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Fünfzehntes Kapitel

Templum Aesculapio sacrum ...

In großen, goldenen Lettern stand die Inschrift über dem Portal des Hauses an der Royal-Terrasse, in das Doktor Graham Emma führte.

Sie kannte das Haus von früher. Als es im Laden der Mrs. Cane noch ihr Traum gewesen war, Schauspielerin zu werden, hatte sie sich eines Sonntags aufgemacht, um dieses Haus zu sehen – das Heim des großen Garrick. Lange hatte sie damals vor der Eingangspforte gestanden und es sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn Emma Lyon einst dort eintrat. Von dem Meister empfangen und geehrt als ebenbürtige Mitkämpferin um die Palme des Ruhmes ...

Nun war der große Menschendarsteller tot und sein Haus in einen Tempel der Charlatanerie umgewandelt. Und Emma Lyon trat ein, um den gierigen Augen der Menge ihre enthüllte Schönheit preiszugeben. Auch ein Schauspiel; aber ein anderes, als das einst geträumte.

Doktor Graham führte sie durch weite Säle, angefüllt mit seltsamen Maschinen. Auf langen Strecktischen wurde das Fleisch welker Greise geknetet; Schlamm- und Pflanzenbäder reizten die Haut ermatteter Männer zu neuer Tätigkeit; blinkende Apparate auf Säulen aus wasserhellem Kristallglas leiteten geheimnisvolle, elektrische Kraftströme in die Nerven vorzeitig gealterter Jünglinge. Dem entarteten Geschlecht der Gegenwart zur Nacheiferung prangten an den Wänden Bildnisse von Helden und Königen, die durch ihre Leibesstärke Ruhm gewonnen hatten. Riesige Diener in goldgestickten Livreen öffneten die Türen und geleiteten die Besucher. Mit ihren strotzenden Muskeln, ihren breiten Schultern, ihren gewölbten Brustkästen bewiesen sie, daß jene Heldengestalten eines Herakles, Theseus, Theoderich, Alfred des Großen noch jetzt erzeugbar waren, und daß Doktor Grahams Theorie eine neue, kraftstolze Menschheit aus den Ruinen der Zeit hervorzuzaubern vermochte.

Über einer Doppeltür am Ende eines Ganges prangte abermals eine Inschrift.

Templum Hymenis aureum.

»Der goldene Tempel der Ehe!« erklärte Doktor Graham. »Ihr Reich! Das Reich der Hebe Vestina, der Göttin ewiger Jugend und Gesundheit!«

Er öffnete die Tür und trat mit Emma ein.

In ein Meer von Gold glaubte sie zu blicken. Schwerer Goldbrokat bekleidete die Wände des sechseckigen Raumes, in dessen Höhe sich ein Himmel mit goldenen Sternen wölbte. Auf goldenem Sockel stand in der Mitte eine überlebensgroße Frauengestalt: die Göttin der Fruchtbarkeit, aus goldenem Füllhorn Blumen und Früchte auf eine Schar lebenstrotzender Kinder niederstreuend. In anmutigem Spiel drängten sie sich an die Knie der Göttin, lugten aus den Falten ihres Gewandes, strebten mit schwellenden Gliedern an ihr empor, und hoben den Saum eines türkischen Zeltes aus golddurchwirkter Seide, unter dem das »Göttliche Bett des Apollo« prangte. Breit und massig dehnte es sich auf seinen gläsernen Füßen, mit den Goldgittern seiner Einfassung, mit seinen üppigen Kissen und Decken von zarter Rosenfarbe. Spiegel, in seine hochragenden Wände eingelassen, warfen das Bild des Ruhenden dreifach zurück.

Und über alles das breitete sich ein mattes, feierliches Licht. Durch die Fenster kam es herein, die den Goldbrokat der Wände unterbrachen und durch ihre buntfarbenen Gläser die Strahlen der hinter ihnen brennenden Strahlenkränze milderten. Große, ruhige Farbentupfen malte das Licht auf den zartgemusterten Teppich des Fußbodens, lockte Goldfunken aus dem Füllhorn der Göttin und überhauchte mit rosigem Schimmer die Gestalt des Weibes, das hüllenlos auf dem Bette lag. Die Arme unter dem zurückgebogenen Kopfe verschränkt schien es zu schlummern. Seine Glieder strahlten die Spiegel der Wände wider.

