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Das Hexeneinmaleins

Ulrike hatte mit Philipp Gentili die feste Abmachung getroffen, daß er einmal jeden Monat über den Sonntag kommen sollte, um sie über den Verlauf der Börsenoperationen zu unterrichten, die er für sie ausführte. Den Leuten wurde natürlich gesagt, er besuche seine Mutter.

Schriftliche Mitteilungen von ihm hatte sie sich verbeten. Erstens kannte sie sich nie recht aus. Das Soll und Haben, hart einander gegenüber, verwirrte sie. Zweitens hatte sie die Postbeamten, den Briefträger, Kreszenz und Anastasia im Verdacht der heimlichen Öffnung ihrer Briefe.

Sie selbst entschloß sich nur bei dringendstem Anlaß zu einer Reise in die Stadt. Jeder Schritt, den sie dazu machte, bereitete ihr Ärger. Die Menschen ärgerten sie, die Einrichtungen ärgerten sie, das Wetter ärgerte sie und die Hotelrechnungen erregten ihre Wut.

Es war daher immer ein bedeutendes Ereignis, wenn Philipp kam. Wochenlange Spannung löste sich erschütternd. Die Schicksalsfrage war dann auf ihren Lippen zu der gierigen Vehemenz gediehen, mit der sie ihn überfiel. Wird einem das Herz stocken oder wird man aufatmen? Das Konto, düsterster aller Begriffe, wurde unheildrohende Gegenwart. Philipp trat auf als Anwalt und Bewahrer oder Feind und Vertilger des Kontos. Hoffnung oder Niederlage hing an einem Lächeln oder Achselzucken. Dreißig Nächte der Erbitterung oder der rosigen Träume, geballt in einen Augenblick.

Bis vor einigen Jahren hatte sie den Neffen für einen Windbeutel gehalten. Mit Grund. Müßiggängerisch trug er seine leidlich hübsche Fratze spazieren, und die Anstellung, die sie ihm später durch ihre Verbindungen verschaffte, war ihm eine Sinekure. Worauf er offenbar lauerte, das war, sie zu beerben, ein Umstand, der ihre Abneigung nicht verminderte, obwohl sie aller Erbschleicherei die eiserne Entschlossenheit entgegensetzte, wie weiland Onkel Clemens, so alt zu werden wie nur irgend möglich. Sie dachte nie an den Tod, und sie fürchtete ihn auch nicht.

Aber Philipp Gentili gehörte zu den Charakteren, aus denen die Hochtemperatur der Zeit Talente hervortrieb, die sonst verkümmert wären. Das Karussell dreht sich; einer aus der Zuschauermenge paßt den günstigen Moment ab, schwingt sich hinauf und wird mitgerissen. Oben angelangt, studiert er die Bewegung und macht sich an der Maschine zu schaffen. Alles scheint ganz einfach. Die Rädchen gehorchen dem Druck seiner Hand. Daß er die verborgenen Teile des Triebwerks nicht kennt, bewahrt ihn nur vor Skrupeln. Die Drehorgel heult, den Passagieren steigt das Tempo zu Kopf, es ist ein Ort trunkener Ergötzlichkeit.

Im Laufe des Jahres 19 hatte er seiner Tante einen Rat erteilt, den sie zögernd und argwöhnisch befolgte. Innerhalb einer Woche hatte sich die Summe verdoppelt, die sie ihm mit vielen Bedenken und Ermahnungen gegeben. Dies hatte das Verhältnis zu Philipp mit einem Schlage verändert. Sie vertraute ihm anfangs kleinere, dann größere Beträge an; er arbeitete vorsichtig und geschickt; die Resultate waren glänzend.

Ulrike Woytichs Entzücken hatte keine Grenzen. Ihre Gedanken waren ausschließlich von dem einen Faktum beherrscht. Es übertraf ihre kühnsten Erwartungen. Es war Zauberei. Sie begriff es nicht. Sie wußte, daß auch in ruhigeren Läuften der eine oder andre mit derlei Künsten zu Reichtum gelangt war, über Nacht, wie man sagte, aber daran teilgenommen hatte sie nicht, das Wagnis war zu groß, die Gelegenheit fehlte, und zu krampfhaft hielt sie fest, was sie besaß, um nur ein Geringes davon aufs Spiel zu setzen.

