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Sechzehntes Kapitel

Es waren wunderbar klare, farbenvolle Septembertage. Schon flog hier und da das Herbstgespinst des Altweibersommers durch die stillen Lüfte. Wolkenlos lag der Himmel über dem Land und ließ alle Umrisse der Wälder, ferner Häuser, unumdunstet, klar hingezeichnet, hervortreten.

Wie einer Mutter weiche Hand
Liegt dieser Zeit Spätsommerfriede
Auf meinem alten Heimatland –

diese Verse, die er irgendwo gelesen hatte, lagen Fritz unablässig im Ohr, als er am Tage nach seiner Ankunft nach Cranz hinausfuhr, Aline aufzusuchen. Er stellte sich auf die Plattform des Bahnwagens, die letzte des Zuges, und sah unter sich die unendliche, glänzende Doppellinie der Schienen rasend länger und länger werden, als ob immer neue Eisenflüsse unter dem fortrollenden Wagen hervorbrächen. Und wenn sein Blick dabei schwindlig wurde, sah er auf, lächelte wohl, da er nun empfand, mit welch behaglicher Eile der Zug nur vorwärts strebte, und schaute weit ins Land, zählte die Kirchtürme, die ach so oft gesehenen, so gut bekannten, so vielmals auf Wandrungen erreichten, die er alle auf Meilenweite unterschied, streifte liebevoll braune 197 Heiden, abgeerntete Felder, Landleute, die auf andern Fluren noch bei der Arbeit waren. Längst war die große Forst durchschnitten, die der Zug etwa halbwegs Cranz zu queren hat, noch einmal und noch einmal war gehalten worden, da war's Fritz, als ob er unter dem Rollen der Räder noch einen andern Ton vernähme, auch rollend, aber nicht dumpf, eher hell. Jetzt war's einen Augenblick windstill, und er hörte nichts, nun blies es ihm wieder entgegen, und da hörte er deutlich das Geräusch, das seine Kindertage, seine Nächte so oft begleitet hatte, den Laut der See. Er riß sich den Hut ab und beugte sich links über die Brüstung des Perrons, daß er am Zuge vorbei sehen konnte; und da glänzte ein schmaler, dunkelblauer Streifen, scheinbar unmittelbar hinter einer grünen Wiese beginnend: das Meer. Nun hielt der Zug, schon war Fritz draußen und ging hochaufatmend dem Ufer zu, behielt dann die rollenden Wellen, die Unzahl weißer Schaumköpfe bis zum Horizont hin unverwandt im Auge, indes er ohne Aufenthalt der Strandstraße zuschritt. Aber da er einbiegen wollte, blieb er stehen. Er kam unangemeldet. Sie hatten den Freunden nicht einmal den Tag der Rückkehr genau angegeben. Nun war ein Gefühl in ihm, daß er Aline nicht zuerst vor dritten wiedersehen wollte. So vieles schien ihm anders, war anders geworden, seitdem sie sich zum letztenmal gesehen hatten.

Indem er noch zögernd, halb in der Sonne des freien Platzes über der See, halb schon im Schatten der schmalen Straße stand und geradeaus zur Pforte des 198 Gartens sah, zu dem all seine Sehnsucht unablässig vorausgeeilt war, Tage und Tage hindurch – da öffnete sich die Tür, unwillkürlich machte er einen halben Schritt. Da hatte ihn Aline schon gesehen. Langsam, wie mit gebundenen Füßen, kam sie in der ganz leeren Straße auf ihn zu, der sich nicht rühren konnte und mochte. So kommt das Glück, mußte er denken, ohne zu denken, so ruhig, so gewiß jedes Schritts, und so mußte man's erwarten, das Herz voll Jubel und alle Glieder voll einer Schwere, die keine Silbe sagen kann, die genug zu tun hat, des Herzens Schlag in Banden zu halten.

Sie war langsam errötet, wie er's so liebte, aber sie sah ihn fest an, der ihr reifer und männlicher schien als vor den wenigen Monaten, da er mit kurzem, schwerem Abschied geschieden war.

Und nun standen sie voreinander. Sie gaben sich langsam, fest die Hand, und er zog sie aus dem Schatten in die Sonne, und dann ließ er ihre Rechte fallen und ergriff ihre Linke, und langsam, von der Seite halb einander zugekehrt, gingen sie die Stufen zum breiten Ufersteg hinunter und über die hallenden Bretter den Strand entlang dem Wäldchen zu. Hier wurde der Weg schmäler, Unterholz war wuchernd über die Kanten gewachsen und streifte Alines Kleid, daß sie unwillkürlich ein wenig näher an ihn gelangte. Da zog er, ohne ihre Hand loszulassen, ihren Arm durch den seinen. Immer noch schweigend wanderten sie weiter, wußten nicht, ob ihnen jemand begegnete oder hinter ihnen herschritt.

Da standen sie vor einem kleinen Pavillon, und wie 199 zwei Menschen im Dunkeln miteinander gewandelt sind und sich aneinander gehalten haben, um auf schmalen Pfaden die Richtung nicht zu verlieren, nun aber treten sie ins Licht und erkennen, daß sie alte Freunde und Gefährten mancher Tage sind, so wandten Aline und Fritz jetzt voll ihre Gestalten einander zu, es war ein Lächeln um ihre Lippen und ein Lachen in ihren Augen, sie hielten sich bei beiden Händen, und so gingen sie langsam miteinander das letzte Stück, und als sie an der Brüstung standen, über der See, lösten sich ihre Hände, und sie lag in seinem Arm.

