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Luise Egloff

Die Sterne.

Erwiederung an Glutz.

Man sehe das vorige Gedicht.

Es strahlt aus goldner Ferne,
So weit das Auge reicht.
Das holde Licht der Sterne,
Dem aller Kummer weicht.
Doch feindliches Geschick
Verfinstert unsern Blick;
Für uns umgiebt die Nacht
Des Himmels hohe Pracht.

Nie hat der Sterne Schimmer
Noch unsern Blick erfreut.
Dem Blinden leuchtet nimmer
Der Schöpfung Herrlichkeit.
Ach! wir entbehren viel,
Und wandeln doch zum Ziel,
Vom Hoffnungsstern gefühlt.
Der nie sich uns verliert.

Der Sehende begrüßet
Leichtsinnig Thal und Flur,
Weil immer er genießet;
Wir aber träumen nur.
Die Wirklichkeit erscheint
Uns bald; was wir beweint,
Zeigt sich im schönsten Glanz,
Und wir genießen ganz.

Wenn einst das Aug der Seele
Uns öffnet Gottes Hand,
Daß keine Lust uns fehle;
Im Wonnevaterland
Erblicken wir im Licht
Der Theuren Angesicht,
Die, hier von uns getrennt,
Der Schöpfer dort uns nennt.

Wer lebet wohl hienieden
Von Schmerzen nicht gebeugt?
Wer findet stillen Frieden,
Eh' in die Gruft er steigt?
Vollkommen bat die Welt
Kein Bild noch aufgestellt:
Ein reines Glück gedeiht,
Wenn uns der Tod befreit.

Wir beide auch empfinden
Der Menschheit hartes Loos,
Doch dient zum Trost uns Blinden:
Des Vaters Huld ist groß,
Er führt auf dunkler Bahn
Uns liebreich himmelan,
Und seiner Güte Stern
Erglänzt uns nah und fern.

Im Glauben, nicht im Schauen,
Liegt eine Heimat dort:
Drum fassen wir Vertrauen,
Und schreiten muthig fort!
Es töne uns noch lang
Dein freudiger Gesang,
Der hoch empor sich schwingt,
Und jedes Herz durchdringt.

Ja, Edler, deine Lieder
Entzückten froh auch mich,
Und die bedrängten Brüder
Empfangen jubelnd dich.
Wenn deiner Leier Kraft
Auch ihnen Wonne schafft,
Dann flieht dir jede Nacht,
Und heitrer Morgen lacht.

Verstummen muß die Klage
Die oft dem Mund entflieht.
Wenn schwermuthsvolle Tage
Umwölken das Gemüth,
So rufet Gott uns zu:
Ich leite Euch zur Ruh;
Das Leiden wird vergehn,
Ihr werdet ewig sehn.

*

Die Sonne.

Im leuchtenden Gewande,
So majestätisch, mild,
Erscheint aus seinem Lande
Der Sonne Götterbild.
Die dunkle Nacht verschwindet,
Der Leidende empfindet
An ihrer Mutterbrust
Die reinste Himmelslust.

Der Hoffnung milden Schimmer
Ruft sie ins Herz zurück;
Ja Segen bringt uns immer
Ihr wonnevoller Blick.
Wenn ihre holden Strahlen
Der Rose Purpur malen,
So tönt ein Freudenwort:
Der gute Gott lebt fort.

Von ihm zur Welt gesendet
Ist auch der Sonne Licht;
Von seinen Kindern wendet
Des Vaters Huld sich nicht.
Er, der den Sperling weidet,
Des Feldes Lilien kleidet,
Sieht auch auf uns herab. –
O hoffnungsvoller Stab!

Es hebt zum Sternenglanze,
Vom Sonnenstrahl berührt,
Ihr Haupt die stolze Pflanze,
Die bunt die Fluren ziert.
Des großen Schöpfers Güte
Gießt Leben in die Blüthe,
Und seine Allmacht preist
Im Stillen oft mein Geist.

Wenn aus den grünen Zweigen
Die süße Frucht uns lacht,
Sich stolz die Aeste beugen
In ihrer goldnen Pracht;
Dann ist's die Sonn', die hehre,
Die aus dem Sternenmeere,
Vom weisen Gott gelenkt,
Sich auf die Bäume senkt.

