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Franz Jos. Bened. Dernold, genannt der Barde von Riva

Die Linth.

Als ich ein Kind war, warst du das erste Wort,
Das meine Zunge lallte mit halbem Ton',
Und an dem Rande deines Ufers
Lernt' ich durch Fallen die Kunst zu gehen.

Dem muntern Knaben lispelte deine Fluth
Schon frühe Freuden in das entzückte Herz,
Und seines Busens heißer Athem
Ahmte Nachruhm in fernen Zeiten.

Doch nicht dem Knaben, und nicht dem Jünglinge
Verräth dein Rauschen hohe Begeisterung;
Vor Freuden über deine Größe
Kann er nur weinen und kann nicht singen.

Itzt, da des Alters reifere Locken mir
Die Scheitel krönen; itzt, da der Musenchor
Mir nicht umsonst die Leier schenkte,
Daß sie unrühmlich in Trägheit schlumm're,

Will ich die Saiten stimmen zum Donnerflug,
Der deinen Namen über die niedre Luft
Kühn auf der Ode starken Flügeln
Horchenden Welten entgegen wehe.

Auf kühler Alpen silberner Höh' gebahr
Die Mutter Limmra dich aus dem wilden Schooß,
Schon in der rohen Felsenwiege,
Wo noch gewöhnliche Kinder lallen,

Verwirrte deine Stimme den nahen Hirt,
Daß er verwundernd hin zu der Quelle trat,
Und den erstaunten Nachhall fragte;
»Echo! was wird aus dem Kinde werden?«

Den raschen Jüngling hält nicht der Wollust Arm
Zurücke, weilet nicht der zu weiche Pfad,
Des Müssigganges, den er hasset;
Aus den Umarmungen seiner Mutter

Eilt er mit Riesenschritten die Heldenbahn,
Flieht bald der Vaterberge bereifte Luft,
Und früh gewandt zu kühnen Spielen,
Weicht er dem näheren Himmel, stürzt sich

In schwarze Tiefen, wo ihn des Spähers Aug
Nicht aufsucht, wo ihm weder der Sonne Strahl
Das Silber seiner Wogen kleidet,
Noch des sanft schwimmenden Mondes Antlitz.

Da wälzt der Edle donnernde Wolken Staub
Durch enge Klüfte, bildet sein junges Herz
Im Schauer stiller Dunkelheiten
Furchtbar zu löblicher Zukunft Thaten.

Umsonst verbirgt dich einsamer Felsen Nacht;
Des Menschen Fürwitz spüret dir immer nach,
Bewundert dein geheimstes Leben,
Bahnet sich Pfade zu deiner Wohnung.

Er war's, der dich auf hangendem Steingewölb'
Muthvoll bespähte und mit gesenktem Blick,
Ob ihn der bleiche Schwindel schreckte,
Frech in die brausende Hölle starrte.

Auch meinen Augen war es vergönnt zu sehn,
Wie deiner Wellen Taumel den Wald erschreckt,
Daß Haupt und Wurzel dir erzittert;
Wie du in schäumendem Zorne auffährst,

Wenn ungeweihter Sehnsucht dein Heiligthum
Sich öffnen muß; wie da sich dein Wogensturz
Im Donner der gepeitschten Hallen
Zwischen dem wankenden Grund durchrollet.

Auf! zeige Jüngling! deinen geprüften Arm
Dem blöden Thale, das dich in Fesseln wähnt;
Erschein' in deiner Männerstärke!
Weise dich frei, wie dein Volk, und thätig!

Er kömmt – der Haine Wipfel, der Haine Chor,
Der Haine Nymphen strömen ihm Grüße nach;
Die Sonne sieht daher ihn rauschen,
Sieht ihn – und staunet ob seiner Größe.

Und du, mein Päan! der du den Jüngling nun
Besungen, folge ferner dem Göttlichen!
Enthebe dich der Erde Hügeln!
Rausche dahin, wie die wilden Wellen.

Verfolge deinen Lauf mit des Stromes Lauf!
Schwillt er vor Freuden, juble Triumph darein!
Betrübet Unglück seine Fluthen,
Weine darein! wenn er donnert, donnre!

Wie tanzt er neben glücklichen Hütten hin,
Die rings zerstreuet liegen auf der Flur,
Und auf den Stirnen kahler Berge,
Oder an hangenden Felsenrücken.

