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Liebe Base Clari-Marie!

Ihr zürnt mir noch immer, wie ich höre, und mich verlangt danach, mit Euch Frieden zu haben. Ihr könnt es dem einfältigen und unbeholfenen Buben, über dessen Schwäche Ihr oft gelacht und gespottet habt, nicht verzeihen, daß er ohne Euern Rat und ohne Eure Hilfe einen besonderen Weg gegangen ist! Ihr seid eine starksinnige und festgewillte Frau und gewohnt, daß man Euch im Isengrund Gehorsam leistet, da will es Euch nicht in den Kopf, daß der schwache Jaun Euch gleichsam ungehorsam entlaufen ist. Aber Ihr sollt nicht den Ungehorsam ansehen, mit dem er davonlief, sondern den Gehorsam, mit dem er wiederkommt. Liebe Base Clari-Marie, ich bin Euch davongelaufen, um eine Freude für Euch zu holen, und ich komme wieder zurückgesprungen mit der Freude in Händen und bringe sie Euch: Seht, das habe ich für Euch gefunden! Meine Freude ist mein Beruf! Die letzten Examen stehen vor der Tür; nicht lange mehr, und mein Studium ist beendet, werde ich die Doktorprüfung mit Ehren bestanden haben. Dann will ich heimkommen zu Euch, Base Clari-Marie! Ihr habt ein schweres Amt da oben im Isengrund, Ihr seid nicht mehr jung, und dann gibt es Dinge, die Euch noch fremd sind, und die Wissenschaft ist weit fortgeschritten im letzten Jahrzehnt, ich kann Euch manches Neue und Große sagen. Darum will ich heimkommen nach dem lieben Isengrund und mit Euch zusammen arbeiten und sorgen und über dem Gesundsein unsers kleinen Volkes wachen. Ich freue mich, eine starke und verläßliche Gehilfin zu haben, wie Ihr es seid, Base Clari-Marie, und Ihr, wenn Ihr erst wissen und sehen werdet, wie ich es meine, werdet nicht mehr zürnen, sondern willkommen heißen

Euren Jaun Ziegler.

 

Diesen Brief nahm die Clari-Marie, als sie ihn gelesen hatte, und zerriß ihn langsam und mit harten Fingern in kleine Fetzen. Als sie es tat, war niemand in ihrer Nähe; aber die Cille, die den Brief hatte liegen sehen, ließ ein paar Tage lang der Schwester verstohlene Blicke folgen und wartete auf ein Wort von ihr, auf irgendeine Nachricht: das und das hat er geschrieben, der Jaun. Sie wartete umsonst. Während sie aber die Clari-Marie schärfer als sonst beobachtete, war ihr, als bemerke sie eine Veränderung an jener. Es war doch nicht, daß Leute im Alter der Clari-Marie noch wuchsen, sonst hätte ihr geschienen, die Schwester sei größer geworden. Sie hielt sich sonderbar aufrecht, der Kopf, dessen dunkles Haar einen grauen Schimmer bekam, saß mehr im starken Nacken, und um den Mund war ein Zug, den die bescheidene Frau ehemals nicht gehabt hatte.

»Siehst, was sie für ein Gesicht macht,« sagte der alte Töni, der immer Mut hatte, wenn die Clari-Marie nicht da war, sagte es einmal, als jene eben die Stube verlassen hatte, zur Cille, »die wird eigensinnig auf ihre alten Tage.«

»Schweig,« fügte die Cille, aber heimlich war ihr, der Töni habe das rechte Wort gesagt.

Und die Zeit ging. Es kam ein neues Jahr. Das schüttete in seinem ersten Anfang schon Neuigkeit über Neuigkeit über die vom Isengrund aus. Zuerst wurde wahr, was so lange erlogen gewesen, daß es keiner mehr glaubte: der Löwenwirt verkaufte sein Gasthaus. Von heute auf morgen! Ein paar Tage später sahen die vom Isengrund, mit wem der Jost Trachsel gehandelt hatte; der neue Löwenwirt zog so rasch auf sein Besitztum, als wäre in der ganzen Welt sonst kein Obdach für ihn gewesen.

