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Johann Gaudenz von Salis-Seewis

Herbstlied. 1782.

Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder
Und der Herbst beginnt.
Rothe Blätter fallen.
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind,

Wie die volle Traube
Aus dem Rebenlaube
Purpurfarbig stralt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Roth und weiß bemalt.

Sieh! wie hier die Dirne
Emsig Pflaum' und Birne
In ihr Körbchen legt!
Dort, mit leichten Schritten,
Jene, goldne Quitten
In den Landhof trägt!

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröthe
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz.

*

Elegie.

An mein Vaterland. Paris 1785.

Ueber trennende Thäler und Hügel und fluthende Ströme
Leite mich wehenden Flugs, hohe Begeisterung, hin!
Wonne! dort hebt sich die Kette der eisbepanzerten Alpen
Meine Locken umweht reinere, himmlische Luft!
Unter mir spiegelt sich Zürich in bläulich versilberten Wassern,
Ihre Mauern bespült plätschernd die Wallung des Sees.
Kähne mit schneidendem Ruder durchgleiten die schimmernde Fläche,
Von des Traubengestads schrägen Geländern umragt.
Weiter schwebet mein Geist! schon dämmert in schwindlichter Tiefe,
Zwischen Felsen gepreßt, Wallenstadt's grünlicher See.
Eschen und bräunliche Tannen umdunkeln sein einsames Ufer,
Und im öden Geklüft bauet der Reiher sein Nest.
Schneller wehet mein Flug! Dort schimmern die rhätischen Alpen.
Und wie durch purpurnen Flor leuchtet ihr ewiges Eis.
Vaterland, sei mir gegrüßt! Der hehren Scenen so manche
Steigt in der großen Natur schrecklicher Schönheit empor:
Ragende Felsenzinken mit wolkenumlagerter Spitze,
Welche kein Jäger erklomm, welche kein Adler erflog,
Blendender Gletscher starre, kristallene Wogen mit scharfen
Eisigen Klippen bepflanzt, wo durch umnebelte Luft
Schneidenden Zuges die Gähe hinunter die wälzende Lauwe
Rollet den frostigen Tod; wo im Wirbel des Nords
Und im krachenden Donner der tiefaufberstenden Spalten
Kaltes Entsetzen und Graun lauschende Wandrer ergreift;
Dort die Hirtenthale, von silbernen Bächlein bewässert,
Und vom Schellengeläut' weidender Kühe durchtönt;
Aecker, wo stachligte Gersten bei bebendem Roggen dahin wogt,
Lichter Haber begrenzt bräunliches Furchengestreif.
Welch' ein frohes Gemisch! Es sprießen die herrlichen Bilder
Zahllos, wie Blumen im Lenz, vor der Erinnerung Hauch.
Doch, mich weckt das Donnergetöse der spritzenden Räder,
Und des raschen Gespanns dumpfig erklappernder Huf,
Der geschwungenen Geißel Knall, des treibenden Kärrners
Drohender Fluch, und des Markts heiseres Krämergeschrei.
Ha! mich umschlingen weit Luteziens kreuzende Gassen;
Mancher Zauberpalast, voll des Goldes und Grams,
Hebt die thürmenden Giebel, von stockenden Dünsten umbrütet,
Welche mit stumpferem Strahl mühsam die Sonne durchwühlt.
Lebet nun wohl, ihr Thäler der Heimath! ihr heiligen Alpen!
Fernher tönt mein Gesang Segen und Frieden Euch zu.
Heil dir und dauernde Freiheit, du Land der Einfalt und Treue!
Deiner Befreier Geist ruh' auf dir, glückliches Volk!
Bleib' durch Genügsamkeit reich und groß durch Strenge der Sitten;
Rauh sei, wie Gletscher, dein Muth; kalt, wenn Gefahr dich umblitzt!
Fest, wie Felsengebirge, und stark, wie der donnernde Rheinsturz;
Würdig deiner Natur, würdig der Väter, und frei!

*

Winterlieb. 1785.

Das Feld ist weiß, so blank und rein
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell wie Kristall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.

Der Lichtstral spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und roth und weiß,
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee heraus,
Ragt nackt und kraus,
Des Dorngebüsches Garbe.

Von Reifenduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind'
Im Sonnenstral bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Flaum
Wie leichter Blüthenregen.

Tief sinkt der braune Tannenast
Und drohet mit des Schnees Last
Den Wandrer zu beschütten;
Vom Frost der Nacht
Gehärtet, kracht
Der Weg von seinen Tritten.

Das Bächlein schleicht, von Eis geengt;
Voll lauter blauer Zacken hängt
Das Dach; es stockt die Quelle;
Im Sturze harrt,
Zu Glas erstarrt,
Des Wasserfalles Welle.

Die blaue Meise piepet laut;
Der muntre Sperling pickt vertraut
Die Körner vor der Scheune.
Der Zeisig hüpft
Vergnügt und schlüpft
Durch blätterlose Haine.

Wohlan! auf festgediegner Bahn
Klimm' ich den Hügel schnell hinan,
Und blicke froh ins Weite,
Und preise den,
Der rings so schön
Die Silberflocken streute.

*

Merzlied. 1784.

Nun, da Schnee und Eis zerflossen
Und des Angers Nasen schwillt,
Hier an rothen Lindenschossen
Knospen bersten, Blätter sprossen,
Weht der Auferstehung Odem
Durch das keimende Gefild.

Veilchen an den Wiesenbächen
Lösen ihrer Schale Band;
Primelngold bedeckt die Flächen;
Zarte Saatenspitzen stechen
Aus den Furchen; gelber Krokus
Schießt aus warmem Gartensand.

Alles fühlt erneutes Leben:
Die Falänen, die am Stamm
Der gekerbten Eiche kleben,
Mücken, die im Reigen schweben,
Lerchen, hoch im Aetherglanze,
Tief im Thal das junge Lamm.

Seht! erweckte Bienen schwärmen
Um den frühen Mandelbaum;
Froh des Sonnenscheins, erwärmen
Sich die Greise; Kinder lärmen
Spielend mit den Ostereiern
Durch den weiß beblümten Raum.

Sprießt ihr Keimchen aus den Zweigen,
Sprießt aus Moos, das Gräber deckt!
Hoher Hoffnung Bild und Zeugen,
Daß auch wir der Erd' entsteigen,
Wenn des ew'gen Frühlings Odem
Uns zur Auferstehung weckt!

*

Lied eines Landmanns in der Fremde.

Traute Heimath meiner Lieben,
Sinn' ich still an dich zurück,
Wird mir wohl; und dennoch trüben
Sehnsuchtsthränen meinen Blick.

Stiller Weiler, grün umfangen
Vom beschirmenden Gesträuch,
Kleine Hütte, voll Verlangen
Denk' ich immer noch an euch!

An die Fenster, die mit Reben
Einst mein Vater selbst umzog;
An den Birnbaum, der daneben
Auf das niedre Dach sich bog;

An die Stauden, wo ich Meisen
Im Hollunderkasten fing;
An des stillen Weihers Schleusen,
Wo ich Sonntags fischen ging.

Was mich dort als Kind erfreute,
Kömmt mir wieder leibhaft vor;
Das bekannte Dorfgeläute
Wiederhallt in meinem Ohr.

Selbst des Nachts, in meinen Träumen,
Schiff' ich auf der Heimath See,
Schüttle Aepfel von den Bäumen,
Wäss're ihrer Wiesen Klee.

Lösch' aus ihres Brunnens Röhren
Meinen Durst am schwülen Tag,
Pflück' im Walde Heidelbeeren,
Wo ich einst im Schatten lag.

Wann erblick' ich selbst die Linde
Auf den Kirchenplatz gepflanzt,
Wo gekühlt im Abendwinde
Unsre frohe Jugend tanzt?

Wann des Kirchturms Giebelspitze;
Halb im Obstbaumwald versteckt,
Wo der Storch auf hohem Sitze
Friedlich seine Jungen heckt?

Traute Heimath meiner Väter,
Wird bei deines Friedhofs Thür
Nur einst, früher oder später,
Auch ein Ruheplätzchen mir!

*

Vernunft und Glaube.

Nur das Dunkel der Nacht enthüllt uns die höheren Welten,
Blendendes Sonnenlicht deckt sie mit nichtiger Luft.
Also Vernunft: die Erderleuchterin hellet die Nähe,
Aber verbirgt uns das Land, welches dem Glauben nur stralt.

*

Das Grab. 1783.

Das Grab ist tief und stille,
Und schauderhaft sein Rand;
Es deckt mit schwarzer Hülle
Ein unbekanntes Land.

Das Lied der Nachtigallen
Tönt nicht in seinem Schoß;
Der Freundschaft Rosen fallen
Nur auf des Hügels Moos.

Verlaßne Bräute ringen
Umsonst die Hände wund;
Der Waisen Klagen dringen
Nicht in der Tiefe Grund.

Doch, sonst an keinem Orte
Wohnt die ersehnte Ruh;
Nur durch die dunkle Pforte
Geht man der Heimath zu.

Das arme Herz hienieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren Frieden
Nur, wo es nicht mehr schlägt.

*

Abendsehnsucht.

Wenn der Abend sich senkt, flieh' ich die laute Stadt,
Und durchwandere stumm feuchtes Gefild' umher,
Voll die Seele von Sehnsucht
Und voll süßer Erinn'rung.

Safranfarbiger Schein rändert den Horizont
Und durchglüht das Gebüsch, welches den Hügel kränzt,
Wo die stöhnende Windmühl'
Ihren langsamen Flügel wälzt.

An die Schleusen gelehnt, schau ich den Weidengrund,
Frisch von perlendem Thau, und wie des duftenden
Reps gelbblühende Felder
Noch ein röthender Nachschein färbt.

