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1.

Frau Holstein hatte wohl einen großen glücklichen Moment, den für das Mutterherz so freudigen Augenblick des Wiedersehens mit ihrem einzigen Sohn, als dieser eines Tages unerwartet bei ihr eintrat; aber kaum hatte sie ihn aus ihren Armen gelassen, als dieses Herz auch in seinen alten Kummer zurückversank.

Carl, der so groß und kräftig geworden, hatte während seiner Abwesenheit das in ihr immer wieder erstandene Vertrauen endlich zu Schanden gemacht; er war in seinem Charakter ein schlaffer Mensch geblieben, dem die innere Triebkraft zu jeder ernsten Thätigkeit fehlte.

Er war nicht schlecht; er sah Alles ein, was ihm schon vorgehalten worden. Er wollte nichts Schlechtes, aber was er mit dem besten Wollen leistete, davon hatte er selbst die Ueberzeugung, daß es eine mechanische, unzuverlässige Leistung sei, die auch ihn verdroß.

So blieb er in Norton's großem Fabrik-Comtoir, in das man ihn als Volontair aufgenommen, ein Arbeiter, den man nicht werth des Platzes hielt, den er einem Besseren versperrte. Dies Bewußtsein seiner Unbedeutendheit trieb ihn unaufhörlich, sich die Freundschaft Aller dadurch zu erhalten, daß er sie mit den kostspieligsten Artigkeiten überhäufte, sich als Sohn eines reichen Hauses geltend zu machen suchte, für den die Arbeit eben nur eine langweilige Beschäftigung war.

Er gab dabei ein sündhaftes Geld aus. Die Mutter grämte sich um all die Summen, die er begehrte und – erhielt, wenn seine Briefe ihr nur das Herz weich zu machen verstanden.

Die unglückliche Frau mußte seit längerer Zeit auch den Rath des bisherigen Vormunds entbehren; es war so schwierig, des mit Geschäften überladenen Blume habhaft zu werden, der jetzt in einer eigenen Villa wohnte. Und Blume war auch so theilnahmslos geworden; er hatte das Herz für seinen Zögling verloren, sprach von Curatel und Zwangsmaßregeln und machte der Mutter ihrer Schwäche wegen Vorwürfe ... Blume war ja jetzt der Director der großen Fabrik geworden und hatte keine Anhänglichkeit mehr an die Familie seines alten Chefs und Freundes.

Man sprach sogar davon, Blume selbst mit seinen strengen Lebensmaximen sei auf seine alten Tage in die Hände eines Weibes von zweifelhaftem Ruf gerathen, dem er sein so leicht erworbenes Geld in den Schooß werfe. Er wollte, hieß es von ihm, dieses junge Weib heirathen, dem er kürzlich auf einer Reise in Florenz begegnet. Wie hätte der Mann also noch Sinn für die Leiden einer armen Mutter oder Dankbarkeit für Wohlthaten haben sollen, die er in einem Hause genossen, das ihn einst als armen Gehülfen aufgenommen.

So überraschte denn Carl die Mutter eines Tages durch seine Rückkehr. Man versage ihm die Mittel zur Existenz da draußen; er sei fortgegangen mit Hinterlassung von Schulden; es sei jetzt gleichgültig, was mit ihm werde, gestand er der Mutter. Und deren durch das Wiedersehen froh bewegtem Herzen entschlüpfte, als sie den Sohn so schön und groß vor sich sah, die Versicherung, es solle ja Alles bezahlt werden.

Carl dankte ihr das schon am nächsten Tage mit dem Vorwurf, man habe sein Erbtheil, die schöne Fabrik, an die Juden verschachert; er, der aufgewachsen mit der stolzen Vorstellung, dereinst wie sein seliger Vater an der Spitze des Etablissements zu stehen, könne nicht mehr unter dem Commando Anderer arbeiten. Der Gedanke an die Verschleuderung seines Erbe fresse ihm an seinem jungen Leben.

Die Mutter hatte den Vorwurf längst sich selber gemacht, aber sie hatte ja gehandelt nach den Eingebungen der Freunde, des Vormunds. Blume hatte gesagt, die Fabrik habe die Höhe ihrer Leistungsfähigkeit erreicht, und jetzt traten ihr immer die Thränen in die Augen, wenn sie draußen vorüberfuhr und das Riesenwerk in seiner neuen Gestalt sah.

