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2.

Carl verschwieg Stella, was zwischen ihm und der Mutter vorgegangen; sie indeß errieth es aus seiner Verstimmung, als er danach zum ersten Mal wieder zu ihr kam.

Wirklich verbrachte er acht Tage im heimlichen Zwiespalt mit sich, aber ohne Gewalt über sich selbst. Er hatte die Mutter als Knabe so lieb gehabt. Jene schöne erste Jugendzeit, da er so gern ihren Erzählungen, ihren Ermahnungen horchte, da es ihm so zu dem guten Knabenherzen ging, wenn sie ihm von seinem Vater, von seinen älteren Brüdern erzählte, die der Himmel zu sich genommen, wenn sie ihn an die Mutterbrust drückte als den Einzigen, auf dem all' ihre Hoffnung, der Trost, die Freude ihres Alters ruhe – jene traulichen Stunden traten ihm in's Gedächtniß.

Er hätte ihr so gern Freude gemacht, der armen Mutter, aber warum fand sie diese nicht in dem, was er that? Und wie war das Alles so gekommen! War er die Schuld an alle Dem?

Man hatte sein Vaterhaus verkauft, angeblich weil er einige leichtfertige Streiche gemacht. Seine Schulfreunde hatten ganz andere Dinge in seinem Alter getrieben. Von Blume, diesem Mephisto, der seiner Rache später nicht entgehen sollte, hatte die Mutter sich gegen den eigenen Sohn aufhetzen lassen. Blume hatte nicht geruht, bis er die Fabrik verkauft, um selbst an die Spitze derselben zu kommen, er, dem sein Vater so viel Gutes erwiesen! Dieser Undankbare hatte dafür gesorgt, daß er fortgeschickt ward, damit der heranwachsende Sohn nicht seine Intrigue durchschaue!

Nicht er war Schuld, daß er draußen so wild, so haltlos gelebt; die da draußen in ihm aufdämmernde Einsicht in das, was die Blindheit der Mutter zu seinem Unglück gethan, der Kummer über den Verlust der glänzenden Schöpfung seines Vaters, die unter seiner Leitung, unter so außerordentlichen Zeitverhältnissen zu einer enormen industriellen Hohe geführt worden wäre; endlich die Frage, was er beginnen solle, da der so berechtigte Traum seiner Jugend zerstört ... Und die Mutter hatte da von ihm verlangt, daß er, so hinaus geworfen in die Welt, gleich den richtigen Leitstern finden solle.

Jetzt war er wieder daheim. Er wollte Blume zeigen, was in ihm steckte. Er hatte sein Comtoir gegründet, er wollte auch der Mutter Freude bereiten; er hatte ihr ja genug von seinen Geschäftsplänen gesprochen. Er wollte sich einen häuslichen Herd gründen, und sie drohte ihm mit ihrem Fluch, weil er das Weib begehrte, das er schon als Knabe geliebt.

Stella und er sie liebten sich, sie verstanden sich. Stella hatte ihm das Unglück ihrer Ehe geschildert. Sie selbst hatte die Scheidung von diesem Gatten verlangt, der sie verlassen und über's Wasser gegangen, als sie, die er draußen vor der Stadt wie in einer Klause eingesperrt, um sie ungestört mißhandeln zu können, sich zu dem Entschluß aufgerafft, seine Rohheiten nicht mehr dulden zu wollen. Und die Welt gab ihr jetzt alle Schuld; und die eigene Mutter, die selber einsah, wie unrecht sie gegen den Sohn gehandelt, sie warf sich zwischen ihn und das Weib, das allein ihn glücklich machen konnte!

Was ward aus ihm, wenn er Stella aufgeben mußte! Was war zu wählen: der Mutter Rath? Ihre Kurzsichtigkeit war ihm schon einmal so verhängnißschwer geworden! Oder der Zug seines Herzens? Konnte der ihm zum Unheil rathen?

Er schwankte nicht; aber weh that es ihm, die Mutter so in Thränen zu sehen. Er fand kein Mittel, diese Thränen zu stillen, wenn sie nicht selbst zu ruhiger Einsicht kam. Und doch war er noch Sohn genug, um durch diesen Zwiespalt in tiefer Verstimmung umher zu gehen. Er schützte bei Stella wichtige Geschäfte vor, die ihm im Kopf herumgingen.