Nur der Emmerling zirpt oben im Ellenstrauch;
Stille waltet umher auf dem umbüschten Dorf,
Das der krähende Haushahn
Und aufwallender Rauch verräth.

Frischer dünstet der Tau; tiefere Dämmerung
Spannt den trübenden Flor über die Fernung hin.
Wo die Formen vernachten,
Weilt hinstarrend der lange Blick.

Länder dehnen sich dort hinter der Fläche Rand:
Aber die trennende Nacht füllet den weiten Raum
Hin zu meinen Geliebten,
Und die Thräne der Sehnsucht rinnt.

*

Ermunterung.

Seht! wie die Tage sich sonnig verklären!
Blau ist der Himmel und grünend das Land.
Klag' ist ein Mißton im Chore der Sphären!
Trägt denn die Schöpfung ein Trauergewand?
Hebet die Blicke, die trübe sich senken,
Hebet die Blicke, des Schönen ist viel:
Tugend wird selber zu Freuden uns lenken;
Freud' ist der Weisheit belohnendes Ziel.

Oeffnet die Seele dem Lichte der Freude!
Horcht! ihr ertönet des Hänflings Gesang.
Athmet! sie duftet im Rosengestäude,
Fühlet! sie säuselt am Bächlein entlang.
Kostet! sie glüht uns im Safte der Traube,
Würzet die Früchte beim ländlichen Mahl.
Schauet! sie grünet in Kräutern und Laube,
Malt uns die Aussicht ins blumigte Thal.

Freunde! was gleiten euch weibische Thränen
Ueber die blühenden Wangen herab?
Ziemt sich für Männer das weibliche Sehnen?
Wünscht ihr verzagend zu modern im Grab?
Edleres bleibt uns noch viel zu verrichten,
Viel auch des Guten ist noch nicht gethan;
Heiterkeit lohnt die Erfüllung der Pflichten,
Ruhe beschattet das Ende der Bahn.

Mancherlei Sorgen und mancherlei Schmerzen
Quälen uns wahrlich aus eigener Schuld;
Hoffnung ist Labsal dem wundesten Herzen,
Duldende stärket gelaßne Geduld.
Wenn euch die Nebel des Trübsinns umarmen,
Hebt zu den Sternen den sinkenden Muth;
Heget nur männliches, hohes Vertrauen,
Guten ergeht es am Schlusse noch gut.

Lasset uns fröhlich die Schöpfungen sehen:
Gottes Natur ist entzückend und hehr!
Aber auch stillen des Dürftigen Flehen;
Freuden des Wohlthuns entzücken noch mehr.
Liebet! die Lieb' ist der schönste der Triebe,
Weiht nur der Unschuld die heilige Glut,
Aber dann liebt auch mit weiserer Liebe
Alles, was edel und schön ist und gut.

Handelt! durch Handlungen zeigt sich der Weise,
Ruhm und Unsterblichkeit sind ihr Geleit;
Zeichnet mit Thaten die schwindenden Gleise
Unserer flüchtig entrollenden Zeit.
Den uns umschließenden Zirkel beglücken,
Nützen so viel als ein jeder vermag,
O das erfüllet mit stillem Entzücken!
O das entwölket den düstersten Tag!

Muthig! auch Leiden, sind einst sie vergangen.
Laben die Seele, wie Regen die Au.
Gräber, von Trauerzypressen umhangen,
Malet bald stiller Vergißmeinnicht Blau.
Freunde, wir sollen, wir sollen uns freuen;
Freud' ist des Vaters erhabnes Gebot.
Freude der Unschuld kann niemals gereuen;
Lächelt durch Rosen dem nahenden Tod.

*

Sehnsucht nach Mitgefühl.

An Matthisson.

My lonely anquish melts no heart but mine,
And in my breast th' imperfect joy expire
Gray.

Wo weilt die Seele wie meine gestimmt?
Der Stern des dunkelnden Abends vernimmt
Nicht meinen Wunsch; was dem Herzen gebricht,
Gewährt er mir nicht.

Wenn in den Pappeln die Nachtigall schlägt,
O Freund, wie bin ich so innig bewegt!
Mit ihrer Töne Bedeutung vertraut,
Verscheucht sie mein Laut.

Der Mond beflimmert mich düster und bleich,
Durch Tannenwipfel und Förengesträuch,
Der matte binsenbespülende Bach
Seufzt langsam mir nach.

Der Wiederhall in den Klüften verschlingt
Die Klage, welche die Sehnsucht ihm bringt.
Bald schwindet, was der Verlassene ruft,
In nichtiger Luft.

Erguß, du Trauter, und Sänftigung fehlt
Dem öden Herzen von Sehnsucht gequält,
Dem die Natur, die es inniglich liebt,
Genüge nicht gibt!

Wohl herben Kummer zu mildern gelang
Der Mitempfindungen Wechselgesang!
Aus Klagen, traulich mit Freunden gekos't,
Entblühet der Trost.

Verwandte Seelen verstehen sich ganz!
Nimm dieses Liedes Vergißmeinnichtkranz,
Aus dem, von Seufzern der Ahnung umweht,
Die Warnung ergeht:

Wo weilst du, Trauter? Schon grünt uns ein Baum,
Der Baum zum Sarge! schon grünet ein Raum;
Der Raum, wo künftig, von Graswuchs umbebt,

*

Letzter Wunsch

Tief in Silbertannen-Schatten. Die Silbertanne (Pinus picea Linn.) wird in vielen Gegenden auch Weißtanne genannt.
Anmerkung des Dichters.

Hoc erat in votis.
Hor.

Wann, o Schicksal! wann wird endlich
Mir mein letzter Wunsch gewährt?
Nur ein Hüttchen still und ländlich,
Nur ein kleiner eigner Herd;
Und ein Freund, bewährt und weise,
Freiheit, Heiterkeit, und Ruh'!
Ach und Sie! das seufz' ich leise,
Zur Gefährtin Sie dazu.

Wenn ich noch ein Gärtchen hätte,
Bauten wir's mit eigner Hand.
Statt geschorener Boskette
Und der Hagenbuchenwand
Dämmert uns ein Dach von Latten,
Dicht mit Rebengrün bedeckt,
Tief im Silbertannen-Schatten
Vor des Neides Blick versteckt.

Statt Kanäl' und Gartenteiche,
Nur ein Röhrenbrunnentrog;
Statt Alleen und Taxussträuche,
Früchte, die ich selbst erzog;
Durch ein Gatter, nur von Pfählen,
Durch den Vorhof, eng' und klein,
Eilt' ich statt nach Marmorsälen
In ihr trautes Kämmerlein.

Bei des heitern Morgens Frische
Hörten wir im Buchenhain,
Dort am Wasser, im Gebüsche,
Nachtigallen-Melodein.
Auch begänne sie Gesänge,
Wäre Philomel' entflohn,
Und in meine Seele dränge
Tiefer noch ihr süßer Ton.

Unterm Strauch voll Hagerosen
Auf dem rothbeblümten Klee
Könnten wir so traulich kosen,
Wie auf seid'nem Kanapee.
In dem Duft entblühter Bohnen,
Unter Pappeln, hoch und schlank,
Bauten wir trotz goldnen Thronen
Eine kleine Breterbank.

Beeren, die ihr Finger drückte,
Honig, der der Wab' entfloß,
Kräuter, die vom Beet' sie pflückte,
Milch, die sie in Schalen goß:
Ha! bei solchem Göttermahle
Säßen wir, wie froh, wie stolz!
Wär' auch Löffel, Kelch und Schale,
Nur aus weißem Buchenholz.

Mit den holden Dörferinnen
Nach der Weidenpfeife Schall
Einen Maientanz beginnen,
Gält' uns mehr als Maskenball.
Lieber, als der Prunk der Bühnen
Dem verwöhnten Städterschwarm,
Wär' ein Pfänderspiel im Grünen
Mir an meines Mädchens Arm.

In gestirnten Sommernächten,
Wenn der Mond die Schatten hellt,
Wallte sie an meiner Rechten
Durch das thaubeträufte Feld.
Oft zum mildern Abendsterne
Hob' ich den entzückten Blick;
Oefter senkt' ich ihn, wie gerne!
Auf ihr blaues Aug' zurück.

Vieles wünscht' ich sonst vergebens!
Jetzo nur zum letztenmal
Für den Abend meines Lebens
Irgendwo ein Friedensthal,
Edle Muß' in eigner Wohnung,
Und ein Weib voll Zärtlichkeit,
Das, der Treue zur Belohnung,
Auf mein Grab ein Veilchen streut.

*

Fischerlied.

Das Fischergewerbe
Gibt rüstigen Muth!
Wir haben zum Erbe
Die Güter der Fluth.
Wir graben nicht Schätze,
Wir pflügen kein Feld;
Wir ernten im Netze,
Wir angeln uns Geld.

Wir heben die Reusen
Den Schilfbach entlang,
Und ruhn bei den Schleusen,
Zu sondern den Fang.
Goldweiden beschatten
Das moosige Dach;
Wir schlummern auf Matten
Im kühlen Gemach.

Mit rothen Korallen
Prangt Spiegel und Wand.
Den Estrich der Hallen
Deckt silberner Sand.
Das Gärtchen daneben
Grünt ländlich umzäunt
Von kreuzenden Stäben
Mit Baste vereint.

Im Antlitz der Buben
Lacht muthiger Sinn,
Sie meiden die Stuben
Bei Tagesbeginn;
Sie tauchen und schwimmen
Im eisigen See,
Und barfuß erklimmen
Sie Klippen voll Schnee.

Die Töchter ergötzen
Sich Abends bei Licht,
Wenn Alles an Netzen
Und Maschenwerk flicht.
Oft wird mit Gelächter
Durchmustert das Dorf;
Die Mutter, als Wächter,
Schürt nickend den Torf.

