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Friedrich Franz Xaver Wagner von Laufenburg

Die rechte Heimat.

Der stille Abend leuchtet nieder,
Zurück der Tag noch sterbend schaut,
Die Nacht beginnt die heil'gen Lieder
Mit schüchternem, halbleisem Laut;
Der Bäume Wipfel sanft sich beugen,
Geschmückt von reicher Früchte Kranz,
Als wollten sie zum Schlaf sich neigen
Und träumen vom verlebten Glanz.

Da überkömmt den Geist ein Sehnen,
Ein ungestümer dunkler Drang,
Wie wenn sich sterbenswunden Schwänen
Entringet noch ein Schmerzgesang;
Es möchte in den Rosengluthen,
Die dort vom Berge niederweh'n,
Das Herz in seinem Weh verbluten,
In dieser Glorie schnell vergeh'n.

Doch, naht der Mond mit seinen Strahlen,
Der Bote friedensreichster Zeit.
Und gießt das Licht aus goldnen Schalen
Er über Thal und Höhen weit, –
Dann schaut das Auge wonnetrunken
Hin, wo's so selig flammt und brennt,
Und durch der Thränen Demantfunken
Es erst die rechte Heimat kennt.

*

An die Nacht

Sinke nieder, hehre Stille,
Decke lind der Erde Schmerz,
Daß in deines Mantels Hülle
Sanft entschlumm're jedes Herz;
Spende liebreich jede Gabe,
Die dem armen Staub gebricht,
Laß noch an des Dulders Grabe
Mild ergeh'n dein heil'ges Licht.

Laß den Jüngling, dem in Thränen
Einsam trüb der Tag entfließt.
In dem schönsten Traume wähnen:
Als ob Sie ihn hold gegrüßt;
Und was nie die Stunden geben,
Lächl' ihm in dem Geisterreich:
Frohes Hoffen, heitres Leben,
Und an sel'ger Liebe reich.

Und die Jungfrau, die in Wonne
Auf zum blauen Himmel schaut,
Und die jeder Nebelsonne
Ihres Herzens Wunsch vertraut,
Grüße sie mit leisem Gruße,
Wenn es oben golden blinkt,
Daß sie bei des Jünglings Kuße
Süß in seine Arme sinkt.

Höre fromm des Greises Beten,
Aufgeschickt zur Sternenflur,
Laß ihn einmal noch betreten
Seiner Kindheit frohe Spur;
Führe, was er Theures kannte,
Alles – Alles ihm zurück,
Sage, daß in jenem Lande
Wiederkehr' ihm jedes Glück.

Und wenn einst die letzte Stunde
Schwer vorüber mir geeilt,
Und die allertiefste Wunde
Sanft das kühle Grab geheilt,
Komme, wenn der Tag geschieden.
Weil' an meinem Leichenstein,
Komm' – und wünsche süßen Frieden
Mir noch in die Gruft hinein.

*

Des Dichters Schlaf.

Schlafe denn, du Dichterleben,
Leis entrückt dem Erdenharm,
Reiches Glück mag dich umschweben.
Bist du wachend d'ran so arm!
Was umsonst mit zartem Sehnen
In die Lieder du gehaucht.
Soll nun deinen Traum verschönen.
Der in deine Seele taucht.

O ein sanftes Lächeln schwebet
Um dein blasses Angesicht,
Und, als wär's im Jubel, hebet
Sich die Hand zum Mondenlicht;
Darfst du wohl die Braut umfangen,
Dir einst aus dem Arm entrückt?
Schaust in Anmuth du sie prangen,
Wie sie sonst dich hochbeglückt?

Oder wandelst du im Lenze
Unter Blüth' und Blume hin,
Windest sie in bunte Kränze,
Deine Locken zu umzieh'n?
Oder ruhst am Felsenhange
Du beim himmelblauen See,
Wird dir bei der Wogen Klange
In der Brust so wohl und weh?

Oder kehrst auf Bergesrücken,
D'rüber kalt der Herbst schon strich,
Du mit sehnsuchtsvollen Blicken
Zu der milden Ferne dich?
Hörst du aus den Lüften klingen
Noch der Vöglein Wanderlied,
Das sie nun zum Abschied singen,
Weil's sie fort nach Süden zieht?

