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9.

Am anderen Tage waren Carl und sie bereits auf der Route nach Dijon. Sie hatte ganz neue Pläne. Damals als sie ein Neuling noch in der Welt, durch die Schweiz gereist, hatte sie nur im Fluge die stolzen großen Hôtels der Luft-Kurorte, die lustigen Karavanen der dieselben bewohnenden Touristen gesehen.

Diese waren jetzt ihre Sehnsucht. Ihre Toilette war eine glänzende. Man hatte aus Paris noch wunderbare Roben gesandt; keine Herzogin sollte sie übertreffen.

Carl saß im Coupé ihr gegenüber und las. Ihm war's auch recht, daß er den Strand verlassen. Die Weiber, die da den Vormittag halb nackt umher gelaufen und die Nächte, zwar unten übermäßig mit Schleppen bedeckt, aber oben desto freigebiger, durchschwärmt, sie waren ihm zum Ueberdruß geworden. In der Schweiz gab's Ruhe und Behaglichkeit und vielleicht konnte er sparen dort nach so enormen Ausgaben.

Sie sprachen wenig mit einander. Stella dachte rückwärts. Sie hatte doch viel gelernt in der Schule dieser pariser Damen. Wie einfältig war sie bis dahin gewesen! Sie hatten wohl Recht gehabt, als sie ihre Unerfahrenheit für Tugend hielten und sie wie eine Madonna in der Prozession umherführten. Sie waren natürlich entrüstet gewesen, als sie einsahen, daß sie sich geirrt.

Von einem Matrosen aus Trouville, der an Bord der Jacht gewesen, war nämlich Alles erzählt worden, was auf derselben vorgegangen; kein Wunder also, wenn sie eifersüchtig waren!

Stella dachte auch vorwärts. Die Gleichgültigkeit, mit welcher der junge Prinz sie behandelt, hatte sie schwer verletzt. Sie hatte sich's so schön vorgestellt, von einem Prinzen angebetet zu werden. Sie mußte ihn in der Schweiz finden. Erwin hatte ihr gesagt, wohin sein Courier vorausgegangen, um Quartier zu machen. Ihre neuen Toiletten sollten ihn zu ihren Füßen bringen.

Carl sah also schon in den nächsten Tagen seine Wünsche nach Ruhe zu Schanden werden. Stella bezog mit ihm die fürstlich eingerichteten Räume eines der großen auf hohem Plateau belegenen Hôtels. Vom Balkon desselben überschaute er die Eisgipfel der Bergriesen, blickte er hinab auf die grünen Matten der Thäler, und das that ihm allerdings wohl.

Aber Stella kannte keine Ruhe; sie wechselte mit nervöser Ungeduld die Roben, suchte die Conversations-Säle, den Garten, die Promenaden, erschien in fürstlichem Aufwand an der Tafel, suchte unter den Fremden, sah mit Genugthuung die Sensation, die ihr Erscheinen erregte, suchte und machte Bekanntschaften und brachte eine Revolution in die Hotel-Gesellschaft.

Der Prinz war noch nicht da, aber er ward täglich erwartet. Stella erkannte bereits seine Livree unter den übrigen Dienern. Sie machte Ausflüge im Sattel, zu Fuß mit langem Alpenstock, stets in Gesellschaft, nahm jede Huldigung der Herren an und verletzte das Zartgefühl der Damen.

Carl war gewöhnlich an ihrer Seite, aber seine Rolle erschien Keinem eine beneidenswerthe. Er ermüdete bei ihrer Rastlosigkeit und begann schon in den ersten Tagen beim Billard und dem Ecarté Erholung zu suchen, während sie in ihrem Salon ihre schnell gewonnenen Bekannten empfing.

Der Prinz kam mit seinem Gefolge. Erwin ward von ihr noch am selben Abend empfangen als Carl in den Spielzimmern saß. Beide begegneten sich wie alte Freunde. Er durfte zugegen sein als sie ihre Toilette wechselte, um sich zum Souper in die Speisesäle hinab zu begeben.

»Du wirst meinen Mann heut Abend sehen«, sagte sie, als sie von ihm begleitet hinabstieg, in einem Ton, als sei es nicht zu vermeiden, einem recht lästigen Menschen guten Abend zu sagen.

