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Franz August Gengenbach

Augustinus und das Knäblein

(Legende)

Einst wandelt' Augustinus an des Meeres
Gestad, vertieft in unermeßliche
Gedanken; denn er wollte Gottes Wesen
Erkunden. Er, der Wurm, er wollte Gott
Vorstellen sich, den hohen Unerschaffnen,
Den Unbegreiflichen. So sinnend. Plötzlich,
Sah er ein holdes Knäblein vor sich knie'n.
Das unermüdet Wasser aus dem Meere
Mit seinen Händen in ein Grüblein schöpfte.
Verwundert stand er, fragte dann das Kind:
»Was thust du hier, mein Sohn, was soll das werden?«
Einfältiglich entgegnet ihm das Knäblein:
»Ich möchte gern des Meeres Tiefe kennen.
Und drum will ich's ausschöpfen mir anjetzt
In dieses Grüblein, und alsdann es messen.«
Sanft lächelnd sprach der weise Augustinus:
»Wie willst du denn das ungeheure Meer
In solch ein winzig kleines Grüblein fassen?«
»Und du, o Mensch, du willst den Undenkbaren
In deines armen Geistes enge Schranken
Begränzen? – Wahrlich, eher noch wär's möglich,
Das Meer in dieses Grüblein einzuschließen,
Als Gottes ewig Wesen zu ergründen,
Vor dem das Meer ein Wassertropfen ist!«
So sprach das Kind, und schwang sich himmelwärts.
Doch reuig warf sich Augustinus nieder.
Demüthig fleht er Gott, des Stolzes Sünde
Ihm zu verzeihen. Und wenn ihm fortan
Versuchung kam, Geheimes zu ergrübeln,
Das doch zu unsrer Seligkeit nicht frommt,
Gedacht er jenes Kinds und seiner Lehren.

*

Das fromme Lächeln.

Sterbend lag ein Greis auf seinem Lager,
Und er schien, dem Tode nah, zu schlummern.
Trauernd, bang, umringten ihn die Seinen,
Seine Kinder, seiner Söhne Kinder;
Wagten nicht zu hoffen, noch zu fürchten.

Sieh! da schimmert' in des Vaters Antlitz
Mild ein Lächeln, wie der Engel Lächeln;
Sieh! zum zweiten Mal, und sieh! zum dritten –
Und es öffnete der Greis die Augen.

»Vater!« fragt ihn einer seiner Söhne,
»Stumm und weinend stehen deine Lieben; –
Und du konntest lächeln, dreimal lächeln,
Und dein Antlitz ist so froh, so selig?«

Liebevoll entgegnet ihm der Vater:
»Ach was ist es, daß ihr steht und weinet?
Wißt, des Todes Stachel ist gebrochen.
Kurz ist ja die Trennung nur, und ewig
Währet hier und drüben unsre Liebe. –
Mag euch wundern, daß an Grabes Rande
Noch ein Lächeln meinen Blick erheitert?
So vernehmet denn des Lächelns Deutung.

Sieh es gingen meines Lebens Freuden
Alle vor dem innern Blick vorüber;
Und ich lächelte der Rückerinnerung,
Wie so wichtig sie mir einst gewesen.

Drauf gedacht ich aller meiner Leiden:
Und ich lächelte zum andern Male,
Daß nun ihre Dornen sie verloren,
Daß sie bald mir Rosen tragen werden.

Dann im Geist schaut ich den Todesengel;
Und ich mußte lächeln, wie die Menschen
Also sehr den holden Seraph scheuen,
Der aus dieses Lebens stätem Schwanken
Zum Bestand, vom Ahnen sie zur Klarheit
Und zum Wohnsitz ew'ger Freude führet.«

*

Das Bienlein.

Unermüdet emsig Vöglein!
Immer thätig, nimmer lässig,
Fleugst du sammelnd hin und wieder,
Süße Honigtropfen raubend,
Und dir beut sie jede Blume. –

Jede Blume beut mir Honig;
Doch in ihres Kelches Tiefen
Den verborgnen aufzuspüren,
Den erspürten auszunippen,
Braucht es eine Bienenzunge,
Und das Zünglein bring' ich mit.

*


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