Oft rudern wir ferne
Im wiegenden Kahn,
Dann blinken die Sterne
So freundlich uns an;
Der Mond aus den Höhen,
Der Mond aus dem Bach,
So schnell wir entflohen,
Sie gleiten uns nach.

Wir trotzen dem Wetter,
Das finster uns droht,
Wenn schöpfende Breter
Kaum hemmen den Tod.
Wir trotzen auch Wogen
Auf krachendem Schiff,
In Tiefen gezogen,
Geschleudert an's Riff!

Der Herr, der in Stürmen
Der Mitternacht blitzt,
Vermag uns zu schirmen,
Und kennt, was uns nützt.
Gleich unter dem Flügel
Des Ewigen ruht
Der Rasengruft Hügel,
Das Grab in der Fluth.

*

Das Mitleid.

Wie zu Hyllius Altären. Hyllius, ein Sohn des Herkules und der Dejanire, erbaute in Athen den Tempel der Barmherzigkeit. – Prognens federlose Brut. Progne ist der mythologische Name der Schwalbe, – Sanft wie thauige Hyaden. Die Hyaden waren sieben Töchter des Atlas, die vom Jupiter unter die Steine versetzt wurden. Ihr Aufgang deutete gewöhnlich Regen an.
Anmerkung des Dichters.

Pity dropping soft the sadly-pleasing tear.
Gray.

Mitleid! Heil dir, du Geweihte!
Weiches Herzens, milder Hand
Wallst du an des Dulders Seite
Durch der Prüfung rauhes Land;
Thaust, wie Balsam, milde Zähren,
Hebest das zerknickte Rohr.
Wie zu Hyllius Altären,
Blickt die Noth zu dir empor.

Deine Hülfe stillt ihr Flehen;
Dein Erbarmen eilt zur That.
Wünsche brennst du auszuspähen,
Spendest, wenn der Mangel bat:
Spendest Brüdern, welche darben,
Deines Tagewerks Gewinn;
Bindest loser deine Garben
Vor der Aehrenleserin.

In verarmter Wittwen Krüge
Schüttest du der Stärkung Wein,
Prägst des Lächelns heitre Züge
Abgehärmten Wangen ein,
Hebst erlegner Wandrer Bürde
Auf dem tiefbeschneiten Damm,
Und verpflegst in sichrer Hürde
Deines Nachbars irres Lamm.

Sorglich streust du vor die Scheuer
Vögeln Korn im Winter aus;
Nöthigst zu des Herdes Feuer
Pilger in dein wirthlich Haus;
Herbergst an des Strohdachs Balken
Prognens federlose Brut!
Schirmest Täubchen vor des Falken,
Küchlein vor des Geiers Wuth.

Du entführst die junge Waise
Ihrer Mutter Rasengruft;
Jeden Seufzer, noch so leise,
Raubt dein Ohr der Abendluft;
Sanft, wie thauige Hyaden,
Blickst du auf das Findelkind,
Reichst ihm Ariadnens Faden
Durch des Lebens Labyrinth.

Du erwärmst in sanfter Rührung
Auch der Selbstsucht starres Eis,
Warnst vor lockender Verführung
Blüthenüberstreutem Gleis';
Neigest dich mit leisem Trösten
An der Schwermuth dumpfes Ohr;
Hebst entfesselt den Erlösten
Von des Kerkers Stroh empor.

Herzen, die der Harm zerrissen,
Hegst du mit besorgter Treu;
Rückest der Geduld das Kissen
Auf des Schmerzenlagers Streu;
Schonst des Schlummers, nahst auf Socken;
Kühlst mit deinem Palmenreis;
Trocknest mit ergoßnen Locken
Banger Todeskämpfe Schweiß.

Bleib' bei uns, bis einst die Hefe
In dem Thränenkelch versiegt;
Kränze bleicher Trübsal Schläfe,
Die an deinen Schooß sich schmiegt;
Herze sie mit Ammenarmen,
Sei umstürmter Pflänzchen Stab,
Die das ewige Erbarmen
Dir zur Pflege übergab.

*

An ein Thal.

Wie dort Petrarch im felsumragten Thal. Franz Petrarcha, geboren zu Arezzo 1304, war Staatsmann, Dichter und einer der ersten Wiederhersteller der Literatur in Europa. Sein Lieblingsaufenthalt war das Thal von Vauclüse, unweit Avignon. Er bewohnte ein kleines Haus, nicht weit von der Quelle der Sorgue, das, den Nachforschungen des Abbé de Sade zufolge, auf der nämlichen Stelle stand, wo jetzt die Papiermühle ist. – Wie Xenophon im ländlichen Scillonte. Xenophon. ein Athener, berühmt als Feldherr, Geschichtschreiber und Weltweiser, lebte ungefähr 400 Jahre vor Christi Geburt. Verbannt aus seinem Vaterlande, weihte er, zu Scillonte im Peloponnes, nicht ferne von Olympia, die letzten Jahre seines ruhm- und thatenvollen Lebens den Wissenschaften, dem Landbau und der Jagd.
Anmerkung des Dichters.

Nè giammai vidi valle aver si spessi
Luoghi da sospirar riposti e fidi.
Petrarca.

Entlegnes Thal, von Fichtenhöhn begrenzt,
Mit Erlenreihn umheget, flache Matten!
O Bach, auf dem ein güldnes Schlaglicht glänzt!
O Meierhof, in dunkeln Wallnußschatten!

Der Freudenruf entzückter Wandrer grüßt
Dich, holdes Thal, vom Gipfel ferner Hügel;
Betrachtung sinnt, wo sich dein Quell ergießt;
In deinem Hain saus't der Begeist'rung Flügel.

Nimm, trauter Hain, nimm, Schattengang, mich auf!
In deiner Nacht entschlummern alle Sorgen!
Beschränkt, wie du, ist auch mein Erdenlauf!
Dein Ausgang mir, so wie sein Schluß, verborgen.

Hier ruht der Ehrsucht Schiff am treuen Strand;
Genügsamkeit band es an Blumenküsten.
Der Vorwitz legt sein Fernrohr aus der Hand;
Besorgniß späht nicht nach der Zukunft Wüsten.

Die Bosheit sprüht hier nicht ihr Nattergift
Auf unbesorgter Unschuld Rosenkronen:
Gerechte Gleichheit theilt des Landmanns Trist,
Und Freiheit herrscht, wo gute Menschen wohnen.

Das Hohngezisch des Witzlers mengt sich nicht
In dieser Espen friedesäuselnd Wehen:
Kein Lästerkreis hält hier sein Strafgericht;
Kein Neider lau'rt, Gebrechen auszuspähen.

Die Muse wallt auf zartbehalmtem Plan:
Sie folgt dem Bach, der jene Flächen theilet.
Und, gern verirrt auf sanfgewundner Bahn,
So lang er kann, auf diesem Tempe weilet.

Aus jener Dorfkapell', in Laub verhüllt,
Klang nie das Sturmgeläut' in Schreckensnächten,
Wenn Aufruhr tobt, der tausendstimmig brüllt,
Mit Brand und Dolch in hochgeschwungner Rechten.

Den Wiederhall der Eppichklüfte schreckt
Kein Schlachtgeschoß; statt rauher Kriegstrommeten
Hallt hier das Horn, das früh die Hirtin weckt,
Der Tag erlischt beim Ton der Weidenflöten.

Hier muht die Kuh auf gelbbeblümter Au,
Dort klingen hell der Ziegenherde Schellen,
Das Käuzlein schnaubt im alten Ritterbau,
Und Bienen sumsen an des Gießbachs Fällen.

Dort flüstern Silberpappeln sanft umweht,
Die, grün und weiß, die Blätter wechselnd regen
Das Mühlenrad, das träg die Schaufeln dreht,
Klagt langsam fort mit gleich gemessnen Schlägen.

Im Dickicht schallt der Drossel Waldgesang,
Das Heupferd zirpt auf frischgemähter Weite;
Am Hügel klirrt gewetzter Sensen Klang,
Und fern verhallt das dumpfe Stadtgeläute.

O selig, wer, nach freier Herzenswahl,
In diesen Grund sich heimisch siedeln konnte,
Wie dort Petrarch im felsumragten Thal,
Wie Xenophon im ländlichen Scillonte!

Wer lang bereut, daß er es einst versucht,
Sich in das Gleis des Weltlings zu gewöhnen.
Der eil', entflohn dem Sturm, in dieser Bucht
Der Meinung nicht, nur der Natur zu fröhnen.

Hier darf ein Herz, das man schon oft verrieth,
Noch eine Welt sich träumen, frei vom Bösen;
Die Liebe, die des Schicksals Härte schied,
Sucht hier den Gram in Thränen aufzulösen.

O du, die mich mit Seraphshuld umschwebt,
Entfernte! hier belebt sich mein Vertrauen;
Die Zukunft glänzt von Hoffnungsgold durchwebt,
Hier dürfen wir ein Zufluchtshüttchen bauen.

Die Liebe braucht ein Feld und einen Pflug;
Ein Halmendach, das sie getreu verberge;
Ein Räumchen, zur Umarmung weit genug,
Und einen Platz für zwei vereinte Särge.

O ruht' ich hier, an häuslich stillem Ziel,
Nicht mehr verlockt von nichtigen Entwürfen!
O möchte nie das öde Weltgewühl
In seine trüben Strudel mich verschlürfen!

Fern, wie das Meer, ein Hirt in Ennas Thal,
Hört' ich die Fluth der Zeitgeschichte tosen;
Nur edler Freiheitshelden Rasenmahl
Krönt' ich mit Eichenlaub und Silberrosen:

Undingbar, keines Fürsten Waffenknecht,
Zu edelstolz, um Rang und Sold zu werben,
Entsagt ich nie der bessern Menschheit Recht,
Für Völkerglück zu siegen und zu sterben.

