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Thomas Bornhauser

Hedwig von Kemnat.

Vor Arbon lag der weite See
Wie Gold im Morgenglanze,
Und rosig färbte sich der Schnee
Im blauen Alpenkranze.
Da ging schön Fräulein Hand in Hand
Mit ihrem Ritter nach dem Strand,
Der Trennung herbe Schmerzen
Im liebekranken Herzen.

»O Konradin, nun ist's gescheh'n! –
Die Glocke hör' ich schlagen. –
O hätt' ich niemals dich geseh'n,
Kann Trennung nicht ertragen!
Die schöne Welt, wie leer, wie wüst;
Wenn du vielleicht mir untreu bist,
Wenn Welschlands falsche Horden
Den Liebsten mir ermorden.«

»Dein bin ich, Hedwig, ewig dein,
Ich lebe oder sterbe;
Mein armes Volk muß ich befrei'n,
Erkämpfen mir mein Erbe.
Leb' wohl! lieb' Herz. Ist Karl bestraft,
Hat dieses Schwert mit recht geschafft,
Dann schmückt auf meinem Throne
Dein Haupt Neapels Krone.«

Weg eilt er jetzt in raschem Flug,
Mit ihm viel tausend Ritter. –
Hoch über Alpen geht der Zug,
Ein drohendes Gewitter.
Der Jüngling dringt des Sieges Bahn
Im Schlachtgewühl dem Heer voran.
Die feigen Welschen weichen,
Klemens und Karl erbleichen.

Doch Volkmars Tochter weint gar bang
Am blauen Wasserspiegel,
Schaut nach den Alpen Tage lang.
Wünscht tausendmal sich Flügel,
Und wenn sie einen Harfner sieht,
Von Rom daher ein Pilger zieht.
So fragt sie gleich mit Zittern:
»Wie geht's dort unsern Rittern?«

Sie träumt von Schlachten, träumt von ihm.
Dem edeln Hohenstaufen.
Er kämpft – ihn treibt sein Ungestüm
In dichte Feindeshaufen.
Der Helmbusch weht, das Schlachtschwert klingt
Da stürzt das Roß' – er wild umringt –
Die Jungfrau sieht es trüber.
Wacht auf und liegt im Fieber.

»Fort! Bruder, fort! Wir dürfen hier
Nicht länger mehr verweilen.
Gib Schwert und Panzer! Komm mit mir
Muß nach Neapel eilen, –
Der liebe Jüngling ist in Noth.
Gefangen ist er, oder todt.
Ich wende sein Verderben,
Wo nicht – so will ich sterben.«

Sie wallt, wo die Citronen blüh'n
Gebräunt von Welschlands Hitze,
Geht über Po und Appenin
Vorbei an Peters Sitze,
Sieht den Vesuv im Flammenschein,
Will nach Neapel just hinein –
Da hört sie bei der Pforte
Die schauervollen Worte:

»Karl, der dem Waisen Land und Thron
Mit frevler Hand entrissen,
Läßt den gefangnen Kaisersohn
Auf dem Schaffote büssen.
Jetzt eben brach man ihm den Stab,
Man führt ihn zum Merkato ab;
Ihm helfen keine Gründe,
Sein Recht ist seine Sünde.«

Und wie er auf dem Stuhle sitzt
Und bang die Bürger schweigen;
Wie durch die Luft das Richtschwert blitzt
Und rothe Bogen steigen:
Da dringt durchs Volk ein greller Schrei,
Man stutzt, man wundert, wer es sei –
Und sieht in letzten Zügen
Die schöne Hedwig liegen.

*

Das Sonntagkind.

Freunde, nein! noch hat das Leben
Magre Prosa nicht entstellt.
Kommt! ich will den Schleier heben,
Schauet meine Götterwelt.

Hier im Bauche dieser Berge,
Im kristallereichen Haus
Wohnt das Volk der schönen Zwerge,
Leicht zur Arbeit, leicht zum Schmaus.

Kommen oft beim Vollmondscheine,
Tanzen froh im Morgenthau,
Gießen Düfte durch die Haine,
Frücht' und Blüthen durch die Au.

