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XI.

Es giebt unter ihnen sehr unglückliche Menschen, die Niemand tröstet – Das sind die eifersüchtigen Ehemänner; – es giebt darunter Menschen, die alle Welt haßt: – Das sind die eifersüchtigen Ehemänner; – es giebt auch welche, die alle Welt verachtet: – Das sind die eifersüchtigen Ehemänner.

Montesquieu. Pers. Brief. I. 55.

Es ist der Beachtung werth, daß unsere Nation der Tapferkeit den ersten Tugendpreis zuerkennt.

Montaigne, B. II. Ges.7.

Brest.

Im Jahre 1780, so gut wie 1830, war das Leben eines Marine-Offiziers in einem Kriegshafen höchst einförmig.

Aber denen, die fremd in der Stadt sind und daselbst keine Familienverbindungen haben, werden die Tage erst recht lang und langweilig; denn nur ein kärgliches Vergnügen findet man in der sogenannten »Gesellschaft,« die, wie alle Gesellschaften der Provinz, nur denen Unterhaltung bietet, welche unaufhörlich in ihrem Zirkel leben und die ewigen Klatschereien, Schwänke und Liebeshändel, auf welche die Schöngeister des Orts gewöhnlich erpicht sind, mitmachen können. Aber im Ganzen genommen muß das einem armen Teufel, der aus Versailles, Paris oder Chili kommt, höchst erbärmlich vorkommen, obgleich ihm die Wahl zwischen dem Bier und dem Dunst in den Tabagien, zwischen dem Geplärre auf einem armseligen Theater und den Reizen einer vollkommenen Einsamkeit frei steht.

Jene Wahl hätte drei von den Offizieren der Fregatte »Sylphide,« die der Graf von Vaudrey befehligte, gewiß in Verlegenheit gesetzt, denn sie waren stockfremd in Brest, wenn sie nicht den köstlichen Einfall gehabt hätten, alle Abende bei Einem aus ihrem Kleeblatte zusammen zu kommen, und so unter dem frostigen Himmel der Bretagne ein Klein-Paris ex tempore zu statuiren.

So lebten sie in ihren gegenseitigen Erinnerungen, theilten sich die Briefe, die sie vom Hofe empfingen, einander mit, und genossen so einen kleinen Nachgeschmack von jenem Wohlleben in Paris und Versailles, wonach sie so herzlich schmachteten. Diese drei Herzensfreunde, wie man sie nannte, waren der Marquis von Miran, der Ritter von Monval, Beide Schiffs-Fähndriche, und der Baron von St. Sauveur, Kammerherr, der jetzt zur See Offiziersdienste that.

Alle Abende kamen sie nach dem Essen bei Einem von ihnen zusammen, und die drei Edelleute kos'ten dann bei einem hellflackernden Feuer, vor dem ein ungeheurer Topf mit heißem Wasser, das zum Punsch, Kaffee oder Thee (denn der war in der Aristokratie bereits sehr gewöhnlich) bestimmt war, sprudelte und kochte, ein Langes und Breites von ihren Reisen, von ihren Gefechten, von Versailles, von Paris, von den Weibern, machten wohl auch ein Spielchen oder lasen sich die Briefe vor, die sie von ihren vielen Correspondenten empfingen.

Diesen Abend kamen die drei Freunde beim Marquis von Miran zusammen; der Ritter von Monval war schon da, und sie erwarteten nur noch den Baron von St. Sauveur.

Die Wohnung des Herrn von Miran bestand aus drei jener großen, mit Zierrathen überhäuften Zimmer, die mir immer einen sonderbaren und düstern Anstrich zu haben scheinen.

Die beiden jungen Männer hatten sich in das noch am wenigsten öde von jenen Zimmern gemacht, welches einen Salon vorstellen sollte, und bei dem hellen Feuer, auf dem dichten Teppich und hinter den dichten Fenstervorhängen konnte man noch ganz gemächlich einen Winterabend daselbst hinbringen, zumal, wenn man sich auf einen von den drei langen Kanapee's, die die Zimmer schmücken sollten, hinstreckte, und dann und wann ein Glas heißen Punsch oder eine Tasse Karawanenthee hinunterschlürfte.