Bei aller Schlauheit und Sucht waren ihre Überlegungen von sonderbarer, fast bäurischer Naivität. Woher kam es? wem wurde es entwendet? wieso durfte man es behalten? warum gab es noch Dummköpfe, die arbeiteten, während man doch Geld in Haufen erraffen konnte, ohne zu schwitzen und sich das Hirn zu zermartern? Sie kam sich vor wie das Mitglied eines Geheimbundes, einer Goldmachergilde, und war eigentlich beständig darauf gefaßt, daß man sie in eine Höhle verschleppte, wo sie einen furchtbaren Schwur ablegen mußte. Da sie nicht begriff, wuchsen die Möglichkeiten ins Ungemessene und ihre Gier überwucherte die Vernunft.

Philipp wünschte für seine neuentdeckte Begabung einen Bezirk, wo er frei schalten durfte. Ulrike verwendete sich für ihn mit Eifer bei einem ihrer alten Freunde, einem Bankier namens Remscheid, der sich zurückgezogen und das Geschäft seinem noch ziemlich unerfahrenen Sohn überlassen hatte. Gentili wurde angestellt und schwang sich in wenigen Monaten zu einer einflußreichen Position empor, indem er den veralteten, aber zuverlässigen Betrieb zeitgemäß umformte und ein Luftgebäude errichtete, wo vordem ein wohlfundiertes Haus gestanden war. Es ergab sich von selbst. Niemand nahm Anstoß oder erklärte gar, er sehe das Gebäude nicht. Im Gegenteil, alle liefen wie besessen hinzu und suchten den Eingang.

Auch Ulrike Woytich beeilte sich. Sie vertraute der Firma ihr gesamtes Barvermögen an. Das war mit Schwierigkeiten verknüpft, da sie einen beträchtlichen Teil in Berlin festgelegt hatte, nämlich bei Lothar Mylius, der ihr acht Prozent Zinsen zahlte. Das Band zwischen ihm und Ulrike hatte sich durch die Jahrzehnte geschlungen; bisweilen hatte sie ihn in seiner fürstlichen Wohnung besucht, und er seinerseits hatte ihr trotz seiner berüchtigten Menschenverachtung eine gewisse gedankenlose Anhänglichkeit bewahrt. Er warnte sie, als sie ihm ihren Entschluß mitteilte. Da ihn eine Sommerreise in die Nähe geführt hatte, lud er sie zu einer Besprechung nach Salzburg ein. Sie brachte Philipp Gentili mit. Mylius verbarg zuerst seinen Verdruß nicht, dann aber fand er an Ulrikes Schützling Gefallen. Die zynische Unbeirrbarkeit des Dreißigjährigen, mit der er gesonnen war, die abenteuerliche Weltlage zu nutzen, die grausig-pessimistischen Prophezeiungen dessen was kommen würde, die eines Polizeiaktuars würdige Trockenheit des Umgangstones, das alles imponierte ihm, der selbst ein Zyniker ohne die geringste Spur einer Herzenserleuchtung war. Da er wie die meisten Geldleute des Reichs Kapital zu zerstreuen und in verschiedenen Schlupflöchern zu sichern wünschte, und da seine Erkundigungen günstig ausfielen, erlegte er am selben Tag, an dem er Ulrikes Ersparnisse überwies, anderthalb Millionen Mark bei Remscheid & Co für seine eigene Rechnung.

Ulrike triumphierte. Sie hielt Lothar Mylius in Geldangelegenheiten für ein Genie. Daß es Philipp gelungen war, ihn so rasch auf seine Seite zu ziehen, stellte ihn in ihren Augen außerordentlich hoch und brachte jede Beunruhigung zum Schweigen. Um sich Philipp erkenntlich zu erweisen und ihn anzuspornen, nahm sie ihm die Sorge für seine Mutter ab, und Anastasia durfte bei ihr das Gnadenbrot essen. Daß es kein besonders kräftiges und wohlschmeckendes Brot war, auch zumeist ohne Butter genossen werden mußte, hat sich bereits gezeigt.