Blume hatte ihr ja selbst, als ihr Gatte längst todt, öfter gesagt, wenn man das Prinzenhaus dazu erwerben könne, so wäre das Doppelte zu leisten. Warum hatte er es nicht erworben?

Blume sei selbst ein alter Sünder! Damit kam der Sohn eines Tages nach Hause. Er solle es nur wagen, ihm noch einmal Vorwürfe zu machen. Blume sei ein Heuchler, der ihn scheinheilig zu verderben gesucht; er selbst habe ihn damals in Marions Hände gespielt. Blume habe nach einem seit lange mit Moritzsohn heimlich verabredeten Plan gehandelt und der Sohn des Hauses habe beseitigt werden müssen, damit Herr Blume selbst der Director der Fabrik werden konnte.

Das Mutterherz litt unsägliche Qualen. Ihr war's, als spreche aus Carl's Worten die Wahrheit. Blume's Anstiftung und Werk war Alles gewesen, und das war auch so schnell betrieben worden! Man hatte den Moment gewählt, in welchem sie an des Sohnes Besserung verzweifelte. Warum hatte Blume ihr das Alles so schwarz gemalt!

Carl war damals noch so jung gewesen; es hätte ja Mittel und Wege gegeben, ihn zur Vernunft zu führen, ihn mit seinem guten Herzen! Jetzt empfand Blume vielleicht Gewissensbisse und deshalb mied er sie. Und Carl gestand ja selbst, daß dieser Mann ihm Fingerzeige und Rathschläge gegeben, deren Verwerflichkeit seine eigene jetzige Lebensweise bestätigte.

Das Bemühen der Mutter, gut zu machen, was an dem Sohn verschuldet worden, riß sie wieder zu neuer Schwäche hin. Carl verlangte jetzt, in den unumschränkten Besitz seines väterlichen Erbes gesetzt zu werden, und sie konnte dies nicht weigern.

Er erzählte der Mutter die bestechendsten Pläne für seine Selbstständigkeit. Er hatte die glänzendsten Speculationen nach englischen Mustern im Kopf. Die Mutter war mit Allem einverstanden, wenn sie ihn so ernstlich grübeln und rechnen sah. Sie hörte ihm freudig zu, wenn er ihr seine Ideen auseinandersetzte. Wie erinnerte sie das an die Zeit, da auch sein Vater in jungen Jahren sie zur Mitwisserin und Beratherin seiner Geschäftspläne gemacht!

Blume hatte seit Carl's Mündigerklärung die Vormundschaft niedergelegt. Carl hielt es deshalb jetzt nicht einmal für der Mühe Werth, ihm noch einen Besuch zu machen. Er trat in den Besitz seines Vermögens; er miethete weite, glänzende Räume; man erwartete, er werde ein großes Comtoir eröffnen.

Mehr als das aber beschäftigte ihn ein ganz Anderes, über das er die Mutter mit all' seinen Plänen zu täuschen suchte. Er hatte nach seiner Ankunft schon nach Stella gefragt. Sie liege mit ihrem Gatten in Scheidung und sei schöner als je, ward ihm gesagt.

Stella hatte sich also kaum von der Betäubung erholt, in die sie Erwin's Brief versetzt, als ihr Carl Holstein's Karte gebracht wurde. Sie fühlte einen Ingrimm gegen die ganze Welt. Steuerlos, wie sie geworden, ohne Halt in der Gesellschaft seit auch Helmine sie verachtete, in der Ahnung einer nicht unverschuldeten Ausgestoßenheit, vertiefte sie sich in einen Trotz gegen die Welt. Sie hatte auch die Ahnung ihrer Verlorenheit und so ... wollte sie denn verloren sein.

»Der kommt mir wie gerufen!« Sie sprang auf im Peignoir, eilte Carl entgegen, erschrak betroffen erglühend, als sie den stattlichen jungen Mann vor sich sah, trat, über ihre Wallung beschämt, zurück und ließ die Hand, die er ergriffen, vergessend in der seinigen.

»Es war mir so überraschend, Sie wieder zu sehen, Herr ... Holstein!« sprach sie verlegen vor sich blickend. »Ich vergaß ... Man hätte Sie doch in das Empfangszimmer ...«

Carl's Verlegenheit war nicht minder groß, als er anstatt des zierlichen, unreifen Mädchens ein voll aufgeblühtes Weib mit all dem verführerischen Zauber strotzender Jugend vor sich sah.

