Julius Stettenheim
Wippchens Russisch-Japanischer Krieg
Julius Stettenheim

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VI.

Port Arthur, den 5. März 1904.

Alles deutet darauf hin, daß Port Arthur eingeschlossen wird. Wenn ich einen Russen sehe, so halte ich ihn für den letzten Mann, bis auf welchen die Festung verteidigt werden soll. Es wird ein Kampf werden, dessen Härte einer besseren Sache würdig wäre und nichts zu wünschen übrig lassen wird. Um die Gefahr der Aushungerung und Ausdürstung zu beseitigen, werden ungeheure Massen von Proviant aufgestapelt. Viele Magazine sind mit frischem Brot angefüllt, alle Felder sind mit – verzeihen Sie das harte Wort! – Rindvieh bevölkert, auf den Hühnerhöfen werden unzählige Mengen Geflügel zum Eierlegen angehalten, und für die Lieblingsspeise des russischen Soldaten, das Talglicht, ist reichlich gesorgt. Wie vorauszusehen war, sind arge Fälschungen der Armeelieferanten an den Tag gekommen. In den Talglichtern fehlte der Docht. Ebenso sind tausende von Austernschalen leer und ebenso viele teuer berechnete Schafe überhaupt nicht gefunden worden. Gegen diese gewissenlosen Lieferanten ist sehr streng verfahren worden, indem sie von den Beamten, welche diese Unredlichkeiten entdeckten, gezwungen wurden, den Gewinn mit ihnen zu teilen. Die Decke, unter welcher die Armeelieferanten mit den Militärbeamten 38 stecken, ist groß und der Zar weit. Natürlich haben die russischen Behörden sich auch die Erfahrungen des belagerten Paris zunutze gemacht und für den Fall, daß die Belagerung von Port Arthur länger als nötig dauern sollte, Vorkehrungen getroffen. In allen Fünfkopekenläden sind gemästete Ratten paarweise zu haben, ebenso Kochbücher, welche die Damen in der Kunst, Pferde zu bereiten und Hunde mundgerecht zu machen, unterrichten.

Die Erregung gegen die Japaner ist eine ganz maßlose geworden. So hat der Festungskommandant die Direktion des Stadttheaters gezwungen, allabendlich und am Sonntag auch nachmittags den »Mikado« aufzuführen, damit das Publikum den Darsteller der Titelrolle bei seinem Auftreten derart mit Trommeln und Pfeifen empfangen kann, daß er sein Auftrittslied nicht zu Ende zu singen vermag. Alsdann verlangt das Auditorium stürmisch das russische Stück »Nachtasyl«, welches dann unter fortwährendem Applaus zur Aufführung gelangt.

Mir geht es natürlich unter diesen fanatischen Ausbrüchen der Wut nicht sonderlich erfreulich. Es ist nur gut, daß ich mich bemühe, russisch zu sprechen, infolgedessen mich die Russen für einen Franzosen halten, der längere Zeit in England gelebt hat. Und für die Franzosen schwärmen die Russen wie die Bienen um ihre Körbe, ich fürchte nur: wie Marquis Posa sonderbar. Sie rechnen nämlich darauf, daß sich die Franzosen eines Tages zwischen sie und die Japaner werfen. Die Franzosen werden sich hüten. Das Feuer, aus dem sie die Kastanien holen sollen, brennt vielleicht den Russen auf den Nägeln, aber für die Russen durch dies Feuer zu gehen, dazu müßten sie denn 39 doch bedeutend salamander sein, als Menschen zu sein pflegen. Es ist und bleibt aber interessant, wie zärtlich die Russen jeden Franzosen, den sie auftreiben können, behandeln. Ich weiß dies aus eigener Erfahrung, denn sie halten mich für einen Franzosen, wie ich soeben mitgeteilt habe. Wo sie mich sehen, laden sie mich ein und trinken sie Brüderschaft mit mir, daß meine Nase sich nur mit Mühe der Kupferfarbe zu entziehen vermag. Dann werden sie zärtlich. Ich sei einer der schönsten Franzosen, so schön auch alle sein mögen, und aus meinen Augen steche die Spitze der Zivilisation, an der Frankreich marschiere. Und ich möchte ihnen doch die Beresina nicht mehr übelnehmen, sollte bedenken, daß die Russen vom 26. bis zum 29. November 1812 durch Napoleon, der ja ein ausgezeichneter Mensch gewesen sei, sehr nervös geworden waren und sich außerdem in der Notwehr befanden, welche leicht zu Exzessen verleite. Es sollte auch ganz gewiß nicht wieder vorkommen. Nie wieder. Auch sei ja jetzt längst Gras, in welches leider so viele beißen gemußt, indem sie ins Wasser stürzten, darüber gewachsen. Dabei werden mir fortwährend die Hände gedrückt und geschüttelt und man klopft mir auf die Schulter, daß ich dann und wann Au-au-aura popularis! schreien muß. Auf diese Weise suchen die Russen jeden Franzosen sich geneigt zu machen, immerhin ein Beweis, daß sie fürchten, mit den Japanern nicht allein fertig werden zu können.