O horch' auf, du Dichterleben!
O schau' auf, das ist dein Bild!
So mußt du das Land erstreben.
Das dir deine Seele füllt;
Singend mußt du dorthin ziehen –
Gieb dem Schlaf doch nimmer Raum!
Schön'res Glück wird dort dir blühen,
Als hier in dem schönsten Traum.

*

Johannes Parricida.

Viel Ritter sitzen mit den edeln Frauen
Zu Baden froh an Albrecht's Kaisermahl;
Es prangt die Tafel wie ein Maienthal,
Aus Goldpokalen goldne Weine thauen.

Und dennoch ist ein Jüngling da zu schauen,
Deß Blick so düster glüht, wie Nordlichstrahl;
Ihm an der Seite hängt der blanke Stahl,
Auf den er oft sieht fest und mit Vertrauen.

Der Kaiser geht umher mit Blumenkränzen,
Den schönsten reicht er seinem Vetter dar,
Der nicht kann bergen einer Thräne Glänzen.

O Albrecht, tritt zurück vom Unglücksohne,
Dein Kranz verdorrt schon, erst noch frisch und klar;
Du wandest selbst dir deine Todtenkrone!

*

Ritter Wart.

Die Mörder Albrecht's floh'n durch's Land mit Schrecken,
Die Rach' erreichte Ritter Wart allein;
Ein drohend Beispiel sollt' er Allen sein,
Die nach des Kaisers Haupt die Hand ausrecken.

Auf's Rad ließ ihn die grimme Agnes strecken
Lebendig, mit gebrochenem Gebein;
Nach dreien Tagen namenloser Pein
Kam erst der Tod, sein Aug' mit Nacht zu decken.

Doch bis entschwunden war sein qualvoll Leben,
Harrt unterm Rade aus sein Eheweib,
Mild tröstend, Schmach ertragend, treu ergeben.

D'rum mocht' er zu den Sel'gen ein auch gehen;
In herbster Todesnoth, in ird'schem Leib,
Dürft' ja ein Engel hier schon bei ihm stehen.

*

Auf Schloß Habsburg

Auf Habsburg bin ich abermals gestanden.
Ich schaut' entzückt hinunter in das Thal,
Sah ferne Burgen, Weiler ohne Zahl,
Und wie der Aare Fluthen her sich wanden.

Noch waren all die Schloßherr'n mir vorhanden;
Den Bischof Werner fand ich in dem Saal,
Mit Ratbot schau'nd den Männerwall von Stahl,
Den stets die Feinde unbezwingbar fanden.

Und Rudolph selbst, den Kaiser, sah ich kommen;
Die Krone strahlte überreich und licht,
Die Gruft hatt' ihrem Glanze nichts genommen.

Den Ruhm der Herrlichen hab' ich gesungen; –
Doch wer in späten Tagen weiß Bericht,
Daß hier einmal ein Lied von mir erklungen?

*

Die edle Frau

In des Rabbi Meir Nähe,
Wie im Talmud ich ersehe.
Wohnten Menschen, bös von Willen.
Welche kränkten Tag und Nächten
Rabbi Meir, den Gerechten,
Gottergeb'nen, Freundlichstillen.

Und sie trieben's unabläßig
Also arg und übermäßig,
Daß der Fromme sonst und Gute
Nun zum ersten Mal' im Leben
Sich der Milde hat begeben
In dem zürnendsten Unmuthe.

Wie für Jene im Gebete
Um Verderben Verben im Original. Druckfehler? Re. auf er flehte,
Seine edle Frau das höret.
Zu dem Mann in Zornes Wallen
Spricht sie da: ist dir entfallen,
Was des Herrn Gebot uns lehret?

In der Schrift, der uns so werthen.
Heißt's, es wird vertilget werden
Von der Erde weg die Sünde;
Doch, daß gleiches Loos hienieden
Auch den Sündern sei beschieden,
Dort geschrieben ich nicht finde.

Nur die Sünde d'rum soll sterben.
Doch der Sünder nicht verderben
Nach des ew'gen Wortes Lehre;
Bete demnach, einmal Schwacher,
Daß sich deiner Widersacher
Sinn zum Besseren bekehre.

