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14

Die Weiber vom Isengrund reckten die Hälse. Gestern hat sie mit dem Präses gesprochen, die Clari-Marie! Letzthin ist sie auch hinter dem Waisenvogt gewesen! Es ist wahr, es sind bald mehr Fremde als Einheimische im Tal! Auch fremde Arbeiter hat er jetzt angestellt, der Huber, der Löwenwirt.

Dergleichen Neuigkeiten gingen im Isengrund herum. Die Clari-Marie war schuld, daß es im Dorfe gärte. Sie ließ sich auch jetzt nicht viel sehen, stand nicht seltener daheim an der Hobelbank wie früher, ließ auch kein Weib und keinen Kranken warten, aber sie war es doch, die allmählich die Wand zwischen das schob, was im Isengrund fremd und was einheimisch war. Es bildeten sich zwei Lager, in dem einen, kleinen hockte der Huber, der Löwenwirt, hatte auf seiner Seite die Fremden und von den Einheimischen ein paar, die ihren offenkundigen Vorteil bei ihm fanden. In dem andern stand die Clari-Marie, still, halb versteckt unter dem großen Haufen ihrer Anhänger, die selber kaum wußten, daß sie die eigentliche Führerin war.

*

Die Clari-Marie und der Pfarrherr kamen von einer Schwerkranken hoch im Berg. Sie waren im Gespräch. Der Zufall hatte sie am Bett zusammengeführt; aber es war nicht ihr erstes Zusammentreffen, seit die Clari-Marie im Pfarrhaus gewesen war. Der Pfarrherr kreuzte ihren Weg jetzt oft; sie empfand, daß er es mit Willen und Eifer tat, als läge ihm daran, eine Scharte auszuwetzen. Er vergaß selbst den feierlichen Ton in ihrer Gesellschaft, kam in die Hitze, wenn er mit ihr sprach; er übertat sich auf einmal in seinem Priestereifer. »Die vorletzte Predigt hat gewirkt,« sprach der Hochwürdige im Niedersteigen. »Die Kirche ist nicht leer gewesen am Sonntag.«

»Es muß besser kommen,« sagte die Clari-Marie.

Unterdessen führte sie der schmale Mattenpfad, den sie gingen, gegen das Gotteshaus hinab; an diesem mündete der Fußsteig in die Straße. Auf der Straße sahen sie von weitem den Kehle-Gisler vom See heraufsteigen, er trug das Führerbeil; hinter ihm ging ein Fremder mit Seil und Pickel. Die Clari-Marie hemmte den Fuß und sah den Pfarrherrn an. »Da habt Ihr einen, den Ihr bei Jahr und Tag nicht in der Kirche seht,« sagte sie.

»Den Lätz, meint Ihr?« fragte jener.

»Lätz oder nicht, zum Frommsein ist keiner zu dumm.«

»Ja, ja.«

»Und sein Mädchen, die Claudi, nicht einmal getauft ist sie.«

Der Pfarrherr stand still und hielt die Hände auf dem Rücken. Das Blut stieg ihm ins Gesicht. »Ja, ja,« sagte er wieder und schoß einen zornigen Blick hinter dem Gisler, der mit dem Fremden dorfein schritt. »Ich will ihm kommen,« fügte er hinzu.

Dann gingen sie weiter. Als sie an der Kirchenpforte vorüber sollten, drehte die Frau sich ab, als sei ihr Begleiter nicht da, und trat in die Kirche. Der Pfarrherr sah ihr befangen nach. Der bist nicht mehr über, durchfuhr es ihn. Fast kleinlaut setzte er den Weg fort und schritt in seinem sonderbaren Schiebegang dem Dorf zu.

Die Clari-Marie betete indessen. Sie betete viel in letzter Zeit, viel gegen früher und war doch schon immer eine fromme Frau gewesen. Es war etwas Leidenschaftliches in der Art, mit der sie den Geboten ihrer Religion folgte, obwohl äußerlich an dem festen, breiten, bäurischen Weibe keine Leidenschaft war.