»Wo Teufel muß denn unser St. Sauveur stecken, daß er noch nicht da ist?« rief Monval. »Donnerwetter! wenn er nur nicht gar wegbleibt: denn unsre Neuigkeiten sind erschöpft, und wir denken, er soll uns frische mitbringen.«

»Wahrhaftig, Monval,« rief Herr von Miran, »der ist heute ungemein lange aus, und wir mußten ja zehn Stunden lang uns mit dem Flottmachen der verfluchten Fregatte herumplagen, ehe wir uns hier dieses Erholungsstündchens erfreuen konnten.

»Noch ärger ist's, daß wir immerwährend jenen verteufelten Lieutenant auf den Fersen haben,« rief Monval.

»Ja, wahrhaftig, der verfluchte Blaurock Die Marine-Soldaten theilten sich damals in blaue und rothe.,« erwiederte Miran, »versteht sein Handwerk, das kann ihm Niemand abläugnen. Aber der Mensch hat eine Grobheit und einen Stolz an sich, den er jedoch zu seinem Glücke nur im Dienste äußert, denn sonst, bester Freund, hätte er längst schon Blut lassen müssen.«

»Ha!« rief Monval, »er ist ein halber Narr, man muß darüber lachen; ich meinerseits zeige im Dienste eine Unterwürfigkeit, die ihn im Herzen ärgert, und treffe ich ihn dann einmal außerhalb der Fregatte, so lasse ich ihn seine Grobheiten tüchtig entgelten, den ehrenfesten Herrn Thomas, der, wie ich vermuthe, verzweifelt, daß er nur Thomas heißt, obgleich er und sein Freund Gideon, unser würdiger Herr Lehrer, nicht müde werden, auf den Adel zu schimpfen.«

»Ja, Gideon, das ist so ein Vieh,« rief der Marquis von Miran, »so ein herzloser Wicht, der – doch ich höre St. Sauveur kommen.«

St. Sauveur trat wirklich ein. Er mochte etwa achtzehn Jahr alt sein, seine Freunde aber schienen etwas älter.

»Guten Morgen!« rief St. Sauveur im Hereintreten, – »guten Morgen und guten Abend; – ich habe Briefe!«

»Bravo! laß sehen.«

»Nein! zuvor gieb mir einen Schlafrock, Miran, ich habe den Glauben Jourdain's, nämlich: daß ich im Schlafrock besser lesen kann.«

»Wohlan, da, Du Narr,« rief sein Wirth, und warf ihm das Kleidungsstück hin, welches er aus seiner Garderobe geholt hatte.

St. Sauveur zog seinen blauen, mit Gold besetzten Rock, wie es in Burgund Mode war, aus, behielt seine Weste, seine Hosen und seine scharlachrothen Strümpfe (scharlachroth, weil die Flaggenwächter zum Königlichen Hofhalt gehörten), schnallte das wildlederne Gehänge ab, warf seinen Degen auf einen Tisch, fuhr in den Schlafrock, streckte sich gemächlich auf ein Kanapee, und sagte endlich zu seinen beiden Freunden, die mit heftiger Neugier den Zweck dieser seiner gravitätischen Vorbereitung erwarteten:

»Meine Freunde, ich habe Briefe aus Paris, und unter andern einen vom Marquis von la Jaille, dem vertrauten Freunde unsers zukünftigen Kommandanten.«

»Das ist herrlich, lies ihn vor.«

»Ja, ich glaube es, daß das herrlich ist, denn es handelt sich hier um eines der merkwürdigsten Abenteuer; es ist ein leibhafter Roman, der in der baldigen Ankunft des Grafen von Vaudrey seine Auflösung finden soll.«

»Aber so lies doch, verdammter Schwätzer,« riefen die Freunde.