Nichts hat Meir d'rauf gesprochen.
Doch aus seinem Aug' gebrochen
Sind die Thränen unverwehret.
Seine Stirn ist nicht mehr trübe,
Und er küßt sein Weib voll Liebe:
Du den Rabbi hast belehret!

*

Der Aermste

Nah dem Haus des Rabbi Ubba,
Den Gott segn' in seinem Grab,
Wohnt ein Armer, dem der Rabbi
Gern von seinem Reichthum gab.
Und an vierzig Säkel jährlich
Spend't er ihm zum Unterhalt,
Einstmals, als er durch sein Söhnlein
Ihm das Geld gesendet hat,
Bringt zurück das Kind die Spende
Und ruft aus in Zornes Hast:
Du verschwendest deine Güte,
Einem, der sie nicht bedarf.
Weil unwürdig er sich zeiget,
Vater, dir und deiner Wahl.
Ihn, der nicht darob eröthet,
Beut Geschenk ihm fremde Hand,
Traf ich an beim Weine zechend
Und am reich besetzten Mahl.

»Sahst du recht auch, Kind, und thust du
Nicht ein Unrecht an dem Mann?«
Nur zu wahr ist, Vater, was ich
Mit den eig'nen Augen sah.
»Desto unglücksel'ger ist er,
Wenn im Ueberfluß er darbt.
– So spricht d'rauf der edle Rabbi –
D'rum, Kind, ist er zwiefach arm.
Nimm das Doppelte der Summe
Und bring's ihm, dem Aermsten, dar!«

*

All' guter Dinge sind drei.

O Mann des Friedens und der Liebe,
Den ungenannt,
Den ungekannt
Die Erde deckt mit grünem Triebe,
Wie dank' ich Ruhe dir und Frieden,
Denk' aller Ort
Ich an dein Wort,
D'ran aufgericht't du dich hienieden.

Gedrückt von manchem schwerem Leide,
Hast du bewahrt
Und dir gespart
Den Gleichmuth immerdar zur Freude;
Und wird »Wodurch?« nun Einer fragen,
So giebt Bescheid,
Als wär's erst heut.
Dein Mund, und wild ihm dieses sagen:

Allfort das Aug' in Acht ich nehme.
Denn durch den Sinn
Zum Herzen hin
Ist Jeglichem der Weg bequeme.
Darum tagtäglich an dem Morgen,
Eh' von dem Bett
Zur Schwell' ich trett,
Blick auf drei Ding' ich voller Sorgen.

Zunächst zum Himmel auf ich schaue.
Des Hastens Thun,
Des Rastens Ruh'n
Ich lediglich auf den Hort baue.
Den Blick dann richt' ich zu der Erden,
Wie wenig Raum
Zum letzten Traum
Ich einst bedarf und mir wird werden.

Und endlich schau ich in die Runde.
Wie Manchem doch
Es schlimmer noch
Ergehet hier, als mir, zur Stunde. –
Zu Troste komm' ich so hienieden;
Mich irrt kein Leid
Und keine Freud',
Ich bin mit Gott und Welt zufrieden.

*

Die Altarglocke.

Wandernd zog ein deutscher Sänger,
Von des blauen Rheines Strand,
Im Begleite seiner Harfe,
Niederwärts in's Frankenland.

Arm und krank und alt an Jahren,
Blieben ihm die Lieder nur;
Ach! er war so ganz verlassen
Auf der fremden – welschen Flur.

Sang er noch so schön zur Harfe,
Gieng doch Jeder kalt vorbei,
Horchte nicht den deutschen Weisen,
Frug nicht: wer der Sänger sei.

Mocht' er auch am frohen Feste,
Grüßend sie, vorüberzieh'n,
Rief ihn Keiner doch zum Mahle,
Keiner ihn zum Becher hin.

Als er einst, gar krank und müde,
Spät noch auf der Straße geht,
Weil er an dem Tag vergebens
Um ein Obdach hat gefleht:

Sieht er fern im Dunkeln blinken
Eines Kirchleins ew'ges Licht;
Gottes Haus – er hofft es freudig –
Schließt gewiß die Thür ihm nicht.

Und er tritt in die Kapelle,
Schaut empor zum Altarbild,
Wo da von Mariens Schooße
Jesus niederlächelt mild.