»Ein Pfarrer, habe ich gemeint, kommt ins Dorf, als ich ihn gesehen habe,« sagte der Spottvogel, der Werner Jacki, des Bergführers Bub.

»Einen Bart hat er von jeder Backe herunterhängen, jeder noch einmal so lang als meinem Geißbock seiner,« lachte ein Bauer aus dem Unterdorf.

Die Sache war die, daß der Gasthauskäufer ein Fremder war, einer, der als Oberkellner an irgendeinem Fremdenort sich ein kleines Vermögen erlächelt hatte. Die vom Isengrund mochten ihn wohl begaffen und über ihn lachen. Einer aus dem Bergtal und der Herr Huber, der neue Wirt – der Geier und das Haushuhn waren nicht verschiedener. Der Herr Huber, als er im »Löwen« einzog, hatte ein schwarzes, feierliches Gewand an, einen Gehrock bis ans Knie hinab, einen steifen, schwarzen Hut auf dem schön gescheitelten Kopf und ein wunderbar weißes Hemd. Er war sehr lang und sehr hager, hatte einen langen, blonden Kotelettenbart und ein Stadtherrengesicht mit einer großen, scharf geschnittenen Nase. Die Bauern waren verlegen, wenn sie mit ihm zu tun bekamen, er selber aber schien nicht recht zu wissen, was er mit den Bauern anzufangen habe. Er gab sich jedoch alle Mühe, freundlich zu sein, drückte dem und jenem flüchtig die Hand und hatte den klugen Einfall, in die Armenkasse vom Isengrund fünfzig Franken einzulegen. Da schnupperten die Bauern: Es scheint ein Rechter zu sein, der neue!

Von da an kam Huber, der Wirt, nicht mehr aus der Leute Mund. Im Löwen fand eine Umwälzung statt. Dort wurde, während der Winter langsam in den Frühling überging, gebaut und geputzt und geändert und verschönt. Eines Tages brachte ein Händler zwei Maultiere ins Dorf und stellte sie dem Huber in den Stall, ein paar Tage nachher erzählten zwei Dorfbuben: »Der Löwenwirt hat uns eingestellt. Zur Schifflände hinunter müssen wir von jetzt an fahren, Gäste holen mit den Maultieren.«

Gäste! Außer den Hochgebirgstouristen, die zu Fuß nach dem Isengrund stiegen, hatte sonst niemand das Dorf besucht. Die Bauern waren neugierig, was werden sollte. Dann wurde bekannt, der Huber, der Wirt, habe das große Wort gesagt: »Nächstes Jahr muß eine Fahrstraße vom Dorf zum See hinab sein. Weit auftun will ich das Tal, daß sie hereinkönnen, die Fremden!«

»Oho, da sind wir auch noch da,« sagte der Gemeinderat vom Isengrund darauf. Vierzehn Tage später meinten dieselben großen Herren: »Schön wäre es, beim Eid, so eine Straße.« Da hatte der Huber sie in seiner Gaststube regaliert.

So war das Frühjahr angerückt. Zu Ostern, als die vom Isengrund aus der Kirche kamen, steckten sie die Köpfe zusammen. »Habt ihr's gehört: Der Löwenwirt hat die Gunter-Rosi eingestellt, des Fluhbauers Kind, Zimmermagd soll sie sein in den neuen Fremdenzimmern, die er hat einrichten lassen.«

Da streckte die Zopp-Sephe, die dicke, etwas dämliche, achtzehnjährige Sigristentochter, die Nase zwischen die Sprechenden und erzählte lachend: »Ja, und ich komme jetzt auch zu ihm, zum Löwenwirt, in die Küche komme ich zum Geschirraufwaschen.«

»Dem läuft jetzt bald das ganze Dorf nach,« sagte eine scharfe Stimme hinter der Schar, die sich auf dem Kirchweg staute; die Clari-Marie ging vorüber. Sie wichen und gaben ihr Raum, nickten und sagten es ihr nach: »Ja, ja, es ist wahr, das ganze Dorf läuft ihm bald nach.«

