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Viertes Kapitel

»Hier lasset uns Hütten bauen.«

Und die Bauern von Piatra wiesen den Juden von Tar einen Fleck an, der lag – damit ein Abgrund die Kinder des Himmels von den Kindern der Hölle trennte – auf der anderen Seite der Schlucht, an den südlichen Abhängen des Kryvan, eines gewaltigen und herrlichen Gebirgsstockes.

Aber damit die Christen sich jederzeit an dem Anblick der erniedrigten Juden weiden könnten, war die Stelle, welche die Fremden als Wohnstätte zugeteilt erhielten, Piatra gerade gegenüber und an einem der schönsten Plätze des großen und schönen Gebietes von Piatra.

Es war eine weite Halde, die hoch an den Lehnen des Kryvan emporlief; fast den ganzen Tag beschien die Sonne die heitere Wiese. Nirgends sonst in der Verrös trug der Boden so kräftige Kräuter, nirgends zeigte sich ein so saftiger Graswuchs wie hier. Nirgends sonst stieg das wilde Gebirg in so sanften Hängen hinan. Prächtig und mächtig stand ringsum der Wald mit vielhundertjährigen Stämmen. Er schützte die Halde vor den Lawinen des Kryvan.

Stefan Dozana kannte die Fruchtbarkeit und Schönheit dieses Platzes sehr wohl. Aber er bedachte, daß man grade vom Hause Michael Cibulas aus, welches von allen Gebäuden Piatras der Schlucht am nächsten lag, den vollen Überblick über das neue Judendorf hatte. Das bedenkend, wußte er die Gemeinde zu bestimmen, jene Stelle zu wählen. Auf diese Weise sollte Michael Cibula täglich vor Augen gehalten werden, wer in Piatra der Mächtigere sei.

Sorglich prüften die Juden den Platz, sowohl seine Lage und Umgebung, als auch Boden, Gestein und Gewässer. Nachdem sie lange betrachtet und geprüft, sprach der weise Baruch Kolon:

»Großes Heil ist Israel widerfahren. Hätte der Herr seinem Volke freie Wahl gegeben, sich von dem Lande, so weit und so hoch es vor uns liegt, zu wählen die Stätte, welche die gesegnetste sei, um seines Volkes Hütten zu tragen, und hätte der Herr sein Volk erleuchtet mit Weisheit bei der Wahl – ich sage euch: wir hätten gewählt von allem Lande die Stätte, die uns zugewiesen haben unsere Feinde, welche uns demütigen wollen und schlagen. Hoch wird erhoben werden, wer tief erniedrigt worden, Gott, dich loben wir, Herr, dir danken wir. Hier laßt uns Hütten bauen!«

Und es ward ein großes Frohlocken unter den Juden.

Schon in den nächsten Tagen schmolz an den südlichen Abhängen des Kryvan der Schnee wieder; an der nördlichen Seite dagegen blieb er liegen, so daß bei den Juden Frühling zu sein schien, während die Christen bereits Winter hatten, und jene im Sonnenschein, diese im Schatten lagen. Die Fremden liefen in den Wald, und da ihnen verboten war, Stämme zu fällen, erkletterten die jungen Männer die Bäume und hieben Äste ab, reichlich so stark wie mäßige Stämme. Diese wurden von den Frauen und Kindern nach der Wiese gezogen; andere beluden sich mit Zweigen oder sammelten in großen Tüchern Moos. Es war ein fröhliches Stättegründen.

Unterdessen bestimmten die Ältesten den Umkreis des Wohnortes, sie bestimmten die Gassen, und wo ein freier Platz bleiben, wo das Gemeindehaus und wo der Tempel erbaut werden sollte. Darauf segnete der Patriarch die Stätte und das Hüttenbauen begann. Es war keine Arbeit, sondern eine Freude, und die Vertriebenen feierten nachträglich mit Tannenzweigen das Laubhüttenfest.