Erwin begrüßte den Gatten mit herablassender Freundlichkeit, als er, durch Stella gerufen, an dem Souper Theil nahm. Sie war kalt gegen Erwin und Carl sah diesen eigentlich ungern so früh schon gehen, als er noch Dienst zu haben vorgab.

Stella's Laune war während der nächsten Tage eine fieberhafte. Sie suchte den Prinzen, sah ihn mit seinem Gefolge und den Führern in die Berge ziehen. Die Hofherren machten ihr ihre Besuche und wurden von ihr in der intimsten Weise empfangen. Die Hofluft, die diese verbreiteten, schmeichelte ihr. Der Prinz selbst kam nicht.

Sie wollte ihm draußen auf seinen Ausflügen begegnen. Sie verschaffte sich ein Kostüm als Sennerin, trieb sich, da Carl zu faul und sie ihn nicht aufforderte, auf den hohen Matten umher, die Gesellschaft vermeidend und sich unerträglich langweilend im Anschauen der majestätischen Natur, und gab auch das nach wenigen Tagen in tiefster Verstimmung wieder auf, als der Prinz eines Nachmittags ihr wirklich begegnete, von seiner Begleitung auf sie aufmerksam gemacht, einige freundliche Worte an sie richtete – und weiter zog.

Unversöhnlich gekränkt in ihrer Eitelkeit begnügte sie sich mit den Besuchen der beiden Hofherren des Prinzen. Erwin behandelte sie plötzlich mit verletzender Kälte. Er vermied sie und Stella sollte schon in den nächsten Tagen über seine Motive klar werden.

Hanna nämlich erschien von einer Gesellschafterin und ihrer alten Tante begleitet, im Hôtel, um ihren Gatten zu begrüßen und dann mit der alten Dame zu deren Kräftigung einen stilleren Kurort zu besuchen.

Stella sah ihre Feindin an Erwins Arm unten im Garten des Hôtels; sie sah, wie der Prinz zu ihr trat und sie mit Auszeichnung behandelte. Ihre Augen folgten ihnen, als sie mit einem Führer die Pferde bestiegen und fortritten.

Hanna war bleicher, magerer als sonst, sie sah kränklich aus. Mit diesem Gerippe mußte Erwin in die Berge ziehen! Sie lachte hell auf. Aber die Artigkeit, die Huld, mit welcher der Prinz ihre Gegnerin angesprochen, war für sie eine tödtliche Beleidigung. Was war Hanna mehr als sie! ...

Freilich, eine Stimme in ihr selbst, die ihr das Herz zusammenschrumpfen machte, gab ihr die Antwort.

Wären die Berge über der Gehaßten zusammengestürzt, um sie zu zerschmettern, sie und ihn! Was verlor die Welt an diesem klapperdürren Geschöpf!

Hanna sollte sie sehen, wenn sie zurückkehrte, aber nur an der Seite ihres Gatten; sie sollte sie sehen in ihrer glänzendsten Toilette; sie wollte wenigstens den Sieg, den Triumpf der Schönheit ihr gegenüber.

Indeß Erwin selbst schien dies zu vereiteln. Er hatte ihr sicher nicht einmal gesagt, daß Stella hier sei. Er speiste nicht mit ihr an der Tafel und am nächsten Vormittag schon sah Stella von ihrem Balkon aus, wie Hanna mit ihrer Tante, von großem Gepäck gefolgt, in den Wagen stieg und nach kurzem Abschied von ihrem Gatten davonfuhr.

Stella gab sich auf dem Balkon Mühe, von Hanna bemerkt zu werden. Das sollte der Feindin zum Abschied noch einen Stich in's Herz geben.

Erwin, unten stehend, bemerkte es. Er gewahrte auch, mit welch' triumphirendem Blick sie, die Arme auf der Brust gekreuzt, dem Wagen nachschaute.

Mit den Zähnen knirschend trat er zurück. Ihr mußte noch gelungen sein, was er so sorglich zu verhüten gesucht. Hanna mußte sie auf dem Balkon gesehen haben.

* * *


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