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Johann Rudolf Wyß, d. Ä.

Der Fall.

Ein Elephant von nicht gemeiner Stärke
Und ungewöhnlichem Verstand,
Des reichen Ceylons Schmuck, befand
Im Fürsten-Marstall sich, zum mühevollen Werke,
Zum zärteren Geschäft, zum Prachtzug gleich geschickt,
Mit Nutzen stets gebraucht, mit Staunen angeblickt.
Je duldender er trug, je schwerer mußt' er tragen;
Je feuriger er lief, je mehr
Ward er gespornt, je mäßiger sein Magen
Sich litt, je öfter blieb er leer.
Ob seinem kargen Reis, ob drückenden Geschäften
Kam der geplagte Diener bald von Kräften,
Und unter seiner Last vermocht' er kaum zu stehn.
Sein Herr geruhete das Elend – nicht zu sehn.
Das Portiönchen Reis ward alle Tage kleiner
Und größer doch die Last, des Treibers Stachel seiner,
Und thätiger sein strenger Arm.
Gefühllos bei des Treuen Harm
Bestieg der Fürst mit seinen Großen
Noch einmal treist das abgezehrte Thier,
Und triebs, wie sonst, mit Ungebühr.
Noch riefs die letzte Kraft, noch trug es unverdrossen,
Dann seufzt' es, wankt und fiel. Und mit dem edlen Thier,
Zur Ruh, zur Sicherheit, zum Beistand ihm gegeben,
Fiel auch der Prinz, mit ihm verlor er Thron und Leben.

*

Die Trauerweide.

Mir ward ein holder Knabe,
Die Blume meiner Bahn,
Er wuchs an seinem Stabe,
An mir, so froh hinan.
Sein ganzes Sein war Leben,
Von Liebe schön durchglüht;
Mein Pilgerstab ward eben
Durch ihn, und mild umblüht.

Zum Tempel stiller Freude
Dem Vater und dem Sohn
Pflanzt' ich am Bach die Weide
Des schönen Babylon.
Bald schossen ihre Ranken
Mit jugendlichem Grün
Hoch in die Luft, und sanken
Zur Erde spielend hin.

Im Frühlings-Säuseln webten
Sie fröhlich hin und her;
Es schien, die Ranken lebten,
Drob' freut ich mich so sehr.
Jetzt hangen sie so traurig
Am unbetretnen Steig,
Der Herbstwind wehet schaurig
Und seufzt durch jeden Zweig.

Ach süße Träume schwinden
Und Schmerz ist oft so nah.
Mir Unglück zu verkünden
Pflanzt' ich die Weide da.
Mein Kindlein, meine Freude
Sank ungeahnt zur Gruft,
Und um die Thränenweide
Weht kalte Grabesluft!

*

Grabschrift auf ein Ehepärchen.

Diese Erdenschollen decken,
Wanderer, ein eignes Paar.
Balbus, frisch geheilt vom Staar,
Sah die Frau und starb vor Schrecken;
Und Madam erblich vor Schrecken
Weil ihr Männchen sehend war.

*

Die Glocke, der Kirchthurm und der Glöckner.

»Wie unnütz«, sprach die Kirchenglocke
Zum Thurme, »Lieber, ständest du
Wenn ich nicht wäre! Ich, ich locke
Die Gläubigen der Kirche zu.
Sag' ich nicht ihnen Zeit und Stunde
Des Gottesdiensts mit lautem Munde?
Auf meinen Ruf nach Ort und Zeit
Versammelt sich die Christenheit.«

»Du Thörin«, sprach der Kirchthurm, »höbe
Nicht ich dich in die Luft empor,
Du würdest bald verstummen. Schwebe
Mal ohne mich, dich hört kein Ohr,
Was du bist, hast du mir zu danken.«
Der Glöckner hörte sie so zanken,
Und lächelt' und entfernte sich.
»Nun läutet«, rief er, »ohne mich!«

Des Baues großer Meister wallte
Von ungefähr auch da vorbei,
Und dessen Richterstimme schallte,
Den Streit entscheidend, an die Drei:
»Im großen nützlichen Geschäfte
»Wirkt für sich einzig keiner viel;
»Nur die Vereinigung der Kräfte
»Führt glücklich zum erhabnen Ziel.
»Und Eine Kraft muß vorbereiten,
»Muß mit erfahrner, weiser Hand
»Sie alle wecken, stärken, leiten,
»Beseelen, einen, – der Verstand!«

*

Die Garbe.

Du bist das wahre Bild der neuen Dichterei,
Dein kleinster Theil ist Korn, dein größter Stroh und Spreu.

*

Voß, als Uerbersetzer.

Kunstreich wendest du, Voß, die Griechen, ich misse nur Eines:
Du entgriechest sie wohl, aber verdeutschest sie nicht.

*

Der Bote des Friedens

Nächtliche Seufzer schwebten nach den Gräbern
Meiner Kinder, ich sah sie niedersenken.
Und ich rief In bebender Angst: »Was bleibt mir
»Jetzo hienieden?«

Träumend erblickt ich wieder meine Kindlein
Starr im Grabe, schon das Gebein entkleidet.
Thränen rannen, stöhnend erscholl's: »Was bleibt mir
»Ferner auf Erden?«

Sieh, da berührt' ein Seraph, mild umflossen
Von ätherischem Lichte, mir das Auge,
Aufwärts weisend: »Irdischer Freund, dir bleiben
»Blicke zum Himmel!«

*

Das Vergißmeinnicht auf der Heide.

Wie kannst du hier entsprießen,
Du zartes Blümelein? –
Wo sanfte Wellen fließen,
Sieh man dich sonst gedeih'n.
Ich danke deinem Gruße,
Der doppelt hier erquickt,
Wo unter meinem Fuße
Kein Blümchen sonst mir nickt.

Hold, wie auf dürrem Grunde
Dein freundlich Blau mir lacht,
Hellt wohl in düstrer Stunde
Ein Sternlein meine Nacht.
Sei, Sternlein, mir willkommen,
Das mir durch Wolken blinkt,
Bis endlich auch verglommen,
Mein letztes Sternlein sinkt.

*

Rebecka.

»Willst du ziehen mit ihm?« – »Ich will!« So sagte Rebecka.
Ohne das eckle Gezier zog sie dem Bräutigam zu.
Edel ist deine Natur o Weib! geschaffen zur Liebe,
Wenn dich nicht Larve, nicht Kunst, nicht die Verstellung entweiht.

*

Erziehungs-Mißgriff.

Zum Geh'n führt ihr die Kinder an?
Am weitsten kommt, wer – kriechen kann.

*

Der Ausländer und der Schweizer.

Schweizer! Ihr dienet um Gold, und wir um Ruhm und um Ehre.
»Freilich, weiß Jeder doch selbst, denk ich, woran es ihm fehlt.«

*

Verschiedene Lagen.

Wie doch nach Tag und Jahren immer
Sich's anders, Mensch mit dir verhält!
Die Welt ist eines Jünglings Zimmer,
Das Zimmer eines Greises Welt.

*

Feinde.

Ueber die Feinde beklagst du dich? Die gefährlichsten Feinde
Liegen in eigener Brust; wache, da schlafen sie nie.

*

Liebe.

Glaube gebietet uns Liebe. Ja wohnten Glauben und Liebe
Rein auf Erden, die Welt würde zum Himmel uns schon.

*


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