Dort, wo, gelind, in lauer Luft gewiegt,
Die schlanken Pappeln sich zusammen lehnen,
Vergöss', an meine Urne hingeschmiegt,
Mein junges Weib der Treue stille Thränen.

*

An die edeln Unterdrückten.

Um jeder Mißdeutung und schiefen Anwendung dieses Gedichts, so viel an mir liegt, vorzubeugen, erkläre ich hiemit, daß es keiner gelegentlichen Veranlassung, keiner Begebenheit unserer Tage seine Entstehung verdankt. – Ich hatte dabei die Menschheit und kein besonderes Volk, noch irgend eine unterlegene Partei im Auge. Es war ein freier Erguß meines Herzens, und eine Huldigung, den edeln, unschuldigen Unterdrückten aller Nationen und aller Zeitalter geweiht. – Daß unterdrückte Unterdrücker und ihre Werkzeuge nicht hieher gehören, wird sich von selbst verstehen.
Anmerkung des Dichters.

1794.

Getrost, ihr edeln Unterdrückten,
Wenn euch kein Stral der Hoffnung blinkt!
Der Tugend Opferkränze schmückten
Euch, eh' ihr am Altare sinkt.
Des Ruhmes Flitterkrone werde
Hier des beglückten Frevlers Preis,
Entkeimt aus eurer Gräber Erde,
Grünt spät erst euer Eichenreis.

Ihr, die, verpflanzt in arge Zeiten,
Mit der Gewalt zu kämpfen wagt,
Ihr sollt dem Lichte Bahn bereiten.
Und fühlt die Schauer, eh' es tagt;
Wenn ihr mit kräftigem Erkühnen
Euch dem Verfall entgegen stemmt;
Verklärt ihr glorreich die Ruinen,
Die keine Macht im Sturze hemmt.

Dann fühlt ihr zwar des Schicksals Schwere,
Wenn es der Lästrung Plan gelingt,
Daß euer letztes Gut, die Ehre,
Ihr Klapperschlangenhauch verschlingt;
Schaut ernst der Uebermacht Triumphe,
Wenn höhnend euch ihr Troß umzischt,
Wißt, daß ihr Irrlicht aus dem Sumpfe
Nur trüglich aufglänzt und verlischt!

Die Wahrheit harrt mit sichrer Wage
Im Wolkenzelt der Folgezeit,
Verweht die Spreu gedungner Sage
Und huldigt der Gerechtigkeit.
Vernunft folgt ewigen Gesetzen,
Die Pöbelswuth, die ein Tyrann
Ein Menschenalter durch verletzen,
Doch ewig nicht vertilgen kann.

Denkt, wenn im Kampf für Menschenrechte
Ihr des Erfolges Glanz entbehrt,
Daß durch des Mißgeschickes Nächte
Der Unschuld Haupt sich still verklärt.
Schaut fest nach euerm hohen Ziele,
Verschmäht die nahe Hinderniß,
Und stürzt, gedrängt vom Pflichtgefühle,
In des entflammten Abgrunds Riß,

Wenn, vom Verhängniß losgerissen,
Der Hoffnung letzte Trümmer stürzt,
Sollt ihr den Kelch zu kosten wissen,
Der jedes Erdenweh verkürzt.
Das Recht verbannt, verschmäht, erwürget,
Erlegen im gerechten Streit,
Fleht um Vergeltung und verbürget
Den Geistern die Unsterblichkeit!

Dem Staub' entflohn, wirkt eure Seele
Begeisternd auf der Edeln Bund;
Verwandelt erst, thut Philomele
Die Unthat ihres Drängers kund!
Ihr Märtyrer für Menschenwürde,
Vertraut der Wahrheit und der Zeit:
Vergänglich ist des Druckes Bürde,
Doch ewig die Gerechtigkeit.

*

Die Herbstnacht.

Der Mond, umwallt von Wolken, schwimmt
     Im feuchten Blau der Luft;
Der Forstteich, matt versilbert, glimmt
     Durch zarten Nebelduft;
Die Gluth, vom Hirtenkreis' umwacht,
Verschwärzt, entflackernd, rings die Nacht;
     Eintönig rollt vom Brunnenrohr
Der Wasserstrang, der sich verschlürft
Und zarte graue Schatten wirft
     Schräghin das Kirchhofthor.

Das Netz der Zuggewölke schwillt
     Zum Zelt des Blitzes auf;
Der Mond, in Wettergraun gehüllt.
     Verschied nach halbem Lauf.
Des Irrlichts bläulich siecher Schein
Erlischt im Torf am Tannenhain.
     Des Zeigers Goldblatt blinket matt,
Umflort von feuchtem Nebelrauch,
Und ängstlich zückt im Erlenstrauch
     Sein letztes dürres Blatt.

Hier, wo aus langer Nacht empor
     Sich die Betrachtung reißt,
Bedrückt das Herz ein Schwermuthsflor,
     Doch Frühroth hellt den Geist.
Des Schicksals Wolken fliehn zerstreut;
Aus Dunkel stralt die Herrlichkeit
     Der Unschuld Rose blüht bewährt.
Durch Stürme nicht des Dufts beraubt,
Da, durch die Nacht, der Tugend Haupt
     Nur hehrer sich verklärt.

Durch Seelenkraft und festen Muth
     Wird Wahn und Schmerz besiegt,
Der weise Glaube fühlt als gut,
     Was Allmacht liebend fügt.
Ein Kind im Mutterschooße ruht
So achtlos bei der Blitze Glut.
     Auf Pfade der Gelassenheit
Glänzt Hoffnung im Gewitterlicht;
Und in des Todes Blick verflicht
     Den Stral – Unsterblichkeit!

*

Morgenpsalm

Der Erdkreis feiert noch im Dämmerschein;
Still, wie die Lamp' in Tempelhallen, hängt
Der Morgenstern; es dampft vom Buchenhain,
Der, Kuppeln gleich, empor die Wipfel drängt.
Sieh', naher Felsen düstrer Zinn' entglüht,
Der Rose gleich, die über Trümmern blüht.

Wem dampft das Opfer der bethauten Flur?
Ihr Duft, der hoch in Silbernebeln dringt,
Ist Weihrauch, den die ländliche Natur
Dem Herrn auf niedern Rasenstufen bringt.
Die Himmel sind ein Hochaltar des Herrn,
Ein Opferfunken nur der Morgenstern.

Im Morgenroth, das naher Gletscher Reih'n
Und ferner Meere Grenzkreis glorreich hellt,
Verdämmert seines Thrones Widerschein,
Der mild auf Menschen, hell auf Gräber fällt.
Er leuchtet Huld auf redliches Vertrau'n
Und Licht der Ewigkeit durch Todesgraun.

Noch wandeln wir, wo kaum der Aufgang tagt,
Im ersten Frühschein der Unsterblichkeit.
Der Tag, wo Unschuld nimmer irrt, noch klagt,
Glänzt hinter Gräbern auf, und ist nicht weit.
Des Wahnes Dunst, des Todes Nacht zerfleußt,
O Allmacht, dir, die mir Erlöser heißt!

*

Der Gottesacker im Vorfrühling.

Blätter treibt des Kirchhofs Flieder,
Neigt auf Grüfte junges Laub;
Kirschenblüthe gaukelt nieder
Auf der Abgeschieden Staub.
Bleicher Primeln Keime lüpfen
Sanft das Moos, das sie umgab;
Und des Dorfes Kinder hüpfen
Achtlos auf der Mütter Grab.

Junges Sinngrün drängt sich dichter
An des Jünglings flachen Stein,
Oeffnet blauer Blumen Trichter,
Saugt zerfloßnen Reifen ein.
Schlaff gedrückte Halme richten
Sich vom Winterschlaf empor,
Und in naher Waldung Fichten
Flötet laut ein Drosselchor.

Drosseln, singt in leisen Chören!
Amsel, flöt' im Trauerhain!
Nur wir Hinterbliebnen hören
Eure Frühlingsmelodei'n.
Ach! ihr mahnt an die Genossen,
Die ein früher Tod verklärt;
An die Lenze, die verflossen,
An die Zeit, die nimmer kehrt!

Flötet nur gelaßne Klage,
Hemmt der Trauertöne Lauf;
Denn sie nahm von dunkler Tage
Letzter Stuf' ihr Engel auf.
Kies und dunkle Schollen warfen
Wir auf den versenkten Sarg,
Als, begrüßt von Himmelsharfen,
Sich ihr Geist in Licht uns barg

In des Geisterreiches Stille
Tobt kein Sturm der Leidenschaft,
Und des Guten reiner Wille
Lohnt sich durch erhöh'te Kraft,
Seelen, fremd im öden Thale
Der umschränkten Wirklichkeit,
Fanden froh die Ideale
Seliger Vollkommenheit.

Ihre Schwächen sind vergessen,
Groll und Zwietracht sind versöhnt,
Wo die Reue mit Zypressen
Der Gekränkten Stätte krönt.
Aus des niedern Neides Schranke
Zu des Friedens Höh' entrückt,
Ritzt sie nie der Bosheit Ranke.
Die des Edeln Pfad umstrickt.

Kühler Rasen überschleiert
Sorgsam der Verwesung Spur;
Auf des Moders Halle feiert
Frühlingsfeste die Natur;
Und die Thräne der Empfindung,
Wenn ihr Grabgeläut' verklingt,
Schmückt die Kette der Verbindung,
Die ins Geisterreich sich schlingt.

Auf den Gräbern unsrer Väter
Sprießt des Erdrauchs Purpurstrauß,
Ein entwölkter lautrer Aether
Ueberwölbt ihr enges Haus;
Auf vermorschter Särge Reste.
Auf zerbröckeltes Gebein,
Wallt durch weiße Blüthenäste
Goldner Frühlingsmorgenschein.