Stella ließ ihn gehen und wußte inzwischen sich auf eigene Hand zu amüsiren. Sie fuhr auf die Promenaden, in die Magazine, in's Theater. Sie wußte, daß sie immer Aufsehen erregte, wenn sie in der Loge erschien und suchte dies.

Die Kavaliere bemerkten sie. Stella bemerkte die Kavaliere. Namentlich einer, der immer an seinem bestimmten Platz in der Oper saß, ein großer hübscher Mann, wandte seine Aufmerksamkeit nicht von ihr.

Es war der Bankier Moritzsohn; Constanze hatte ihn ihr früher einmal gezeigt. Sie wollte Constanze auch gelegentlich einmal wieder aufsuchen. Ein einziges Mal sah sie dieselbe im Theater mit der Baronin von Wolffen, aber sie saß sehr fern von ihr.

Sie hatte in der Oper namentlich ihren Spaß an Juliane, die sie unter den Choristinnen erkannt und der sie gern heimlich zunickte.

Das war die glänzende Künstler-Carrière, von der Juliane gesprochen! Sie stand da, immer in wieder anderem Kostüm, zwischen so vielen Anderen, öffnete den Mund und that, als singe sie; dann verzog sie sich mit den Anderen hinter die Coulisse.

Der armen Marion war's schlimmer ergangen; die saß im Gefängniß, weil sie bei ihrer Gräfin gestohlen. Deshalb hatte sie auch in dem Pfandleihhaus immer zu thun gehabt. Und die kleinen Goldsachen, die sie noch immer von ihr in Verwahrsam hatte ... Niemand durfte davon wissen!

Eine Person war ihr im Theater immer ein Dorn im Auge – Hanna, die jeden Abend in der Loge war, und in großer Toilette, ausgeschnitten, mit ihren Salzfässern auf den Schultern.

Andere Herren traten im Zwischenact immer zu Hanna und machten ihr den Hof. Und sie ließ ihn sich machen, namentlich von Einem, den Stella nicht kannte. Das mußte ein Hausfreund von ihr sein.

Erwin war also noch immer verreist. Er hatte die Wahrheit geschrieben. Sie dachte versöhnlicher an ihn; aber sie hatte ja Carl, und das Verhältniß war vernünftiger.

Dieser war jetzt wieder der Frühere geworden. Er hatte den Zwiespalt mit der Mutter überwunden. Er blieb dabei.

Carl war unzufrieden, daß sie so viel in's Theater gehe. Was sie denn machen solle, meinte sie, und ward jetzt ihrerseits verstimmt, einsilbig, ließ träumerisch den Kopf hängen.

Sie fragte auch jetzt Carl absichtlich nicht, was er habe, warum er sie vernachlässigt. Endlich fragte er, warum sie traurig sei.

»O, man muß sich ja stets auf den Verlust des Theuersten bereit halten!« gab sie abgewendet zur Antwort.

»Auf welchen Verlust?«

»Frage nicht, Carl! Ich bin recht verstimmt ... Sieh diese kostbaren Bouquets, die ich da hinter den Ofen gesteckt; sie werden mir seit drei Tagen jeden Morgen gesandt! Ich errathe, von wem! Es ist Moritzsohn, der reiche Jude, der sich schon früher mühte, meine Bekanntschaft zu machen. Er irrt sich allerdings in der Person, aber man kommt ja leicht in eine schiefe Stellung der Welt gegenüber.«

»Der schöne Rafael!« lachte Carl spottend, aber die Lippen zusammenpressend.

»Es geht das Gerede, Du habest Deiner Mutter das heilige Versprechen gegeben, mich zu verlassen, und ich ... o, ich gebe Dir ja Dein Wort zurück; aber ich will nicht beleidigt werden durch Andere, die aus Deinem Versprechen Vortheile für sich erwachsen zu sehen glauben.«

»Wer sagte Dir? ...«

»Es ist ja gleichviel! Ich will Deiner Mutter keinen Kummer bereiten! Du erinnerst Dich, wie ich Dir als Kind schon einmal sagte: ich glaube, sie mag mich nicht! Ich wüßte nicht, was sie sonst gegen mich haben könnte! Daß ich arm bin! Ja, leider hat mein Vater sein ganzes Vermögen wieder eingebüßt, und eben durch diesen Moritzsohn, der es jetzt wagt ...«

Stella trocknete heimlich zwei Thränen, die in ihren Wimpern hingen.