Vor einigen Tagen war ich an das Ufer der Halbinsel Liaotung (sprich: Liaotung) geeilt, wo die Landung japanischer Streitkräfte stattfinden sollte. Port Arthur wird nämlich auch vom Lande aus eingeschlossen werden. Und bald 40 nach meinem Eintreffen hörte ich auch schon die Regimentsmusik der japanischen Belagerungstruppe in der Ferne, welche sich näherte. Ich hörte einen Marsch, welchem ein in letzter Zeit vielgesungenes Spottlied: »Haben Sie nicht den kleinen Zar gesehen?« zugrunde lag. Die Soldaten waren lustig. Als ich einem eine Zigarre anbot, sagte er zulangend: »So werde ich Port Arthur nehmen!« zündete sie sofort an und setzte hinzu: »Und so an allen vier Ecken anstecken, wenn es sich lange besinnt, die Tore zu öffnen!« Ich warnte ihn vor seinem Optimismus, worüber er lachte, weil er keine Silbe verstand, und dann, da er meine Adresse nicht kannte, versprach, mir eine Ansichtspostkarte zu schreiben. So schieden wir.

Die Siegesgewißheit der Japaner flößt mir Bedenken ein. Ich habe immer gefunden, daß die Nürnberger Recht behielten, wenn sie keinen henkten, den sie nicht hatten, und daß der Bär noch erst geboren werden muß, dessen Fell zu verkaufen wäre, bevor man ihn angebunden hat. Ich erinnere nur daran, daß die Franzosen im Jahre 1870 einen Spaziergang nach Berlin unternehmen zu wollen erklärten und nicht wenig erstaunt waren, als sie plötzlich in den Gepäckwagen standen, um aus der Haut in die deutschen Festungen zu fahren. Der Flug des Ikaros aus Kreta wurde zu Wasser, indem dieser Wachsflügler ins Meer fiel, und als die Titanen den Olymp stürmen wollten, stieß sie Zeus in den Tartaros, fern von Madrid darüber nachzudenken. Aber da war es zu spät. Als Moltke einmal sein Schweigen brach, sagte er: »Erst wägen, dann wagen.« Aber die Japaner scheinen das nicht zu wissen, und es ist daher möglich, daß ihrem Wagen ein Rad 41 verloren geht. Wer mit dem Kopf durch die Wand will, hat es seinem eigenen Kopf zuzuschreiben, wenn die Wand fester ist als der Kopf, und von den tausend Masten des Jünglings fehlen leicht einige Nullen, wenn er als Greis in den Hafen kehrt. Ich fürchte sehr, daß die Japaner Zechpreller sind, indem sie die Rechnung ohne den Wirt machen.

Der Statthalter Alexejew, einer der ersten Staatsmänner des Buchstaben A im Konversationslexikon, wartet alles ruhig ab. Ich sprach ihn heute. »Ich habe alle Hände voll zu tun,« sagte er, indem er mir keine reichte, die ich hätte schütteln können, »es wäre mir also angenehm, wenn Sie mich bitten, sich kurz fassen zu dürfen. Sie wollen wissen, ob die Japaner Port Arthur nehmen werden. Wenn wir es ihnen geben, so wären sie ja Esel, wenn sie es nicht täten. Aber sie können es so lange belagern, bis sie aus der gelben die schwarze Rasse werden. Es will mancher höher niesen, als ihm die Nase gewachsen ist. Festina mit Lente! Ich weiß nicht, ob Sie Rom kennen, aber ich weiß, daß es nicht an einem Tage erbaut ist. Wenn Port Arthur belagert wird, so wird es auch nicht an einem Tage erbaut sein, aber wenn die Japaner glauben, es in ebenso kurzer Zeit vom Erdboden rasieren zu können, so müssen sie schon eine sehr gute Seife haben. Port Arthur ist eine bittere Medizin, die nicht leicht einzunehmen ist. Unsere Kanonen sind nicht von Pappe, sondern von Krupp, und wo sie hinschießen, da wächst kein Gras, sondern nur ein mit Fersengeld gefüllter Juliusturm.«

Ich wollte noch etwas fragen, aber Alexejew rief aus: »Es tut mir leid, daß Sie so pressiert sind, ich hätte Ihnen gern noch mancherlei anvertraut. Also – ein andermal.« Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu entfernen.