Selbst wo rasenlos und mürbe
Sich ein neuer Hügel hebt,
Wo man den, der heute stürbe,
An die Reihe hin begräbt,
Wird der Grund sich bald behalmen;
Wo jetzt Wermuthstengel stehn,
Hebt die Hoffnung Siegespalmen
Für das große Wiedersehn.

Drückt euch dicht, ihr Epheuzweige,
An der Dulder stilles Grab!
Schlaffe Trauerweide, neige
Dein Gelocke tief herab!
Flattert drüber Hängebirken,
Dämpft den Tag umher durch Laub,
Und, Natur, mit leisem Wirken
Wandl' in Blumen ihren Staub!

*

Auf einen Pasquillanten.

Die nachfolgenden Gedichte stehen nicht in der Sammlung.

Paßte auch auf manchen Recensenten.

Des frechen Schmierers Feder hält
Kein Drohen, keine Furcht im Zügel.
Muth ist es nicht. Statt Hungers sterben wählt
Er lieber sich den Prügel.

*

Der Garten des Lebens.

Der Garten des Lebens
Ist lieblich und schön!
Es keimen und sprossen,
Auf lachenden Höh'n,
In Tagen des Lenzes
Der Blüthen so viel!
Da treiben die Weste
Manch fröhliches Spiel!

Ihr Spiel in den Wellen
Des Grases ist schön!
O! sieh! wie die Blumen
Im Winde sich dreh'n!
Sie biegen die Wipfel,
Die Kelche so blau,
Und schütteln vom Wipfel,
Vom Kelche den Thau.

Und Quellen der Freude,
So lieblich und hehr,
Durchwässern den Garten
Und rieseln einher.
Sie tanzen in Bächen
Durch Blüthen dahin,
Durch Blüthen des Maies
Und murmeln und flieh'n.

Doch währt es nicht ewig,
Der Frühling entflicht.
Die Blumen sind all', eh
Wir wähnten, verblüht,
Das duftende Veilchen
Es duftet nicht lang;
Und welkt es, dann wird's mir
Im Busen so bang!

Noch blühet der Garten,
Noch säuselt der Wind
In Zweigen und Blüthen,
So kühlend, so lind!
Und führet in Kreisen
Den Maiduft umher!
Noch blühet der Garten
So lieblich und hehr!

Doch weh! wenn der Herbstwind
In Zweigen sich regt,
Die Bäumchen entblättert,
Die Blüthen zerschlägt!
Wenn sinken im Winde
Die Blumen hinab!
Wohl ist dann der Garten
Des Lebens ein Grab. –

Und, weh wenn der Frühling
Des Lebens verfliegt!
Die Quelle der Freuden
Im Alter versiegt!
Wenn dabei der Wonne
Das Alter! – o Freund!
Unfreundlich und düster
Das Alter mir scheint.

Wir wallen den Garten
Hinab und hinan;
Noch rinnt uns die Quelle
Die gestern uns rann.
Weg Sorgen und Bangen,
Das Unkraut, forthin!
So lange die Blumen
Des Lenzes uns blüh'n!

Und fallen sie unter
Des Wallenden Tritt,
Die duftenden Blumen,
So fallen wir mit.
Die Erde, der ehmals
Das Veilchen entsproß,
Die öffnet auch uns dann
Den kühligen Schooß.

*

An mein Herz.

Herz, mein Herz! was will das geben?
Warst ja sonst so still und froh!
Warst in deinem ganzen Leben,
Armes Herz, ja niemals so!

So wie jetzt voll banger Sorgen,
So wie jetzt voll Gram und Schmerz!
Wie der schöne Maienmorgen
Warst du heiter, liebes Herz!

Diesen Frieden zu bewahren
Mahnte Alles dich. Sag an,
Sag, was ist dir widerfahren?
Hat dir wer was angethan?

Ja, so ist's! Dieß bange Sehnen
Deutet auf verlorne Ruh.
Armes Herz, wie kannst du wähnen,
Niemand merke das, als du?

Ha! wer kennte wohl die Liebe
Nicht am dämmernden Gesicht,
An den Augen, matt und trübe,
Und der Wangen Blässe nicht?

Auch ich kenne dieses Schmachten,
Dieses Bangen nach Genuß;
Dieses Streben, dieses Trachten
Nach dem ersten Flammenkuß.

Ach, ich kenne dieses Feuer,
Ob du noch so heimlich bist;
Weiß, daß Klärchen ewig theuer,
Theurer dir, als alles ist.

Seit sie's ist, entfloh die Freude.
Voll Gedanken wälz' ich mich
Nachts auf meinem Lager, leide,
Fürcht' und hoff' und härme mich.

Armes Herz! wie nun genesen.
Von der Qual, die dich zerpreßt?
Armes Herz! du wirst verwesen,
Eh der Zauber dich verläßt.

*

Bergreiselied.

Auf, muthig! die Höh' ist erstiegen!
Ihr Freunde, wo bleibt ihr zurück?
Wie herrlich die Thäler dort liegen!
Tief unten verliert sich mein Blick.
Ich athme die süßesten Düfte,
Schon wallet viel leichter mein Blut;
Schon trink ich ätherische Lüfte,
Und jauchze und schwinge den Hut!

Dort setzen die Hirten zum Mahle
Auf mosige Steine uns hin
Voll lieblicher Milch eine Schale,
Ein Körbchen mit Früchten darin.
Kommt laßt uns zusammen jetzt leeren
Den schäumenden, vollen Pokal,
Und schallen der Freiheit zu Ehren,
Gesänge hinab in das Thal.

Hier sprudeln aus Felsen die Quellen
Hinunter zum bläulichen See,
Dort weiden beim Klange der Schellen
Die Rinder im blumigen Klee.
Ich seh' auf die schroffeste Spitze
Die schüchterne Gemse entflieh'n;
Tief unter mir zucken die Blitze
Und schweben die Wolken dahin.

Wenn Sterne am Himmel schon flimmern,
Und Dämmerung sinket in's Thal,
Und rosig die Gletscher noch schimmern
Im letzten ersterbenden Strahl:
Dann wallen wir fröhlich und munter,
Mit Reisern von Tannen geschmückt,
In's stillere Dörfchen hinunter,
Wo süßere Ruh' uns erquickt.

*

Fontana.

Preisend soll den Helden mein Gesang erheben!
Vaterland, weih' ihm dein Dankgefühl:
Sieh, er weihte dir sein edles Leben,
Stand für dich im wilden Schlachtgewühl.

So steh'n deine Berge fest in Ungewittern,
Wie Fontana dort im Treffen stand;
Deinen Helden konnte nichts erschüttern,
Niemals bebt' ihm weder Herz noch Hand.

Immer tiefer stürzt' er sich in's Kampfgetümmel,
Schritt entgegen heiter der Gefahr,
Opfert' sich – ihn stärkte Gott vom Himmel –
Auf der Freiheit heiligem Altar.

Blutig, schwer verwundt, begann er nun zu sinken,
Und noch klirrten Schwerter um ihn her:
Seine Wunde deckt er mit der Linken,
Mit der Rechten hält er noch den Speer.

»Zagt nicht um eines Mannes Fall ihr Brüder!«
Rief er, »gilt es doch das Vaterland!«
Winkelried sah segnend auf ihn nieder,
Als er's sprach, die Palme in der Hand.

Jetzt da schon sein Geist, frei von des Lebens Mühen,
Strahlend zu der Gottheit Thron entfliegt,
Sieht er noch das Heer der Feinde fliehen,
Sieht es, wie sein kleiner Haufe siegt.

Rinnen wird ihm der Verwundrung stille Thräne,
Wann voll Ehrfurcht ihn die Nachwelt nennt;
Ach! zur Schande jedem seiner Söhne,
Der jetzt kaum den großen Namen kennt.

Heilig ist der Ort, der einst dein Blut getrunken,
Heilig uns dein Grab, du edler Mann,
Ist gleich längst dein Hügel eingesunken,
Zeigt ihn selbst kein Stein dem Wandrer an.

*

Lavater und seine Schweizerlieder.

Roh klingt nur dem verwöhnten Ohr
     Des Schweizerliedes Ton. –
Du Weichling! sing Tyrannen vor,
     Und Knechtschaft sei dein Lohn!

Ersing durch feile Schmeichelei
     Dir Stern und Ordensband. –
Sei Sklave du – wir bleiben frei,
     Getreu dem Vaterland.

Hohn fingen kühn wir dem Tyrann,
     Fluch jedem Freiheitsfeind,
Und Segen jedem Biedermann,
     Und jedem Menschenfreund.

Dir edle Freiheit, Eintracht dir,
     Erschalle der Gesang;
Das Lob der Väter singen wir
     Bei voller Becher Klang.

Der Jüngling hört's – kann nicht mehr ruh'n,
     Ihm glüht die Stirn, er schwört
Bei ihrer Asche: »Thaten thun
     Will ich, die ihrer werth!«

Und der Gedanke gibt ihm Muth,
     Macht seine Seele groß; –
»Noch fließt in meinen Adern Blut,
     Das einst für Freiheit floß.«

Heil sei dem Mann, der Freiheit ehrt
     Durch Thaten und Gedicht,
Er ist der edlen Freiheit werth,
     Ihn lohnt kein König nicht.

Hoch in der Freiheit Tempel glänzt
     Des Sängers Name, hoch,
Sein Haupt mit Eichenlaub bekränzt,
     Ehrt ihn die Nachwelt hoch.

*

Blumen an Wege.