Als sie eine Weile später die Kirche verließ und dem Dorf sich näherte, stand der Löwenwirt, der Huber, unter der Tür; er mochte sie von weitem haben kommen sehen. Er nickte, strich freundlich den schönen Bart und sagte ein lautes »Guten Tag«. Sie gab ein kaum hörbares »Tag« zurück, sah nicht auf und nicht zur Seite und stand nicht still, obwohl er sich hörbar räusperte und ein »Mit Verlaub, Frau Clari-Marie« hinter ihr her sprach. Er errötete, zog seine feine weiße Weste zurecht, dann seinen Rock und sah der Frau nach. Daß sie ihm feind war, war ihm nicht fremd; aber er wußte auch, daß ihm ihre Freundschaft not tat.

Wie sehr er das wußte, lehrte die allernächste Zeit. Eines Tages trug ein Mädchen aus dem Gasthaus einen Korb voll guter Dinge, Wein, Eßwaren, selbst Leinwandstoff der Clari-Marie ins Haus. »Weil Ihr eine so Gute seid, weil Ihr so viel tut für das Dorf, schickt Euch das der Herr, und Respekt habe er vor Euch.«

Als die Magd das ausrichtete, sah die Clari-Marie sie durchdringend an. »Willst mich foppen?« fragte sie herb.

»Beim Eid nicht. Was meint Ihr denn?«

»So sag dem Löwenwirt, es seien Arme genug im Dorf, da soll er austeilen lassen!«

Damit hieß sie das Mädchen den Korb nehmen und gehen.

Eine Woche später versuchte der Huber es anders. Es wären manchmal weibliche Gäste da, die froh wären, jemand zu haben, der in Krankheitssachen Rat wisse, entbot er der Clari-Marie, »ob sie nicht einmal vorbei kommen möchte, damit sie miteinander besprächen, wie sich ein regelmäßiges Vorsprechen der Dorfärztin im Gasthaus machte.«

Die Clari-Marie lachte bei diesem Vorschlag kurz und rauh auf. »Wenn mich einmal eine braucht, von der ich weiß, daß es ihr not tut, ist es noch früh genug, zu kommen. Jetzt habe ich im ›Löwen‹ nichts verloren.«

Seit diesem letzten Bescheid wußte der Löwenwirt, daß die Freundschaft der Clari-Marie nicht zu kaufen war.

Inzwischen hielt von der Kanzel der Pfarrherr seine Zornreden gegen die, die nicht in die Kirche kamen. Der Kehle-Gisler war der erste, dessen Namen er laut und vor allen Andächtigen nannte, als einen, der wie ein Heide sei und wie ein Heide sein Kind aufwachsen lasse. Einige andre Namen nannte er schonender; schon am folgenden Sonntag saßen die meisten von denen, die er gemahnt hatte, wieder unter den Gläubigen in der Predigt. Der Gisler, der Lätz, war nicht gekommen. Auf ihn schalt der Geistliche aufs neue, und die vom Isengrund horchten auf. Bisher hatten sie den »Lätz« wohl als blutarmen, im Kopf nicht ganz richtigen Menschen gekannt, jetzt war es ihnen wie eine Entdeckung, daß der wie ein Heide unter ihnen herumlief. In ihrem neuen Eifer, fromm zu sein, und weil sittliche Entrüstung eine wohltuende Empfindung gibt, schlugen die meisten die Hände über dem Kopf zusammen. »Der ist einer, der Lätz, ein Grundbodenschlechter!« schimpften sie.

»Es muß eine andre Ordnung werden im Isengrund,« eiferte der jäh scharf gewordene Pfarrherr weiter. »Wer nicht tun will, wie ein braver Mensch tut, dem soll man die Gemeindegrenzen verbieten.«

Die Rede ging auf den Gisler, und es waren willige Ohren da, sie zu hören. In einer Schenke, in die der Latz trat, um – was selten geschah – ein Glas zu trinken, rempelte ihn ein paar Tage später ein betrunkener junger Bauer an: »Du Heide, du, aus der Stube mit dir!«

Der alternde Mann stellte sich. Der Zorn faßte ihn über die Schmähung. Der Betrunkene und zwei andre, die an einer rohen Tat Freude hatten, warfen sich auf ihn, blutend wurde er in die Straße gestoßen. Seither, wenn er ins Dorf kam, steinigten ihn die Schulkinder. Wie die Alten so die Jungen!

