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Die Sternfelder Grafen lebten in der Sensengasse wie verprügelte Hunde. Nicht daß es ihnen am Notwendigsten gefehlt hätte – aber wie es geboten wurde!

Alle Woche kam die Döblinger, rechnete mit der Resi ab und ließ ihr Geld für die Wirtschaft. Nicht viel und nicht wenig. Grad so, daß sie sich nix Extra's leisten konnten und die Mama Sternfeld jedesmal einen Weinkrampf bekam über die unverschämte Person – obwohl sie höflich war und sogar zeitweilig »Euer Gnaden« sagte, wie die Mariann'.

Wenn sie nach den Kindern gefragt wurde, hob sie die Schultern: »Mir haben nix g'hört. Werden wohl bald kommen, die jungen Herrschaften.«

In der zweiten Woche begehrte Graf Sternfeld aufs Semmeringhäusel.

»Der Dostal hat ja den Schlüssel. Er soll's uns herrichten lassen. Meine Frau braucht Luft.«

Die Döblinger rückte ihre Bindebänder zurecht. Mit dem Häusel ging's jetzt nicht. Sie hatten's vermieten müssen.

»Was ... was fällt Ihnen ein ... vermieten? Unser Häusel ... wie dürfen's das vermieten? Bald wird der Mensch uns die Betten unterm Leib an andre Leut' vermieten. Ah, das wär' was ...! Jetzt fahr' ich 'rauf auf den Semmering, setz' Ihre Mieter eigenhändig aus meinem Häusel an die Luft. So wahr ich der Anton Sternfeld bin ... eigenhändig!«

Die Döblinger unterdrückte rasch ein leichtes Grienen. »Schaffen's noch was, Herr Graf?«

»Nix. Lassen's Ihna heimgeigen ...«

Und als sie draußen war, atmete er wie befreit auf. »Mir haben ja noch ein paar Markeln – bis auf den Semmering wird's reichen. Morgen fahr' ich.«

Aber die Mama gab es unter keinen Umständen zu, daß er allein fuhr. Er war ein zu »Wilder«. Sie lebte gern in dieser Vorstellung. Und da sie trotz allem etwas hatte, was ihm schmeichelte, ließ er sie dabei. Unterwegs steigerte sich seine Wut zum Paroxysmus, um so mehr, als nach Durchzählen ihres Privatvermögens die vierte Klass' das einzig Erschwingliche blieb.

»Wie lieb es daliegt, unser Häusel!« kam es zitternd von den Lippen der Mama.

»Und an Lüfterl weht da ... an Lüfterl ...!« murmelte wehmütig der Papa, nahm seinen Hut ab und ließ den würzigen Tannenduft sein Gesicht, seinen jetzt schon recht weiß gewordenen Kopf umfächeln. Behutsam gingen sie um das Staketl herum. Hinterm Häusel – gleichsam als Übergang zum Wald – lag ein kleiner Hof mit zwei hohen Fichtenbäumen, die wie Schildwachen standen.

»Wein' nit, Muzi ... die Bagag' fliegt ... So, nun laß mich vorangehen ... Ich werd' schon ...«

Aber in diesem Augenblick schrie die Mama auf.

»Jessas ...!« Und noch einmal: »Jessas!«

Der Graf Sternfeld aber stand wie versteinert. Auf dem Viereck des Hofes erblickte er zwei große nackte Männer, nur mit Sandalen und einer Badehose bekleidet. Sie trugen Boxerhandschuhe und sprangen einander an wie wildgewordene Panther. Der Schweiß sickerte ihnen den Rücken entlang und stand in großen Tropfen auf ihren Gesichtern. Der Körper des einen Mannes war dunkel wie gegerbtes Leder, das Fleisch des anderen leuchtete in blendendem Weiß.

An den Fichten standen je ein paar Stühle. Kleine schwarze Negerbengels hielten Laken über den Armen. Ein junger blonder Mensch in Dienerbeinkleid und Hemdsärmeln wrang einen riesigen Gummischwamm in einem Wassereimer aus.

