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V.

Die vortreffliche Polizei des Lycurg, in der That ungeheuer durch ihre Vollendung, ist der Beachtung wohl werth.

Montaigne, B. I. C. I.

Der Herr Commissair.

Rita's kleines Gemach hatten einige zwanzig Soldaten erfüllt, von einem Sergeanten der Hellebardirer geführt. Einige murmelten unter einander, und zeigten auf Rita; Andere machten sich gegenseitig stillschweigend auf die verschiedenen Meubel des Zimmers aufmerksam.

An einem kleinen Tische saß ein Mann von häßlicher, dicker Gestalt, in einem schmutzigen schwarzen Rocke. – Das war der Commissair.

Vor ihm standen Perez und Rita.

»Ihre Namen?« fragte sie barsch der schwarze Mann.

»Perez von Sibeyra,« erwiederte Perez.

»Ihr Stand?«

»Wechsler.«

»O, Wechsler – ein Wechsler ist viel. Wahrhaftig, ein herrlicher Wechsel! Ihre Papiere?«

»Ich habe keine, ich habe sie verloren.«

»Das kann ich nicht glauben,« sprach er und wandte sich sodann zu Rita:

»Sie aber, meine Schöne, ziehen Sie doch ihre Hände weg, und verbergen Sie nicht Ihr schönes Gesicht. Wohlan, Ihr Name? – Nun, so reden Sie doch,« fuhr barsch der Polizeimann fort, stand halb auf, und wollte die Hände der Herzogin, die ihr Antlitz immer noch verbarg, wegreißen.

»Elender! Bei Gott im Himmel! Rühre sie nicht an! hörst Du?« schrie Perez, und fiel über den Commissair her.

»Fast ihn, und bindet ihm die Hände,« gebot dieser seinen Leuten mit kalter Härte.

Perez ward gebunden.

Darauf wandte sich der schwarze Mann wieder zu Rita, und sprach: »Du aber, Du Schöne, kannst uns nun Dein Gesicht leicht sehen lassen; denn, bei Gott, das brauchst Du nicht zu verbergen; daran ist eben nichts Schönes. Wohlan, Dein Name? Dein Stand?«

Rita ward purpurroth; ihre Augen sprühten Blitze; doch kein Wort ging über ihre Lippen.

»Du schweigst immer noch? Das ist herrlich; wir wollen doch sehen, ob die Diät zu St. Lazarus und die Zuchtmittel, deren Starrköpfe sich dort erfreuen, mehr Macht haben werden, als mein Verfahren. Im Spital wirst Du Dich schon entschließen, mein Kind.«

»In's Spital! Sie! Sie! O mein Gott, das ist schrecklich!« rief Perez und weinte.

»Schweig! Ist sie was Besseres, als die Andern ihres Gelichters? Sie wird Handeisen tragen müssen, und, nicht wahr, dann wird man sie nicht mehr für eine Fürstin halten? – Frisch, bindet ihr die Hände, wie ihrem Mitschuldigen; seht aber dabei auf Eure Taschen; denn sie ist eine verwegene Diebin.«

»Mich anzurühren wirst Du nicht wagen,« rief Rita, und trat mit so viel Würde und Hoheit vor den Polizeidiener, daß er für den Augenblick ganz verdutzt war.

Als er sich aber wieder sammelte, spottete er: »Wahrhaftig, die spielt die Fürstin gar nicht übel! – Doch, macht fort, und bindet sie!«

Zwei Soldaten näherten sich.

Da warf sich Perez nieder auf die Knie, und schluchzte: »O, edle Frau, um Gottes Barmherzigkeit willen, widersetzen Sie sich nicht!«

Todtenbleich ward Rita, streckte die Hände den Fesseln entgegen, und murmelte mit tiefer, schmerzlicher Stimme: »O Heinrich! Heinrich!«

»Aber, wessen klagt man uns denn an?« fragte Perez.

»Du bist sehr neugierig,« versetzte der Commissair. »Aber so neugierig, wie Du bist, war auch der Polizei-Inspector. Denn gleich bei Eurer Ankunft in Paris hast Du und Deine Mitschuldige großen Argwohn erregt, und deshalb folgte man Eurer Spur. Da bemerkte man nichts, als Hin- und Hergelaufe, Goldspenden rechts und links; ein stetes Spioniren nach den angesehensten Personen, und dies Alles verrieth schlechte Absichten; doch in St. Lazarus wird man Euch schon gesprächig machen. Jetzt die Schlüssel zu diesem Secretär!«

»Ich habe sie nicht.«

»Brecht den Secretär auf,« rief der Commissair seinen Leuten zu. »Denn ich muß hier Alles untersuchen, und hoffe, einen Diebstahl dieses saubern Paares zu entdecken.«

Da schlug der Sergeant mit seiner Hellebarde auf das Schloß des Secretärs, daß es aufsprang.

Hierauf öffnete der Commissair das Kästchen, welches die Ungeheuern Reichthümer umschloß, die Rita zu Geld, theils zu Gold, theils zu englischen Banknoten gemacht hatte.

»Ei, so habe ich doch endlich die Elster im Neste erwischt!« rief er entzückt. »Das ist ein offenbarer Diebstahl, und woher habt Ihr diese ungeheure Summe, Ihr Schurken?«

»Das ist mein Gut,« antwortete Perez, »ich bin Wechsler.«

»Ja, ja, Dein Gut. Schreiber, versiegle Er alle diese Meubeln und jenes Kästchen, das ich sodann dem Herrn Polizei-Inspector übergeben will. Die Vögel hier erwartet ihr Käfig, und vielleicht kann man, denn der Teufel weiß, wie sie zu diesem Gelde gekommen sind, und ob nicht Blut an dem Allen klebt –«

»Herr, zum letzten Male,« rief Perez, »behaupte und beschwöre ich vor Gott, daß diese Summe mein rechtmäßiges Gut ist, und daß, wenn anders von Verbrechen und Diebstahl die Rede sein darf, dies Weib hier unschuldig ist. Mir, mir ganz allein gehört dies Gold. Jene Schritte, die den Argwohn einer Obrigkeit erregen konnten, waren allein mein Werk. Ich will Ihr Gefangener sein; doch diese Frau müssen Sie freilassen!«

»Ist ein Lohnkutscher da?« fragte der Commissair, Perez keiner Antwort würdigend.

»Ja, Herr Commissair,« antwortete der Sergeant.

»So bringt denn diese beiden Verbrecher in Sicherheit. Indessen will ich und mein Schreiber mit noch Zweien von Euch alles das, was wir gefunden haben, gerichtlich aufsetzen.«

So ward Rita in's Spital, Perez aber nach St. Lazarus abgeführt.

In der That, es muß schrecklich sein, sich in dem Augenblicke, wo man auf dem Punkte steht, seine Rache durch den feinsten aller Pläne sättigen zu können, so unvermuthet auf lange Zeit von dem nahen Ziele zurückgeworfen zu sehen.

Aber leider vergessen die Verschworenen, die Verliebten, die Dichter oder solche Rachegeister, wie Rita, fast immer die einfachsten und gewöhnlichsten Vorsichtsmaßregeln, im Wahne, es gehörten diese nicht in die hohe Sphäre ihrer erhabenen Combinationen.

Die Polizei aber ist so bewundernswerth in ihrer Strenge, daß sie sogar den Einsiedler durch lästige Fragen nach seinen Papieren auf seinen Felsen zurücktreiben könnte. Denn in der Civilisation giebt es eine Zeit, wo man nur noch mit hoher Concession des Staates ein Menschenfeind sein darf. –


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