Lieblich schallen dort die Glocken
In des See's blauem Schooß;
Köpfe werden, goldne Locken,
Busen, weiße Hüfte bloß.

Nixen sind's – In milden Tönen
Klagen sie der Liebe Harm.
Jüngling, fleuch! ein üppig Sehnen
Treibt dich sonst in ihren Arm.

Doch bald ist der Tag verflossen
Und die Sonne sinkt zur Gruft;
Wüthig jagt auf schwarzen Rossen
Bald der Jäger durch die Luft,

Hörner schallen, Hunde wittern
Aus den Wäldern heult es dumpf,
Flammenweib und Irrwisch zittern
Furchtsam bald durch Feld und Sumpf.

Kommt! bald runden die Gespenster,
Kommt mit mir zum Berge hin,
Wo im letzten Strahl die Fenster
Meines alten Schlosses glüh'n.

Fürchtet nicht die großen Hünen,
Die am Schloßthor Wache steh'n,
Fürstlich laß ich euch bedienen,
Drauf und drunter soll es geh'n.

In der Küche fliegt, zum Keller
Mancher Kobold schön und flink:
Gastlich duften Glas und Teller
Elfenchöre weckt mein Wink.

Freunde sagt! was steht ihr stille?
Seht ihr denn mein Bergschloß nicht?
Ha! nun merk' ichs – Buch und Brille
Schwächten euch schon das Gesicht.

Wen die Sonntagnacht geboren.
Der nur sieht den Zauberschein:
Zu der Geister Freund erkoren
Wird nur er ein Dichter sein.

*

Die Wünsche.

Versenkt in stille Selbstbeschauung.
Saß Karl am Abend vor der Trauung
Und sah durch einen Lindenbaum
Hinauf zum sternbesä'ten Raum,
Durch den auf einmal schön und klar
Ein Feuerstreifen schoß,
Der aus dem Wege wunderbar
Im Grau der Nacht zerfloß.

Was wir in solchen Augenblicken
Für Wünsche zu dem Himmel schicken.
Sie werden wie die Sage lehrt.
Uns gnädig vom Geschick gewährt.
Doch unserm Jüngling fällt nichts ein,
Und sinn' er noch so sehr;
Denn morgen wird ja Flora sein, –
Was fehlt zum Glück wohl mehr?

Ein Wunsch nur will sich leise regen.
Oft hätt' er schon es wissen mögen,
Ob Flora ihm so gut, so treu,
Als er dem holden Mädchen sei.
Der Trauung Stunde naht sich nun, –
Ein ernster Augenblick! –
Drum möcht' er manche Frage thun
An's waltende Geschick.

Das ist's! – Im Herzen aller Wesen,
Im dunkeln Buch der Zukunft lesen –
Ja wenn mir das beschieden wär'.
Ich wünschte nichts auf Erden mehr.
Er ruft das Wort und denkt dabei:
»Wir Menschen sind doch schwach!«
Und hängt der süßen Träumerei
Noch lange sinnend nach

Was rauscht? Was glänzt dort im Gesträuche?
Wie seltsam! aus der hohlen Eiche
Naht sich mit feierlichem Schritt
Und grauem Bart ein Eremit;
Ein schneeweiß, faltenreich Gewand
Wallt ihm zum Fuß hinab.
Auch prangt in seiner welken Hand
Ein güld'ner Zauberstab.

»Ich will, was du gewünscht vollenden.
Nimm diesen Ring aus meinen Händen,
Wen dieses edle Kleinod schmückt,
Von dem wird jedes Herz durchblickt.
Und was die Zukunft bringen mag
Lehrt dieser Spiegel dich;
Ein Blick darauf – wie heller Tag
Zeigt dir die Zukunft sich.«

Verschwunden ist das Bild des Alten! –
Für Täuschung würd's der Jüngling halten.
Wär' nicht der Ring, der Wahrheit Pfand,
Der Spiegel nicht in seiner Hand.
Heil ihm! kein Mensch auf Erden ist
Nun glücklicher, als er;
Kein Lächeln täuscht und keine List,
Ihn kein Ereigniß mehr.