Wenn die schöne Dozia daher wandelte mit grünen Ästen beladen, so war's, als schritt eine Göttin des Waldes einher. Doch gebürdete sich die stolze Erscheinung gar holdselig menschlich. Sie scherzte mit den Frauen und Mädchen, lachte die Männer an, streute den Kindern weiches Moos in die Locken. Für ihre Tochter Makkabea wand sie eine Krone aus Tannenreis, welche zu dem flammenden Haargewirr des Kindes gar herrlich stand; weniger paßte diese Zierde zu den Augen, die wild unter dem feierlichen Schmuck hervorglühten. Jedoch Makkabea riß sich den Kranz wieder ab. Ihr Bruder Asarja sah es, hob ihn auf und hing ihn über ein hölzernes Kreuz, mit dem die Waldleute einen Platz bezeichnet hatten, wo jemand auf jähe Weise um sein Leben gekommen.

Das gute Wetter dauerte mehrere Tage; aber kaum hatten die Juden ihre Hütten gebaut und sich mit ihrem Habe häuslich eingerichtet, als der Winter mit Macht hereinbrach und alle Bemühungen der Sonne, dem Kryvan seine leuchtenden Gewänder zu entreißen, vergeblich waren. Den Himmel, nachdem er viele Tage lang ununterbrochen ein dichtes Flockengeriesel über das Tal ausgeschüttet, überschwemmten Fluten tiefsten Azurblaues, in welches die Felsengebirge, ähnlich einem Zuge gewaltigen weißen Gewölkes, hoch hinein ragten. Im Grunde der Schlucht toste der Bach zwischen Eismauern hin, darüber die bereiften Büsche ihre langen silbernen Zweige niederfallen ließen. Wie Hallen eines kristallenen Zauberpalastes stiegen an den Felsen die Wälder auf. Wenn die Sonne hinein schien, alle leuchtenden Tiefen mit Glanz füllend, so war es ein Schimmern und Flimmern, als hätte das Gestein sich geöffnet und Gold und Silber ströme heraus.

Gleich am ersten Tage war für Dozia, für ihren Mann und ihre Kinder, sowie für den Patriarchen Baruch eine Hütte aus Steinen aufgeführt und innen mit Moos und Tannenzweigen verkleidet worden. In einer der Abteilungen des grünen Raumes wurde ein Webstuhl aufgestellt, daran Dozia die schönen schimmernden Gewänder webte, die sie gewöhnlich trug, und die sie nur jetzt, in dieser Zeit der Trübsal für Israel, mit dunkeln Kleidern vertauscht hatte. In diesem Winter gedachte sie sich ein Trauergewand zu weben, das sie anlegen wollte, wenn im Frühling die Juden den Christen Frondienste leisten würden. Sie saß vor dem hohen Stuhle so schön und emsig als wäre sie die herrliche Heidin Penelope.

Sah Dozia von ihrer Arbeit auf, so erblickte sie durch das kleine Fenster das herrliche Bild des winterlichen Gebirges und sie erblickte das schwarze Balkenhaus der Cibula, darin ihre Mutter geboren worden war.

Mit welcher Deutlichkeit entsann sie sich der vielen Erzählungen ihrer Mutter von diesem Hause! Mit leiser, bebender Stimme waren sie dem Kinde zugeraunt worden, gleich Heimlichkeiten, die laut werden zu lassen Todsünde war. Wie hatte Dozia gelauscht, wie hatte ihre Phantasie sich das Haus der Cibula aufgebaut: ein Tempel in Blumenhainen, unter rauschenden Wipfeln, hoch über der Tiefe schwebend. Das Haus der Cibula, der Wald von Piatra und die Felsen der Verrös waren die Märchen gewesen, die Dozia von ihrer Mutter vernommen, und die sie dann selbst ihren Kindern erzählte; auch leise und heimlich.