»Sie ist schön, nicht wahr?« sagte Doktor Graham. »Aber immer doch nur eine Puppe, kein lebendes Wesen. Wie erst wird die Wirkung sein, wenn Hebe Vestina selbst diesen Platz einnimmt! Ganz London wird anbetend vor ihr das Knie beugen. Nun, Miß Lyon, was sagen Sie zu Ihrer Rolle?«

Sinnend sah Emma auf das Bett. Hebe Vestina würde sie sein, die Göttin ewiger Schönheit und Jugend. Ein lebendes Wesen, von Fleisch und Blut. Keine Puppe.

Und doch eine Puppe. Eine Hebe Vestina ohne Seele, ohne Herz. Wehe, wer nach ihr begehrte! Ein kaltes Licht brach aus ihren Augen und ein hartes Lächeln flog um ihre Lippen. »Ich werde diese Rolle spielen!«

– – – – – – – –

Er führte sie in die Geheimnisse des »Göttlichen Bettes« ein.

»Durch die Sinne allein genießen wir die Wonnen des Lebens,« lehrte er. »Beides, Lust und Schmerz, tragen sie in unsere Seelen.«

»Wir vermögen aber nicht Lust oder Schmerz zu empfinden, ohne uns zu verändern. Jede Einwirkung von außen, jedes Gefühl, jede Empfindung erschüttert unsere Nerven. Der Geruch einer Blume läßt den Geruchsnerven vibrieren. Wie eine elastisch gespannte Saite, die an einem Ende bewegt wird, diese Bewegung bis zu ihrem anderen Ende fortpflanzt.«

»Unsere fortwährend erschütterten Nerven nutzen sich naturgemäß allmählich ab. Dies zu verhindern, müssen alle Sinne gleichzeitig in sanfte Spannung gebracht werden. Die Nerven des Gesichts, Geruchs, Gehörs, Geschmacks und Gefühls, zugleich in eine zarte Bewegung gesetzt, erzeugen die höchste Wonne des sinnlichen Empfindens.«

»Ein Schlummer der süßesten Wollust umfängt uns.«

»Unser inneres Gefühl aber besteht aus dem Eindruck unserer Empfindungen auf unsere Seele. Daher ist jener Schlummer der süßesten Wollust zugleich das reinste Glück unserer Seele.«

»Diese süßeste Wollust unserer Sinne, dieses reinste Glück unserer Seele aber wird hervorgerufen durch das Göttliche Bett des Apollo. Kinder, in dieser vollkommensten Harmonie gezeugt, sind Erben der höchsten seelischen und körperlichen Kräfte ihrer Eltern.«

– – – – – – – –

Eine Probe.

Emma legte ihre beengenden Kleider ab und hüllte sich in leichte, durchsichtige Schleier. So bestieg sie das Bett, das sich in eine sanft wiegende Bewegung setzte.

Es war Emma, als würde sie von einem weichen Windhauch davongetragen.

In einem Räucherbecken entzündete Doktor Graham ein Stückchen Ambra. Ein würziger Duft wallte auf und erfüllte die Schwebende mit einer süßen Trunkenheit.

»Denken Sie an etwas Schönes, Freudiges!« flüsterte Doktor Graham und schlug leicht in die Hände. »An etwas, das Sie lieb haben!«

Eine milde Dämmerung breitete sich über den Saal, in der die Gegenstände zu weichen Schatten zerflossen. Wie aus weiter Ferne kommend schien aus dem Boden eine leise, zarte Musik emporzuwallen. Die verwehenden Töne einer Harfe ... das schluchzende Flüstern einer Flöte ... der schmelzende Gesang eines Cellos ...

Dann gedämpfte Knaben- und Mädchenstimmen ...

Nun leuchteten in den Fenstern der Wände Farben auf. Strahlend von Licht glichen sie in ihrem wunderbaren Glänze dem kostbarsten Edelgestein. Sie paßten sich den Tönen und Worten des Gesanges an, daß alle jene Harmonien nicht nur zu klingen, sondern auch zu leuchten schienen. Die Töne strahlten, die Farben sangen.

»Einsam wandelt das schönste der Mädchen ...«

Der Chor sang es, sanfte Flöten seufzten dazwischen, und ein zartes Oliv erschien, spielend mit rosigem Rot und mildem Weiß ...

»... auf blumiger Flur ...«

Freudige Töne schwangen sich auf in dunklem Grün, durchwebt von Blau und Gelb, wie von Veilchen und Maiblumen ...