Die Ankunft Gentilis versetzte sie jedesmal in quecksilbrige Beweglichkeit. Schon um sechs Uhr morgens war sie auf den Beinen. Um neun Uhr unternahm sie eine Art von Waschprozedur, ebenso kompliziert wie unvollständig. Um zwölf Uhr schlang sie stehend ein paar halbgare Kartoffeln als Mittagessen hinab. Um vier Uhr richtete sie ihre Haartracht oder machte wenigstens den Versuch dazu, begnügte sich aber schließlich, mit der Brennschere einige nicht ganz passende Löckchen an der rechten Stirnseite zu verfertigen, die die Aufmerksamkeit von dem unentwirrten Schopf ablenken sollten. Um fünf Uhr vertauschte sie die zertretenen Schlapfen mit ein Paar Röhrenstiefeln, in welchen ihr Schritt einen Kanonier hätte beschämen können. Kreszenz, von schmetternden Kommandos bald da, bald dorthin gerufen, rächte sich durch fortwährendes unterdrücktes Fluchen. Um sieben Uhr hörte man den Wagen vor das Haus poltern.

Begrüßung; die üblichen Fragen; die üblichen Erzählungen; die übliche Lobpreisung des Landlebens von seiten des Gastes; ein wenig Klatsch und Neuigkeitskrämerei; z. B. ob man schon wisse, daß die Baronin Melander wieder auf Eckern eingezogen sei. Ja, Ulrike hatte es vernommen; Kreszenz hatte die Nachricht aus dem Ort gebracht. Sie schnitt eine Grimasse; immer dieselbe, wenn sie den Namen hörte oder nannte.

Dann die stumme Frage, die über alles entschied, die seit der ersten Sekunde in Ulrikes Blick gelodert hatte. Philipp rieb sich die Hände. Er schien zufrieden. Er nickte zufrieden und strich seiner Tante aufmunternd und fröhlich über den Rücken. Es stieg Ulrike wie Champagner zu Kopf und sie konnte ebenfalls nicht umhin, fröhlich zu gluckern. Sie machte eine einladende Gebärde, und indes Anastasia den Abendtisch richtete, zogen sich die beiden in ein Zimmer des oberen Stockwerks zurück wie ein ungeduldiges Liebespaar, das sich nach langer Trennung zu zärtlichem Alleinsein begibt.

Es war das sogenannte italienische Zimmer, ganz in Blau und Gold, mit zierlichen Stühlen und Tischen, schöngerahmten Gemälden, erlesenen Fayencen und Majoliken und einem sienesischen Intarsiaschrank. Links und rechts schlossen sich andre Räume an, das französische, das englische, das Biedermeierzimmer, jedes ein Museum voller Kostbarkeiten, mit geschnitzten Möbeln und Truhen, Porzellan aus der Blütezeit der Fabriken, Brokatstoffen, Spitzentüchern, alten Kirchenstühlen, Leuchtern, pergamentgebundenen Büchern, Kristallüstern, Bronzefiguren und Bildern der achtziger und neunziger Jahre von Munkaczy, Makart, Lavery, Horwitz und Lenbach. Das letzte Gemach nach links hin war ein winziges holzgetäfeltes Rondell, in dessen Mitte auf einem sechseckigen Postament eine große Puppe stand: die altenglische Puppe aus dem ehemaligen Myliusschen Laden. Mit ihren fremdartigen, weitgebauschten Gewändern und dem rätselhaften Lächeln in dem Wachsgesicht erhob sie sich in dem dämmernden Licht wie ein geheimnisvoller Hausgötze.

Nie trat Philipp Gentili über die Schwelle dieser Räume, ohne einen andächtigen Schauer zu verspüren. Nicht aus Empfindsamkeit; nicht weil hier ein reiches Leben voll eines ihm unbekannten Inhalts zur Anschauung wurde; sondern, seiner praktischen Denkungsart gemäß, wegen des kaum abzuschätzenden Wertes dieser Dinge. Darum begegnete er seiner Tante mit der nachdrücklichen Hochachtung, die er nur gegen Personen hatte, deren sozialem Übergewicht man sich beugen mußte; darum ertrug er ihre Schrullen und Launen und hütete sich, ihr zu widersprechen; was ohnehin nicht leicht war, da ihre tyrannische Natur minder starke Charaktere von selbst unter ihren Willen zwang.