Wenn mit des Frühlings Walten
Im ersten Sonnenschein
Sich Erd- und Luftgestalten
Des frohen Daseins freun;
Es ist des Schöpfers Liebe,
Die in des Thieres Triebe
Der Freude Funken legt,
Und es zur Lust bewegt.

Sinkt auch die Sonne nieder,
Wenn sie vollbracht den Lauf;
Verherrlicht steht sie wieder
Am neuen Morgen auf.
Und junge Blumen sprossen,
Vom Aetherglanz umflossen;
Es jubelt die Natur,
Zeigt sie ihr Antlitz nur.

Ob wohl des Menschen Leben
Nicht ihrem Bilde gleicht,
Wenn es mit ernstem Streben
Des Wohlthuns Ziel erreicht?
Dann glänzt er gleich der Sonne,
Verbreitet Licht und Wonne:
Des Bruders Wunde heilt,
Wo er nur liebend weilt.

Mag sinken dann die Hülle,
Weil hier doch nichts besteht!
Ein Stern glänzt dort in Fülle,
Der nimmer untergeht;
Es muß in Grabeshallen
Der kalte Leib auch fallen,
Bis aus der dunkeln Gruft
Verklärt ein Gott ihn ruft.

*

Der Abend.

Des Abends Kühle dämpft der Sonne Feuer,
Schon winkt die Nacht mit ihrem Sternenschleier,
Der Andacht Engel hebt den Geist zum Himmel
Vom Weltgetümmel.

Besänftigt schwinden so, im Wehn der Kühle,
Der düstern Schwermuth ängstende Gefühle!
Man wähnt sich ganz von Leiden losgebunden
In Abendstunden.

Des Schöpfers unbegrenzte Allmachtsgüte,
Wie wirkt sie tief im fühlenden Gemüthe!
Es lernt in Allem seinen Gott erkennen,
Und Vater nennen.

Am Abend, wenn der Sonne letzte Strahlen
Mit mildem Schimmer dunkle Fernen malen,
Dann sagt uns ein Gefühl der innern Wonne:
Du gleichst der Sonne!

Denn gleich der Herrlichen wirst du einst sinken,
Weil jenseits himmlische Gefilde winken,
Wo keine Schatten, aus der Nacht geboren,
Den Blick umfloren.

*

Das Veilchen.

Im Stillen blühest, Veilchen, du hervor,
Verkündest uns des Frühlings neues Leben,
Wenn deine süßen Düfte uns umschweben,
Dann schwingt mein Geist sich sehnsuchtsvoll empor,

Zum guten Vater, der dich auserkor,
Der Hoffnung Weihe Leidenden zu geben,
Die ihre Blicke muthlos aufwärts heben,
Weil hier ihr Herz den sichern Stab verlor.

Bescheiden, freundlich rufst du uns entgegen:
Seht nicht die Dornen nur auf euern Wegen;
Mit Blumen ist die Erde ausgeschmückt!

So giebt uns oft die Freude ihren Segen;
Wenn uns die Last des Kummers niederdrückt,
Wird dankbar froh ein Veilchen noch gepflückt.

*

Die Rosenknospe.

Am Namensfeste dem Lehrer Federer mit einer Rede überreicht.

Freundlich stand in holder Schöne,
Von des Frühlings Hauch berührt,
Eine zarte Rosenknospe
In des Blumengärtchens Mitte,
Daß sie herrlich einst es schmücke.

Freudig pflanzte sie mit Liebe
Des getreuen Gärtners Hand,
Hoffend sah er schon die Früchte
Seiner unverdross'nen Sorgen
In der Blüthe sich entfalten.

Duftend schloß zur schönsten Rose
Sich die junge Knospe auf,
Und es lachet stille Wonne
Aus des frohen Gärtners Blicken;
Reich vergolten war sein Streben.

So auch möge, edler Lehrer,
Deine Blumenflur gedeih'n,
Mußt du gleich sie sorgsam warten.
Lohnend wird die süße Krone
Deine Schläfe bald umwinden.

Und du schaust dann mit Entzücken
Auf die Rosenbahn zurück;
Noch im Winter deines Lebens,
Muß dein segenvolles Wirken
Jugendlich dein Herz erfüllen.

Aus der Tiefe meiner Seele
Steigt der leise Wunsch empor:
Jeder deiner Tage werde
Dir zum reinsten Fest hinieden;
Heiter sei dein sanftes Walten!

*

Am Allerseelenfest.