»Froh, wie die Lerche, singt sie ein Lied ...«

Jubelnde Triller stiegen empor, um dann sanft zu sinken. Dunkler wurde das Blau, hellrosige und gelbgrüne Lichter durchzitterten es ...

»Und die Gottheit hört es im Tempel der Schöpfung.«

In majestätischen Harmonien schritt die Melodie einher, umwallt von tiefem Blau, Rot und Grün, verherrlicht durch Aurorengelb und leuchtenden Purpur. In weichem Grün und sanftem Gelb endlich verlor sie sich ... Der pfalzbayerische Hofrat und Geheimarchivar Karl von Eckhartshausen konstruierte ca. 1786 nach Graham ein ähnliches Fruchtbarkeitsbett. Um die Töne der Musik zu konzentrieren und ihre Wirkung auf die Nerven zu erhöhen, ließ er eine Maschine verfertigen, die einem Resonanzboden ähnlich war, und einen Menschen in horizontaler Lage darauflegen. Entfernt in einem anderen Zimmer setzte er einen spielenden Musiker unter einen großen Blechhut, von dem zwei Röhren bis zu dem Resonanzboden gingen, auf dem der Mensch lag. Dadurch sammelten sich die Töne im Hut und verbreiteten sich durch die Röhren bis in das andere Zimmer. Die Wirkung soll ein sanftes Gefühl gewesen sein, das sich durch den ganzen Körper verbreitete und einen »angenehmen Kitzel in den Eingeweiden und dem Zwerchfell« hervorrief. Besonders suchte man Zornausbrüche und Wutanfälle auf diese Weise zu heilen, bei denen, wie man glaubte, die Eingeweide zusammengezogen werden und dadurch auf die Galle drücken. Durch die mittels der Musik hervorgerufene feine Vibration der Nerven werde die Zusammenziehung beseitigt und eine freie Zirkulation des Geblüts herbeigeführt. – Die Musik der Farben, »Augenmusik« genannt, war schon früher von dem Jesuitenpater Castell erfunden worden. Diese Maschine, auf der man ganze Farbenakkorde hervorbringen konnte, wurde dann vervollkommnet. Man füllte gleichgroße zylindrische Gläser mit wäßrigen, chemischen Farben, brachte sie wie die Saiten eines Klaviers in Ordnung und teilte die Farbennuancen nach Art der Töne ein. Hinter diesen Gläsern brachte man Messingplatten an, um die Farben zu verdecken. Diese Platten verband man durch einen Draht mit dem Manual des Klaviers, so daß, wenn man eine Taste berührte, die Platte sich emporhob und die von hinten durch Kerzenlicht durchleuchtete Farbe sichtbar wurde. Mit dem Verlassen der Taste verschwand auch die Farbe. So suchte man durch Farben alles wie durch Töne auszudrücken, indem man Wort, Musik und Farbe in Übereinstimmung brachte in der Art, wie es das zitierte Lied zeigt. – Auch die verschiedenen Nuancen der Gerüche stellte man in den Dienst der Heilkunde. Man glaubte entdeckt zu haben, daß die Grundlage aller Gerüche der Schwefel sei und die Art seiner Mischung die Ursache der Verschiedenheit der Nuancen. Wie aus der Mischung sämtlicher Farben das Weiße entstehe, so aus der Mischung mehrerer Wohlgerüche stets der Ambrageruch. Man versetzte Ambra daher mit verschiedenen geruchlosen Körpern und brachte dadurch die verschiedenen Gerüche hervor, die man je nach der Vorliebe des Patienten auswählte. – Alle diese Versuche gründeten sich auf die Theorie, daß der Mensch nur einen einzigen Sinn, das Gefühl, besitze, während Geschmack, Geruch, Gesicht und Gehör nur Gefühlsäußerungen der Nerven in den entsprechenden Organen seien. Das Gesicht nannte man daher »Augengefühl«, das Gehör »Ohrengefühl« usw.

– – – – – – – –

»Denken Sie an etwas, das Sie lieb haben!« ...

Lieb? ...

Die Mutter?

Sie war zu Emma nach London gekommen, als diese ihr das Bekenntnis ihrer Schmach geschrieben. Und hatte sich des Kindes angenommen. Aber Emmas Tat begriff sie nicht. Und das stand zwischen ihnen. Ein Abgrund, über den es keine Brücke gab. In verschiedenen Welten lebten sie, hatten nichts mehr miteinander gemein ...