Wenn alles schief ging, und solchen heimlichen Fatalismus der Furcht konnte er bisweilen nicht abwälzen, trotz der rauschhaften Zuversicht, die mit seinem Gewerbe verbunden war, und die er sich aufklebte wie eine Maske, wenn alles schief ging, hier war man geborgen, hier war die rettende Insel. Das gab Hintergrund, das gab Auftrieb. Jeder einzelne Gegenstand grüßte ihn als Erben, und er hatte bereits seine Pläne, wie er aus eigenen Mitteln das einfache Landhaus zu einem Prunk- und Herrensitz ausbauen würde. Sein messender Blick überflog die Alte: ihre Jahre messend, ihre robuste Kraft, ihren starken Gliederbau, ihre unerschütterliche Stirn, ihren pittoresken Aufzug, durch den sie gleichsam die Zeit verhöhnte.

Indessen war es nötig, von den Geschäften zu sprechen. Ulrike konnte ihre Ungeduld nicht mehr bezähmen. Man sei auf gutem Weg, versicherte Philipp Gentili; die Aussichten seien günstiger als je. Jetzt heiße es zugreifen; der historische Moment sei da. Ulrike Woytich riß die Augen auf, die Lippen wölbten sich, die Finger krümmten sich, atemlos trank sie seine Worte. Er sprach in seinem Bankjargon, der ihr zum Rasendwerden unverständlich war, von der großen Favoritin des Geldmarktes, für die sich seit kurzem sogar die zurückhaltendsten Faktoren engagiert hätten und die einer unvergleichlichen, nie dagewesenen Hausse entgegengehe: der polnischen Mark. »Vertracktes Judenlatein, red deutsch mit einem«, stöhnte Ulrike. Da lachte er als ob ihn der Bock stieße und bemühte sich, ihr die Sache zu verdolmetschen. Es gelte billig zu kaufen. Das Problem sei bereits vor acht Tagen brennend gewesen. Ihrer Zustimmung und nachträglichen Genehmigung sicher, habe er zur richtigen Stunde Auftrag erteilt. Er nannte eine Summe, bei der Ulrike die Knie schlotterten. Sie mußte sich stützen. Gentili geleitete sie zu einem Stuhl und machte eine Zeremonie daraus, ihr beim Niedersitzen behilflich zu sein; dann putzte er seinen Kneifer und kicherte trocken. Ulrike schnappte noch immer nach Luft. Sie sah ihn mit einer Mischung von Staunen, Schrecken, Argwohn und Hoffnung an. Sie erkundigte sich nach dem Ertrag des letzten Monats. Seine Antwort goß Frieden über die verstörten Züge. Zur Beglaubigung seiner Angaben brachte er einen Kontoauszug zum Vorschein und setzte ihr zum soundsovielten Male das kunstvolle Widerspiel der Zahlen auseinander. Andächtig strich sie mit der entballten Hand über das änigmatische Blatt. Ein seliges Schmunzeln, um so verräterischer, als sie es zu verbergen bestrebt war, wetterleuchtete in ihrem Gesicht. Leise schnurrend wie ein Kater grub sie in der metertiefen Tasche ihres Rocks nach der Pfeife.