Den Wicht erkennt er, der ihm schmeichelt,
Aus Eigennutz ihm Freundschaft heuchelt;
Er sieht den Spott, der heimlich lacht.
Trifft Kälte, wo er's nicht gedacht.
So wird er selbst in Floras Arm
Am schmerzlichsten betrübt;
Das Mädchen kos't und küßt ihn warm,
Das einen andern liebt.

Ha! welche Wandlung aller Dinge!
Das dankt er diesem Zauberringe!
Drum eilt er weg und wirft voll Wuth
Den Unheilbringer in die Fluth.
Wer weiß? Der Zukunft Schooß entblüht
Vielleicht ein höh'res Glück; –
Und nach dem Zauberspiegel sieht
Sein sorgenvoller Blick.

Erst sieht er Feuerspritzen rennen,
Dann hoch die eig'ne Wohnung brennen –
Der kranke Mann im Bette da –
Zu klar! – Das ist er selber ja. –
Schau! hier verliert er den Verstand,
Sucht Brod am Bettelstab –
Dort stirbt er gar durch eigne Hand,
Und Schmach bedeckt sein Grab.

Karl wirft das Glas entzwei und weinet
Als wiederum der Greis erscheinet;
Der spricht mit väterlichem Ton:
»Erkennst du deine Thorheit Sohn?«
Aufthun des Jünglings Augen sich, –
Es war ein bloßer Traum! –
Er liegt, wo ihn der Schlaf beschlich
Im Garten unterm Baum.

Die Sonn' erwacht – Wie Purpur malen
Die Berge sich in ihren Strahlen;
Schon tönt der Lerche Morgensang
Aus hoher Luft das Thal entlang.
Und tausend Freudenschauer zieh'n
Jetzt durch des Jünglings Brust.
Danksagend liegt er auf den Knie'n
Und jauchzt in trunk'ner Lust:

»An Tugend und an Menschheit glauben.
Das Glück soll mir kein Argwohn rauben;
Und würd' auch jedes Lächeln Schein,
Nur Spott ob meinem Glauben sein.
Was mir umhüllt die Zukunft beut,
Das ruh' in Gottes Hand;
Froh pflück' ich meine Rosen heut' –
Und wär's – an Grabes Rand.«

*

Die Brücke.

Willst du etlich' Augenblicke
Nicht hier stille stehn?
Alt ist freilich, krumm die Brücke,
Doch der Zoll gar schön.
Wer die Brücke will betreten.
Soll im Gehen auch
Fromm ein Vaterunser beten,
Nach der Vorzeit Brauch.

Eh' noch ob des Stromes Spiegel
Kühn der Bogen stand.
Glänzte dort ein Schloß vom Hügel
Stolz herab auf's Land.
Wo sich Epheuranken dehnen,
Buschwerk jetzt und Dorn,
Lebte froh mit beiden Söhnen
Frau von Hohenzorn.

Einst, als mit dem Jagdgeschosse
Beide fortgeeilt,
Hört die Wittwe auf dem Schlosse,
Daß der Thurstrom heult.
Hört's und schaut – von Regengüssen
Schwillt er donnernd an –
Wog' auf Woge! pfeilschnell schießen
Sie die krumme Bahn.

Sieht sie recht? Zwei Wand'rer springen
Drüben in das Boot,
Wollen keck hinüberdringen,
Kommen sehr in Noth.
Hülfe! Hülfe! diese Töne
Treffen wie ein Schwert, –
Ach! sie sieht die eignen Söhne
Und – den Kahn verkehrt.

Angstvoll fliegt die Mutter nieder
Zu der wilden Thur;
Schiffer suchen hin und wieder –
Nirgend eine Spur.
Erst nach drei durchweinten Tagen
Stößt der Fluß sie aus.
Werden Leichen hergetragen
In das öde Haus.

Welch ein Schlag dem Mutterherzen!
O der harte Fluß!
Plötzlich dämmert aus den Schmerzen
Herrlich ein Entschluß,
Sie erscheint vor dem Konvente
Noch im Trauerflor,
Weis't dem Propste Pergamente
Gold und Kleinod vor.