Das Kind?

In Schande und Schmerzen hatte sie es geboren. Und es glich dem Vater. Wie Sir John hob es die Augenlider, verzog es den Mund, blähte es die Nasenflügel. Wenn Emma es ansah – an sich halten mußte sie, es nicht zu erwürgen! Froh war sie gewesen, daß die Mutter es mit nach Hawarden genommen ...

Tom?

Um ihn hatte sie alles das gelitten; Sehnsucht nach Liebe war in ihrem Herzen gewesen, nach einem großen, schönen Tun. Aber alles hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Den Freund hatte sie freimachen wollen, und drei Tage nach der Tat hatte er sich für den Krieg anwerben lassen. Sie verstand ihn. Vor einem reinen Bilde hatte er auf den Knien gelegen. Nun war es befleckt, zerstört. Da war für ihn kein Lieben, kein Hoffen mehr.

Auch nicht für sie. Nichts mehr hatte sie, was sie liebte ...

– – – – – – – –

Dennoch fühlte sie sich leicht und frei, als schwebe sie in der Luft. Einem weichen Schleier gleich legte sich ihr der Duft des Ambra um Stirn und Schläfen. Wie milde Sonnen der Nacht leuchteten die zarten Flammen der Farben und wie auf raunenden Wellen flössen die Harmonien der Harfen und Flöten dahin, die Stimmen der Knaben und Mädchen ...

... Und die Gottheit hört es im Tempel der Schöpfung ...

Die Gottheit – Träumte sie? Das Gesicht dort in dem sanften Grün und dem zerfließenden Gelb ... dunkle Augen, die lächelten ... rote Lippen, die sich zum Kusse wölbten ...

Overton?

– – – – – – – –

Die Musik verstummte. Die Farben verblichen. Das Bett stand still. Und die Fenster öffneten sich, um das grelle Licht des Tages einzulassen.

Über Emma beugte sich Doktor Grahams Gesicht.

»Nun?« fragte er begierig. »Was sagen Sie?«

Verwirrt richtete sie sich auf. Dann kehrte ihr die Erinnerung zurück. Langsam stieg sie vom Bette herab.

»Eine Gaukelei der Sinne!« sagte sie achselzuckend. »Aber sehr geschickt gemacht!«

Er betrachtete sie enttäuscht.

»Das ist alles? Haben Sie wirklich nichts, gar nichts empfunden?«

Sie lächelte bitter.

»Was kann eine Hebe Vestina empfinden? Wissen Sie nicht, daß Götter keine Seelen haben?«

*

Acht Tage später fand die erste Schaustellung statt.

Die schöne Herzogin Georgiana von Devonshire, durch Doktor Graham während seines früheren Aufenthaltes in Paris von einer Krankheit geheilt, übernahm das Protektorat über den Tempel der Gesundheit und erfüllte durch ihre begeisterten: Schilderungen von den Wunderwirkungen des »Göttlichen Bettes« die Kreise des Adels mit Neugierde und Erwartung. Sogar der Königliche Hof nahm für Doktor Graham Partei. König George III., der in dieser Zeit an einem seiner Wahnsinnsanfälle litt, erhielt als Gegenmittel gegen die bösen Dünste, die ihn krank machten, von Doktor Graham die Niederschrift eines Gebets, das ihm nachts unter das Kopfkissen gelegt wurde. Historisch. Als sich wirklich eine leichte Besserung zeigte, ließ der Prinz von Wales seinen Besuch im Gesundheitstempel ansagen.

Doktor Graham hatte alles getan, um die Schaustellung aufsehenerregend zu gestalten. Täglich erschienen Zeitungsartikel und Flugblätter, die das Lob des »Göttlichen Bettes« verkündeten. Endlich war es dem berühmten Arzte gelungen, ein lebendes Beispiel für die unvergleichliche Wirkungskraft seiner neuen Heilweise zu beschaffen. An einem Mädchen von Fleisch und Blut werde er zeigen, wie seine große Entdeckung der Megalanthropogenesie es ihm ermöglichte, das Leben überzuleiten, kinderlosen Eltern gesunde und geistig blühende Nachkommenschaft zu sichern, entartenden Geschlechtern eine Auffrischung ihres verdorbenen Blutes, dem gesamten Volke eine unversiegliche Fülle neuer Lebenskraft und neuen Liebesglücks.