An der Türrippe, die in den hinteren Hauseingang führte, lehnte ein großer, häßlicher Mann, dessen eines Auge geschlossen, das andere aber in blitzendem Feuer auf die Boxer gerichtet war. Er rauchte aus einer unheimlich breiten Pfeife und lachte mit lauter, rauher Stimme, wenn ein Stoß seinen besonderen Beifall fand.

Und nun kam eine junge Frau heraus, blond – schlank – in kurzem weißem Flanellkostüm.

»Lunch! Lunch!« rief sie den Boxern zu und klopfte dem häßlichen Riesen freundschaftlich auf den Arm. Weil aber die Kämpfer nicht aufhörten, nahm sie einem der Negerjungen ein Handtuch ab und schlug damit zwischen die beiden schweißtriefenden Körper.

»Nun ist es Zeit, Tom.«

In ihrem Gesicht lag strahlendes Lachen. Die weißen Tücher wehten wie Fahnen im Wind.

»Bob ... den Schwamm ...«

Und sie nahm dem Diener den Schwamm ab, stellte sich auf die Zehenspitzen, kühlte den Kopf des blonden jungen Riesen – seine Arme, die er ihr gehorsam entgegenstreckte. Da erblickte sie die zwei alten Leute, die draußen standen vor dem Staket, und der Schwamm entfiel ihrer Hand.

»Komm, Muzi, komm schnell,« flüsterte Papa Sternfeld mit weißen Lippen und zog die Mama um die Ecke, zurück auf die schmale, nur mehr als Gehweg benutzte alte Chaussee.

Wanda aber war durch das Haus gelaufen und stand nun am Gartenpförtchen, das sie aufriß.

»Wollt ihr herein? Wir wollen gerade frühstücken ... kommt doch.«

Sie hielt ihnen beide Hände hin. Herzlich wie nie vorher. Wußte vielleicht selbst nicht, daß ein schmerzvolles, tiefinneres Sehnen beim Anblick der zwei Alten in ihr erwacht war – und zugleich ein Wunsch. Sie sollten dem alten Mann nach Berlin schreiben, wie glücklich sie war, wie über alle Worte glücklich ... Aber die Hände fielen ihr herab. Stocksteif standen die alten Grafen.

»Ja ... wenn ihr nicht wollt – –«

»Wir wollen ... wir können nicht, nach dem –«

»Was du uns allen angetan hast,« setzte die Gräfin den Satz ihres Mannes fort, dem Empörung die Kehle zuschnürte. »Uns angetan – der Familie – den Hohen-Steinecks, den Sternfelds. Tausendmal schlimmer als deine Mutter hast du gehandelt. Die ist wenigstens heimlich ihrem Laster nachgegangen. Du aber hast hundertjähriger Tradition ins Gesicht geschlagen – offen vor aller Welt.«

Graf Anton Sternfeld sah die Mama bewundernd an. Nie hatte er sie so reden gehört, nie so große Worte von ihr vernommen. Ganz feierlich wurde ihm zu Sinn. »Komm,« sagte er und reichte ihr den Arm, als befänden sie sich auf dem Parkettsaal der Hofburg und nicht auf einer staubigen, alten Chaussee.

Wanda stand regungslos. Jetzt war das Letzte abgebröckelt, was sie noch an ihre Vergangenheit band. Sie sah den zwei alten Leuten nach, wie sie eng aneinandergeschmiegt und schwankenden Schrittes sich entfernten. Wie war es möglich, daß sie nichts geantwortet hatte? Es wäre doch so einfach gewesen: »Meine Mutter folgte dem Schrei ihrer Sinne – ich dem Schrei meines Herzens ...« Das hätten sie doch verstehen müssen – die Sternfelder Grafen – diese sentimentalen, sich in Gefühl auflösenden Wiener.

Man saß schon beim Gabelfrühstück, als Wanda zurückkam.

» What's the matter?« rief Stephens ihr entgegen.

Sie war erschreckend bleich. Aber sie lächelte.