1. Der Jüngling an der Quelle.

Leise rieselnder Quell, ihr wallenden, flispernden Pappeln,
Euer Schlummergeräusch wecket die Liebe nur auf.
Linderung sucht' ich bei euch, und sie zu vergessen die Spröde;
Ach! und Blätter und Bach seufzen: Elisa! mir zu.

2. An Friedrich den Einzigen. l784.

Kühner Adler der Brennen, du trägst die Blitze Kronions;
Lichthell, wie sie, ist dein Blick, treffend dein Donner, wie sie.

3. Bei der Statue die Nimfe mit der Muschel.

Lächelnd entstieg die Nimfe dem Wasser, und trocknete schüchtern
Sich am Muschelgestad. Neidend der Göttlichen Reiz,
Schuf sie Cythere zum Steine. Noch bläht sich die schneeichte Weiche
Ihres Busens; der Haut Weiße durchschimmert den Flor;
Feuchte Falten umschmiegen noch, dehnend, die rundlichen Hüften,
Und das Marmorgewand klebet am marmornen Leib.

4. Auf das Denkmal, welches der Abt Raynal den drei Stiftern des schweizerischen Bundes
errichten ließ.

Als am helvetischen See, den Zeugen des heiligen Eidschwurs,
Auf des Franzosen Geheiß, sich ein Denkmal erhub,
Zürneten Stauffach und Fürst: »Was soll das eitle Gepränge?
Jedes Schweizers Brust ist uns ein Maal und Altar.«

5. Am Wasser.

Im durchsichtigen Wasser erscheinen die Kräuter und Kiesel
Seines Bettes so hell; fest ist und sicher sein Grund.
Jener schleichende Fluß verbirgt dem Forscher den Boden;
Badender, nimm dich in Acht! unten im Tiefen ist Schlamm.

6. Die Rose.

Weiß war die Rose zuerst. Die Mädchen und Jünglinge priesen
Ihren reinen Glanz, ihren unschuldigen Schmuck.
Schnell umfloß sie die steigende Röthe bescheidenes Schämens,
Und sie glühet zeither reizender noch, als zuvor.

7. Der Strauß.

Silberglocken des Mai's, ihr röthlich bekelchten Narzissen,
Hiazinthen voll Ruchs, farbiger, duftender Strauß,
Sage mir, blähst du dich so an ihrem wallenden Busen,
Weil du zu schmücken sie wähnst? oder weil sie dich verschönt?

8. Tells Bogen.

Ich bin der Bogen Tells, des sicher treffenden Schützens,
Väter, nur säuselndes Flugs raubt' ich den Apfel des Sohns,
Straffer spannt' ich die Sehne, wie Blitze Gottes, ihr Freien!
Schnellt' ich den rächenden Pfeil tief dem Tyrannen in's Herz.

9. Grabschrift eines Mädchens.

Blühet, ihr Gänseblümchen, du, niedriger Thimian, dufte,
Wachse, Lavendelstrauch, auf der Vollendeten Grab!
Tränken wird euch der Thau, und Lüfte werden euch fächeln,
Viele Seufzer umweh'n, Thränen, ach! thauen auf euch.

10. Bei einem Springbrunnen.

Spritze nur stolz empor aus deinen bleiernen Röhren;
Um so viel höher du steigst, platzest du tiefer herab.

11. An Amor.

Wirf sie weg, o Amor, die Pfeile, den goldenen Bogen,
Und die Fackel, die sonst Herzen entzündet und schmelzt!
Sieh, ihr Aug' ist voll Feuer, die wölkenden Braunen sind Bogen,
Und ihr schimmernder Blick sprühet der Pfeile genug.

12. Die Eiche des Bundes der Rhäzier.

Eiche des Bundes der Freiheit, dich splittern nicht zündende Blitze,
Und kein schneidendes Beil droht dir Verheerung und Fall;
Aber wer schützet die Wurzel vor heimlich verderbender Fäulniß?
Ach! das gefährlichste Gift ist das im Inneren schleicht.

*

An die Unschuld.

O Unschuld! Unschuld! himmlische Grazie,
Die du mit Engeln ruhest, wo Palmen weh'n,
Oft auch durch niedre Weidenthale
Jugendlich blühende Mägdlein leitest!

Geweihte Jungfrau, weiß ist dein Lichtgewand;
Der Demuth Schleier fleußt um dein hehres Haupt;
Des keuschen Busens Hüll' ist heilig,
Heilig dein Gürtel, den keiner löste!

Du liebst das traute, waldungumfangne Dorf,
Verweilst gefällig neben dem Haselstrauch,
Wo Kinder spielen, oder tanzest
Flüchtige Runden mit Schäfermädchen.

Ihr blaues Auge kläret dein Mondenlicht;
Mit Lebensröthe färbst du das Blüthenblatt
Der weißen Wange; halbentschlossne
Lippen entknospet dein weiches Lächeln.

Doch zart sind deine Blüthen, der Himmelsluft
Gewöhnt; hienieden welken sie bald, ach bald!
Sie sengen glühe Leidenschaften,
Sehnsucht entpflückt sie oft unbedachtsam.

Nur reine Seelen weilen im Heiligthum,
Wo du der Lohe wartest, als Priesterin.
Der Liebe Lohe flammt nur lauter,
Wann sie dein festlicher Weihrauch nähret.

Mit ernster Würde zürnest du Lüstlingen;
Doch edle Liebe, Freundliche! segnest du,
Wann überströmt mit heißem Schauer,
Deinem Altare Verlobte nahen.

O Unschuld! Unschuld! bin ich des Segens werth?
Noch nie berührt' ich frevelnd, was du geweiht.
Mit deiner Zöglingstöchter einer
Muß ich einst knieen am Traualtare!

Bleib' unsers Hauses schützender Genius,
Daß Eintracht walt' am traulichen Blumenherd,
In unsrer Halle heitrer Friede,
Züchtige Treu' am geheimen Lager!

Mit Ruhelächeln wandeln wir still hinab
Des Lebens Steige, bis einst der Pfad vor uns
Versinkt, dann heb' uns sanft umflügelnd,
Beide zugleich zu des Himmels Palmen!

*

Betrachtungen.

Schnell vorüber ziehn des Schicksals Scenen
Schnell, wie Schattenbilder an der Wand.
Alles Sinnliche hat nicht Bestand,
Stillet nie der Seele tiefes Sehnen,
Und die Zeit entreißt der Jugend Hand
Jede Blume früher, als wir wähnen.

Leidenschaften, trügerische Feten!
Führen uns in eine Zauberwelt.
Wer getäuscht, für wahres Gold sie hält,
Kann sich ihrer blanken Flittern freuen,
Aber, wenn das Luftgebäu zerfällt,
Sieht man weitgedehnte Wüsteneien.

Nur die Hoffnung malt uns die Gefilde
Ferner Zukunft grün und blumig vor;
Durch den vorgesunknen grünen Flor
Schimmert das Vergangne sanft und milde;
Ach! man liebt noch so, was man verlor,
Seufzt ihm nach und strebt nach seinem Bilde.

Was noch glänzt in der Erwartung Strale.
Trübet naher Hauch der Gegenwart.
Jede Lust ist bittersüßer Art;
Ueberdruß folgt ihrem Schwelgermahle.
Für ein andres bess'res Leben spart
Der Genuß die ungemischte Schale.

Aus der Täuschung Lande wegzugehen,
Fiele drum dem Pilger gar nicht schwer,
Hofft er gleich auf keine Wiederkehr;
Mögen Winde seinen Staub verwehen,
Hier von ihm bald keine Spuren mehr,
Als im Herzen seines Freunds, bestehen.

Doch der rosenfarbne Schein der Liebe
Hellt zuweilen dieses Lebens Nacht;
Biedrer Freundschaft treue Fackel macht
Licht die Bahn; ist gleich die Aussicht trübe,
Und Natur! Natur! o! ihre Pracht
Ist schon werth, daß man noch gerne bliebe.

Bleiben will ich, bleiben, zu beschauen,
Zu bewundern meines Gottes Welt;
Wann ein Safranglanz dem Ost entquellt,
Wann die Abendlüfte Kühlung thauen,
Wann der Mond die stillen Nächte hellt
Und die Sterne flimmern in dem Blauen.

Will mich freuen, dulden und erwarten,
Hohen Muthes wandern bis zum Ziel,
Schon hienieden ist des Guten viel,
Die Erd' ist unsers Vaters Garten!
Dort wird unsrer Sinne Schattenspiel
Sich in Licht und Wirklichkeit umarten.

*

Abschied an David Heß.

Freund! der bei des Busches Eichen
Lieber denkt, vom Mond erhellt,
Als sich zu den flitterreichen
Eiteln Höflingspuppen stellt;
Der das Bild geharn'schter, braver
Schweizerhelden höher hält,
Als der heutigen Bataver
Panzer-Helden auf dem Geld.

Stunden, deiner würdig, warten
Dein auf Zürichs heitrer Flur;
Ihre Auen sind ein Garten
Für den Liebling der Natur.
Und das bist du! – Hochgefühle
Gab sie dir, und Dichtungskraft;
Lehrte dich beim Saitenspiele
Töne sanfter Leidenschaft.

Aber, sieh! Begeistrung waltet,
Malt mir neue Bilder vor.
Sieh! Ein Mädchen, schlank gestaltet,
Schimmert durch des Schleiers Flor,
Eilet sanft mit holder Scheue,
Auf den besten Jüngling zu,
Lohnt ihm Tugenden durch Treue,
Und der Jüngling – Freund! bist du.

O! was wirst du dann empfinden,
Tönt bei Nacht, im Schattengang,
In den hohen Limmat-Linden
Einer Nachtigall Gesang.
Liebe, die den Winter-Wiesen
Und der Haide Blumen leiht,
Leiht auf Erden Paradiesen
Schon des Himmels Seligkeit.