»Nun wohlan, so hört, was la Jaille schreibt:

»Sie beklagen sich gewöhnlich, daß meine Briefe zu kurz sind, mein Freund; dieser, hoffe ich, wird mir einen solchen Vorwurf nicht zuziehen; ich werde ausführlich sein, denn ich spreche von einem meiner innigsten Freunde, unter dessen Kommando auch Sie bald stehen werden, und habe deshalb keine Begebenheit übergehen wollen, die, wie ich fest überzeugt bin, der Neid und die Verleumdung mit aller Macht zum Nachtheil meines vortrefflichen und würdigen Freundes, des Grafen Heinrich von Vaudrey, auslegen werden. Doch zur Sache.

Ich habe Ihnen in meinem vorigen Briefe den höchst originellen Spaß erzählt, den sich Heinrich mit jener spanischen Herzogin machte; seine Mummerei, seinen Aufenthalt in einem einsamen Thurme; seinen Scherz, der, anfangs so unschuldig, ein sehr trauriges Ende genommen hat, zur größten Betrübniß meines Freundes, wie ich Sie versichern kann.

Aber, wer Teufel hätte denn auch gedacht, daß es in unsern Tagen eine Frau so weit treiben und kindisch genug sein könnte, vor Liebe zu sterben, was allerdings wohl ein Unglück sein mag, aber das doch Heinrich, wie Sie mir selbst zugestehen werden, unmöglich vorhersehen konnte?

Wie Sie leicht denken können, hat dieses Abenteuer den Grafen von Vaudrey mehr als je auf's Tapet gebracht, und unter der Anzahl der Damen, die ihn in Beschlag genommen haben, will ich nur die Frau Baronin von Cernan nennen, die Sie wahrscheinlich bei der Prinzessin von Lothringen gesehen haben, von der sie seit einigen Monaten noch nicht weggekommen ist.«

»Donnerwetter, die kenne ich auch!« rief Monval, »ein schönes Weib, aber erstaunlich kokett, habe ich mir sagen lassen. – Ach! Die also auch? – Ei – ei – ei, wenn ich das gewußt hätte!«

»Schweig doch!« rief Miran.

St. Sauveur fuhr fort:

»Es schien, als mache auch ein gewisser Herr von St. Cyr, Oberst-Lieutenant im Regiment Burgund, der Frau von Cernan die Cour, und als würden seine Briefe sogar angenommen, doch ihm, so wie allen Andern, weiter nichts gestattet; auch ist es bloß, wie man sagt, ein reiner Platonismus gewesen. – –«

»Und Du willst auch noch, daß ich die Infanterie nicht verachten soll?« sagte Monval.

»Noch eine einzige Unterbrechung, und ich höre auf zu lesen!« rief St. Sauveur, und fuhr fort:

»Ich weiß nicht, warum oder wie Vaudrey den Mann entfernte, und ihn auf einen Besuch zum Herrn von St. Cyr nach Nevers schickte, wo letzterer in Garnison stand. Aber so viel ist gewiß, jetzt ist der Graf in ganz Paris bekannt; denn während der Mann und der platonische Liebhaber sich in Nevers, ich weiß nicht was, zu sagen hatten, brachte der Graf eine ganze Nacht mit der Baronin in seiner petite maison zu.

»Bravo!« rief Monval, »das ist eine vortreffliche Lection für die platonische Infanterie.«

»Durch einen unbegreiflichen Zufall,« fuhr St. Sauveur wieder fort, »verriethen, trotz der feinsten Vorsicht, die der Graf und die Baronin getroffen hatten, und die das ganze Abenteuer in das tiefste Stillschweigen vergraben zu müssen schienen, zwei anonyme Briefe, die allem Vermuthen nach von der Marquise von Vaillé ausgingen, welche Heinrich der Frau von Cernan aufgeopfert hatte, dem Herrn von St. Cyr und dem Herrn von Cernan, daß man sie Beide zu Narren gehabt, und während der Reise des Mannes nach Nevers sein Weib mit Vaudrey gebuhlt hätte. – Die That ward durch eine Kammerfrau der Baronin verrathen, die bisher Treue gegen ihre Gebieterin geheuchelt, aber wahrscheinlich durch jene Niederträchtigen, die das ganze Unglück angerichtet hatten, bestochen worden war und dem Baron Alles gestand.