»Schön«, bellte sie wohlwollend, als die Pfeife brannte, »sehr schön. So kann ich doch wieder eine Zeitlang ruhig schlafen. Da braucht man doch nicht Angst zu haben, daß man auf seine alten Tage auf dem Straßenpflaster krepiert. Da scheinst du ja ganz brav manövriert zu haben, du gefinkelter Teufel, du. Na ja, der eine hat die Grütze, der andre die Mütze. Verstehn kann ich die Geschichte nicht, das sind mir lauter böhmische Dörfer, aber es ist ja auch nicht notwendig, daß ein altes Weib wie ich alles versteht. Wenn man ihr nur vergönnt, daß sie ihren kleinen Profit dabei macht.«

Sie lachte und geriet allmählich wieder in ihr schallend lautes Sprechen. »Das hab ich nicht lieb«, fuhr sie halb zänkisch, halb humorig fort, »daß die Adepten sich die saftigen Brocken aus der Schüssel holen und unsereins steht mit hängender Zunge daneben. Darf ich mit dabei sein und gibt man mir was ab: gut; aber das Nachsehn hab ich nicht lieb. Wie macht man einen blutrünstigen Sansculotten zu einem sattelfesten Bourgeois? Weißt du das, mein Sohn? Man gibt ihm was ab.«

Philipp Gentili nickte begeistert und vereinte sein Gelächter mit dem ihren.

»Natürlich, wenn ihr aus einem einzigen Guldenzettel hundert macht, ihr Schwindler«, krakeelte Ulrike weiter, »und dem gutgläubigen Schafsvolk aufredet, das Hundertstel ist noch genau soviel wie das Ganze, so dürft ihr euch nicht wundern, wenn sie rebellisch werden. Hütet euch nur vor dem Tag, wo sie sich weigern, eure falsche Münze länger für bare Münze zu nehmen, während ihr euch schadlos haltet und einander die unbeschnittenen Scheine in die Hände spielt. Es ist doch eigentlich zum Gruseln mysteriös, was ihr da in eurer Sudelküche für giftige Tränklein braut und für chaldäische Beschwörungsformeln ausheckt.« Sie erhob sich, legte beide Hände auf seine Schultern, rüttelte ihn, und indes ihr geistreich-böses Gesicht zuckte und funkelte, sprach sie: »Aus Eins mach Zehn und Zwei laß gehn und Drei mach gleich, so bist du reich. Ists nicht so? Leugne es, wenn du kannst!«

»Es mag schon so sein«, gab Philipp Gentili, dem unter der rauhen Vertraulichkeit des alten Fräuleins etwas unbehaglich zumute wurde, verlegen und belustigt zu, »aber du, Tante Ulrike, bist doch keinesfalls auf meine magischen Künste angewiesen. Du hast, was tausendmal besser ist als Geld. Du hast Sachen. Und was für Sachen!« Er deutete mit bewunderndem Blick ringsum.

»Sachen, ja Sachen«, brummte Ulrike, plötzlich verdrossen, und bewegte die Finger als wolle sie seinen lüsternen Blick durchschneiden wie einen Faden. »Die gehören mir, jawohl. Die Sachen gehören mir. Oder sagen wir richtiger: die gehören zu mir. Kannst du das auch genau unterscheiden, du gewitzter Herr? In denen steckt mein Leben. Die kann ich nicht vertun. Für die kann ich mir kein Brot und kein Fleisch kaufen, und auch andere werdens nicht können, dafür ist gesorgt. Die sind mein wie meine Füße und meine Ohren mein sind. Das sind Inbilder, verstehst du das? Jedes einzelne ist ein Inbild: ein Merkstein, jedes ist ein Stück von mir. Was könnt ihr davon wissen, ihr Heutigen, ihr Allzuheutigen, ihr Nestlosen, ihr Hauslosen!«

Sie hatte sich in Zorn geschrien und schüttelte die Faust. Philipps zerknirschte Miene versöhnte sie jedoch rasch; sie brach in ein grobes Männerlachen aus, pflanzte sich in ihrer hageren Größe vor ihn hin und deklamierte mit stumpflohenden Augen, heimlich erheitert von der dümmlichen Ratlosigkeit des Neffen: »Verlier die Vier, aus Fünf und Sechs, so sagt die Hex, mach Sieben und Acht, so ists vollbracht: und Neun ist Eins und Zehn ist keins. Ja, mein Teuerster«, schloß sie und paffte Dampf aus ihrer Pfeife, »man kennt seine Klassiker. Man hat seine Traditionen. Man ist nicht durch den Rauchfang auf die Welt gekommen.«

Sie nahm seinen Arm, damit er sie zu Tisch führe.


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