Vom Strande aus sah ich mir dann die japanische Flotte an, welche auf den Wellen der Ehre umherkreuzt. Von den Torpedobooten tönt das Lied »Die Wacht am Port« herüber. Dann und wann fällt ein Schuß ins Wasser und zertrümmert den Meeresspiegel, in den eben noch die Sonne geblickt hat, und getroffene Fische erscheinen auf dem Wellenschaum und legen sich auf den Rücken, um anzudeuten, daß ihr letztes Sekündlein geschlagen habe. Aber man sieht, wie die Flotte näher und näher rückt, und vielleicht schon morgen werden ihre Kanonen Tod und Verderben auf die Mauern der Festung gähnen. Wahrscheinlich werde ich dann nicht mehr hier zu treffen sein, ich hoffe im Gegenteil, die Stadt verlassen zu haben, die überhaupt leer ist. Alle haben die Flucht ergriffen, die keine Waffen trugen. Namentlich die Frauen und Mädchen, worüber die Soldaten außer sich sind. Daß die Soldaten von den Mädchen verlassen werden, ärgert sie sehr, denn bekanntlich lassen sie immer die Mädchen sitzen, auch wenn sie von diesen mit allem ernährt worden sind, was sie ihren Herrschaften vom Munde absparen konnten. Das ist alles wie comme chez nous. Die Soldaten leisten in Treuefalschschwören das Donjuanmögliche, dann kehren sie den armen Schönen den Rücken, der ja auch seine Reize hat.

Nun aber haben die Mädchen den Spieß umgedreht, indem sie, allerdings der Not gehorchend, davongingen. 43 Da jammern jetzt die Soldaten und singen trübselig das alte russische Volkslied, dessen erste Strophe lautet:

In meinem kühlen Kopfe
Dreht sich ein Mühlenrad,
Mein' Liebste ist verschwunden,
Das mich gefüttert hat.

Ich möchte nach Wei-hai-wei. Der Name dieser Stadt gefällt mir so. Er paßt auf diesen Krieg wie der Mund Fausts aufs Auge Gretchens, also so, wie irgend etwas anderes gar nicht besser passen kann. Ich erinnere mich aus meiner großen Praxis keines Krieges, in welchem ein so geeignetes Wort aufgetaucht wäre, wie in dem gegenwärtigen das Wort Wei-hai-wei. Alle Großmächte, alle Börsen, alle Zeitungen schreien Wei-hai-wei, und sie werden es so lange schreien, bis dieser Krieg endlich einen Sand finden wird, in welchem er verläuft.

Wann wird dieser Sand gefunden werden, und an welchem Meeresstrand wird er liegen? O Wei-hai-wei!

VII.

44 Wei-hai-wei, den 11. März 1904.

Wie ich in meinem jüngsten Bericht mitteilte, gedachte ich nach Wei-hai-wei zu übersiedeln, und ich habe diese Absicht auch ausgeführt. Nach einer sehr beschwerlichen Reise bin ich hier eingetroffen und habe im »Pechhof« ein mit allen Unbequemlichkeiten der Neuzeit ausgestattetes Logis gefunden. Wenn wenigstens die Zimmerratten das Ungeziefer vertilgen wollten, dann ginge es noch. Ich sprach mit dem Wirt darüber: »Sie müssen die Ratten auf das Ungeziefer abrichten,« sagte ich zu ihm. Er meinte nun, das hätten ihm schon sechs Gäste geraten, aber sie seien alle verrückt gewesen.