Bis jetzt, mein Freund, habe ich nur die Rolle des Erzählers gespielt, nun aber trete ich in dieser Tragicomödie als Acteur selbst mit auf.

Vor drei Tagen ließ mich Heinrich bitten, so schnell als möglich zu ihm zu kommen; ich lief hin, und fand ihn in der größten Unruhe. – ›Ich erwartete Dich,‹ sagte er zu mir, ›denn ich sitze gar schrecklich in der Tinte. – Meinetwegen ist mir's ganz gleich, aber sie, die arme Frau von Cernan, wird trostlos sein. Na, das ist nun weiter nichts; ich habe Dir nur geschrieben, um Dich zu bitten, einer meiner Secundanten zu sein, Crussol ist der andere. Ich schlage mich nämlich noch diesen Morgen mit dem Herrn von Cernan und dem Herrn von St. Cyr.‹ – ›Zwei Duelle auf ein Mal,‹ rief ich, ›das ist nicht gleich.‹ – ›Das, was sie die Beleidigung nennen, ist gleich gewesen, Theuerster,‹ antwortete mir Vaudrey, ›die Genugthuung muß es also auch sein.‹

Wir fuhren in seinem Wagen ab, er, ich, Crussol und sein Wundarzt. Am Thore des Gehölzes trafen wir unsre Gegner, den Herrn von Cernan und den Herrn von St. Cyr und von Maupas, die seine Secundanten waren.

Wir bezahlten die Schildwachen reichlich, sie versprachen uns zu schweigen, und bald befanden wir uns in einer sehr dichten Allee.

Herr von Cernan hatte, da ihm seine Corpulenz das Fechten sehr unbequem machte, die Pistolen gewählt. Er und Vaudrey sollten auf einander losgehen und schießen, wenn es ihnen gutdünken würde; doch durften sie sich nicht näher als zehn Schritte kommen.

Wir stellten sie fünf und zwanzig Schritte auseinander; Vaudrey war kalt und ruhig, wie gewöhnlich.

Herr von Cernan sah so blaß aus, wie der leibhafte Tod, und trotz der strengen Kälte rann ihm doch der Schweiß tropfenweis von der Stirn.

Ungefähr fünfzehn Schritte von Heinrich entfernt, that der Baron seinen ersten Schuß, und die Kugel streifte Vaudrey's Ohr, der auch gleich schoß; doch gezielt hatte er, bei meiner Ehre, auf Herrn von Cernan nicht.«

»Es hat die gute Seele noch gedauert,« unterbrach der Ritter von Monval den Leser.

Unwillig blickte ihn St. Sauveur an, und fuhr dann abermals fort:

»Als die beiden Gegner nur noch zehn Schritte von einander entfernt waren, zitterte der Baron vor Zorn so sehr, daß die Pistole mächtig in seiner Hand schwankte. – ›Sie sind erhitzt, Herr Baron,‹ rief Heinrich; ›wollen Sie sich nicht sammeln? Ich will warten.‹ – Darauf wandte er sich zum Herrn von St. Cyr: ›Wenn's beliebt, mein Herr, ich stehe zu Diensten, denn auch mit Ihnen habe ich zu thun.‹

Dieses edele, unerwartete, großherzige Benehmen versetzte uns in ein solches Staunen, daß anfangs Niemand antwortete, bis endlich Herr von St. Cyr Heinrich höflichst für sein so zartes Verfahren dankte, es jedoch ohne die Einwilligung des Herrn von Cernan nicht annehmen wollte.

›Und ich verbitte mir das,‹ rief der Baron wüthend, ›der Schuft soll nur von meiner Hand sterben; noch ein Mal, ich verbitte mir das; St. Cyr könnte mir ihn vielleicht wegschießen!‹ fügte der Rasende hinzu.