»Nichts. Es waren da nur ein paar alte Leute, die sich nicht auskannten.«

Tom King sah und hörte nichts. Er stritt, lebhaft, wie Wanda es sonst nicht gewöhnt war an ihm, mit seinem Trainer über die Zulässigkeit eines Stoßes. Er hatte sich, wie es schien, »in der Rage vergaloppiert«. So etwas passierte ihm sonst nie – und der Trainer, Vertreter des klassischen Boxkampfes, ließ ihm nichts durchgehen. Stephens schüttelte den Kopf. Er schätzte nichts Theoretisches, war aber dennoch wütend, wenn Tom sich eine Blöße gab.

» Damned boy, damned boy,« schimpfte er giftig.

Nur Mister Quick, der hastig sein Dessert hinunterschlang, während die anderen noch beim Lungenbraten hielten – Mister Quick schien ganz uninteressiert, obwohl er allein wußte, daß jedesmal, wenn von drüben eine Depesche oder gar ein Brief eintraf, King boxte oder rang wie ein Messe-Athlet. – –

Zu Hause fanden die Sternfelder einen Brief vor – aus der Schweiz.

»Vom Buben!« rief der Papa. »Endlich!!«

Aber er war nicht vom Buben – nicht mal von der Steffi.

»So lies doch, Anton!« drängte die Gräfin.

Schrecklich waren diese Aufregungen! Sie buchstabierten die Unterschrift: Frau Bächlisberger.

In diesem Augenblick sagte ihnen der Name gar nichts. Die Schrift war nicht unelegant, die Orthographie nicht ganz einwandfrei. Frau Bächlisberger meldete dem Herrn Grafen Sternfeld, daß sein Sohn Xaver zufällig in ihrem Hotel abgestiegen sei und gleich in derselben Nacht erkrankt wäre. Da Hotelwirte orientiert sein müßten, hatte sie die zwei Briefe gelesen, die dem Kranken lose in der Tasche gesteckt. Daraufhin hätte sie ihn nicht ins Krankenhaus expediert, sondern selber gepflegt – sie konnte wohl sagen »wie eine Mutter«. Jetzt wäre er außer Gefahr, nur noch schwach, aber bei der guten Kost im »Luzerner Hof« würde er sich rasch erholen. Wenn er erst selbst schreiben könnte, würde er auch mitteilen, was für eine Veränderung in seinem Leben eingetreten sei. Aber die Herrschaften brauchten sich nicht zu sorgen. Bezahlen brauchten sie nichts für ihn. Der Doktor ließe nur bitten, ihm nichts Aufregendes zu schreiben, bis er alles überwunden hätte. »Mein Mann wird schon alles machen, um ihm zu einer guten Stellung zu verhelfen. Anbei unser Hotelprospekt für den Fall, daß die Herrschaften hierher kommen wollten. Natürlich sollen den Herrschaften Vorzugspreise eingeräumt werden. Mit Hochachtung Frau Bächlisberger, geborene Leimgruber.«

Da fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen. Die Flora! Die Flora Berger! Die, um den Luzerner Hotelwirt heiraten zu können, ihre Tochter Agath' ...

Der Papa tobte wie ein Wilder. Die Mama weinte wie eine Fontäne, die Mariann' kam dazu und heulte mit.

»Nichts Genaues wissen! ... Kein Geld haben! ...«

»Doch!« schrie die Mama. »Das Perlenkollier ...«

»Das haben Gräfin Erlaucht doch der Stumperischen g'schenkt.« Die Mariann' war ganz vom Bändel. Umbringen hätt' sie können alles, was mit den Stumperischen zusammenhing.

»Das Jagdhäusel,« überschrie der Papa, »das wird verkauft. Das is noch das einz'ge, was uns g'hört. Sofort wird's verkauft, ob mit oder ohne Boxer ... Morgen muß mir der Dostal her ...«

Die Mama hielt mit spitzen Fingern den Brief, und ihr Gesicht wurde abwechselnd blaß und rot.

»Du ... was schreibt die Person von Veränderungen? Und warum is die Steffi nit bei ihrem Mann?«

»Am End' is ihm durchgegangen?« Es wurde dem Papa sehr schwer, das über die Lippen zu bringen.

»Wann das wär' ... um Gott's willen ... das ...?«

Und wieder hielten sie einander bei den Händen wie Kinder, die sich vor dem Dunkel fürchten.