»Ich bin so glücklich, daß ich nach Worten suche ... Stella! ... Darf ich Sie noch so nennen?« rief er, überrascht, von ihr mit einer Freudigkeit aufgenommen zu werden, die sie ihm früher nie gezeigt.

»O gewiß ... Carl! ... Wir sind ja unter uns, wie wir es als Kinder so oft gewesen! Ich habe wirklich recht oft an Dich ... an Sie gedacht!«

Carl küßte verwirrt, berauscht ihre Hand. Sie führte ihn in's Zimmer, ließ ihn ihr gegenüber sitzen und bat ihn, zu erzählen. Und sie lauschte ihm, vergessend, ihr Kostüm zu wechseln; sie waren ja Kindheitsgespielen! Sie lächelte so graziös, sie gab sich so vertraulich, so unbefangen; sie hatten sich so mancher heiteren Momente von ehedem zu erinnern; sie vergaßen, daß sie einander fremd geworden ...

Und Carl, als sie ihn endlich fortgeschickt mit der Erlaubniß, sie oft wieder zu besuchen, taumelte hinaus mit einem Glücksbewußtsein, als solle jetzt erst Alles in Erfüllung gehen, was er einst so vergeblich ersehnt.

Als er fort war, schlug sich Stella triumphirend in die Hände. Sie tanzte im Zimmer umher, lief an das Fenster, schaute ihm nach und brach dann in helles Lachen aus.

Dieser sollte sie rächen für Erwin's Treulosigkeit, denn sie wollte jetzt nicht mehr an die Wahrheit seines Vorwandes glauben. Erwin hatte sie zweimal betrogen!

Carl war hübsch geworden, er war reich, denn er hatte ihr gesagt, daß er majorenn und ein Comtoir zu gründen beabsichtigte. Er hatte mit Bitterkeit davon erzählt, wie man mit dem Verkauf der Fabrik gegen ihn gehandelt, wie er aber der Welt zeigen werde, wer er sei.

Auch ihm, dem armen jungen Mann, war so arg mitgespielt! Das gab eine Schicksals-Genossenschaft, die sie einander genähert haben würde, wären sie nicht so intime Kindheitsfreunde gewesen.

»Warum nahm ich ihn nicht damals schon!« rief sie, mit neuem Eifer an ihre Toilette gehend. »Wie viel Aerger hätt' ich mir ersparen können! Er ist zwar ein bischen beschränkt, aber ist es denn ein Unglück, einen dummen Mann zu haben? Der ist kein Richter, der so viel Gerades und doch wieder Eckiges hatte, daß man immer an das Senkblei und an das Winkelmaß denken mußte, was keiner Frau gefallen kann ... Aber was ist denn für uns Beide verloren? Er ist jetzt erst in das Alter getreten, wo man ein Mann wird, und ich ...?«

Sie lachte sich zufrieden im Spiegel an.

»Und eine Stellung muß ich in der Welt wieder haben, das fühle ich! Eine Thörin war ich, als ich mich von diesem Ischariot so weit treiben ließ, es mit Richter ganz zum Bruch zu bringen ... Indeß diesen Carl bringe ich zu Allem! Ich muß nur überlegen, zu was

* * *

Von dem Tage ab ließ der Taumel den unglücklichen jungen Mann nicht mehr aus seinen Banden. Er lag täglich zu Stella's Füßen, in ihrem Anblick schwelgend. Er hatte da draußen gelebt und genossen, aber ihm war es jetzt, als sei das Alles kein Leben gewesen. Hier vor ihren Knieen war es! Keine – das war seine Ueberzeugung selbst in der Ferne immer geblieben – war Stella zu vergleichen.

Er wollte sein Comtoir eröffnen, sagte er ihr, während sie Beide thaten, als seien sie noch Kinder wie einst, das damals Unverstandene in gemeinsames Verständniß übertragend.

Stella gefiel die Idee nicht, und er ließ es. Dann wieder fand sie den Geschäftsgedanken sehr hübsch und Carl engagirte darauf hin zwei Comtoiristen, die in den großen Räumen hinter ihren Pulten, vor großen Büchern saßen, aber vergeblich auf Beschäftigung warteten.

Carl durchging im Geiste, wenn er sich einmal eine Stunde des Alleinseins gönnte, all die Pläne, von denen er der Mutter gesprochen; aber es fehlte ihm jede Initiative. Seine Leidenschaft nahm ihm jeden Nerv; sie zerstreute ihn. Das Rechnen war zudem nie seine Stärke gewesen.