›Sie haben Recht, Herr Baron, Jedem das Seinige,‹ erwiederte Heinrich gelassen. ›So will ich denn warten, ohne etwas zu unternehmen.‹

Diese Worte schienen des Barons Wuth zu verdoppeln, aber ihm auch zugleich seine ganze äußere Ruhe wieder zu geben; aus seinem wilden Zorne verfiel er in eine kalte Wuth. Sein Arm war steif, wie eine Eisenbarre, und mit höllischem Lächeln sagte er zu Heinrich: ›Wohlan, mein Herr, Sie sehen, ich zittre nicht mehr; machen Sie sich fertig, daß ich Sie niederschießen kann.‹

Heinrich erwiederte nichts, winkte mir mit der Hand und sah den Baron stier an. Der Schuß ging los, verfehlte aber Heinrich, der wieder, wie das erste Mal, in die Luft schoß.

Statt dies bewundernswerthe Benehmen würdig zu schätzen, stürzte der Baron auf Heinrich zu, schlug ihn im Ausbruch der heftigsten Wuth ins Gesicht, und rief: ›Es ist nicht aus, hörst Du! Ich weiche nicht von der Stelle, bis Einer von uns Beiden todt ist!‹ Ich kenne Heinrich's Heftigkeit, und hielt den Herrn von Cernan für verloren.

Noch hatte Vaudrey seine beiden Pistolen in der Hand, die zwar abgeschossen waren, aber ihm dennoch zur schrecklichen Wehr dienen konnten.

Ich kann Ihnen mein Erstaunen nicht beschreiben, mein Freund, als ich Heinrich immer noch ruhig bleiben sah; doch bemerkte ich, daß er, seine Wangen Lügen strafend, heftig mit den Zähnen knirschte.

Ich, Crussol und Herr von St. Cyr, wir wandten uns zum Baron, und warfen ihm seine ungebührliche Handlungsweise vor.

›Herr Baron!‹ rief Heinrich immer noch mit Gelassenheit, ›Ihre Beleidigung wechselt unsre Rollen, oder macht sie wenigstens einander gleich. Um der Sache ein Ende zu machen, thue ich Ihnen den Vorschlag, von zwei Pistolen, wovon aber nur eine geladen sein soll, eine zu wählen, – wir halten sie uns auf die Brust, und so ist die ganze Sache aus; denn, bei Gott, wir treiben hier ein wahres Kinderspiel, und mißbrauchen die Gefälligkeit dieser Herren.‹

›Ich nehme es an!‹ rief der Baron.

Unser Bemühen, ihn von einem solchen Vorhaben abzubringen, war vergeblich. Heinrich's Vorschlag ward in's Werk gesetzt; sie nahmen Jeder den Zipfel eines Taschentuches zwischen die Zähne. – Wir gaben das Signal. – Nur ein Schuß fiel, – es war Vaudrey's Schuß. – Der Baron drehte sich ein Mal rings um, streckte die Arme aus, sank seitwärts nieder, ohne einen Schrei auszustoßen; – er war todt. –«

»Donnerwetter!« rief Monval.

»Alle Teufel!« setzte Miran hinzu.

St. Sauveur fuhr fort:

»›Ich schwöre es Dir, la Jaille,‹ sagte Vaudrey mit der innigsten Rührung zu mir, ›Alles in der Welt hätte ich darum gegeben, hätte ich dieser schrecklichen Nothwendigkeit ausweichen können. – Schon zwei Mal hatte ich das Leben dieses Tollkopfs geschont, und will nun nicht mehr mich wie einen Hund niederschießen lassen, ohne wenigstens die Dienstfertigkeit des Glücks zu versuchen.‹

›Jetzt stehe ich zu Diensten,‹ sagte Heinrich zu St. Cyr.

Bei Gott, mein Freund, es war ein schreckliches Schauspiel, diese beiden Männer, im Kampf auf Leben und Tod, neben jener Leiche stehen zu sehen. – Nach zehn Minuten war Herr von St. Cyr verwundet und unfähig zu fernerem Kampfe; auch erklärte er sich für zufrieden gestellt mit dieser Genugthuung. – Er soll sein Regiment verlassen haben und Mönch geworden sein.