Und es hatte lang geknieet,
Lang gefleht der kranke Mann,
Und er hat sein Leid geklaget
Dem, der einzig helfen kann,

Da erklingt's wie Engelstimmen
In dem Kirchlein hier und dort:
Nimm mit dir des Altars Glocke,
Zieh' vertrauend weiter fort!

Und will dich ein Leid bedrücken.
Laß' die Glock' erklingen schnell,
Und es wird dir Hülfe schicken,
Den du bat'st in der Kapell'.

Und kaum hat er dies vernommen,
Fühlt der Kranke sich geheilt;
Doch bis an den klaren Morgen
Betend er noch da verweilt.

Dann zog er mit stillem Danken,
In der Hand das Glöcklein fort;
Himmelstrost im frohen Herzen,
Ließ er nun den heil'gen Ort.

Und hat ferner ihn gehungert.
Schnell das Glöcklein nur erklingt,
Und ein Englein ist gekommen,
Das ihm reiche Speise bringt.

Hat er ferner Durst gelitten,
Rührt er nur das Glöcklein blank,
Und ein Englein ist gekommen,
Und erquicket ihn mit Trank.

War er ohne Dach und Lager,
Er nur mit dem Glöcklein schellt,
Und ein Englein ist gekommen,
Spannt ob ihm ein schützend Zelt.

Und als einst nach manchen Jahren
Er den Todesschmerz erlitt,
Ist ein Englein auch gekommen,
Nahm jetzt Glock' und Sänger mit.

*

Johann von Nepomuk.

Ein Opfer böser Tücke,
Im vollen Priesterschmuck,
Steht auf der Moldaubrücke
Johann von Nepomuk.
So nah dem Grab, dem feuchten,
Kann's nicht erschüttern ihn,
Denn nimmer will er beichten
Die Beicht der Königin.

Man bracht ihn ungebunden
Und aller Ketten bar,
Doch zeugen tiefe Wunden,
Was schon zu leiden war;
Er hatte sie empfangen
Für seines Gottes Ehr',
D'rum kam er froh gegangen
Mit Wentzel's Henkern her.

Kühn darf er darauf bauen,
Der Herr verläßt ihn nicht,
Er konnte Nachts ihn schauen
In heiligem Gesicht.
Da hat er ihm verheißen
Den Lohn, der ihn erfreu',
Würd' er im Tod sich weisen
Als seinen Diener treu.

Wie zu des Flusses Wogen
Der Fromme niederblickt,
Ein Bote kommt geflogen,
Von Wentzeln hergeschickt:
Zu strafen dich am Leben,
Des Königs Strenge weicht,
Willst du Bericht nun geben
Von seiner Frauen Beicht.

Mit vorwurfsvollem Blicke
Red't ihn der Heil'ge an:
Sag' ihm darauf zurücke,
Du trafst mich noch als Mann.
Wie müßt' er erst mich hassen,
Vergäß ich jetzt der Pflicht?
D'rum mag er ab nur lassen,
Mein Schweigen brech' ich nicht.

Wie mich nicht konnten beugen
Des Kerkers Eisenband',
Die schnöd' erkauften Zeugen,
Des Henkers Marterhand;
Wie mich nicht konnte locken
Versproch'ner Bischofsstab,
So seh' ich unerschrocken
Auch hier in's Wellengrab.

Siehst du die vielen Wunden
Von Ketten hart und schwer?
Der Schmerz ist überwunden,
Ich fühle sie nicht mehr.
D'rum deinem Herrn du sage,
Daß auf der Todesbahn
Du mich fand'st ohne Klage,
Und daß ich – schweigen kann.

Wie meinem Gott ergeben
Und treu ich war allzeit,
So sei mein scheidend Leben
Durch keine Schmach entweiht.
Es Iehre selbst mein Sterben,
Noch sein geheiligt Wort;
Der Leib nur kann verderben,
Die Seele lebet fort.

Doch kann mein Tod ihm schaffen,
Was Wentzeln fehlt zur Stund,
So mag mich schnell entraffen
Des Stromes tiefster Grund;
Es kehre wieder Frieden
Ihm in sein Haus und Herz.
Und nie sei ihm beschieden
Um mich vergeb'ner Schmerz.