Es ist dies ein neuer Beweis dafür, daß Wei-hai-wei ein Name ist, wie er noch in keinem Kriege meiner langen Praxis passender für das herrschende Elend existiert hat. Hier gedenke ich auch einige Zeit zu bleiben. Hier tritt einem das Elend dieses Krieges überall entgegen, hier wird weder über-, noch untertrieben, hier ist alles ehrliches Gejammer et Gezetera, dies liegt in der Geschichte der Stadt begründet, welche erst einfach Wei hieß. Aber in allen in Ostasien geführten Kriegen ging es der Stadt Wei sehr schlecht, so daß der Kaiser von China in seiner unendlichen Güte, als sie halb niedergebrannt war und er ihr 45 wieder auf die Beine helfen wollte, ihr den Namen Hai anhing, womit gesagt sein sollte, daß die Stadt als des Meeres Hyäne alles verschlingen möchte, was ihr von Nutzen sein könnte. Wei-Hai bekam aber nichts zu verschlingen, sondern wurde immerfort von Einquartierung, höheren Steuern, einer kleinen Garnison usw. heimgesucht, und so tat der Kaiser, dessen unendliche Güte wirklich noch immer jeder Beschreibung spottete, ein übriges und hing an Wei-Hai noch ein Wei, so daß man, wenn man Wei-Hai sagte, zwar schon ein tiefes Bedauern aussprach, durch das Doppelwei aber eine ganz besondere Ehrung ausdrücken sollte.

Hier ist auch das Zarenlied entstanden, welches die Stimmung des Kaisers von Rußland deutlich wiedergibt und ziemlich trostlos nach der Melodie des alten: »Das Schiff streicht durch die Wellen« wie folgt lautet:

Das Schiff streicht durch die Wellen,
      Wei-hai-wei!
Da nah'n die Mordgesellen,
      Wei-hai-wei!
Und es wird gepiffpaffpufft,
      Und sie sprengen
      Dann in Mengen
Leut' und Schiffe in die Luft.
      Wei-hai-wei! ach, Wei-hai-wei!

Zu Wasser und zu Lande,
      Wei-hai-wei!
Kommt die verruchte Bande,
      Wei-hai-wei!
Und fliegt, als müßt's so sein.
      Wie per Radtour
      Nach Port Arthur, 46
Und da schließen sie uns ein.
      Wei-hai-wei! ach, Wei-hai-wei!

Es ist nicht auszudenken!
      Wei-hai-wei!
Es muß den Zar doch kränken.
      Wei-hai-wei!
Daß der Japanerstaat
      Nicht peccavit,
      Nein, wie David
Ihn durchbläut, den Goliath!
      Wei-hai-wei! ach, Wei-hai-wei!

Baschkir, Kosak und Lappe
      Wei-hai-wei!
Sind doch auch nicht von Pappe,
      Wei-hai-wei!
Und schießen guten Muts,
      Doch, o Grauen!
      Durchgehauen
Werden sie von Liliputs!
      Wei-hai-wei! ach, Wei-hai-wei!

Wie stimmen diese Hiebe
      Wei-hai-wei!
Doch Väterchen so trübe!
      Wei-hai-wei!
Ach, oft ukast jetzt er:
      Welch ein quälend
      Großes Elend!
Es gibt keine Kinder mehr!
      Wei-hai-wei! ach, Wei-hai-wei!

In dieser Jammerstadt ist man dem Kriegsschauplatz sehr nahe, man hat Korea vor sich, Port Arthur über sich und kann in kurzer Zeit nach Wladiwostok gelangen, wenn 47 man ganz sicher von einer der kriegführenden Regierungen umgebracht werden will, ein Eigensinn, den ich mir übrigens nur durch eine gewisse Überspanntheit erklären könnte. Angenehm ist der Aufenthalt in Wei-hai-wei nicht. Jeder Zylinderhut, der gezogen wird, scheint einen schwarzen Rand zu haben, und tritt man in einen Zigarrenladen, um ein halbes Dutzend Nargilehs zu kaufen, so darf man überzeugt sein, daß sich der Verkäufer den Bauch vor Seufzen hält, weil die Bewohner namentlich Fremden gegenüber auch echte Weihaiweier sein wollen. Es ist charakteristisch für diese Stadt, daß sie ein eigenes Ibsen-Theater hat, eine Bühne also, auf der allabendlich menschliches Elend dargestellt wird. Das Publikum jammert in besonders graulichen Szenen die Darsteller dankbar hervor und überschüttet sie mit nicht endenwollenden Seufzern und Klagen. Morgen wird zum Malefiz der Darstellerin der Titelrolle »Nora« gegeben, und heute schon sieht man in den Schaufenstern aller Blumenläden Strohkränze, welche, mit schwarzen Florschleifen geschmückt, morgen auf die Bühne fliegen werden. Als dieses Theater vor einiger Zeit einmal Shakespeares »Othello« darstellen wollte, verbot die Zensur es ihm, weil die Unglücksfälle im »Othello« veraltet seien, während die Bühne des Ibsen-Theaters ausschließlich der Darstellung des modernen Malheurs gewidmet wurde, wie ja schon der Titel andeute.