»Oder die Stumperischen haben's Geld verloren ... alles – bis auf den letzten Heller,« geiferte die Mariann' hoffnungsfroh. Dann humpelte sie zu einem Tisch, der halb wie ein Näh-, halb wie ein Schreibtisch aussah.

»Wollen Euer Gnaden nit dem jungen Herrn Grafen schreiben?«

Die Mama schüttelte den Kopf.

»Telegraphieren,« entschied sie. »Etwas, das ihn nit aufregt.«

»Ja, Muzi, das wollen wir ... Aber was?«

»Gute Besserung, Xaverl. Sind mit allem einverstanden, was Du auch machst. Deine Alten,« diktierte sie. Sie war halt doch g'scheit, die Mama.

»Obwohl: was Du auch machst ... Na also, in Gott's Namen.«

Die Mariann' erbot sich selbst, das Telegramm abzutragen. Das war Heroismus, denn die Mariann' rührte sich sonst nicht mehr vom Fleck.

»Du, Muzi ... das Jagdhäusel, damit hat's ang'fangen,« murmelte der Papa schwermütig.

Die Mama schüttelte zornig den Kopf. »Mit der Person hat's angefangen, der Ronacherschen ...«

Da traute er sich nichts mehr zu sagen, setzte sich still an das kleine Tischchen und beschied den Dostal für den nächsten Tag zu sich.

Dostal kam erst am übernächsten. Kam in seinem schwarzen Bratenrock und mit einem meschanten Zylinder, dessen Seide sich trotz des wiederholten Überbügelns mit dem Ellbogen sträubte wie das Fell eines kranken Katers.

Mariann' hatte die Resi in die Stadt geschickt und stand nun unter heftigsten Schmerzen mit dem Ohr am Schlüsselloch. Aber alles, was sie nach langer Zeit auffing, war nur ein Aufschrei der Gräfin und vom Grafen ein halb ersticktes: »Himmelsakra ... Kruzitürken ...«

Da ging die Mariann' in ihre Kammer und betete ein paar Rosenkränze. Darüber schlief sie ein. Sie fuhr zusammen beim Aufwachen, weil sie sah, daß sie die Teestunde verschlafen hatte. Rasch glättete sie mit beiden Händen den leicht zerrauften Scheitel und schlich schuldbewußt ins Wohnzimmer.

Da saßen die gräflichen Herrschaften nebeneinander auf dem Diwan, mit leeren Augen und Gesichtern, die um zehn Jahre gealtert waren.

»Gleich bring' i den Tee, gräfliche Gnaden ...«

»Is nit nötig,« wehrte die Gräfin ab.

»Nein, Mariann' ... keinen Tee,« bestätigte der Graf.

»Und abends kein warmes Nachtmahl, Mariann'.«

»Und eine Virginia nur am Sonntag ...«

Die Mariann' hielt sich an irgendwas fest. An was, wußte sie nicht. Da mußte doch dieser Satan, der Dostal ...

»Fahren wir denn nit nach der Schweiz, zum jungen Herrn, Euer Gnaden?«

»Kein Geld, Mariann',« sagte der Graf kurz.

»Ja aber's Jagdhäusel ... Euer Gnaden wollten's doch verkaufen?«

»G'hört uns nimmer, Mariann'.«

Die Gräfin Sternfeld warf den Kopf an die Diwanlehne zurück und verbarg ihr Gesicht unter ihrem Sacktüchel. So fand sie die Kraft, nochmals die furchtbaren Worte zu hören, die der Dostal hier gesprochen hatte. Er hatte das Häusel taxieren lassen. Nit zwanzigtausend Kronen wäre es wert gewesen vor der Hochzeit. Für die Reparaturen, die er hatte machen lassen, war eine Hypothek auf seinen Namen eingetragen worden von dreißigtausend Kronen – als Sicherheit. Nächste Woche war der Wechsel fällig von fünfundzwanzigtausend Kronen und fünftausend Mark, die die Berliner Reise gekostet hatte – und den die Sternfelder natürlich nicht einlösen konnten.