Wenn ich hab' ausgelitten,
Bring' ihm mein Abschiedswort,
Und um Vergebung bitten
Werd' ich für ihn noch dort.
Doch sein Gemahl, das treue.
Sie bleibe fromm und gut; –
Und nun zur Todesweihe
Sei mir gesegnet, Fluth!

Da heiße Thränen flossen
Auf Panzerringe schwer,
In laute Klag' ergossen
Die Schergen steh'n umher.
Doch auf sie plötzlich schrecken,
Zur That das Zeichen rief...
Und weiße Wogen decken
Den Priesterhelden tief.

Und Sterne sei'n gekommen
– Die fromme Sag' es glaubt –
Und hätten ihm umschwommen
Als Glorienkranz das Haupt.
Ich lass' es sein bewendet.
Doch wär's gescheh'n auch nicht,
Wer so – wie er – geendet.
Der geht und wohnt im Licht.

*

Maria Hilf.

Maria, hilf in höchster Noth,
Wenn wir vom Bösen sind bedroht!
So betet wohl an jedem Morgen
Die Mutter, hart bedrängt von Sorgen,
Der oftmals fehlt das Stücklein Brod.

Ihr blüht ein holdes Töchterlein,
Ihr werth, als wie ein Edelstein;
Der hübsche Bau, die gold'nen Haare,
Das schöne Aug', das blaue, klare –
Es muß sich Jeder d'ran erfreu'n.

Und in dem Tage jede Stund'
Die Mutter thut die Mahnung kund:
Kind, welcher Kummer dich mag pressen,
O wolle nicht den Spruch vergessen,
Den vorsagt dir so oft mein Mund!

Maria hilft in höchster Noth,
Daß wir vom Bösen nicht bedroht;
Schickt Rath sie gleich nicht auf der Stelle,
Ist sie doch aller Gnaden Quelle,
Erkohren selbst vom lieben Gott.

Daß nie dein Glaube werde schwach.
Bist du selbst Nachts im Jammer wach,
So denke nur der Worte immer:
Wo Menschenhilf' erscheinet nimmer,
Naht Gotteshilfe tausendfach.

Doch während Mutter so und Kind
Im Beten unabläßig sind,
Wächst ihre Noth und Sorg' und Klage,
Wie Fluth auf Fluth von Tag zu Tage;
Nur ihr Vertrauen nimmer schwind't.

Den Vater wirft des Kummers Pein
Auf Jahr in's Krankenbett hinein;
Wie Mutter ihn und Tochter pflegen,
All' ihre Müh' ist ohne Segen, –
Ihn deckt ein dürft'ger Leichenstein.

Da kömmt der harte Gläub'ger her,
Er führte bei Gericht Beschwer;
Die Schergen jagen ohn' Erbarmen
Von Dach und Fach hinaus die Armen;
Kein gutes Kleid bleibt ihnen mehr.

Und dennoch, in die freie Welt
So nackt und bloß hinausgestellt,
Kann nichts auf Gott den festen Glauben
Und auf Maria ihnen rauben; –
Sie wandern froh durch Wald und Feld.

Der Himmel ist ihr schützend Dach,
Und Nachts sind da die Sternlein wach;
So schlafen Beide doch im Frieden,
Der nur dem Guten ist beschieden,
Und der nichts Schlimmes je verbrach.

Maria, hilf aus aller Noth,
Daß wir vom Bösen nicht bedroht!
Noch spricht's die Mutter einst am Abend,
Die Tochter hört's, daran sich labend,
Doch früh war ach! die Mutter todt.

Da faßt die Tochter Wahnsinn an,
Sie den Schmerz nicht bezwingen kann.
Sie fühlt von Allem sich betrogen
Und eilet zu des Flußes Wogen; –
Das letzte Heil sei's, glaubt ihr Wahn.

Da ruft sie aus, es klingt wie Spott,
Maria hilft aus aller Noth!
Und daß sie jedes Leid verschliefe.
Springt sie hinunter in die Tiefe,
Ersehnend sich den schnellen Tod.

Maria doch aus allem Leid
Sie hilft, die gnadenreiche Maid.
Ein Jüngling ist ihr nachgeschwommen,
Hat sicher sie in Arm genommen
Und bringt zum Strande sie erfreut.