»Eine Brücke will ich gründen
An dem Unglücksort,
Und kein Weib soll mehr empfinden.
Was mein Herz durchbohrt.
Eins nur soll die Nachwelt üben.
Wer hinübergeht,
Ach, für mich und meine Lieben
Sprech' er ein Gebet.«

Und bald steht das Werk vollendet
Ob dem feuchten Grab,
Und die gute Wittwe sendet
Manchen Blick hinab;
Sieht wie Mutter jetzt und Kinder
Froh hinüberzieh'n.
Fühlt die tiefen Schmerzen minder.
Die im Busen glüh'n.

Lang' schon wohnt sie bei den Söhnen
Hoch im Vaterhaus,
Doch der Brücke Bogen dehnen
Schützend noch sich aus.
Schreite, Wandrer, denn hinüber.
Ziehe deine Bahn.
Bete gläubig – oder lieber
Thu' was sie gethan.

Welkt vielleicht im Lebenskranze
Dir auch manche Lust,
Schließ', o Freund, ans große Ganze
Dich mit voller Brust.
Pflanz' auf deiner Hoffnung Grabe
Still der Menschheit Glück.
Und an And'rer Freuden labe
Sich dein Thränenblick.

*

Das wiedersehen.

Wo hoch der Bach vom Felsenpfad
Sich wirft mit Zorngebrause,
Da kniete die fromme Wiborad
Vor Gott in einsamer Klause,
Als außer der Schwelle der Klausnerin
Die blühende Gräfin von Argen erschien,
Das Antlitz bescheiden und schweigend
Drei Mal zu der Erde verneigend.

»Der Frieden Gottes sei mit dir!
Willkommen auf der Halde!
Was bringt dich, du zarte Frau, zu mir?
Die reiche Gräfin zum Walde?
Hat etwa dein Fuß sich vom Weg verirrt?
Hat Neugier und Laune hieher dich geführt?
Erscheinst du bei mir, um zu beten?
Hat Labsal die Seele von Nöthen?«

Und Wendelgard, die Gräfin, spricht –
Das blaue Aug' voll Zähren –:
»Ehrwürdige Frau, mein Fuß irrt nicht,
Ich kam aus freiem Begehren,
Nicht sündliche Laune, nicht Neubegier,
Es treibt mich die Angst und der Kummer zu dir,
Ich habe des Trostes vonnöthen,
O hilf für den Gatten mir beten.

Mein Ulrich zog hinaus zum Streit,
Mit Ungarns wilden Schaaren,
Kühn kämpft er für Gott und Christenheit,
Schützt Deutschland vor den Barbaren.
Nun quält mich ein schreckliches Vorgefühl –
Sprich! kehrt er gesund aus dem blutigen Spiel?
Das Künftige steht dir ja offen –
Sprich! darf ich vom Himmel es hoffen?«

Die Jungfrau kniet und betet lang
Um Weisheit und Belehrung;
Hell funkelt das Aug', es glüht die Wang'.
Sie ruft in hoher Verklärung:
»Wofern du Gebet und Almosen übst.
Wofern du dich selber dem Himmel ergibst,
Wird Gott mit Erbarmen es lenken
Und wieder den Gatten dir schenken.«

Heim kehrt die frohe Wendelgard,
Da sprengt herbei zum Schlosse
Ein Knapp', der treue Eberhard –
Doch ach! kein Graf auf dem Rosse,
»Wir wurden geschlagen bei Norikum! –
Wohl kämpfte das Heer, mein Gebieter mit Ruhm,
Vergeblich! ich sah von zwei Streichen
Im Tode den Grafen erbleichen,«

Ohnmächtig sinkt die Arme da,
Todtblaß zur Erde nieder;
Mit wüthendem Schmerz, dem Wahnsinn nah'.
Erwacht zum Leben sie wieder.
»Mein Ulrich erschlagen durch Feindes Schwert!
Hat also das Wort sich der Jungfrau bewahrt?
Die Heuchlerin hat mich belogen.
Mich Himmel und Erde betrogen.