»Geh, sag' Deiner Mutter, Du habest mir nichts versprochen! Es ist auch besser, ich bleibe frei, um nicht noch einmal an einem Mann so bittere Erfahrungen zu machen!«

»Stella! ...«

»Du bist leicht und kann ich denn wissen, was mir später an Deiner Seite drohen würde? Glaubst Du denn, ich hätte Dich nicht schon früher merken lassen, wie gern ich Dich hatte, wenn ich mir nicht immer gesagt hätte: er ist ein schwankes Rohr und er wird lange brauchen, bis er ein wirklicher Mann wird! ... Geh und sag' Deiner Mutter, was ich zu Dir gesprochen!«

Carl biß die Zähne zusammen. Ein wirklicher Mann! Und dieser Moritzsohn wagte es, sie zu beleidigen! Er sah, wie sie sich tief in den Sessel sinken ließ, wie sie mit ihrem Herzen kämpfte und heroisch jedes sie verrathende Zeichen unterdrückte. Sie wollte ihm beweisen, daß sie stärker sei als er.

»Deine Mutter ist eine so edle, würdige Dame; ich habe immer so große Achtung für sie gehabt!« sagte sie, fortschauend. »Ich bin ihr auch jetzt nicht böse, wenn sie gegen mich ist! Sie hat gewiß längst eine Andere für Dich im Sinn. Ich will ja nur Dein Glück.«

Carl hatte sich leise erhoben, er trat zu ihr, kniete vor ihr nieder, nahm ihre Hände und führte sie an seine Stirn, diese in ihrem Schooße bergend.

»Ich bin nicht leicht, Stella«, sagte er. »Weißt Du nicht, daß ich Dich liebte schon damals, als wir noch Kinder waren? Bin ich ein schwankes Rohr, der ich so fest an meiner Liebe hielt und Dich heute inniger, heißer liebe als je? Bin ich so schwach wie Du, die Du Dich eben bereit erklärtest, mir zu entsagen, wenn ich Dir doch schwöre ...«

»Nein, nicht schwören! Ich bitte Dich!« rief sie, ihm ihre Hände entziehend. »Laß uns kalt und ruhig mit einander sprechen und höre mich an.«

Sie schaute sinnend vor sich, ihre Züge waren marmorn kalt, nur ihr Auge war so melancholisch umrandet. Sie kreuzte die Arme auf der Brust, während seine Arme auf ihren Knieen ruhten.

»Es hat in diesen Tagen, während ich Dich so zerstreut sah, eine Wiederannäherung zwischen meinem Vater und mir stattgefunden. Dem Armen war es nicht nur beschieden, sein Vermögen zu verlieren, er ward auch noch das Opfer zweier elender Menschen, die sich verschworen hatten, durch falsche Anklage das Letzte, was er besaß, von ihm zu erpressen. Es that mir weh, den unglücklichen Mann so gebeugt zu sehen; er bedarf einer Stütze; ich versprach ihm, heute Abend mit ihm zusammen zu sein, versprach ihm auch, mich Dem zu fügen, was er über mich beschließen werde. Ich kann, ich darf nicht mehr so allein dastehen; Du siehst, welchen Beleidigungen ich ausgesetzt bin.«

»Vielleicht«, schloß sie, während ein Seufzer ihre Brust hob, »sehen wir uns einige Zeit nicht mehr; vielleicht muß es auf lange sein, denn auch ich bedarf des Schutzes. Deine Mutter hat Recht, wenn sie glaubt, mich falsch beurtheilen zu dürfen. Ich sehe es ein: es ist ein Fluch für jedes Weib, so allein zu stehen.«

Sie wollte sich erheben. Carl, der in sich versunken zu ihren Füßen gelegen, umklammerte ihre Kniee und drückte seine Stirn auf dieselben.

