dem Punkte, daß er nichts besaß, konnte aber doch nicht von Florenz loskommen, so heftig war seine Liebe zu jener Frau. Als er nun nichts mehr zu leben hatte, beschloß er eines Tages, sich dem Gatten der Frau als Knecht anzutragen. Und wie er es sich vorgestellt geschah es; es gelang ihm, als Knecht bei Lapo, dem Gemahl jener Madonna Isabella, unterzukommen. Lapo benutzte ihn nun zu allem Möglichen, nahm ihn auf das Land und nach Florenz und bei allen Gängen mit. Er hatte an ihm einen guten Begleiter und ergebenen Diener, und wendete ihm große Liebe zu, da er seinen Witz und seine Erfahrung kennen lernte. So blieb Ceccolo eine gute Weile bei diesem Lapo. Nun war er aber fortwährend von der Liebe zu seiner Erwählten entflammt, und da er sie eines Tages allein fand, sprach er zu ihr: Madonna, ich bitte um Nachsicht. Es gibt kein Geschöpf auf dieser Welt, gegen das ich so viel Liebe und Verehrung geheget und noch hege als gegen euch, und ihr habt schon früher bemerken können, ob das wahr ist oder nicht; aus Liebe zu Euch habe ich Alles, was ich auf der Welt besaß, verschwendet und halte es für die größte Gnade, hier Euch als Knecht zu dienen; so habe ich wenigstens oft Gelegenheit, euch zu sehen.

Glaube nicht, antwortete die Frau, daß ich vergessen habe, was du alles schon für mich getan hast; ich meinte aber, du habest es vergessen, da du nie etwas zu mir gesagt noch irgendeine Andeutung gegeben hast.

Madonna, erwiderte Ceccolo, ich wollte nur die Zeit abwarten.

Die Frau sprach: Mach, daß du heute Nacht zu mir ans Bett kommst! Tritt an die linke Seite! Wenn ich schlafen sollte, so berühre mich leise mit der Hand, nur daß Lapo dich nicht hört! Ich will die Türe offen lassen und das Licht auslöschen. Komm nur kecklich und unbesorgt und laß mich machen!

Ceccolo sprach: Madonna, es soll geschehen.

Als es Nacht war, ging Ceccolo um die bezeichnete Stunde hin, fand die Kammertüre offen und das Licht ausgelöscht, schlich sich daher an die linke Seite des Bettes, ganz nach Isabellas Angabe, und ergriff ihre Hand. Die Frau erwachte, faßte ihn leise beim Arm, hielt ihn fest und rief dann ihren Mann.

Ich muß dir doch auch sagen, sprach sie, was du für wackere Diener im Hause hast. Da kam heute der Ceccolo zu mir und ging mich um unkeusche Liebe an. Damit du ihn nun packen könnest, sagte ich zu ihm, ich wolle heute Nacht zu ihm in die Laube kommen. Wenn du ihn also ertappen willst, so zieh meine Kleider an, nimm ein Handtuch, wickle es um den Kopf und geh hinab in die Laube. Du wirst sehen, er kommt hin in der Meinung, mich zu treffen, und du wirst finden, ob ich die Wahrheit sage.

Lapo stand sofort auf, zog die Kleider seiner Frau an und ging in die Laube, Ceccolo zu erwarten. Sobald der Mann weg war, stürzten die Beiden sich in die Arme, gaben sich der Lust hin, die sie so lange ersehnt hatten, und beschenkten einander vielmals mit den holdesten Küssen. Dann sprach die Frau zu ihm: Du hast gehört, wie es eingeleitet ist. Geh nun hinunter, schilt ihn weidlich aus, nimm einen Stock mit und miß ihm eine salzige Tracht auf!

Ceccolo sagte: Laßt mich nur machen!

Er stand auf, nahm einen Prügel und ging hinab in die Laube, wo er den guten Narren seiner harrend fand.

Schnödes Weib, rief nun Ceccolo, wie kannst du glauben, daß ich mich dazu verstehen würde, meinem Herrn eine solche Schmach anzutun? Was ich dir gestern sagte, tat ich nur, um dich auf die Probe zu stellen; aber wie hast du die Unverschämtheit, deinem Mann untreu zu sein? Schämst du dich nicht, da du den besten und rechtschaffensten Mann in der Stadt zum Gatten hast?

Damit schwang er den Stock, den er in der Faust hielt, schlug ihm über Arme und Hüften und rief dabei: Wenn ich nur wieder die geringste Kleinigkeit bemerke, die du jemand in der Welt antust, so sage ich es dem Lapo und mache, daß er dir die Gurgel abschneidet. Und wenn ers nicht tut, so tue ich es.

So zog der arme Mann ganz zerbläut ab; und als er in die Schlafkammer kam, sagte die Frau: Nun, wie ists?

Schlimm ists, antwortete der Gatte, ich bin ganz zermalmt.

Wehe mir, sagte die Frau, hat der verschlagene Bube gar gewagt, Hand an dich zu legen? Gott straf ihn und send' ihm die Pest!

Klage nicht, antwortete der Mann; ich bin ihm so gut und besser als mir selber.

Die Frau fragte: Wie kannst du ihn lieber haben als dich selber, wenn du sagst, er habe dich ganz zerhauen?

Sie stand auf, zündete ein Licht an und untersuchte ihm Schultern und Arme, die ganz blau waren von den Schlägen, die er bekommen hatte. Die Frau stellte sich daher an, als wollte sie aufschreien.

Sei still, rief ihr Mann, kein Geschrei! Wenn er mich totgeschlagen hätte, so ließe ich mirs gefallen nach dem, was er zu mir sagte.

Gewiß, fügte die Frau bei, wird er nun nicht länger im Hause bleiben.

Der Mann aber sagte: Hüte dich, so lieb dir dein Leben ist, ihm etwas zu sagen. Ich befehle dir vielmehr, ihn Tag und Nacht in deine Schlafkammer zu lassen nach seinem Belieben, da ich bemerkt habe, daß er mich aufrichtig lieb hat. Fürwahr, er soll nicht aus meinem Hause kommen, denn ich glaube, es hat nie ein treuerer Diener auf dieser Welt gelebt.

Am folgenden Morgen ließ Lapo den Ceccolo rufen und sagte: Ich will, daß du dies als dein Haus betrachtest. Richte dich ein, hier zu leben und zu sterben; du magst in allen Zimmern aus- und eingehen nach deinem Belieben; denn ich hatte noch nie einen Diener, dem ich mehr zugetan war als dir.

Messere, antwortete Ceccolo in edler Bescheidenheit, in Allem was ich getan habe oder tun werde, soll Liebe und Treue zu Euch mich leiten.

Lapo versetzte: Dessen bin ich versichert.

Nun blieb Ceccolo lange Zeit im Hause, er und die Frau lagen in größter Lust und Freude zusammen und Lapo hegte nie den mindesten Verdacht. Ging er über Feld, so befahl er immer dem Andern seine Frau an. So konnten diese lange Zeit alle ihre Wünsche erfüllen, und wenn auch öfters durch eine Stubenfrau Lapo hinterbracht wurde, daß jener ihm Schande antue, so wollte er es doch niemals glauben. Vielmehr sagte er öfters: Wenn ich ihn auf ihr fände, so glaubte ichs nicht.

Also genossen Ceccolo und Isabella ihr Glück ihr Leben lang, und hatten gänzlich die Freude und Wonne dieser Welt.

*

 


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