Wonne wird dein Herz erheben,
Wandelst du im Erlenthal,
Oder bei des Hügels Reben
In der Sonne Scheidestrahl, –
Wann auf Schneegebirgen milder
Rosenfarbner Schimmer ruht;
Dunkler, purpurn, ihre Bilder
Strahlen in des Sees Fluth.

Wo des Nebels matter Flügel
Nicht auf flache Sümpfe sinkt,
Und am grünen Tannenhügel
Klarer Quellen Füll' entspringt;
Wo in deines Gartens Linden
Reine, heitre Lüfte weh'n,
Werd ich, Bester, einst dich finden:
Lebe wohl! – Auf Wiederseh'n!

*

An Salis.

Von Friedrich de la Motte Fouqué.

Für die Leser dieser schönen Dichtung fügt Gebauer Folgendes bei: Der edle I. G. von Salis schrieb mir über die Blumenstücke aus der Natur und dem Menschenleben (Mannheim, bei Schwan und Götz 1822), die ich ihm zugeschickt hatte, viel Erfreuliches. »Fahren Eie fort, sagt er am Schlusse des lieben Briefes, in diesem Geiste zu arbeiten; Ihr Grundton sei höhere Sehnsucht als nach demjenigen, was die sämmtlichen vergänglichen Blüthen gewähren. – Suchen Sie Ihre Ideale einzig nur im Höchsten, was die Menschheit kannte, Ihr Herz und Gewissen wird Ihnen sagen, welche Person dieses war, und seien Sie überzeugt, daß Ihre Werke, auch wo sie nicht mit Worten von diesem heiligen Ideale reden, dennoch den Geist athmen werden, der die besten Menschen anspricht.« – Dieß und Anderes theilte ich erfreut meinem verehrten Freunde Fouqué mit. Er antwortete: »Der Gruß und der Rath, welchen Galis Ihnen spendet, gilt für jeden das Ewige in Poesie suchenden Geist, und ich habe deßhalb gewagt, ihn auch mir anzueignen.« Dieß die Veranlassung zu dem hier gegebenen Liedesgruße.

Sänger, der mich früh erquickt, deß lyrische Blüthenwinde
Mich im erwachenden Lenz einst der krieg'rischen Bahn
Hold begleitet ins Feld, daß ich, noch damals ein Jüngling,
Bartlos, Knabe noch fast, dein anmuthiges Lied
Freudig genoß im Lager auf Beiwacht, oder nach Treffen,
Bis ferndonnernder Laut unter den Saiten verscholl,
Und manch sündige Lust fern blieb der kindlichen Seele,
Weil in harmonischem Band Salis gebunden mich hielt; –
Nun da mahnenden Spruch der Weisheit höheren Ursprungs
Du hinsandtest dem Freund, welcher zu mir ihn gesandt,
Leuchtet die Seele mir auf in all der süßen Erinn'rung
Lächelnder Jugend – auch du sangest ja damals ein Lied

Zu der Erinnerung Preis, der Gefährtin süßerer Wehmuth, –
Und mir strömet Gesang frisch aus lebendiger Brust.
Ob du mich kennest, ob liebst im Chor germanischer Sänger,
Ob mißdeutend von mir wendest vielleicht dich zurück, –
Weiß ich es? Wechselnd tönt, halb unvernommen, der Klang oft
Irdischer Harfen daher über dem irdischen Rund! –
Aber nicht forsch' ich erst! – Die Liebe göttlichen Schwunges
Fraget nach Rücksicht nie, oder nach Lob für das Lob,
Liebst du hienieden mich nicht, so wirst du dort oben mich lieben! –
Fliege die Taube denn hin, bringe dieß grünende Blatt! –

*

An Friedrich de la Motte Fouqué.

1.

Ich saß in meiner heimatlichen Laube,
Da sank aus Lichtgewölk ein Blatt herab.
Gleich zarten Blüthen auf ein einsam Grab.
Bracht es ein Adler oder eine Taube?

Ein Täubchen war es, rein vom Erdenstaube,
Das freundlich nahend mir die Kunde gab:
»Ein Blatt zum Kranz' an deinen Pilgerstab
Weiht dir ein Sänger, reich an Geist und Glaube.

Im Waffenfeld, als Heldenjüngling schon,
Traf einst dein Lied, nur dem Gemüth entquollen,
Entsprechend seiner Seele reinen Ton.

Wär' auch dein Laut im Wind der Zeit verschollen,
Du trugst aus edler Hand den Preis davon:
Mein Sender liebt den Glauben und dein Wollen.«

2.

Du reines Täubchen, kehre treu nun wieder,
Und überschwebe fernhin Land und Fluth!
Begrüße mir den Meister süßer Lieder,
So kindlich fromm, so geistigklar und gut!

Dort lasse dich auf seine Harfe nieder,
Die bei dem Schwert zu seiner Seite ruht!
Sag' ihm: es ehrt der Schweizer fest und bieder
Den Freiheitssinn vereint mit Rittermuth!

Zum Lorbeer, den die Muse dir gewunden
In reicher Dichtung goldnem Zauberglanz,
Fügt gern dein Freund den Alpenblumenkranz!

Doch, was dein Herz in höchster Weihe Stunden
Vom Heiligsten, dem Göttlichen empfunden,
Gewann dir, Edler! seine Seele ganz.

*

An J. G. von Wessenberg.

Sei unser Fenelon, so weise, mild und gut!
Wer sich im Meinungskampf der Wahrheit treu bewährte,
Wer sich durch hellen Geist und edle Thaten ehrte,
Hat blöden Unbill zu ertragen Kraft und Muth.

Ihm ward ein Name, der im Schutz der Nachwelt ruht.
Mißkenne seinen Werth, wer sich vom Lichte kehrte,
Es steigt, wenn Zugewölk im Westen sich verklärte,
Nur Heller Hesperus aus sturmbewegter Fluth.

O, leuchte ferner vor im Guten und im Schönen!
Lehr' Eif'rer Christussinn, und Priester duldsam sein;
Dring' mit der Wahrheit Licht bis zu den Fürsten-Söhnen,

Und weih' des Volkes Herz zur reinsten Liebe ein!
Dann laß uns öfter noch die fromme Laute tönen,
Der bessern Menschheit zum harmonischen Verein!

*

Gruß an Herrn J. G. von Salis. Von Jakob Schnerr.

Nehmt, ihr Wölkchen, meinen Gruß!
Führt ihn fort, ihr flücht'gen Winde,
Daß er an der Alpen Fuß,
Den geweihten Sänger finde;
Dem am heimisch eig'nen Herd
Ward sein schönster Wunsch genährt!

Seglet nur nach Süden fort!
Ueber Berg und Thal und Seen. –
Seht ihr in der Ferne dort
Ewig eisbedeckte Höhen,
Kommt ihr näher, haltet an;
Bald am Ziele seid ihr dann!

Schwebt nun leis' ob Berg und Thal,
Lauscht, wo zart die Lyra töne!
Späht, wo ächter Weisheit Strahl
Einen Lebensweg verschöne! –
Schaut dem Sänger in's Gesicht:
Das ist Salis, zweifelt nicht!

Kleidet euch in glänzend Weiß,
Sendet ihr den Gruß hernieder
Von dem Jünger, der mit Fleiß
Stets belauschte Seine Lieder!
Und bevor ihr weiter zieht,
Bittet um noch manches Lied!

Eins, ihr Wölkchen, Eines noch
Möcht' ich mir von euch erflehen:
Kehrt ihr wieder, sagt mir doch,
Ob ihr freundlich Ihn gesehen? –
»Ei, wie hoffst du solch ein Glück?
»Wolken kehren nie zurück.«

*

Erwiederung an Jakob Schnerr.

Wie Ossian aus Selma's Felsenhallen
Sah manches Wölkchen ich vorübergleiten;
Auch lichtere besuchten mich zu Zeiten,
Um flüchtig stumm im Blauen zu verwallen.

Doch tönte Wohllaut, wie von Harfensaiten,
Wie leises Echo ferner Nachtigallen,
Vernimmt der Greis mit heiterm Wohlgefallen
Den Freundesgruß, den ihm die Geister weihten.

Als zart verhüllt in Silberwölkchen-Schleier
Jüngst deine Muse freundlich mich besucht,
Erhob mein Herz sich freudiger und freier.

O hemme, rief ich, Wölkchen, deine Flucht;
In dieses Alpenthales öder Bucht
Ehrt deinen Sender man in stiller Feier.

*

An Pfeffel.

Schweigen, Pfeffel! kann ich jetzt nicht länger!
Mein Gefühl ergießt sich in Gesang.
Zwar noch schüchtern rührt der junge Sänger
Seine Harfe, bebend, leis' und bang.
Doch, wer liebt die Jünglinge wie du?
Du vergiebst, und lächelst Muth mir zu.

Unvergeßlich bleibt mir jene Stunde,
Da ich staunend dir zur Seite saß;
Trunken hing mein Aug an deinem Munde,
Und in deinen offnen Zügen las
Ich entzückt der reinsten Tugend Glück –
Ach, warum nicht auch in deinem Blick?

Murren will ich nicht, ich will nicht klagen,
Schmelzt gleich tiefe Wehmuth mein Gefühl;
Hoher Muth ward dir in trüben Tagen
Und wie herrlich schimmert dir das Ziel!
Himmelsfriede, Heiterkeit und Ruh
Strömet dir aus deinen Thaten zu.

Zwar die Erde scheint dir eine Höhle,
Voll von Nacht, durch die kein Schimmer bricht;
Aber ewig glänzt um deine Seele
Hell und hehr der heitern Weisheit Licht,
Und die Freuden, die du hier entbehrt,
Werden einst dir tausendfach gewährt.