»Bleib, Stella! Ich habe Dich angehört, jetzt höre auch mich!« rief er, sie wieder auf den Sessel zwingend. Er legte sich auf die Kniee vor ihr, umschlang mit beiden Armen ihren Leib und schaute ihr mit glühender Aufregung in's Auge. Sein heißer Athem berührte ihr Gesicht.

Sie blieb kalt, lehnte sich zurück und führte die Hand an das Herz, als schmerze es dort.

»Ich schwöre Dir hier auf meinen Knieen, daß Du mein bist und bleiben sollst, daß meiner Mutter Wille keine Macht über den meinigen hat!« rief er mit Ekstase, aufspringend, sie vom Sessel aufreißend und sie leidenschaftlich an sich pressend.

Sie stemmte die Arme gegen seine Brust, bog den Hals, das Antlitz zurück; er bedeckte beide mit Küssen.

»Carl, ich sagte Dir: ich will keine Schwüre, an denen Du zum Schwächling werden könntest! Laß uns Beide überlegen ... nur bis morgen! Dann wirst Du mich ruhiger finden! Du siehst, ich bin verstimmt durch das, was ich anhören mußte! ... Morgen sprechen wir beide mit Ruhe; Du wirst inzwischen vielleicht Frieden stiften zwischen Deinem Herzen und Deiner Kindespflicht ... Und jetzt geh, ich bitte Dich! Ich muß allein sein!«

Sie machte sich los von ihm und mit traurigem aber graziösem Lächeln sich noch einmal zu ihm wendend, ihm einen Kuß zuwerfend, verschwand sie in's andere Zimmer.

* * *

Stella hatte ihm die Wahrheit gesagt; sie wußte von Frau Holsteins Entrüstung über Carls Absichten und nahm den Kampf mit der alten Dame in kluger Weise auf, indem sie ihr beipflichtete.

Lenning, zwar vom Gericht als schuldlos entlassen, empfand, wie wenig ihn dies in dem Urtheil der Welt rehabilitirte. Er erschien sich wie ein auf Urlaub aus dem Bagno Entlassener. Man vermied ihn, es nahm keiner seine Hand, wenn er sie bot.

Was beginnen in einer bürgerlichen Gesellschaft, die ihm den Rücken wandte!

Im Wirthshaus sagte ihm am selben Abend ein Gerichtsschreiber, er habe heute einen Akt in einer Ehescheidungssache seiner Tochter, der Frau Richter, ausgefertigt. Das sei eine sehr schöne Frau.

Lenning erinnerte sich, daß er eine schöne Tochter habe, die sich von ihrem Gatten geschieden, ohne daß er davon erfahren.

Er suchte Stella auf. Sie empfing ihn sehr kühl und ward erst wärmer gegen ihn, als er ihr von seinem Unglück sprach. Es habe sich um eine Summe von dreitausend Thalern gehandelt, die gerade damals verschwunden. Sie wisse doch am besten, von wem er diese Summe erhalten, die er also nicht habe entwenden brauchen.

Das überzeugte Stella von seiner Unschuld. Lenning sah, daß seine Tochter in günstigen Umständen lebte. Er war noch nicht gerade in Roth, aber die Zukunft lag sehr düster vor ihm.

Stella bat ihn, sie nur zu einer gewissen Tages-Stunde wieder zu besuchen. Als er sie verließ, begegnete ihm Moritzsohn. Und dieser Mann, der ihn nicht mehr vorgelassen, reichte ihm jetzt die Hand, um ihn zu beglückwünschen. Er scheute sich sogar nicht, mit ihm eine Strecke über die Straße zu gehen.

Moritzsohn sagte ihm, sich von ihm trennend, er möge ihn einmal im Comtoir aufsuchen, vielleicht könne er etwas für ihn thun. Lenning fiel es ein, die Gräfin Mompach aufzusuchen.

Der Empfang in ihrem Hause bewies ihm, daß auch ihr das Glück nicht wiedergekehrt. Anstatt des Lakaien empfing ihn eine ziemlich schmutzige Magd.

Die Gräfin saß ganz allein, nachlässig in die Hausrobe gehüllt, das blonde Haar, das noch nicht geordnet, unter eine Haube zurückgestrichen. Sie lachte laut auf als er eintrat.

