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8.

Carl erhielt am Abend in Paris als er eben den letzten Zug nehmen wollte, eine Depesche von Stella, die ihn mit neuen wichtigen Angelegenheiten der Toilette beauftragte und ihn auch für den nächsten Tag noch dort bannte.

In Trouville aber beschäftigte die Damen um dieselbe Stunde ein großer Skandal: man hatte die schöne Deutsche, die man als so tugendhaft proklamirt, in dem ordinären dunklen Leinen-Anzug eines Fischermädchens mit einem kleinen Päckchen unterm Arm hinausrudern und Norton's Jacht besteigen gesehen.

Die Jacht war mit ihr hinaus gedampft und am späten Abend, wo sich Alles versammelte, um die Skandäler des Tages zu machen oder auszutauschen, war sie noch nicht zurück.

Die Damen zogen an den Strand, sie schauten in die helle Mondnacht hinaus, aber unter den Schiffen, die da ihren großen Cours steuerten, war Norton's Gallion, ein Meerweib auf einem Delphin, nicht zu erkennen.

Die Damen vereinigten sich nach ihrer Gewohnheit zu einem Souper, aber von den ausgestellten Spähern meldete keiner, daß Norton's Jacht in Sicht.

Erst als es Morgen ward, und ein recht dunkler wolkenschwerer, der das ganze Ufer in seinen Nebeldunst hüllte, scharrte ungesehen ein Boot auf den Strand. Eine hohe Männergestalt trug ein armes Fischermädchen durch das ihm bis zum Knie reichende Wasser und am oberen Ufer trennten sich die zwei dunklen Gestalten wie zwei Schatten. Die eine schritt zum Ort hinauf, die andere watete in's Boot zurück.

Am Vormittag, als die Sonne wieder so hell und klar das Ufer und die Badenden beschien, erzählte einer der Badegäste, die schöne Deutsche befinde sich seit gestern unwohl und habe das Lager nicht verlassen. Ihr Gemahl sitze an ihrem Bette.

Diese Botschaft eines gutmüthigen Herrn erregte ungeheures Gelächter unter den im Wasser plätschernden Damen.

Stella war unmöglich geworden in einer Gesellschaft, von der jede Einzelne bereit gewesen wäre, mit dem schönen Norton über den ganzen Ocean zu fahren.

Sie verließ Tage lang ihre Wohnung nicht, als ein einziger Schritt aus derselben sie überzeugt hatte, daß sie verrathen und ein Gegenstand des Spotts selbst Derer geworden, die sich so eng an sie geschlossen.

Ihre Toiletten kamen von Paris; sie rührte sie nicht an. Ihre Laune war unerträglich für sie selbst und für den Gatten, der nach ihrem unverantwortlichen Aufwand und seinen Spielverlusten seine Creditbriefe schon hatte erneuern lassen.

Carl sah sie wieder so nervös wie ehedem. Sie wollte fort. Sie hasse die ganze Gesellschaft hier, sagte sie ihm, die ihren Ruf zu untergraben wage, weil sie mit seinem Freunde Norton, der doch nur wenige Stunden hier geankert, allein am Strande promenirt und bewacht von seinen Matrosen seine Jacht in Augenschein genommen. Es sei überhaupt eine Thorheit gewesen, in diesen öden und langweiligen Fischerort zu gehen, wo Alles nach Theer und Thran rieche; sie werde mit keinem Fuß wieder unter diesen Leuten erscheinen.

Carl, dem für den Abend von einem seiner Gegner im Baccarat Revanche geboten worden, erfuhr an den Spieltischen, was man von seiner Frau erzählte. Er ging erhitzt die tollsten Wetten ein, gewann wenig, verlor hundertfach und kehrte in wüster Stimmung heim.

Stella lachte laut auf, als er ihr erzählte.