Kaum eine Woche nachher hatten die Bauern vom Isengrund schwer einen Taglöhner aufzutreiben. »Der Teufel hol's!« schimpfte einer, »jetzt schaffen zwanzig Mann beim Löwenwirt, der will am Hang hinterm Haus einen Garten anlegen.«

So ging es fort in den Sommer hinein, des Löwenwirts Wirtsstube – er hatte jetzt eine besondere Stube für die Isengrunder Bauern und einen Saal für seine Talgäste – war Sonntags immer voll; dafür vergaß mancher, daß unweit davon die Kirche stand.

Mit dem Sommer kamen die fremden Gäste. Jeden Tag trugen die Maultiere Gepäck von der Lände herauf. Frauen und Kinder kamen geritten. Eine Sommerfrischlerkolonie siedelte sich im Isengrund an. Huber, der Wirt, verstand seine Sache, er gab eine Menge Geld aus, als ob er ein steinreicher Mann sei; aber er nahm auch wieder Geld ein. »Was der verdient!« posaunten die zwei Isengrunder Mädchen aus, die er in Dienst hatte.

Plötzlich ging das Gerücht: mit der Fahrstraße vom Dorf nach der Schifflände soll es noch diesen Sommer ernst werden!

»Ja, wer zahlt sie denn?« fragten einige. Die Antwort gab am gleichen Tag ein weißer Anschlagzettel am Schulhausbrett, der die Gemeindeversammlung zusammenberief. Diese Gemeindeversammlung hatte über den Straßenplan zu entscheiden. Der Gemeinderat riet zu einem kleinen Beitrag. Alles übrige, hieß es, trägt der Löwenwirt. Und, hieß es weiter, lauter Einheimische sollen am Straßenbau arbeiten. Geld kommt ins Dorf damit, Geld wie Heu! Das entschied. Plan und Beitrag wurden gutgeheißen. Der Huber konnte morgen mit dem Bau beginnen, wenn er wollte. Als das Mehr zugunsten des Straßenbaus gefallen war, stand in der Schulstubentür, wo die Versammlung stattfand, die Clari-Marie. Breit, daß die geraden, festen Achseln die Pfosten der Tür berührten; im schwarzen Rock und schwarzen Kopftuch stand sie da. Das gelbe Gesicht war ein wenig heiß, die Lippen zuckten leise; denn es war nicht alltäglich, daß Weiber sich in die Dorfversammlung drängten. Sie strich mit der harten Rechten hastig über den glatten Scheitel rückwärts, daß das Kopftuch in den Nacken sank. »So,« sagte sie in ihrem kürzesten Ton. »So, ihr Mannen,« jetzt habt ihr dem Dorf das Unglück beschlossen.«

Dann wendete sie sich und ging davon. Nachher wurde über alle Wirtstische hin geeifert, ob es recht oder unrecht gewesen sei, was heute die Gemeindeversammlung getan, und aus den Schenken ging der Streit in die Häuser und Hütten. Gegen die Einmischung der Truttmannin fiel kein Wort. In einem kleinen Wirtshaus, das nur die alteingesessenen Bauern vom Isengrund besuchten, schlug ein Alter mit der Faust auf den Tisch, hatte ganz leuchtende Augen und sagte: »Die darf bei Gott noch sagen, was sie denkt, die Clari-Marie.«

Nach ein paar Tagen ging von den Hütten ein Wind aus. Die Weiber mochten zuerst geblasen haben. Jetzt hoben auch schon Männer, Alte, Stockeingesessene vor allen, die Köpfe: »Ja, es ist dann noch nicht erwiesen, ob es von gutem für das Dorf ist, was der Fremde, der Löwenwirt, da alles anstellt!«

»Der Unfrieden kommt uns mit dem Fremdvolk ins Haus,« eiferte eine Bäuerin, die eine gute Zunge hatte. »Die Clari-Marie, sagt es auch,« fügte sie hinzu.