So strömte am Abend der ersten Schaustellung die vornehmste Gesellschaft Londons in das ehemalige Heim des toten Garrick. Damen und Herren der Lebewelt, Würdenträger des Hofes und der Regierung, berühmte Maler und Bildhauer, Gelehrte und Ärzte, die Größen der Börse und der Theater füllten den »Goldenen Tempel des Hymen« und lauschten in atemloser Spannung Doktor Grahams Vortrage, in dem er seine Theorie von der lebenspendenden Kraft des Allfluidums, des Äthers, darlegte und wissenschaftlich begründete.

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Dieses Allfluidum durchdrang alle Dinge der Schöpfung, in ihm und durch es allein lebten sie. Aber der Himmelsstoff war so flüchtig und fein, daß es bisher nicht gelungen war, ihn der Menschheit dienstbar zu machen. Nun jedoch war, dank der Entdeckung des Magnetismus und der Elektrizität, dieses höchste Ziel aller menschlichen Forschung erreicht. Ein neues goldenes Zeitalter brach an. Die lange Lebensdauer der vorzeitlichen Geschlechter kehrte wieder; Genie und Schönheit, bisher nur wenigen Bevorzugten verliehen, wurden Gemeingut des gesamten Volkes; zurückerobert für das Menschtum war die unerschöpfliche Fruchtbarkeit der Natur. Der Traum der alten Griechen von ewiger Schönheit und ewiger Jugend erfüllte sich; die Wissenschaft hatte den alten Göttern des Olympos ihre Geheimnisse entrissen. Im tierischen Magnetismus und in der Elektrizität des Äthers bot sie den neuen Göttern der Erde beides, Trank und Speise, Nektar und Ambrosia!

Plötzlich verdunkelte sich der Saal. Die süßen Düfte des Ambra durchzogen die Luft; geheimnisvoll drangen wie aus weiter Ferne die ersten leisen Akkorde der Musik herein. Strahlend von Licht und Glanz leuchteten die Farbenharmonien auf und verschmolzen mit den zarten Stimmen der Knaben und Mädchen wie zu einem gen Himmel wallenden Gesang der Sphären.

Und nun öffnete sich das Zelt. Überstrahlt von den wechselnden Reflexen der Farben erschien das »Göttliche Bett«, in sanften Schwingungen einherschwebend, wie von Geisterhand bewegt.

Hebe Vestina!

Inmitten schwellender Kissen lag sie, wie in einem Pfühl von duftenden Rosen ...

Unter den lichten Hüllen dehnte sich das fehlerlose Ebenmaß ihrer Glieder, leuchtete der blütenweiße Schmelz ihres Leibes, traten die edeln Linien ihrer Schultern, Arme, Hüften in blendender Reinheit hervor.

Ihr Gesicht war von einem dichten Schleier bedeckt. Fürchtend, daß der höchste Glanz überirdischer Schönheit zu stark sei für sterbliche Augen, schien die Gottheit selbst ihn dem Anblick der Menge entzogen zu haben. Aber die weiche Lagerung der Glieder, das zitternde Heben und Senken der Brust verrieten die ganze Fülle der Lust, die den göttlichen Körper durchglühte. Die Hände unter dem rotleuchtenden, wie von Lichtfunken durchsprühtem Haar gefaltet schien er auf den Fittichen eines süßen Traumes dahinzuschweben.

Hebe, träumend von Herakles, dem nahenden Gatten ...

*

Ein Sturm des Entzückens durchbrauste den weiten Raum. Doktor Graham wurde mit Beifall überschüttet. Auf dem Tische, hinter dem er stand, häuften sich die Anmeldungen für das »Göttliche Bett« trotz des hohen Preises von fünfzig Pfund für eine einzige Benutzung. »Nervenbalsam« und »Elektrikal-Äther«, die Heilmittel des Wunderarztes, fanden reißenden Absatz. Der Erfolg war ungeheuer.

Was Emma einst ersehnt hatte, war geschehen. Huldigend lag die Welt ihrer Schönheit zu Füßen.

Einsam saß sie in dieser Nacht in ihrem Zimmer. Sie dachte nicht mehr an den Triumph. Ein Lächeln lag um ihren Mund, wie eine welke Blume.

Einsam war sie. Hatte nichts, das sie liebte. Wäre gern gestorben ...


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