Über die Beschießung von Wladiwostok kann ich Ihnen einige nähere Details mitteilen. Kamimura heißt der japanische Geschwaderkommandant, welcher schon in der Frühe des 6. sich mit unsterblichem Lorbeer bedecken wollte. Dem Ehrgeiz schlägt ja keine Stunde; wenn es möglich 48 wäre, so würde er um Mitternacht frühstücken, um eine Stunde später eine Schlacht zu schlagen, welche um 8 Uhr morgens auch früh genug geschlagen worden wäre. Was tat also Kamimura? Er näherte sich zu einer Zeit, wo der ordentliche Russe noch in den – verzeihen Sie das harte Wort! – weichen Armen Morpheus' ruht, mit dem japanischen Geschwader dem Hafeneingang und bombardierte ihn. Die Russen erwiderten das Feuer nicht. Ich finde das unhöflich. Namentlich Feuer muß erwidert werden Wenn ich mich an jemand mit Kanonenfeuer wende, so handelt es sich um keinen Scherz, auch nicht um etwas Gleichgültiges. Will ich wissen, wie es ihm gehe, so bewerfe ich ihn nicht mit Bomben, und will ich erfahren, wie sich seine Frau befinde, so schleudere ich kein Torpedo auf ihn. Es handelt sich also um eine eminente Unhöflichkeit der Russen, die ganz dazu angetan war, Kamimura unnötig zu reizen. Dieser bombardierte nun 40 Minuten lang, erklärte dann, Schaden genug angerichtet zu haben, und fuhr davon. Ich kann mir denken, daß man mit dem Schaden ganz zufrieden sein kann, welchen man durch ein vierzigminutenlanges Beschießen mit glühenden oder in anderer Weise verschärften Bomben anrichtet, wenn diese Bomben treffen. Aber die Japaner scheinen ihre Bomben ins Meer geworfen und keinen Schaden angerichtet zu haben, Kamimura hat sich geirrt. Und hier möchte ich alle seekriegführenden Mächte auf einen Übelstand aufmerksam machen, der die Kosten des Seekrieges ganz unnötigerweise vergrößert. Dieser Übelstand ist das Bombardieren des Wassers. Das Geschoß ist ein kostspielig Ding geworden. Von einem einzigen Schuß kann 49 eine zahlreiche Familie, welche allerdings etwas verwöhnt sein und Ansprüche machen muß, monatelang leben. Ich kenne einzelne Schüsse, von deren Zinsen ich leben könnte. Wie oft sah ich auf meinem Berichterstatterposten mit leeren Taschen zu, wie die Kanonen einer Batterie einige Schüsse abgaben, deren ein einziger mir meine Taschen so hätte füllen können, daß sie nicht imstande gewesen wären, alle die Taler zu fassen, mit welchen so ein Schuß in Rechnung gestellt wird. Werden nun solche Schüsse ins Wasser abgegeben, so ist dies um so trauriger, denn die Schüsse sollen doch nun einmal Schaden und Nachteil stiften. Geschosse, welche ins Wasser fallen, haben ihren Beruf verfehlt, und die von ihnen getroffenen und getöteten Fische sind unnütze Opfer, welche nicht einmal wissen, daß der Tod fürs Vaterland rühmlich und süß ist. Es wäre daher zu raten, daß alle Admirale der Flotten den strikten Befehl erhielten, die teuren Geschosse nicht ins Wasser zu schleudern, sondern sie nur, um Schaden zu stiften, abzuschießen. Ein Seekrieg ist ohnehin schon kostspielig genug, und ein Reich muß es schon sehr sein, wenn es sich oft einen Seekrieg leisten will.

Wozu ihn also nur überflüssigerweise verteuern? Man bombardiere mit Ökonomie, man halte mit dem teuren Geschoß Haus, man lege dann und wann ein kostbares Geschoß lieber auf die hohe Kante, anstatt es ins Meer zu feuern, und man wird sich den Dank des Vaterlandes erwerben. Ein Seeheld kann auch weit über die Verhältnisse seines Vaterlandes schießen, und dies möchte ich zu verhindern suchen. 50


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