Hier, wo der Landmann eigene Tage lebt,
Die keine Wolke giftiger Neigung trübt,
Weil fern von Menschen nur sich selber
Und ihre Heimath die Einfalt kennet,

Hier wohnt die Freiheit! Hier hat sie unbemerkt
Im stillen Schatten heiliger Einsamkeit
Den Racken freigeborner Jugend
Mütterlich milde mit Muth gestählet.

Soll' ich die Wunder singen, o edle Linth!
Die Wunder deines Reiches? Wie deine Fluth
Im Schlangengange viele Bilder
Emsigkeitseeliger Dörfer spiegelt.

Wie manches Baches Reichthum zur Rechten dir,
Wie manche Wasserfälle zur Linken dir,
Stolz auf die Bande ihrer Knechtschaft,
Deinen wohlthätigen Schooß beschwängern?

Vor allen eine Nymphe, die glückliche
Rauti gefällt dir; siehe! sie brennet schon
Mit deiner Fluth sich zu vermählen;
Ufer ertönen von Brautgesängen.

Im blauen Grunde spielet der fette Lachs,
Der Liebling deiner Nymphe, der Fische Stolz;
Ein zahllos Volk bemalter Schuppen
Nistet in deinen kistallnen Grotten.

Zwar windet keinen goldenen Aehrenkranz
Die blonde Ceres dir um den weichen Schlaf;
Und ob auch keine Thyrsusschatten
Bacchus dir um die Gestade pflanzte,

Doch bist du werth mir! Andere Schönheit noch
Vergeudt, aus reicher Urne. Natur auf dich;
Noch vieler Erdenkinder Segen
Zahlet die Mühe des kargen Fleißes.

In deinen Thälern blöcket das Wollenvieh;
Auf deinen Triften wiehert der schlanke Gaul;
Der Mann der Heerde brüllt Entzücken,
Wenn er auf Wiesen um Kühe buhlet.

Aus vollen Eutern presset die süße Milch
Der fromme Landmann, reicht die gesunde Kost
Den keuschen Pfändern seiner Liebe,
Lebet zufrieden von Einem Acker.

Im Tannenforste ziehet die Gemsen auf
Der Freiberg; öfter hetzet die Jagd in ihm
Das scheue Wildpret, das der Waidmann
Leckeren Tafeln zur Speise schenket.

In deiner Glarus sitzen im richtenden
Pallast Quiriten; führen den achten Stab,
Der die Helvetier beherrschet,
Ohne den Zwang über freie Männer.

Und könnte deine Söhne des Grabes Nacht
Verhüllen? könnte, Livius Tschudi! dich,
Der vaterländischen Geschichte
Herold, mein dankbares Lied vergessen?

Ein Wala, unter Tausenden stellte sich
Dem Schwalle zwanzig Reisiger furchtlos dar,
Und stürzt, allein, drei Reiter von den
Rossen, auf Einmal, mit Einem Streiche.

Von Bülen ... welchen Namen hab ich genannt?
Er, dein Erretter von der Leibeignen Schmach!
Dein Schutzgeist an dem großen Tage,
Da dir der Adler schon Fesseln dräute,

Du denkst und schauerst, wie sich der Feinde Zahl,
Gleich Wetterwolken, untenzu sammelte;
Wie sie im Dunkel ihrer Menge
Hurtig dein Volk zu verschlingen glaubten.

Und ob im ersten Kampfe der falsche Sieg
Den Sklaven lachte, zagten die Deinen nicht;
Kein Landsknecht darf den Freien schrecken;
Hoch steht von Bülen und schwingt die Fahne.

Noch eilfmal rücken Oesterreichs Schaaren an,
Noch eilfmal ziehen Oesterreichs Schaaren ab;
Der Sieger sah die Helden fliehen –
Heftete Schrecken an ihre Fersen.

Du denkst und schauerst, wie der Tyrannen Flucht
(Die Brücke krachet) und der Tyrannen Blut
Dir die erschrocknen Wellen färbten
Und dich im fliegenden Laufe hemmten.

Doch denkst du freudig, daß nach der Arbeit Ruh'
Und Friede deine Fluren beseeligten,
Und deine Kinder frohe Tage –
Tage der güldenen Freiheit leben.

*


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