»Die Clari-Marie sagt, den Unglauben bringen uns die Fremden,« berichtete eine junge Frau mit ernstem Gesicht. »Es soll nur einer in die Kirche sehen, wie leer die Bänke sind, gegen früher. Sie hat recht, die Clari-Marie,« schloß sie.

Dazwischen hinein ging eine Geschichte von Mund zu Mund. »Habt ihr gehört, was sie getan hat, die Clari-Marie? Bei der Treschin, dem Dorfvogt seiner Frau, hat sie jetzt drei Tage und drei Nächte gewacht. Jetzt hat die Treschin das fünfzehnte Kind und lebt noch, wenngleich der Doktor in Schattdorf unten ihr beim Vierzehnten den Tod angekündigt hat.«

Inzwischen tat die Clari-Marie einen Gang. »Zum Pfarrer muß ich jetzt wieder einmal,« sagte sie zur Cille.

»Sein Namenstag ist heute,« gab die Cille zurück, »richtig, kannst ihm gleich Glück wünschen.«

»Hol mir eine von den Schafseiten herunter, vom Estrich,« sagte die andre, machte sich sauber für den Gang, knüpfte das Kopftuch unterm Kinn zusammen und strich die schwarz gehäkelten, fingerlosen Handschuhe über die starken Hände. Indessen brachte die Cille das Fleisch und schlug es in Papier, die Clari-Marie warf ein Tuch über den Arm und verbarg das Paket darunter. So ging sie.

Der Abend brach herein. Der Himmel war noch hell, aber an den zwei Tallehnen verdunkelte sich das Schwarz der Tannen, und zwischen die Dorfhütten sanken Schatten. Die Clari-Marie schritt inmitten der Straße mit ihrem schweren, bedächtigen Gang und sah an den Boden. Wenn, was alle Augenblicke geschah, ein »Tag« neben ihr klang, sah sie flüchtig auf und gab einen kurzen hastigen Gegengruß, als habe sie Eile. Dabei fühlte sie, daß viele Blicke mit ihr gingen und daß sie hinter ihr von ihr sprachen, wenn sie vorüber war. Das war ihr nie so lästig gewesen als jetzt. »Du hast dich zu viel aus der Reihe gestellt, in der letzten Zeit, Clari-Marie,« sagte sie zu sich selbst; die Bescheidenheit, die der Grundzug ihres Wesens war, die Scheu vor allem Sichvordrängen wehrte sich in ihr um ihr Recht. Unwillkürlich wurde ihr der Gang durch die Dorfgasse leid und neigte der Kopf sich tiefer vornüber. Nach einer Weile stand sie vor der Pfarrhaustür und schellte.

Die Nacht war schon nah. So schrill die Glocke innen scholl, so kam doch niemand, der auftat. Endlich, nachdem sie wieder geläutet hatte, ging oben ein Fenster auf, und der rote, dicke Kopf der Viktorine wurde sichtbar. »Ja,« rief diese, unterm Fenster liegend, sah dabei mit glänzenden Augen auf die Schwester nieder und lachte sonderbar. »Mach auf,« sagte die Clari-Marie ungeduldig; erst da besann sich die Viktorine und kam über die Treppe nieder. Die Clari-Marie hörte die hölzernen Stufen knarren, dann riegelte die Viktorine eine ganze Weile inwendig am Schloß, lachte hörbar dazu und gluckste dazwischen. Endlich ging die Tür auf.

»Guten Abend,« sagte die Clari-Marie.

»Guten Abend,« grüßte die andre.

»Ist der Pfarrherr oben?« fragte jene.

– »Ja – ja,« schluckte die Viktorine und lachte; ihr Gesicht war tiefrot und glänzte wie ein gewichster Boden.

Die Clari-Marie sah sie gerade an. »Was hast?« fragte sie. Ihr Blick schien die Schwester zu stechen; diese nahm sich zusammen. »Nichts, es wird eines wohl noch lachen dürfen!« gab sie zurück. Da ging die Clari-Marie ihr vorauf die Treppen hinan und klopfte an des Pfarrherrn Wohnstubentür.