»So sieht ein freigesprochener Sünder aus!« rief sie, ihm die Hand reichend, in der anderen ein Hühnerbein, das sie eben abnagte. »Setzen Sie sich, Lenning! Anbieten kann ich Ihnen nichts, denn Schmalhans ist wieder Koch bei mir! Vielleicht kann ich Ihren Rath gebrauchen.«

Sie legte Messer und Gabel fort und hüllte sich fester in ihre Robe.

»Es bleibt mir nichts übrig, als das alte gräflich Mompach'sche Haus zu verkaufen, denn ich muß Geld haben. – Freilich ist es schon mit Hypotheken überlastet, aber etwas würde mir doch noch bleiben. Es ist nur ein Unglück, daß ich den alten Esel da oben mit verkaufen muß denn er hat das Recht, bis an sein Ende darin zu wohnen; hinaus gehen wird er nicht, und vergiften kann ich ihn doch auch nicht. – Sie könnten was verdienen, wenn Sie einen Käufer schafften ... Apropos, was macht unser Judas, der schöne Rafael? – Seit er mich nicht mehr braucht, existire ich für ihn nicht mehr.«

Lenning verschwieg, daß er ihm soeben begegnet. Ein Blick auf die Einrichtung des Zimmers überzeugte ihn von ihrer Lage. Er versprach, einen Käufer für das Haus zu suchen.

»Diese Marion haben sie richtig verurtheilt«, fuhr die Gräfin lachend fort. »Was wird aus ihr werden, wenn sie wieder frei ist! Kann's da Wunder nehmen, wenn diese Mädchen auf die Straße kommen!«

Lenning war es augenblicklich sehr gleichgültig, was aus Anderen werde. Er sah wohl, daß die Gräfin ihm nicht nützlich sein könne, und verabschiedete sich.

Als er Moritzsohn bald darauf seinen Besuch machte, empfing ihn dieser sehr artig in seinem Privat-Büreau. Er sagte ihm, er wolle Sorge tragen, daß er eine Stellung an irgend einem der Unternehmen bekomme, in deren Verwaltungsrath er sei.

»Apropos«, rief er, »mir wurde gestern gesagt, daß die schöne Frau Richter, die eben von ihrem nach Amerika gegangenen Gatten geschieden, Ihre Tochter sei. Eine reizende Frau! Ich habe sie oft aus der Ferne bewundert.«

Lenning errieth noch nicht die Triebfeder von Moritzsohn's Artigkeit gegen ihn.

»Man erzählte zugleich, der junge Carl Holstein wolle sie heirathen, die Mutter aber habe ihr Veto eingelegt.«

Lenning wußte davon nichts. Stella hatte ihm ihre Beziehung zu Carl verschwiegen.

»Der Herr Holstein scheint etwas unvorsichtig in seinen Herzensangelegenheiten zu sein,« fuhr Moritzsohn fort. »Seine Commis fanden auf seinem Pult einen offenen Brief der Mutter an ihn, worin sie ihn nochmals unter Thränen beschwört, von dem Gedanken an diese Heirath abzustehen. Die Commis haben das den meinigen erzählt. Darf man die schöne Frau nicht kennen lernen? Sie soll sehr interessant sein.«

Lenning war schon verworfen genug, in der Tochter eine wirksame Fürsprecherin für seine Anstellung zu sehen; er schied mit einem Versprechen von Moritzsohn, ging zu Stella und durch ihn erfuhr diese von Frau Holsteins Verzweiflung über des Sohnes Vorhaben.

Sie kannte jetzt die Ursache der Zerstreutheit, die sie an Carl seit einigen Tagen beobachtet.

Moritzsohn sandte Bouquets, die zu ihrer Rechtfertigung hinter den Ofen zu stecken sie keine Ueberwindung kostete, denn sie liebte die Blumen nicht.

Sie stimmte aus Klugheit in der Mutter Widerstreben ein und spielte die Entsagende, weil sie wußte, daß Carl dadurch um so fester an ihr hangen werde.

Am Abend des Tages, an welchem sie Carl erklärte, sie sei bereit zu entsagen, soupirte sie mit ihrem Vater und mit Moritzsohn.

* * *


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