Nun waren die Märchen Wahrheit geworden, und diese unerbittliche Wirklichkeit der Dinge krampfte ihr starkes Herz zusammen. Zerfallen lag der Tempel, die Haine waren zu Wildnissen geworden, das Blumengefilde eine Öde von Felsen und Klippen. Vergeblich versuchte sie die Gestalt ihrer Mutter heraufzubeschwören; sie vermochte das holdselige Bild nur in schattenhaften, schwankenden Zügen zu bannen. Grade hier, in der Heimat ihrer Mutter, wo alle Erinnerungen der Gestorbenen als Gebilde vor ihr aufstiegen, versagte sich die Verklärte der Tochter.

In solchen dunkeln Stunden war es Dozia, als gliche das finstere Haus der Cibula mit seinem hohen, spitzen Dache einer Riesenfaust, die feindselig zu ihr herüberdrohte: Was will die Jüdin in der Heimat ihrer christlichen Mutter? Zuweilen lag es auf ihr wie das Gefühl einer Schuld, einer schweren Verantwortung.

Endlich schwand die Kälte; die rauhe Luft ward milder, Frühlingsstürme brausten auf, zersplitterten die Wipfel, rüttelten an den Schneemauern und Eiswänden, daß diese barsten und mit Donnergetöse ins Tal stürzten.

Dann feierte die Sonne ihren Liebestriumph. Mit heißem Bemühen schälte sie die Hüllen von der toten Erde, küßte die schöne Gestorbene wieder ins Leben zurück. Sie erstand unter dem Brautgesang der Vögel, den heiligen Leib mit Blumen bedeckt.

Auf den Abhängen des Kryvan blühten Anemonen und Primeln volle zwei Wochen früher als in den Waldungen Piatras. Noch hatten die Kinder der Ebräer sie nicht gepflückt, als schon die Waldleute den Juden Botschaft sandten und die Ältesten vor die Häupter der Gemeinde beschieden. Stefan Dozana wies ihnen den Felsen, davon sie Steine brechen, und den Ort, wohin sie diese tragen sollten. Darauf gebot man den Knechten der Christen mit unverhohlenem Triumph:

»Beginnt!«

Und die Juden begannen.

Es war, als sei für das Volk Israel die alte Zeit der Sklaverei wiedergekommen, jene Zeit, wo die Kinder des heiligen Stammes den Ägyptern helfen mußten, ihre ewigen Tempel und Königsgräber erbauen. In den Felsen der Verrös arbeiteten die Männer der Juden, und die Weiber trugen auf ihren Köpfen das Gestein den weiten beschwerlichen Weg nach dem Dorfe.

Als Makkabea zum ersten Male ihre Mutter im Trauergewand Steine tragen sah, schrie sie laut auf; Asarja schlich davon, betete und dankte Gott, daß er seine leidenschaftlich geliebte Mutter den Christen Dienste tun ließ. Dieses älteste Kind Dozias hatte ein trübseliges Gemüt, das bei großer Sanftmut bedenklich zum Dunkeln und Phantastischen neigte und bei allen Erscheinungen des Lebens, die nicht Liebe und Frieden waren, tiefe Qualen erduldete.

Der Steinbruch lag in einer Kluft des Kryvan; die Frauen mußten mit ihrer Last zuerst in die Schlucht hinab, alsdann auf der anderen Seite wieder hinauf und durch das ganze Dorf ziehen.

Die Waldleute blickten auf den Zug der Steinträgerinnen wie siegreiche Fürsten auf das unterjochte, ihnen dienende Volk. Sie duldeten, daß ihre Frauen die jüdischen Weiber verspotteten und beschimpften, daß ihre Kinder den Kindern der Juden ins Gesicht spien. Nur Michael Cibula wandte sich grimmig von dem verhaßten Anblick ab, und sein Sohn war der einzige Knabe im Dorfe, der nicht in das allgemeine Spottgeschrei miteinstimmen durfte. Diese unverdiente und ungerechte Schmälerung seiner Freuden versetzte Urs in heftigen Zorn; selbst Ilja konnte ihn nicht trösten. Weil diese zu weinen anfing, sobald ein Judenkind verhöhnt oder angespuckt wurde, bekam Urs ganz feindselige Gesinnungen gegen seine beste Freundin.