»Herein,« scholl es sanft und gemessen von innen. Als sie eintrat, saß der Pfarrer am langen, wachstuchbedeckten Tisch und hatte eine Anzahl Flaschen und zwei Gläser dastehen. Er sah aus wie immer, seine hohe hagere Stirn glänzte ein wenig und so die Nase unter ihr. In den Gläsern seiner Brille war ein leiser Rotschein; vielleicht warf ihn der abendrosige Berg, die Nase, in die zwei stillen Seen, die Gläser.

»Kommst auch wieder einmal,« sagte der Pfarrer langsam und würdig, stand aber nicht auf, wie er sonst wohl getan hätte, sondern reichte der Clari-Marie nur die Hand über den Tisch hin. »Noch ein Glas, Viktorine,« gebot er seiner Magd, die eben durch die Türe kam.

»Den Namenstag habt Ihr! Ich wünsche Euch Glück,« sagte die Clari-Marie und reichte dem Hochwürdigen die Hand.

»Ja, ja, dank',« sagte er; unter der Brille liefen ihm die Tränen hervor. Da zog sie plötzlich die Hand zurück, schob das Paket weg, das sie auf den Tisch gelegt hatte und sagte: »Ich bin wegen etwas Ernstem gekommen.«

Die Viktorine zündete die Lampe an und füllte die Gläser, ihre Hand war unsicher, das eigne Glas goß sie so voll, daß es überlief. »Was willst jetzt? Der Namenstag ist, dem Herrn seiner! Was willst jetzt da Ernstes mitten drin?« lachte sie.

Die Clari-Marie schob sachte den Stuhl zurück, den sie ihr hingegeben, sachte bog sie um den Tisch. Als sie den zweien gegenüber stand, die mit verstaunten, schwimmenden Augen nach ihr hinsahen, sah ihr bleiches Gesicht aus, als hätte es beinerne Züge. »Habt Ihr nicht gemerkt,« begann sie mit verhaltener Stimme zum Pfarrherrn, »daß Euch fast nur noch die Weiber in die Kirche kommen, am Sonntag? Und die nicht alle?«

Der Hochwürdige schwitzte; die salbungsvolle, feierliche Art ging ihm verloren. »Ich weiß,« stammelte er.

»So – so denkt nach, ob es nicht Zeit ist, daß Ihr die zur Pflicht mahnt, die sie vergessen haben,« sagte die Clari-Marie. Dann litt es sie nicht. Kein Wort sprach sie weiter, ging nur hinaus und hinab. Vor der Tür unten lief ein Schauder über ihre feste Gestalt. Sie schüttelte den Kopf, ließ die Arme hängen und hielt, während sie langsam durch die dunkel gewordene Gasse heimschritt, die Fäuste geballt, als hielte sie sich an etwas fest. Es war ihr, als schwanke der Boden unter ihren Füßen, der Boden, auf dem die vom Isengrund wohnten, samt und sonders. Was ist denn – was ist denn mit dir, Dorf, willst zusammenfallen? ging es ihr in hastigen Gedanken durch den Kopf. Fremdes kommt herein, lauter Fremdes! Aus der Kirche bleibt das Volk! Und der Pfarrherr! Ja, der und die Schwester! Daß er manchmal sich vergaß und bei Festanlässen und dergleichen eines über den Durst nahm, das war im Isengrund nicht fremd. Aber heute, das heimliche, einsame Gelage! Pfui!

Und ist keiner, der mahnt, so lange es Zeit ist? Die Bauern, daß nichts Gutes von den Fremden kommen kann! Die Lässigen, daß in der Frommheit allein das Heil liegt! Den Pfarrherrn, daß …

Auf einmal blieb die Clari-Marie stehen, mitten am Weg, die Gasse war leer; sie hatte nur noch wenige Schritte bis zum Zieglerhaus zu gehen. Wenn es denn keinem einfällt, sprach es in ihr, mußt selber heraus aus deinem Winkel, Clari-Marie! So leid es dir sein mag! Eher als das Dorf zugrunde gehen lassen! Viel eher!


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