Knaben, die du durch das Pilgerleben
Zu der Tugend Strahlenziel geführt,
Werden zu dir bringen, dich umgeben,
Aus der Palme, die den Steger ziert,
Einen Kranz dir winden, der dein Haupt
Ewig frisch und unverwelkt umlaubt.

Sieh! des Auferstandnen Aug' entsinket
Einst der dichte Schleier um ihn her:
Neue Erden sieht er blühen, trinket
Aus der neuen Sonne Strahlenmeer –
O! dann senkst du den gestärkten Blick
Neuverklärter! noch auf mich zurück.

Denk' ich diesem Wonnetag entgegen,
Jünglings-Vater, Sänger, edler Mann!
O dann klopft mein Herz mit lauten Schlägen,
Und die Zähre rinnet, wie sie rann,
Als ich stumm und bebend an dir hing
Und den letzten Abschiedskuß empfing.

*

Der Spaziergang. Eine Erzählung.

Es war im Mai, die Luft war rein;
Doch konnt' ich mich nicht freuen.
Ich nahm den Stab und ging allein,
Die Sorgen zu zerstreuen,
Auf einen Hügel, um zu seh'n
Die liebe Sonne untergehn.

Da schlingt ein schmaler Pfad sich hin
Durch Haselbüsch' und Schlehen!
Rechts Rebenberge, frisch und grün,
Links gold'ne Saaten stehen;
Auch trifft man manchen Nußbaum an,
An dessen Fuß man ruhen kann.

Ein Tannenwald mit süßem Duft
Empfängt dich, kömmst du weiter;
Durch grüne Zweige glänzt die Luft
So himmelblau und heiter!
Scheint sonst die Sonne heiß und schwül,
So ist's doch schattig hier und kühl.

Sieh da! vor dir das alte Schloß,
Einst wohnten Ritter drinnen;
Jetzt wachsen Fichten, schlank und groß,
Hoch auf der Mauer Zinnen.
Im Thurme, sonst so stark und fest,
Schwebt jetzt die Eule um ihr Nest.

Ihr glaubt vielleicht, ich soll euch hier
Von Geistern was erzählen;
Allein für dießmal möchtet ihr
In eurer Rechnung fehlen.
Trotz meiner Amme Unterricht,
Sah ich doch keine Geister nicht.

Von Hexen weiß ich auch nicht viel,
Das muß ich frei bekennen,
Nie sah ich sie auf Besenstiel
Und Ofengabel rennen,
Manch runzlig triefendes Gesicht
Kannt' ich – doch keine Herxe nicht.

Was ich selbst sah, erzähl' ich nur;
Kein Mährchen will ich machen;
Ich liebe Wahrheit und Natur:
Mit ihren Alltagssachen
Sind sie mir immer neu und schön,
Daß ich sie nie genug kann seh'n.

Schön, roth und golden war der Strahl
Der Sonn' im Untergehen;
Die Aussicht von der Burg ins Thal
War herrlich anzusehen.
Ich setzte mich auf einen Stein
Und blieb da stundenlang allein.

Und immer dunkler rings um mich
Schien die Natur zu schweigen;
Am blauen Himmel fingen sich
Die Sterne an zu zeigen.
Vom nächsten Dörfchen schallte schon
Der Abendglocke Feierton.

Im Epheu säuselte der Wind
Längst an des Schlosses Mauer;
Ich mußte weinen, wie ein Kind.
Versenkt in tiefe Trauer
Dacht' ich nur Trennung, Tod und Grab –
Und starrt' ins enge Thal hinab.

Still lag es da im Mondenlicht;
Der Fluß glänzt wie ein Spiegel.
Die Thränen wischt ich vom Gesicht,
Und stieg hinab vom Hügel;
Mir war jetzt wohl; mein Busen schwoll,
Von Freud' und süßer Wehmuth voll.

Getröstet dacht' ich so im Geh'n:
Der diesen Mond hieß scheinen,
Der diese Sterne schuf so schön,
Will nicht, daß wir hier weinen.
Dort oben find' ich einst gewiß
Die, die das Schicksal mir entriß.

Und endlich kam ich froh nach Haus,
Ging in mein stilles Zimmer;
Sah lang zum Fenster noch hinaus
Die Flur im Silberschimmer,
Ich freute mich der Erde Pracht,
Und schlief erst ein um Mitternacht.

Nun hiemit endet sich mein Sang,
Doch ahndet mir die Klage:
Solch Zeug macht uns die Zeit nur lang,
Geschieht auch alle Tage! –
Ihr lieben Leute, es ist wahr,
Hier ist Nichts neu, Nichts sonderbar.

Doch zieht die Lehre euch daraus,
Wenn euch die Sorgen drücken.
Geht in das weite Feld hinaus,
Trost wird euch da erquicken,
Im Leiden Muth und Labung nur
Gewährt die heilige Natur!

*

Gott in der Natur.

Wer gab mir, was ich hab' und bin?
Wer schuf die weite Erde?
Wer pflanzte Felsenberge hin?
Wer sprach zum Himmel: Werde!
Wem strahlt so flammend, groß und hehr
Der hohen Sonne Feuermeer?

Wem brausen mit so starker Macht
Des Waldstroms Silberwellen?
Wer läßt den Blitz die Wetternacht
Die fahlen Wolken hellen?
O! sagt mir, wessen Boten sind
Der Donner, der Gewitterwind?

Er ist's, er ist es, dessen Hand
Die Abendröthe malet!
Er hat den Bogen ausgespannt,
Der siebenfarbig strahlet,
Er tränkt mit Regen und mit Thau
Die ausgedörrte Halmenau.

Er hüllt die Saat in wallend Gold,
Er schwellt die vollen Garben,
Er schmückt die Blumen bunt und hold
Mit glänzend lichten Farben,
Er läßt im Frühling frisches Grün
Die Haine und den Wald umzieh'n.

Es reift die Frucht auf dein Gebot
Am schwerbelad'nen Baume;
Er färbt die süßen Kirschen roth,
Violenblau die Pflaume;
Den Apfel schuf er voll und rund,
Die Birne saftig für den Mund.

Er streute, wie ein Säemann
Ins Furchenfeld die Körner,
Die Sterne aus auf ihre Bahn;
Des Mondes Silberhörner
Hing er leicht schwebend wie ein Kahn
An das Gewölb' des Himmels an.

Die ganze heilige Natur
Ist seiner Allmacht Zeuge.
Anbeten, staunen kann ich nur –
Ich sinke hin, und schweige.
Tief, tief im Staube bin ich hier,
Du Großer, Gütiger, vor dir!

*

Nach einer Krankheit. 1783.

Ich bin so froh, daß ich dich wieder sehe,
Dich, meines Gottes schöne Welt!
Daß wieder ich auf diesem Plätzchen stehe,
Das mehr als Alles mir gefällt.

Vor mir die Flur im Gold der Sonnenstrahlen,
Hier gelb und grün, dort roth und blau.
Des Regenbogens hohe Farben malen
Den Bach, die Wiese, Busch und Au.

Allüberall ist nichts als reges Leben
Im weiten Reiche der Natur.
Die Mücken, die im lichten Strahle schweben,
Und jedes Gräschen auf der Flur:

Die Lerche, die sich kühn zur Sonne schwinget,
Und hoch in Wolken sich verirrt;
Die Nachtigall, die laute Lieder singet,
Die Grille, die im Grase schwirrt –

Wohl Alles zeugt im fröhlichen Gewimmel:
Es ist ein Gott, der uns die Freuden gibt;
Ein guter Gott, ein Vater ist im Himmel,
Der alle seine Wesen liebt.

Dank, Vater, Dir! Es ist auch Deine Gabe,
Was heut mein frohes Herz genießt;
Mit Thränen Dank! daß nicht im dunkeln Grabe
Mich jetzt der enge Sarg umschließt;

Daß diese Augen, statt jetzt zu verwesen,
Ringsum in der Natur entzückt
Die großen Spuren deiner Güte lesen,
Die du so schön ihr aufgedrückt!

Daß ich gestärkt noch wandle auf der schönen
Mit Lust besä'ten Pilgerbahn.
Deß bin ich froh, und danke dir mit Thränen,
So viel, so viel ich danken kann!

Laß, Vater, mich! Noch weil' ich gern hienieden;
Doch gibt mir einst der Tod die Hand –
Ich zittre nicht; froh geh' ich und zufrieden
Zu dir in's bess're Vaterland.

*

An die Helvetier in Olten.

1794.

1. Procul este profani!

Dies ist der Freiheit Altar. Da fei'rt man Vaterlands-Feste:
Weiche – wer Höheren kriecht; weiche – wer Niedere drückt!

2. Der Größte.

Preise, so hoch du willst, der Griechen Spiele in Elis:
Mir ist Oltens Fest über andere werth.
War nicht der Größte dort, wer die Meisten niedergerungen?
Hier ist's, wer Alle umarmt mit der biedersten Treu!

3. Der Schweizer Genius.

Siehst du den Genius dort? Es ist Helvetiens Schutzgeist,
Der so mächtig sich hebt, dessen Angesicht strahlt.
Eben schwebt er im Kreise der Oltener-Brüder; er ist da.
Wo der Herrliche sich alle Jahre verjüngt!

4. Helvetiens Freiheitsbaum.

Weißt du das Wunder von Tellens Pfeil, des göttlichen Schützen?
Mir hat's die Muse vertraut, gern' erzähl' ich es dir.
Als er gerissen war aus der rauchenden Brust des Tyrannen,
Fuhr er hoch durch die Luft, wie von der Sehne geschnellt,
Hin an der Aare Strand, und schwirrte nieder zur Erde;
Siehe, da wurzelt' er ein, wuchs und grünte zum Baum,
Wo nach Jahrhunderten sich Helvetiens Edle versammeln,
Und in dem Schatten des Baums schallet Freiheitsgesang.

*


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