Einmal machte der Ingrimm in des Knaben Seele sich gewaltsam Luft. Einer Schar von Judenkindern, welche Steine trugen, ging ein Mädchen voran, nicht viel größer als Ilja Dozana; doch lag ein schwerer Stein auf ihrem Kopfe, der von leuchtenden Locken umringelt ward. Es war fast, als habe das seltsam schöne Kind sich den Block aufgelegt, um den Brand auf ihrem Haupte zu löschen.

Als Makkabea die beiden Christenkinder gewahrte, blieb sie stehen und starrte mit ihren großen glühenden Augen zu ihnen hinüber. Doch sah sie nur den Knaben an, mit einem so eigentümlich erstaunten und erschrockenen Blicke, daß es diesen heiß und kalt überlief, als sollte ihm etwas zu leide geschehen. Bleich vor Zorn ging er auf das Judenkind zu, dessen Gesicht, das die gelbliche Blässe des Elfenbeins hatte, ebenso staunend und erschrocken betrachtend, wie er selbst angesehen wurde. Dicht vor Makkabea hintretend, hob er die Hand und schlug der Wehrlosen ins Antlitz, gerade über die Augen.

Der Stein entglitt ihr; sie wankte und fiel, hart mit der Stirn aufschlagend, so daß sie sogleich blutete. Aber nur Ilja Dozana hatte laut aufgeschrien, als Urs seine Mißhandlung ausführte.

Makkabea erhob sich augenblicklich wieder, wischte das Blut aus dem Gesicht, hob sich den Stein von neuem auf den Kopf. Alles das tat sie langsam, dabei fortwährend den Christenknaben anschauend. Erst als die anderen Kinder sie jammernd umringten, wandte sie dem jungen Fanatiker den Rücken und ging langsam davon, als sei nichts geschehen. Sie hatte kein Wort gesprochen und ihr Blick bis zuletzt seinen Ausdruck von Schrecken und Staunen behalten. Urs sah, wie ihr rotes Haar voller Blut klebte, wie Blut aus der Stirn über das Gesicht rann.

Als Michael Cibula seines Sohnes Tat erfuhr, blieb er vollkommen ruhig; er nahm den Knaben bei der Hand und begab sich mit ihm auf die andere Seite der Schlucht zu den Juden hinüber. Dort ließ er sich die Hütte des Rabbiners Jehuda Kolon zeigen, trat ein, berichtete dem Rabbiner die Missetat seines Knaben und verlangte, daß das geschlagene Mädchen gerufen würde. Dozia kam mit ihren Kindern; Makkabea trug noch die Stirne verbunden. Nun sollte der Christenknabe dem Judenmädchen Abbitte tun. Urs regte sich nicht. Michael Cibula erblaßte und griff nach seinem Sohne, als ob er ihn würgen wollte. Da legten sich die Eltern ins Mittel und baten für den trotzigen Knaben. Noch bei ihren ersten freundlichen Worten war Urs bereit, sich zu demütigen. Sein Vater sprach ihm die Worte vor:

»Ich, Urs Cibula, bitte Makkabea Kolon für meine schändliche Tat um Verzeihung.«

Als Jehuda und Dozia den Namen des jungen Missetäters hörten, wurden sie bleich und wagten nicht aufzusehen. Und beide erschraken in tiefster Seele, als Makkabea leidenschaftlich ausrief:

»Deinen Schlag behalte ich doch im Gesicht!«

Ohne ein weiteres Wort ging Michael Cibula davon; Urs ließ sich mehrere Tage lang weder vor seinem Vater noch vor seinen Kameraden sehen. Endlich suchte Ilja Dozana ihn auf und fand ihn in den Verrösfelsen, wo sie oft zusammen spielten. Als der Knabe das Mädchen kommen sah, warf er sich auf den Boden und war nicht zu bewegen, sein Gesicht zu zeigen.