Die Baronin von Cernan hat sich einstweilen in ein Kloster geflüchtet. –

Dies, mein Freund, ist die ganze Begebenheit. Ich habe sie Ihnen absichtlich so ausführlich erzählt, damit Sie den Gerüchten, die die Bosheit verbreiten dürfte, keinen Glauben beimessen. Sie sehen selbst, es ist unmöglich, sich ehrenvoller, zarter und rechtlicher, als Heinrich, zu benehmen, und doch haben Haß und Neid bereits Versuche gemacht, einen so trefflichen Charakter in ein schlechtes Licht zu setzen; doch diese elenden Bemühungen sind, zur Beschämung ihrer boshaften Urheber, gescheitert. Denn ich begreife nicht, wie das Gerücht nur einen Augenblick hat entstehen können, als sei der Graf gefährlich verwundet; da erkundigten sich Hof und Stadt nach seinem Befinden, und es war fast ein wahres Fest, als es bekannt ward, daß für sein Leben nichts zu fürchten sei. Er hat gestern die Befehle des Ministers und Sr. Majestät erhalten. Der König hat ihn mit den freilich etwas harten Worten entlassen: ›Gegen Frankreichs Feinde, mein Herr, sollen Sie Ihren Muth beweisen, und lassen Sie Uns bald eine von jenen hohen Waffenthaten hören, an die Sie Uns gewöhnt haben. Nur dadurch allein können Sie Ihre unglückliche Geschichte bei Uns in Vergessenheit bringen und Unsre Huld wieder erlangen.‹ Dieser Verweis darf Sie nicht wundern. Der König übt eine so strenge Lebensweise, daß Vaudrey's Benehmen ihm schimpflicher erscheinen mußte, als es wirklich ist.

Leben Sie wohl, mein Freund; ich preise Sie von Herzen glücklich, daß Sie unter dem Befehl des Grafen dienen können; was man auch immer reden möge, ich habe mit ihm von Ihnen gesprochen und ihn Ihrem Vater vorgestellt, gegen den er so zuvorkommend und galant war, daß der alte General jetzt noch davon bezaubert ist, und ihn bei jeder Gelegenheit als das Muster eines ächten Edelmanns anführt.

Noch ein Mal, leben Sie recht wohl!

Ganz der Ihrige

Marquis von la Jaille

»Alle Teufel!« rief Miran, »unser zukünftiger Commandant benutzt seine Zeit nicht schlecht.«

»Aber das ist doch sonderbar!« rief Monval; »weil Herr von Vaudrey Herrn von Cernan erst beschimpft und dann, ohne Vertheidigung, vor fünf Zeugen erschossen hat, ist er hinlänglich entschuldigt und entschuldigungswerth, während er doch, hätte er ihn ohne Zeugen ermordet, für einen Meuchelmörder gegolten haben würde. Und doch bleibt sich die Thatsache gleich.«

»Ohne Zweifel,« erwiederte St. Sauveur. »Aber, mein Theuerster, wir leben auch unter Gebildeten, und nicht unter Wilden.«

»Sonach,« fuhr Monval fort, »hat Herr von Cernan die Sache sehr ernstlich genommen.«

»Weißt Du was,« rief Miran, »ich weiß auch, was ich zu thun und zu lassen habe; aber an seiner Stelle würde ich eben so gehandelt haben, nicht etwa der Frau wegen, sondern wegen jenes verfluchten Spaßes, mich in Wind und Wetter nach Nevers zu jagen, während – Höll' und Teufel, – man muß sich überall zu benehmen wissen.«

»Aber was schwatzt Ihr da!« erwiederte St. Sauveur. »Man hat ein Liebesverständniß; trotz des Schweigens, das man dabei beobachtet, erfährt es der Mann und wird wild darüber; er tödtet einen oder man tödtet ihn. So war's, so ist's, und so wird's immer sein. Man kann doch nicht gleich Mönch werden!«

»Sapperment!« rief Miran, »ich suche ja auch Herrn von Cernan nicht auf Kosten Vaudrey's zu rechtfertigen.«

»Ich meinerseits,« versetzte Monval, »bin strenger, und behaupte, sie haben Beide Unrecht.«

»Du bist aber auch ein doppelter Cato!« rief St. Sauveur.

Und so schwatzten die drei Freunde den ganzen Abend über diesen unerschöpflichen Text, der eine Menge Anekdoten herbeiführte, bei deren Erzählung die Mitternacht sie überraschte.


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