Die Mutter sah ihn seltener und seltener werden, dann wochenlang ausbleiben. Ihr prüfendes Auge errieth endlich, was in ihm vorging. Er sprach nicht einmal mehr von geschäftlichen Ideen, ward schlaffer und unlustiger.

Frettchen hatte ihn mit Stella gesehen, aber sie wagte nicht zu verrathen, wenn sie auch vermuthete, was die arme Frau jetzt wieder so bekümmert machte.

Frettchen war auch lebensüberdrüssig und nicht allein durch die düstere Stimmung ihrer Herrin, durch den Kummer, den sie so still mit ihr theilte, ohne ihr doch ihre Bürde erleichtern zu können. Sie ward den marternden Vorwurf nicht los, daß sie es gewesen, die Marion in's Gefängniß geliefert – und so nutzlos!

Sie war auch schon im Begriff gewesen, ihrem unerträglichen Dasein ein Ende zu machen. An dem Tage nämlich, an welchem Marion verurtheilt worden, war sie Abends heimlich zur Fabrik geschlichen.

Da hinter der Schleuse des Bachs, der die beiden großen Räder der Fabrik trieb, wußte sie ein tiefes, immer mit schäumendem Wasser gefülltes Loch. Da hinein wollte sie.

Sie hatte sich, als es dunkelte und in der Fabrik Alles still sein mußte, unter einem Vorwand aus der Wohnung entfernt, war hinaus und am Geländer entlang geschlichen, hatte sich vor dem schäumenden Wasserkessel hingekniet, die Hände gefaltet und ein frommes Gebet gesprochen. Dann war sie weinend an den Rand getreten. Ihre Thränen hatten ihr die Augen verschleiert, sie hatte sich mit hoch erhobenen Armen über den Rand gebeugt und ... da hatte plötzlich eine nervige Faust sie hinten am Haar gepackt und zurückgerissen.

Sie war bewußtlos und als sie erwachte, hatte sie das bärtige Antlitz Weymars, des Werkführers, über sich gesehen, der sie auslachte und ihr zurief: »Zum Teufel, Frettchen, was treibst Du für Tollheiten! Geh nach Hause; ich spreche zu Niemandem davon!«

Weymar hatte gerade kommen müssen, um nach der Schleuse zu sehen, hinter der sich viel Unrath anzuschlemmen pflegte, und hatte sie noch zur rechten Zeit erwischt. Seitdem war es Frettchens Ueberzeugung, es sei Gott nicht gefällig gewesen und sie duldete im Stillen weiter.

Was indeß Frettchen der armen Mutter verschwieg, die jetzt so eingezogen von dem ihr gehörigen kleinen Kapital lebte, das hinterbrachten ihr Andere: Carl war in Stella's Netzen, und gerade jetzt, wo man von der jungen Frau so viel Nachtheiliges sprach.

Darum blickte der Sohn so unsicher, so scheu, wenn er wirklich kam, und darum auch blieb er fort. Und was war aus den vielen schönen Plänen geworden, von denen er der Mutter gesprochen! Sie hatte ihn mehrmals in seinem Comtoir aufgesucht, als ihr gar so bange um ihn ward; aber die jungen Leute hatten müßig gähnend, die Zeitungen lesend, dagesessen, auf ihre Frage nach dem Sohn sich gegenseitig verstohlen angesehen und geantwortet, der Chef sei nicht da.

Ihr Gefühl, ihre Erfahrung, ein einziger Blick auf das Comtoir sagten ihr, daß wirkliche Geschäfte in demselben nicht gemacht wurden.

Indeß Carl überraschte sie eines Tages doch wieder mit seinem Besuch. Er war sehr erregt und erklärte nach einigen zerstreut gesprochenen Worten, er komme, um sie zur Einwilligung in seine Heirath zu bitten, da das Gesetz es einmal so vorschreibe.

Die Mutter sank mit einem Angstlaut auf den Sessel und rang nach Athem. Carl stand, ihr den Rücken wendend, am Fenster und wartete so auf ihre Antwort.

Von ihrer Angst gejagt, sprang die arme Frau wieder auf; leichenblaß, mit schwankenden Knieen schritt sie durch's Zimmer.