Diesen ganzen Sommer hindurch blieb er im Gebirge bei den Hirten.

*

Für Stefan Dozana brachte der Sommer eine ununterbrochene Reihe von Festen: als Bauer von Piatra und als ein Dozana konnte er jeden Tag von neuem seinen Triumph über Michael Cibula genießen und als Priester jeden Tag die Demütigung der Juden feiern.

Auf der Gasse und in der Kirche, im Bauernrock und im Priesterkleide predigte er den Waldleuten den Haß gegen Israel, verkündigte er das Heil, das der Gemeinde durch die Unterjochung der Juden zuteil werden würde. So war es denn um die Vergebung ihrer Sünden gut bestellt: mit jedem Stein, den jüdische Hand von ihren Felsen brach, sank eine Schuld von ihnen ab. Stefan Dozana stand bei der Baustelle und zählte an den herbeigeschleppten Bausteinen die abgelösten Sünden seiner Gemeinde.

Endlich war es geschehen: der letzte Stein lag da! Aber nach des Priesters Meinung waren der Sünden, die den Waldleuten vergeben werden mußten, noch viele. Ein halbes Jahr lang hatten die Juden für die Christen Pönitenz und Buße verrichtet und ihnen den Weg zum Himmel gebahnt; es mußte schön sein, sich diesen Weg mit glatten Steinen pflastern, womöglich mit Blumen bestreuen zu lassen. Meisterlich verstand Stefan Dozana diese Himmelsbahn zu schildern: voller Ruheplätze für die armen Seelen, mit Rosen und Lilien besteckt, so daß man nur zu pflücken brauchte, um sich zur Feier der ewigen Seligkeit zu bekränzen.

Solchermaßen vorbereitet, waren die Bauern von Piatra im geheimen froh, als die Juden eines Tages, da sich auf die Abhänge des Kryvan die erste Schneedecke gelegt, zu ihnen kamen und sich erboten: die Himmelsstraße für die Christen mit schönen glatten Steinen zu belegen. Die Ältesten traten vor die Häupter der Gemeinde, neigten sich tief und sprachen: »Duldet unsere Hütten noch ein zweites Jahr auf dem Berge Kryvan, so wollen wir für euch und euern Gott den Tempel bauen, dessen Steine wir gebrochen und herbeigetragen.«

Und ehe noch die Waldleute etwas erwidern konnten, zog Baruch Kolon aus seinem Kaftan eine Rolle, die er vor ihnen ausbreitete. Darauf erblickte, man die herrlichste Kirche: mit, einem hohen Turm, an der Pforte zwei Säulen, die ein schimmerndes Gebälk trugen, über dem ein strahlender Engel schwebte; dieser hielt eine Tafel, darauf stand geschrieben: »Diese Kirche erbauten den Bauern von Piatra zum ewigen Gedenken die vertriebenen Juden von Tar. Gebt Gott die Ehre!« Um die Kirche herum waren die Waldleute mit Weib und Kindern abgemalt, wie sie sich ihres herrlichen Heiligtums freuten. Mit großem Gefolge kam ein Bischof geritten, um die Kirche zu weihen; und als der Bischof den stolzen Bau erblickte, erhob er staunend die Hände. Dasselbe tat sein Gefolge und alles fremde Volk, das mit dem Kirchenfürsten gekommen war. Abgemalt waren auch die Blockhäuser des Dorfes, der Wald, die Schlucht, das Gebirge, alles so, wie es in Wirklichkeit zu sehen.