Als die Clari-Marie von dem Vorfall hörte, zog sie die Stirn in Falten, aber sie schwieg dazu. Die Cille mischte sich ein: »Das ist doch zu viel und zu grob, wie sie es dem Gisler machen.«

Da warf die andre das flüchtige und sonderbare Wort hin: »Der Gisler soll dem Herrgott geben, was dem Herrgott gehört, dann ist er niemand mehr zum Aergernis.«

In diesen Tagen war die Rottalbäuerin krank und rief nach der Schwester. Die Clari-Marie stieg mit der Severina hinauf zu ihr, fand sie elend wie eine, die schlecht genährt ist, und schwach, weil sie sich überarbeitet hatte. Sie schmälte: »Du mußt besser zu dir sehen, Trini, mit Schaffen allein kommt eines nicht durch die Welt.«

Die Furrerin, die im Bett lag, die Hände auf der Decke gefaltet, einen Rosenkranz zwischen den Fingern, betete erst drei Vaterunser, dann bat sie die Schwester, ihr Fleischbrühe zu schicken, als ob sie keine herzustellen vermöchte. Die Clari-Marie sagte ihr die Brühe zu, ordnete an, daß sie im Bett bleibe und sich Ruhe gönne, und wußte, daß die Schwester in ein paar Tagen wieder würde hinter der Arbeit sein können. Die Severina hieß sie bei der Mutter bleiben. Das war das erstemal, daß das Mädchen daheim haushalten sollte, und es begann mit Unfreude.

Die Clari-Marie indessen wendete sich wieder auf den Heimweg. Vor der Tür traf sie auf den Furrer, der ein paar frisch gekaufte Schafe den Berg hinauftrieb. Eben erreichte er mit dem letzten Tier die Höhe. Mit den harten Knien stieß er das vor sich her. Die Clari-Marie sah, daß es auf drei Beinen hinkte und beim mühsamen Gehen die Augen vor Schmerz verdrehte. Der Bauer grüßte nicht einmal. Sein bleiches Gesicht war heiß, der Schweiß stand auf der knochigen Stirn und an den schlaffen Schläfen. »Da hast du wieder einen Handel,« knurrte er. »Jetzt habe ich die Schafe gekauft und unterwegs muß mir das beste abfallen und ein Bein brechen.«

Er riß die Tür an einem ans Haus gebauten kleinen Schuppen auf und trieb die Tiere hinein, dem kranken, das mit hinein wollte, krallte er die zähen Finger ins Vlies. »Da bleibst,« sagte er. Mit dem langen Arm griff er ins Schuppeninnere und brachte einen Blecheimer zum Vorschein. Dann nestelte er in seiner Hosentasche und zog ein Messer, das er griffest stellte.

Die Clari-Marie zögerte unwillkürlich. »Nun – nun,« sagte sie, »was will das geben?«

Der Furrer stieß einen Ton aus, der vielleicht ein Lachen hätte sein sollen. Er zerrte das kranke Schaf zu dem Kessel. Es war kein Jähzorn an ihm. Sein Gesicht blieb so gelb wie sonst und alles, was er tat, tat er mit zäher Langsamkeit. Ein einziges Wort verriet, daß der Zorn ihn innerlich stachelte. »Stirb,« zischelte er, als er dem Schaf sein Messer in den Hals bohrte. Das Tier stieß einen gurgelnden Laut aus, er hielt es mit der Linken fest, sein Griff war voll roher Kraft, aber die Art, wie er das Messer in der Wunde des sterbenden Tieres drehte, war wie Mordgier.

»Nun, nun,« sagte die Clari-Marie lauter, sie wollte reden, aber die Worte fehlten ihr vor Entrüstung. Der Furrer aber richtete sich auf, strich seine blutigen Hände am Gras sauber und sagte gleichgültig: »Kannst kein Blut sehen? Auf drei Beinen habe ich es nicht noch lange lassen herumlaufen können, das Tier!«

»So schlachtet einer nicht, so,« sagte die Clari-Marie. Kopfschüttelnd drehte sie sich ab und ging. Zum andernmal fiel ihr ein, daß es besser sei, wenn die Furrerkinder nicht daheim waren; und diesmal empfand sie etwas wie Mißtrauen gegen den Schwager, dem sie bisher alle Härten und Fehler verziehen um der bitteren Zähheit willen, mit der er sich um ein bißchen Wohlstand mühte.