Und Reichthum hat er, sattsam Brodt,
Es ist sein karger Vater todt.
Das Mädchen, schön an Seel' und Leibe,
Nimmt er sich zum geliebten Weibe; –
Maria half aus aller Noth!

*

Der Jäger am Schümberg.

Was klingt am Berg, im tiefen Hain,
Vor Morgenroth, nach Abendschein?
Weit sendet über's Land den Schall
Vom Felsenhaus der Wiederhall;
Dann schallt's und hallt's das Thal entlang.
Wie Jägerruf, wie Waldhornsklang;
Und sprichst du leise ein Gebet,
Alsbald das Schallen ist verweht,

Es ging einst früh, da kaum es tagt',
Ein Jäger in den Wald zur Jagd,
Und eh' er zieht durch Busch' und Au,
Küßt er noch seine junge Frau:
»Ade Herzlieb! halt' gute Wacht,
Heim kehr' ich erst bei später Nacht!«
Sie gibt ihm freundlich das Geleit –
Wohl ist nicht groß ihr Herzenleid.

Der Jäger jagt den langen Tag,
Bis tiefe Nacht auf Erden lag.
Da streckt er in Gebüschen grün
Zur Rast sich auf den Rasen hin.
Da wispert's durch's Gestrüpp heran:
»Geht dort ein Reh auf flücht'ger Bahn?«
In Schuß ihm kömmt es wohlgemuth,
Und röchelnd sinkt's in seinem Blut.

Froh dringt er in's Gebüsch hinein:
»Für meine Frau soll dieses sein!«
O weh dir, unglücksel'ger Mann,
Da liegt dein Weib und sein Galan!
Sie glaubte dich noch lang nicht nah,
Ging sicher mit dem Buhlen da.
Doch deines Rohres sicher Blei –
Es rächte schnöd verletzte Treu.

Der Jäger eilt im Walde fort
Und jammervoll verkam er dort.
Im Felsengrund, am Bergesjoch,
Da schallet nur sein Waldhorn noch;
Am Abend spät, vor Morgen früh
Tönt's fort und fort die Melodie:
»Für meine Frau soll dieses sein,
Gebroch'ne Treu' muß schwer bereu'n!«

*

Schlimme Kurzweil

Bei St. Jakob, in dem Garten, wo entsproßten blut'ge Rosen,
Nicht erblüht im Frühlingswehen, sondern in des Schlachtsturms Tosen,
Standen, weihend dort die Erde mit dem Strahl des eignen Blutes,
Kühn die Eidgenossen, hartbedrängt, doch frohen Muthes.

Angestürmt zum dritten Male kömmt der Feind in dichten Schaaren,
Doch vergebens ist sein Zürnen, all' die Mühe könnt' er sparen.
Schau! der Schweizer Morgensterne, Keulen, Schwerter, Streiterbeile
Zeigen auch dem neu' Geschwader rasch den Weg zum ew'gen Heile.

Wie der Dauphin das erblicket, faßt ihn an ein banges Grauen,
Tausende der Armagnaken muß er da erschlagen schauen.
Hinter Mauern der Erleg'nen schützen sich die Schweizerhorden,
Und geschützt so von den Feinden, können sie die Feinde morden.

Doch im Königssohn muß fliehen das Entsetzen vor dem Grimme,
Frische Krieger ruft zum Sturme er herbei mit lauter Stimme.
Dienstbereite Boten tragen flugs auf scheugesporntem Pferde
Durch das Feld des Dauphin's Willen, daß dem Wort Gehorsam werde.

Da jagt Einer gleich dem Winde; – Freiherr Weicher ist's von Stauffen,
Jagt, daß seinem Roß vom Buge muß der Schweiß in Strömen traufen.
Wo die Birs den Rhein umarmet, wo das Ufer schroff sich senket.
Wo viel hohe Bäume ragen, dorthin er den Schlachthengst lenket.

Da behaglich in dem Schatten, weil's allda ihn dünket kühler,
Noch mit anderen Gesellen dehnt und streckt sich Hans Gutzwiler;
Das greift an das Herz dem Junker, der versucht des Kampfs Gefahren;
Als genaht er ist den Knechten, müssen Bittres die erfahren.