Weh mir, wo reißt der Schmerz mich hin?
Ist nicht ein Leben dorten?
O thörichtes Weib! sieh diesen Sinn
Gab Wiborad nur den Worten:
Wofern du Gebet und Almosen übst.
Wofern du dich selber dem Himmel ergibst.
Wird Gott mit Erbarmen es lenken
Und droben den Gatten dir schenken.«

Sie denkt es kaum und alsobald
Verläßt sie Burg und Zinnen,
Baut eine Kapell im öden Wald
Die Seligkeit zu gewinnen.
Sie steht für den Grafen im frühen Grab,
Sie härmet mit Wachen und Fasten sich ab
Im Glauben, ihr irdisches Leiden
Gewähr' ihm dort himmlische Freuden,

Streng gegen ihren zarten Leib,
Für And're voll Erbarmen,
So tritt aus dem Wald das treue Weib,
Ein blasser Engel dem Armen.
So hatte im kreisenden Laufe der Zeit
Drei Mal schon der schreckliche Tag sich erneu't,
Wo Ulrich an rühmlichen Wunden
Sein ritterlich Ende gefunden.

Jetzt feiert sie zum vierten Mal
Den Tag nach frommer Sitte;
Die Dürft'gen stehen im Rittersaal,
Die Gräfin steht in der Mitte;
Und segnet die Menge gar hold und weich:
»Heil euch! denn des Armen ist Gott und sein Reich!«
Und freundlich, mit emsiger Wendung
Beginnt sie die heilige Spendung.

Dem Alten gibt sie, dessen Haupt
Schon Silberlocken schmücken;
Dem Mann, dem der Krieg den Arm geraubt.
Dem lahmen Weib an den Krücken;
Sie theilt mit Lächeln den Kindern aus.
Dem Schüchternen schickt sie, dem Kranken ins Haus,
Damit er so nahe am Grab
Sich Ein Mal das Herz noch erlabe.

Sechs Waisensöhne nahen sich,
Sechs arme, schöne Bräute,
Sie danken der Frau, die mütterlich
Mit Haus und Hof sie erfreute.
Die fügt viel erbauliche Lehren bei
Von christlichem Leben, von Liebe und Treu'.
Vom Wechsel – doch hält sie hier inne –
Ihr Ulrich, ach! kommt ihr zu Sinne.

Sie weint – und ihre Trauer ehrt
Der Kreis mit tiefer Stille. –
Ein Bettler allein das Schweigen stört.
Ein Mann in lumpiger Hülle.
»Zerrissen«, so ruft er, »ist dieses Kleid,
Drum bitt' ich, daß ihr so barmherzig doch seid.
Aus eueren gräflichen Händen
Ein neues Gewand mir zu spenden.«

Rasch tönt dem Mann aus Einem Mund
Gemurmel laut entgegen:
So jung und so stark, so kerngesund
Zur Arbeit! Schande dem Trägen!
Die Gräfin nur schaut mit gelass'nem Muth
Sich um – da wird sie dem Manne gut.
Sie kann es sich selbst nicht erklären –
Doch muß sie die Bitte gewähren.

Kaum aber hat der das Gewand,
Faßt ihn ein wild' Entzücken;
Die Klausnerin nimmt er bei der Hand
Und will sie herzen und drücken.
Fort stößt ihn die Keusche, sie seufzt und bebt:
»Nun fühl' ich es erst, daß mein Ulrich nicht lebt.
Der Mann, der mit tapferem Schwerte
Auch Freche Sittsamkeit lehrte.«

Schnell eilt herzu der Diener Schaar,
Den Bösewicht zu packen.
Sie schütteln ihn wild an Brust und Haar.
Zerbläut wird Rücken und Nacken.
Er aber treibt mächtig die Schaar hinweg:
»Laßt, Rasende, ab! denn ich habe der Schläg'
Im Lande der stolzen Barbaren,
Der Leiden zu viel nur erfahren.

Schaut her! (Er wirft aus dem Gesicht
Der Locken schwarze Schatten.)
Erkennt ihr den Grafen Ulrich nicht?
Komm Weib ans Herz doch des Gatten!
Die Ohnmacht, aus welcher ich bald erwacht.
Hat mich in ungarische Ketten gebracht –
Doch Gott – er entriß mich den Banden:
Die Treue wird nimmer zu Schanden!«

*


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