Drei Tage später kam die Severina ins Zieglerhaus zurück. Aus einmal stand sie in der Küche bei der Cille, das schmale Gesicht bleicher als sonst, die Augen groß und glänzend. »Die Mutter ist gesund, da bin ich wieder,« sagte sie. »Wo ist die Base Clari-Marie?« fragte sie dann.

Da trat diese eben in den Hausflur, und sie ging hinaus zu ihr und hing sich ihr an den Arm. »Tag, Base,« sagte sie und drängte die schlanke Gestalt dicht an die schwere, plumpe der andern; sie zitterte dabei und war, was nicht Bauernart ist, zärtlich und wie nach Liebe gierig.

»Was hast denn?« fragte die Clari-Marie fast erschreckt, als sie darauf in die Stube traten und das Kind noch immer ihren Arm umklammert hielt. Die Severina hob das elfenbeinreine Gesicht und hatte Tränen in den Augen. »Froh bin ich, daß ich wieder da bin,« sagte sie.

»Es ist recht,« sagte die Clari-Marie und machte ihren Arm frei. Die Severina aber stand noch immer in ihrem braunen, weich um die feinen Glieder sich schmiegenden Gewand mitten im Zimmer, sah auf ihre Schuhe und flüsterte: »Es würde mir nicht mehr gefallen da oben, bei Vater und Mutter.«

Die Clari-Marie konnte nach dieser Rede nicht helfen, daß sie dem Furrer und der Schwester gram war. Aber am folgenden Sonntag saßen die von Rottal zuvorderst in den Kirchenstühlen und waren von denen, die am spätesten die Kirche verließen. Da war dem strengfrommen Weibe, der Clari-Marie, sie seien so schlimm nicht, wie ihr geschienen.

Um diese Zeit schrieb auch der Jaun wieder. An die Cille war diesmal der Brief gerichtet. Ob sie sich gewundert hätten, daß er nicht gekommen sei? Wohl nicht! Wo einer nicht willkommen sei, brauche er sich nicht zu eilen, hinzukommen. Das letzte Examen sei längst gemacht, » magna cum laude« wie man das nenne, »gut« möchten sie sich denken! Sie könnten jetzt ruhig das »Doktor« vor seinen Namen setzen, wenn sie an ihn schrieben. Und er wohne jetzt nicht mehr bei den Kirchhofers, Assistenzarzt sei er am Kinderspital von St. Felix. Bis daß er zu Hause wieder eher gelitten sei, habe er die Stelle angenommen. Die Cille schob den Brief der Schwester ein, saß steif da, und in ihrem Blick stand Triumph mit Angst vermischt, Triumph, weil ihr war, als müßte sie zur Clari-Marie sagen: Da lies, wie bitter er schreibt, und gelt, jetzt braucht er uns nicht mehr! Angst, weil sie es gewesen war, die dem Jaun geraten hatte: »Komm nicht heim, Bub, sie will dich nicht sehen, die Clari-Marie.«

Die Clari-Marie nahm den Brief langsam und mit einer Miene auf, die besagte: Bah, wozu soll ich den lesen? Ihr Mund war hart, sie lehnte im Stuhl zurück und las die Zeilen von weitem, halb gleichgültig, halb verächtlich. »Nun ja,« sagte sie nachher, »so wird es wohl recht sein.«

Die Cille schwieg darauf. Sie hatte das Schweigen lange gelernt; einen Seufzer verbeißend, zerknitterte sie den Brief in die Tasche ihres Rockes. Nur die Severina, die hinter dem Tische saß, stemmte die schlanken Arme auf die Tischplatte und sah nachdenklich ins Leere. »Warum sagt Ihr nichts, Base Clari-Marie, – von dem Brief?« fragte sie.

»Warum?« fragte jene, die grauen Augen blickten scharf.

»Daß er ein Doktor ist, jetzt, der Jaun,« sprach die Severina.