Nur auf Steffis ausdrücklichen Wunsch, den alten Leuten das Leben nicht schwer zu machen, hatte Dostal noch weiter für die Wirtschaft gesorgt. Aber so leid es ihm tat, den Wechsel mußte er einklagen und zu Protest geben, und das Häusel g'hörte eigentlich so gut wie ihm, oder, wie er sagte, der »Kassa«. Denn verpflichtet wäre die Kassa eigentlich zu nix, nachdem der junge Graf die Steffi hatte sitzen lassen.

Die Mariann' sah aus wie ein verwitterter Stein. Sie wußte, was alles wieder bevorstand an Kümmerlichkeit und schweren Tagen für ihre Herrschaft und sie selbst.

»Die Gräfin hat noch eine Hermelinboa, und ich hab' einen Gehpelz. Die verkaufen wir,« fuhr der Graf fort. »Da können wir in einem möblierten Zimmer abwarten, bis der Bub so weit ist und eine Stellung hat, von der für uns ein bissel was abfallen tut. Sie, meine arme Mariann', müssen halt schau'n, wo's unterkommen.«

Ein tiefer Schluchzer löste sich aus der Brust der Gräfin. Mit dem Weggang der Mariann' zerfiel endgültig ihr ganzes Leben. Durch das hagere Gestell der alten Dienerin aber ging es wie ein elektrischer Strom, und heftig stieß sie den Stuhl, dessen Lehne sie umklammert hielt, unter den Tisch.

»Hab's nit verdient um Euer Gnaden, daß ich einfach so weggeschickt werd' wie ein abgetakelter Gaul. Hab' all mein Lebtag von den Sternfelders mein Brot g'habt. Alsdann, jetzt muß ich Euer Gnaden was sagen: die Wohnung behalten mir. Schön is nit, aber immer noch schöner als an möbliertes Zimmer. Die Resi brauchen wir nit. Was die arbeiten kann, kann ich schon lang. In der Resi ihrer Kammer schlaf' hernach ich, und mein Kabinett vermieten wir. Die Wohnung kommt auf meinen Namen, Mariann' Reithofer, daß nit an jeder schon draußen am Schild sieht, wo die Sternfelder Grafen wohnen. So ... und jetzt kriegen's gleich Ihren Tee, gräfliche Gnaden, und die Virginia, und ...«

Gräfin Sternfeld hatte sich längst das Tüchlein abgerissen und starrte ihre wildgewordene Kammerfrau fassungslos an. »Du ... Anton ... die is ...«

»Narrisch sind's worden auf Ihre alten Tag',« donnerte der Papa.

»Wo nehmeten's denn das Geld her, Sie damische Urschel, Sie?«

Ganz falsch blickten der Mariann' ihre kleinen Augen. »Wo's Geld zu liegen hat von unsereinem, von der Sparkassen!«

Und unbotmäßig zum erstenmal in ihrem Leben keifte sie:

»Jetzt siech ich's ja – gut schauten mir aus alle miteinand', wann ich nicht an bissel an meine alten Tag denkt hätt'. Eine Nichte von mir hätt's kriegen sollen, das ganze Gerschtel. Aber die hat selber genug – hat an Kaffeehausb'sitzer g'heirat. Und ich – z'was brauch ich – sechzigtausend Kronen?«

Graf Sternfeld sah sie ganz fassungslos an.

»Sechzigtausend ... Sie haben sechzigtausend – – woher – –?«

Sie zählte an den Fingern ab. »Alsdann: dreißig geerbte, zwanzig g'sparte und zehn –«

Sie würgte an dem Wort und schrie endlich grob, außer sich vor Wut und Empörung, daß sie ihr tiefstes Geheimnis preisgeben mußte:

»Alsdann ... zehn kleinweis g'stohlene aus der Zeit, wie's noch im Hütteldorfer Schloß so hoch hergangen is, als wann an jeder Tag Fasching wär'. So, gräfliche Gnaden ... jetzt können's mich einsperren lassen, wann's wollen –«

Und sie humpelte nicht, sie ging ... nein, sie ging nicht – sie lief aus dem Zimmer wie ein Wiesel ... als hätte es nie Rheuma auf der Welt gegeben ... oder humpelnde alte Weiber, die an den Türen horchten.

* * *


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