»So sind diese Leute hier. Du siehst es!« rief sie entrüstet. »Um es Dir nur offen zu gestehen, ich hätte Dich schon zehnmal hier betrügen können, wenn ich den schändlichen Einflüsterungen gerade der Damen, die mich mit ihrer Freundschaft umdrängten, hätte folgen wollen, wenn ich überhaupt so wäre wie sie. Nur aus Bosheit und Rache verlästern sie mich jetzt! Ich hatte ja keine Ahnung, daß es ein Verbrechen, der Einladung Deines besten Freundes zu folgen, der Dich hier suchte, Dich aber nicht erwarten konnte, weil er zu einer Wettfahrt nach Honfleur mußte. Keine einzige der neidischen Damen hätte diese Aufmerksamkeit abgelehnt, und Norton war wirklich von einem Zartgefühl, einer Artigkeit, die ich ja nur seiner Freundschaft für Dich verdankte. Wenn Du nur gehört hättest, mit welcher Anhänglichkeit er von Dir sprach! ... Uebrigens,« setzte sie verdrossen und trotzig hinzu, »wenn Du glaubst, daß Norton dadurch Deine Ehre als Gatten beleidigt, so mußt Du Dich mit ihm schießen. Ich kann nichts dazu!« ...

Die halbe Nacht hindurch sprach sie von dieser unangenehmen Sache. Sie konnte sich nicht beruhigen; sie schilderte ihm, was die Frauen hier alles trieben und wie ein unerfahrenes junges Weib nothwendig unter ihnen verdorben gehen müsse. Und Carl gewann denn auch allmälig die Ueberzeugung, daß man ihr Unrecht gethan. Diese Weiber hier hatten alle den Teufel im Leib, während ihre Männer in Paris sich in ihren Geschäften quälten.

An Norton und die reizende Fahrt denkend, schlief sie endlich ein, als Carl bereits in tiefem Schlummer lag.

Norton war übrigens entzückend gewesen in seiner ritterlichen Galanterie. Er hatte in seinem Schiffssalon ein reizendes Diner serviren lassen; der Champagner war geflossen; selbst in Paris hatte man ihr kein so ausschweifend kostbares Menu geboten.

Gegen Abend waren er und sie in ihren Bade-Kostümen angesichts der Schiffsbemannung in's Meer gesprungen. Norton hatte sie im Wasser gehütet wie seinen Augapfel, sie wie ein Triton in seinen Armen auf die herabgelassene Schiffstreppe getragen und im Salon hatte dann nach kurzer Ruhe ihrer wieder ein noch opulenteres Souper gewartet.

Jetzt war das einmal geschehen und Carl konnte sich ja mit ihm schießen, wenn er sich wirklich beleidigt fühlte. Jedenfalls wollte sie morgen fort, vorläufig nach der Schweiz, aber nicht in jenes langweilige Thal, wohin man sie damals geführt.

Sie wollte Menschen sehen, viel Menschen; sie hatte genug von dem Salzwasser hier und noch mehr von den salzigen Zungen dieser elenden Gesellschaft, in der namentlich die älteren Damen, die sich ihrer so angenommen, zu jedem Kuppeldienst bereit gewesen sein würden, während die anderen die Nächte hindurch spielten, tanzten, mit den Kavalieren soupirten und zum Schluß, mit der Cigarette im Munde, die Füße auf die Tische streckten.

Die hatten noch Ursach, von ihr zu reden! Wenn sie nur von der kleinen intimen Soirée in der Maison normande hätte erzählen wollen, in der Herren und Damen in ihren Bade-Kostümen erschienen waren! Sie hatte die Einladung abgelehnt, wer also war die Tugendhafteste?

Sie hätte von all dem erzählen können, was ihr die Eine über die Abenteuer der Anderen mitgetheilt, aber sie schwieg, denn sie war ja als Deutsche unter diesen Französinnen von Anfang an verrathen gewesen und hatte auch keiner von ihnen getraut. Jetzt mochten sie ihr alle gestohlen werden.

* * *


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