»Woher – wer hat dir – hast den Brief ge…«

In die unwirsche Frage fiel die Cille mit den Worten: »Erzählt habe ich ihr's.« Sie konnte es nicht hindern, daß ihr das spärliche Blut zu Kopfe drängte, als sie gestand, daß ihr der Mund von dem übergelaufen, was ihr das Herz füllte.

»Das ist jetzt doch etwas Großes, ein Doktor sein, ein Studierter, für einen, der Geißen gehütet hat wie der Jaun, für einen aus dem Isengrund,« sagte die Severina in demselben verträumten Ton.

»Geh! Dem Töni sollst sagen, der Lirer, der Säger, erwartet ihn,« sagte die Clari-Marie laut und unvermittelt und brachte so, die Severina hinausschickend, die Rede von Jaun, dem Abtrünnigen, zum Schweigen.

Darauf gingen viele Wochen, ohne daß sein Name im Hause laut wurde.

Es wurde Herbst und wurde Winter. Das Gasthaus stand leer, dessen Stuben eine ganze Menge Sommerfrischler beherbergt hatten, von der neuen Straße war nur ein kleiner Teil gebaut; der Löwenwirt hatte im Sommer andre Arbeit gehabt. Im kommenden Frühjahr sollte der Bau eifriger gefördert werden. Inzwischen brütete der unternehmende Mann über neuen Pläne. In den ersten Tagen des neuen Jahres stellte er den Präses vom Isengrund, mit dem er sich wieder anzufreunden suchte, in der Straße. »Mit dem Frühjahr kommt ein Doktor ins Dorf,« erzählte er.

»Das wird schon gut sein für die Fremden!« gab der Bauer zögernd zu. »Für uns andre ist die Clari-Marie da, wenn wir sie brauchen.«

»Der wird es wohl recht sein,« fuhr der Löwenwirt eifrig weiter, »freuen wird sie sich, meine ich. Mit dem Doktor Ziegler bin ich einig geworden, dem jungen, der von hier stammt und noch verwandt ist mit ihr. Ein guter soll er sein, der!« fügte er hinzu.

»Freilich, ja, ja, gut soll er sein,« sagte der Bauer trocken. »Aber ich weiß dann nicht – mit der Clari-Marie –.« Er brachte die Rede nicht zu Ende, schüttelte bedächtig mit dem Kopf, grüßte und ging weiter.

Der Huber murmelte ein ärgerliches Wort hinter ihm her. Es schien immer schwerer, mit dem Volk auszukommen. Schädel wie Steine! Alle Freundlichkeit nützte nicht, alles Wohltun nicht.

Der Präses ging heim und erzählte die große Neuigkeit, der Jaun Ziegler, der Cille ihrer, der einmal Geißbub gewesen sei, käme als Doktor ins Dorf. In seinem Hause blieb die Neuigkeit nicht stecken. Die Severina erhaschte sie eine Stunde später in der Gasse, als sie vom Bäcker kam. Die Augen groß und glänzend, die schmalen Wangen vor Erregung glühend, stürmte sie daheim der Clari-Marie in die Werkstatt. »Wißt Ihr schon? Jetzt kommt der Jaun doch herauf!«

Am selben Tag bekam es die Clari-Marie schwarz auf weiß zu lesen. Wieder war der Brief Jauns an die Cille gerichtet. »Ich komme nun doch heim, Mutter,« schrieb er. »Beim Löwenwirt werde ich wohnen, also nah genug bei Euch und doch der Base Clari-Marie nicht zur Last. Ihr werdet Euch schon freuen, nicht wahr, Mutter, daß ich komme und ich – es hat mir doch immer gefehlt, daß ich nicht heim konnte ins Bergland. Die Base Clari-Marie wird schon wieder anders werden, wenn wir einander erst sehen und gesprochen haben.«

Die Clari-Marie verlor kein Wort über das große Ereignis; die Cille wie immer wagte nicht zu fragen. In der aber war ein innerliches Fieber. In ihr schlichtes Leben kam plötzlich ein Wert, eine Hoffnung, eine Vorfreude. In dem alten scheuen und verbitterten Mädchen drängte alles dem Tag entgegen, da der Bub, der Jaun heimkommen sollte, der verachtete, aus dem mehr geworden war als aus allen andern vom Isengrund.


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