Und ehe die Waldleute von ihrem freudigen Erstaunen, das vor den Juden zu verbergen sie aller ihrer Würde bedurften, sich erholt hatten, sprach Baruch Kolon:

»So, wie ihr es hier vor euch sehet, bauen wir euch und eurem Gotte den Tempel. Dafür sollt ihr uns dulden auf dem Berge Kryvan noch ein zweites Jahr oder so lange, bis wir den Tempel vollendet. Und es soll Gott zu Ehren und euch zum ewigen Gedenken geschehen.«

Also redete der Patriarch demütig und würdevoll zugleich, und als er geendet, wandten er und die Ältesten sich zum Gehen, um des Bescheides der Gemeinde zu harren. Da erhob sich Stefan Dozana und rief:

»Bleibet und bauet!«

Michael Cibula sprang auf. Bleichen Angesichts, mit geschwollenen Stirnadern, streckte er beide Hände empor und schrie:

»Es muß abgestimmt werden! Wer dafür stimmt, der ist ein Verräter an seiner Heimat, ein Übeltäter an seinen Kindern, ein Verbrecher gegen Gott und ein ganz unsinniger Mann.«

Er stürzte zu Baruch Kolon hin, riß diesem das verführerische Bild aus der Hand, zerfetzte es in hundert Stücke: »So gebe ich meine Stimme ab! Und zugleich schwöre ich, Michael Cibula, bei den heiligen Sakramenten: wird die Kirche, deren Abbild ich soeben vor euren Augen zerrissen, von diesen Juden aufgebaut, so hören ich und mein ganzes Haus auf, Glieder dieser unchristlichen Gemeinde zu sein.«

Und wieder schritt Michael Cibula in heißem Zorne davon und wieder neigten sich bald nachher die Juden tief vor der Gemeinde. Denn, um ihrer vielen Sünden und um ihrer Seligkeit willen wollten die Bauern von Piatra die Kirche von den Juden von Tar erbauen lassen: »Gott zu Ehren und sich selbst zum ewigen Gedenken.«

Eiligst kehrten die Ältesten in ihr Dorf zurück, zunächst um den von Michael Cibula zerrissenen Bauplan wieder herzustellen. Als die Juden den Bescheid der Bauern von Piatra vernahmen, erhoben sie ein großes Frohlocken.

Nur Jehuda ging still davon und zu seinem Weibe.

»Alle stimmten für den Bau der Kirche durch die Juden; allein der Bruder deiner Mutter Mirjam stimmte dagegen. Er tat es mit so wilden und zornigen Worten, wie ich sie niemals von einem Christen gegen uns gehört habe. Alle werden in der neuen Kirche Gott dienen und beten, nur deiner Mutter Bruder nicht. Denn so sind wir ihm verhaßt, daß er und sein ganzes Haus lieber in der Wildnis beten geht, als in dem Heiligtum, welches jüdische Hände errichtet. Auch scheint er zu merken, was mein Vater Baruch für Israel Großes ersonnen hat.«

Am Abend kam Dozia zu dem Vater ihres Mannes, ihr prachtvolles Haar gelöst, daß es sie wie ein langer schwarzer Schleier umwallte. So herrlich und zugleich so gramvoll anzusehen, warf sie sich vor Baruch Kolon nieder und rief zu ihm auf:

»Führe unser Volk wieder fort von hier! Denn du weißt es: nicht Gottes Stimme war es, die Israel in dieses Tal geführt, sondern die meine, die du dann deinem Volke als Stimme Gottes gedeutet. Führe uns wieder fort! Sonst schlägt uns der Fluch, der auf uns ruht, uns schlägt er und unsere Kinder bis ins sechste und siebente Glied.«

Und sie klagte und weinte vor Baruch Kolon die halbe Nacht hindurch.

Aber der Weise wollte des Weibes Schreien nicht hören und schalt ihre Rede Unglauben und Zweifel an dem Willen des Himmels, der durch ihren Mund zuerst zu ihm und dann durch ihn zum Volke gesprochen hatte.

Da ging Dozia hinweg und am nächsten Morgen legte sie von neuem ihr Trauergewand an, Baruch Kolon aber sprach zu den Seinen:

»So erfüllt sich auch hier das Wort des Herrn.«


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