Ruht im Frieden, die ihr hier gelitten,
Die ihr muthig manchen Kampf gestritten!
Ruft auf immer sorgenfrei nun aus.
Die ihr wohnet in des Vaters Haus!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die ihr unverschuldet
Mit Ergebung harten Druck geduldet,
Die verkannt auf dornenreicher Bahn
Unermüdet Gutes nur gethan!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die in bangen Tagen
Ihre Noth dem Schöpfer vorgetragen,
Die der schwachen Menschenhülf' beraubt,
Nur an ihn mit fester Treu geglaubt!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die mit wunden Herzen
Fühltet hier der Trennung bitt're Schmerzen;
Mild vereint euch nun des Todes Hand
Unauflöslich durch der Liebe Band!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die mit stillem Sehnen
Weintet oft des Kummers heiße Thränen,
Die in unablässigem Gebet
Um Erlösung ihren Gott gefleht!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die von Sclavenketten
Nun befreit ins bess're Land getreten!
Eure Fesseln brach die Macht der Zeit;
Ungetrübt bleibt eure Seligkeit!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die in dunkler Kammer
Drückte schwer der Armuth großer Jammer,
Denen nie das Leben froh gelacht,
Die voll Gram die Nächte bang durchwacht!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden, die ihr Blumenauen
Und der Sterne Glanz nicht konntet schauen.
Die hier nie des Tages Licht begrüßt,
Bis sie dort des Vaters Arm umschließt!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden! Statt der Erde Qualen
Schaut ihr ewig der Vollendung Strahlen;
Es zerstört kein feindliches Geschick
Dieses reine, nie gekannte Glück!
Alle Seelen, die von hinnen schieden,
Alle wandeln in des Himmels Frieden.

Ruht im Frieden! Eure Leiden alle
Laßt zurück in dunkler Grabeshalle!
Nehmt auch mich in eure bess're Welt;
Sehnsucht ist's, die meinen Busen schwellt!
Unvollkommen ist die Lust hienieden,
Bis ich wandle in des Himmels Frieden.

*

Ergebung.

Meiner Seele schwebst du freundlich vor,
Himmelstochter, hebest sie empor.
Ach! du siehst ihr gramerfülltes Ringen,
Tröstung kannst nur du den Schwachen bringen
Und, von deiner hohen Kraft durchglüht,
Stärkt die Ruh das trauernde Gemüth.

Wenn der Schwermuth Wolken mich umziehn,
Wenn von mir des Lebens Freuden fliehn,
Wenn der Leiden Stürme mich umtoben,
Dann erscheinst du wie ein Strahl von Oben,
Rufest mir mit heiterem Gesicht:
Liebe, glaube, hoffe, wanke nicht!

O Ergebung, welche reine Lust
Lächelt mir an deiner Mutterbrust!
Nimm mich auf und trockne meine Thränen,
Stillen wirst du einst mein banges Sehnen,
Leiten wirst du mich an treuer Hand
In der Wonne unbekanntes Land.

Dort wird Alles meinem Auge klar,
Was hienieden ihm so dunkel war,
Und, erfüllt von nie geahnter Rührung,
Werd' ich schauen Gottes weise Führung;
Du, Geweihte, hebst den Schleier mir;
Seligkeit! entzücket dank' ich dir.

Lehre mich in jedem Erdenschmerz
Fest vertrauen auf das Vaterherz,
Liebend meinem Schöpfer mich ergeben,
Muthig nach dem fernen Ziele streben.
Freudig folg' ich deinem milden Geist,
Der den schönsten Frieden mir verheißt.

*

Das Gebet.

Auf der Andacht Götterschwingen
Will empor die Seele dringen,
Mit der Sehnsucht hoher Lust
Eilt sie an des Vaters Brust,
Und ein ahnungsvolles Hoffen
Zeigt ihr schon den Himmel offen.

Frei, von Fesseln losgebunden,
Fühlt sie sich der Welt entschwunden.
Wenn in heilendem Gebet
Sie vor ihrem Schöpfer steht,
Und, von Edens Glanz umgeben,
Engel ihr zur Seite schweben.

Des Erlösers Lichtgebilde
Naht sich ihr voll sanfter Milde,
Seine Stimme tröstend spricht:
Ewig traurest du ja nicht!
Du wirst aus des Kerkers Hallen
Einst empor zum Vater wallen.

Betend liegt der Christ im Staube,
Und sein Herz durchglüht der Glaube:
Drüben, am Vollendungsthron,
Winket dir die Siegerkron'!
Jeder Schmerz muß da verstummen,
Wo nur blüh'n der Andacht Blumen.