»Carl!« rief sie hinter ihn tretend. »Ich weiß Alles! ... Stella! ... Nimmermehr! ... Kennst Du den Ruf dieses Weibes? Was Du begehrst, wäre ein Verbrechen gegen Dich, gegen Deine Mutter, gegen das Andenken Deines Vaters!«

Er wandte sich phlegmatisch zu ihr, die Hände auf dem Rücken. Was sie gesprochen, hatte ihn nicht erschüttert.

»So wird es auch ohne das gehen!« Er griff nach seinem Hut und wandte sich mit dem Trotz eines Knaben zur Thür.

»Carl!« Der Mutter Stimme klang so kreischend, als rufe sie ihn von einem Abgrund zurück. Händeringend eilte sie ihm nach. »Carl, ich will Dich auf meinen Knieen anflehen: nur dies nicht! Höre der Stimme der Vernunft, der Mutter, die Dich so lieb hat, die es nicht überleben könnte, Dich in's Verderben stürzen zu sehen!«

Sie klammerte sich an ihn mit Seelenangst, sie schaute so flehend, mit dem ganzen verzweifelnden Mutterherzen im Auge; sie umschlang ihn mit heißer, gewaltsamer Anstrengung.

»Carl, bei dem Andenken an Deinen Vater beschwöre ich Dich: thu's nicht! Dies Eine nicht! Du bist verloren!«

Carl lächelte über ihre Aufregung, die er nicht begriff. Er machte seinen Arm los und legte die Hand auf ihre Schulter.

»Du weißt, ich habe Stella immer lieb gehabt, und wollt' ich selbst, ich kann nicht mehr zurück; ich habe mein Wort gegeben. Du thust übrigens Stella Unrecht; kenntest Du sie nur wie ich! ...«

»Dein Wort! Was ist ein Wort, diesem Weibe gegeben!« rief sie zitternd, sich von Neuem an ihn hängend. »Hat sie Dir ihr Wort gegeben, Dich glücklich zu machen, sie wird es nimmer können und wollen! ... Laß ab von ihr, ich flehe Dich an! Frage die Anderen, frage die Welt! Du bist unerfahren, blind! Willst Du meinen Tod? Die Schande würde mich in die Grube bringen!«

»Beruhige Dich, Mama! Ich weiß besser als Du, was sie ist! Die arme Stella hatte einen Mann, der sie roh und ungeschickt behandelte, der nur gewohnt war, mit seinen Handwerkern umzugehen! Sie ist von Herzen so gut und kann sie denn dafür, daß sie unter so unglücklichen Familienverhältnissen heranwuchs?«

»O, es ruht ja nicht nur der Fluch der Eltern auf ihr! Sie ist leichtfertig, charakterlos! Niemand spricht Gutes von ihr! Nimm Dir das ärmste, schlichteste Mädchen und ich will Dich segnen, aber kann ich die Gnade des Himmels auf Dich, auf diese herab beten, die ... O Carl, muß ich Dir die Augen öffnen? Siehst Du in ihr nicht die Wirkung der traurigen Vorbilder, unter denen sie aufgewachsen? Ihre Mutter war die Geliebte eines Prinzen, ein käufliches Weib, das sich als Abenteurerin in der Welt umhertreibt, ihr Vater stand als Dieb vor dem Gericht, sie selbst hinterging den besten, ehrlichsten Mann, der sich wie Du durch ihr Aeußeres hatte bestechen lassen! O nimm Dir an ihm ein Beispiel, Carl, und höre nicht, wenn sie Dir anders spricht! Fliehe sie, da es noch Zeit ist, und warst Du schwach genug, ihr Dein Wort zu geben, löse es zurück durch Geld, nicht durch Dein Lebensglück! ... Carl, hörst Du Deine arme Mutter, die nicht auch Dich noch verlieren möchte, den einzigen, den ihr des Himmels Barmherzigkeit noch gelassen!«

Der Mutter Worte fielen wie Schnee in die Flamme, er hörte nicht mehr, er erfaßte nur den für Stella beleidigenden Sinn der Worte.

»Beruhige Dich, Mutter; wir sprechen noch darüber!« sagte er verdrossen abwehrend.

»Nein, nein! Du sollst mir, Deiner Mutter, Dein heiliges Versprechen geben! ...« Sie wollte sich noch einmal seiner bemächtigen; er machte sich los, schob sie fast unsanft zurück und – war hinaus.

Wie betäubt wankte die Mutter in's Zimmer.

* * *


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