»Gottes Tod! ihr schlimmen Wichte, die kein Herz han in dem Leibe,
Die so furchtsam sich verbergen, gleich dem zagen Kunkelweibe,
Hei, wohlauf! ihr Lungerbäuche, dorthin wo die Büchsen krachen,
Sonst wird euch, bei meiner Ehre! diese Klinge Füße machen.«

Eilig macht sich auf der Diener, eilig springen auf die Andern,
Sind bereit, zu neuem Sturme mit dem Freiherrn fortzuwandern,
Folgen züchtiglich nun diesem still und stumm auf seinen Straßen,
Denn sie wissen, wenn er zürnet, läßt er nimmer mit sich spaßen.

Und wo er vorüber eilet, sammelt er um sich die Mannen,
Eilt mit den gedrängten Haufen zu der Kirche rasch von dannen.
Er, vor allen kampfbegierig, ist der Erste an dem Garten,
Wo die Schweizer unabläßig blut'ge Mühe nimmer sparten.

Doch, wie er zur Mauer dringet, allzu freudig in dem Streite,
Kömmt ein Stein aus Schweizerhänden, fährt ihm schmetternd in die Seite;
Und der Wurf ist also tüchtig, dergestalt mit Kraft gewürzet,
Daß der edle Herr von Stauffen häuptlings aus dem Sattel stürzet.

Hei, das ist ein schlimmes Grüßen! seufzen die mit ihm gekommen;
Beß're Weisung hat von Allen Hans Gutzwiler angenommen,
Spricht halb scherzend, halb mit Trauern, läßt zurück sein Rößlein traben:
»Lieber Herr! wohlauf von hinnen, hier ist nicht gut Kurzweil haben!«

*

Rudolf von Greiers.

Der Greiersgraf, Herr Rudolf,
Sich auf der Jagd vergnügt,
Zu Roße mit den Knechten
Er Berg und Thal durchfliegt.

Es ist ihm heut geworden
Die Beute reich und gut.
Es lieget manches Schmalthier
In seinem rothen Blut.

Doch will sich d'ran ergötzen
Nicht recht der werthe Graf,
Daß, was den Hain durchziehet,
So gut sein Wurfspieß traf.

Von dem, was Luft durchflieget,
Sei's beste Stück auch sein,
Sonst wird, er hat's geschworen.
Die Jagd nur halb ihn freu'n.

Als er dies kaum gesprochen,
Rauscht durch den Baum es vor,
Und als er hebt die Blicke,
Schwingt sich ein Rab' empor.

Der Graf hält an den Bogen,
Das Thier ist ihm zu schlecht:
Es mag ja einen Raben
Erlegen selbst kein Knecht,

Wie er so schilt noch immer
Den Vogel als gering,
Läßt aus den Lüften fallen
Der einen Silberring.

In's Gras ist er gesunken
Und vor den Grafen just,
Der gleich nach ihm sich bücket
Und auf ihn schwingt mit Lust:

Ei, sei mir Gott willkommen,
Lieb Silberreifchen du,
Hast Frohes mir zu deuten,
Die Aufschrift heißt: Glück zu!

Und wenn der Unheilkünder
Das Glück uns selber bringt,
Da sollte fast man glauben,
Daß es nicht leicht entspringt.

Nach Hause nun, ihr Knechte!
Des Jagens ist genug,
Dem Wild laßt offne Fährte,
Dem Vogel freien Flug!

Von dem, was Luft durchflieget.
Ward mir der beste Fang;
D'rum laßt durch's Feld erschallen
Den hellen Hörnerklang.

Als er so mahnt die Knechte,
In Eil' ein Knappe naht;
Auf schaumbedecktem Hengste
Sprengt er heran den Pfad:

Herr Graf, ihr habt geschossen
Doch alle Vögel nicht,
Sonst könnt' ich euch nicht künden
Solch' freudigen Bericht.

Denn da ihr giengt zu jagen
Hier in den Wald hinaus,
Bringt hei! Der Storch ein Gräflein,
Weiß Gott! in euer Haus.

Nun rasch der Graf sich schwinget
Auf's allerschnellste Pferd;
Wohl silbern ist das Ringlein.
Der Sohn doch Goldes werth!

*


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