Seligkeit mit süßem Frieden
Strahlt dem Pilger schon hienieden,
Welcher, seinem Gott vereint,
Schuldlos, rein vor ihm erscheint;
Der mit kindlichem Vertrauen
Darf zum guten Vater schauen.

O! wer in der Stürme Toben
Nie gekannt den Trost von Oben,
Wer die Wonne nicht genießt,
Die nur dem Gebet entfließt,
Der blickt auf des Schöpfers Güte
Nie mit freudigem Gemüthe.

Auf der Liebe Götterschwingen
Muß empor die Seele dringen;
Denn des Lebens reine Lust
Wohnt nur an des Vaters Brust,
Der uns Segen hier bereitet
Und zur wahren Heimat leitet.

*

Unsterblichkeit.

O welche Wonne naht sich edlen Seelen
Bei dem Gedanken der Unsterblichkeit,
Nur er darf nie in trüben Stunden fehlen,
Denn durch ihn fühlt das Herz Zufriedenheit.
Vertrau' auf Gott! so tönt ein inn'rer Ruf,
Der deinen Geist für Ewigkeiten schuf.

Des Schöpfers Ebenbild wird nie verwesen.
Der Leib nur kehrt in seinen Staub zurück;
Allein die Seele hat sich Gott erlesen,
Ihr wartet Seligkeit und reines Glück.
Sie ist es, die vor keinen Leiden bebt,
Wenn sie am Busen wahrer Tugend lebt.

Sie denkt in uns! Wer wagt es zu behaupten,
Daß kein erhab'nes Wesen uns beglückt?
Wenn Menschen nie an Gottes Allmacht glaubten,
Und wenn Vernunft nie ihren Pfad geschmückt,
Dann steigt in ihnen der Gedanke auf,
Er, welcher hemmt der Tugend Götterlauf.

Was wäre doch der schwache Mensch hienieden?
Ein Körper, den nichts Geistiges belebt,
Fühlt nie der Religion erhabnen Frieden,
Kennt keine Hoffnung, die zu Gott erhebt.
Der edle Heide fühlt es, wie der Christ,
Daß Religion des Geistes Stütze ist.

O laßt uns nie den süßen Trost verkennen,
Daß Gottes Bild in unserm Busen wohnt!
Mag dann das Schicksal theure Seelen trennen;
Es lebt ein Gott, der Tugendhafte lohnt.
Der Tod entfesselt den gebund'nen Geist,
Der seinen Schöpfer jenseits ewig preis't.

Nichts lehrt so bald den bangsten Schmerz vergessen,
Als wenn der Mensch die hohe Wonne denkt:
Auf meinem Grabe blühen einst Cypressen,
Doch Immortellen hat mir Gott geschenkt.
Wie er, so soll sein Bild unsterblich sein,
Und sich der Würde eines Menschen freu'n!

*

Sehnsucht nach Licht.

Du schönes Licht, das Alles rings erhellt,
Dem alle Blicke freudig sich erschließen,
Mit Harfenton will ich dich fromm begrüßen,
Wenn auch kein Strahl in meine Augen fällt.

Die Blume hebt ihr Aug' zu dir empor,
In bunter Pracht erglänzen rings die Auen:
Du schönes Licht, ich kann dich nimmer schauen,
Da sich mein Blick in ew'ge Nacht verlor.

In Nacht gehüllt, soll sich am Sonnenschein,
Im Abendglanz, am blauen Himmelsbogen,
Wie an des heitern Feuers goldnen Wogen,
Am Sternenchor mein Auge nie erfreu'n!

Soll nimmer ich den Schmelz der Blume sehen?
Die Freunde nicht, die Schöpfer schöner Freuden?
Soll nie der Blick am Grün der Saat sich weiden?
Umsonst! umsonst! Vergebens ist mein Fleh'n.

O Kerkernacht! die hier mein Aug' umschließt,
Nicht Menschenkraft löst deine Zaubersiegel;
Nur dann zerbricht des Schicksals Demantriegel,
Wenn mir der Tod die Wange bleich geküßt.

Dort, wo sich jede Nebelwolke bricht,
Im ew'gen Osten, an des Lichtes Quelle,
Da wird das Auge, da die Seele helle:
Wie sehn' ich mich empor, empor zum Licht!

*


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