Wie sie's ausgesprochen hatten, und was gesagt worden war in den zwei Stunden oben in der kleinen Halle, die ihnen fast allein gehört hatte, denn wer vorbeikam, war nach einem lächelnden Blick auf das Paar weitergegangen, das hätten sie selbst nicht zu erzählen gewußt. Genug, daß, als sie wieder Hand in Hand zurückgingen, Aline um alles wußte, daß Vergangenheit und Zukunft klar hinter ihnen und vor ihnen lag.

Nun bogen sie ins Dorf und gingen dem Witteschen Hause zu. In der geschützten Veranda saß, in warme Decken gehüllt, der General, noch sehr blaß, aber offenbar frischer und über das Schlimmste hinweggekommen, und begrüßte Fritz lebhaft. Der tauschte noch einen Blick mit Aline und ging dann hinauf in das Zimmer des Doktors.

Er klopfte und trat ein. Witte saß schreibend am Fenster, die Brille auf die Stirn geschoben, nun drückte er sie energisch auf die Nase und sah zur Tür.

»Fritz! Schon da? Komm her, mein Junge, oder –« 200

Er hielt ihn an der Hand, die er gefaßt hatte, etwas von sich ab und sah ihm mit leichten Spott in die Augen.

»Darf ich denn noch du sagen, mein teurer Exsugambrer?«

Und ohne all der Worte, die er sich zurechtgelegt, noch zu gedenken, sagte Fritz nur mit ernster Betonung: »Willst du mir erlauben, dich für alle Zeit du zu nennen –«

Er zögerte noch einen Pulsschlag lang, dann aber setzte er mit einem vollen Blick in die gütigen alten Augen vor ihm hinzu: »Vater!«

Witte faßte Fritz um beide Schultern, zog ihn heftig an sich, und da sank sein Kopf schwer gegen Fritz, und seine Arme blieben lastend liegen. Erschreckt sah Fritz herab, da hatte Witte sich schon wieder aufgerichtet, Tränen im Blick, und während er noch seine Hände auf des Jünglings Schultern ruhen ließ, sagte er schwer: »Fritz, es ist mein einziges Kind. Vergiß nie, daß sie keine Mutter mehr hat.«

Noch einmal drückte er ihn an sich, dann trat er von ihm fort, warf ein paar Papiere auf dem Tisch durcheinander, fuhr sich über das Gesicht und mit seiner gewohnten Bewegung durch den dichten Schnauzbart, dann machte er eine rasche Wendung, faßte Fritz, der ergriffen stand, unter den Arm und ging neben ihm mit großen Schritten die Stube auf und nieder.

Fritz fand Worte sohnhafter Zärtlichkeit, knappe Worte, aus denen seine Liebe zu Aline und der Ernst dieser Liebe sprachen. Er erzählte von seiner Mutter, 201 die nie eine Tochter, von sich selbst, der seit seinen frühsten bewußten Tagen keinen Vater gehabt habe, und der Alte nickte, heller und heller werdend, und drückte Fritzens Arm; als sie wieder am Fenster waren, blieb er stehen, so daß er Fritz Brust an Brust gegenüber war und sagte: »Gewußt hab' ich's ja lange – aber man wird nicht umsonst fünfundsechzig Jahre. Ich hab' Vertrauen zu dir und sie hat's und damit gut. Nun komm' zu ihr hinunter.«

Fritz wollte von Zukunftsplänen sprechen. Aber da wehrte der Alte ab: »Das für später.«

Er trat an seinen Schreibtisch und entnahm der Mittellade ein kleines Kästchen, dann gingen sie miteinander die Treppe hinab.

Unten saß Aline neben dem General, zu ihren Füßen lag ihr großer, brauner Wolfshund ruhig hingeschmiegt. Als sie die beiden Männer durch das Zimmer kommen sah, erhob sie sich, eine Hand, die leicht zitterte, auf der Lehne des Sessels. Der General fühlte durch den Stuhl das leise Schwanken und ergriff die Hand, Aline überrascht, besorgt, ins Gesicht sehend. Da standen die beiden schon vor ihnen: der Doktor zog Aline an sich und hielt sie lange umschlungen. Als er sie losließ, hatte sie Tränen im glücklichen Gesicht. Da holte Witte aus dem Kästchen zwei schlichte, dunkle Ringe.

»Seht sie euch an, Kinder,« sagte er – »du kennst sie, Hermann.«

Der General nickte, er hatte verstanden und schaute jetzt den Bruder, dann Fritz mit einem ernsten, fordernden Blick an. 202

Julius Witte fuhr fort: »Es sind eiserne Ringe, die Trauringe unsrer Eltern. Es steht drin (er hob den einen gegen das Licht und gab den andern dem General, der dasselbe tat): Gold gab ich für Eisen. Sie stammen von 1813. Ich kann euch nichts Kostbareres geben. Tragt sie treu.«

Er steckte Fritz den einen Ring an, und als der General ihm den andern geben wollte, sagte er: »Nein, Hermann, gib du ihn Aline. Ich denke, wenn sie geht, bleiben wir beide beieinander.«

Nachdenklich sah der alte Offizier auf die schmale Hand des Mädchens.

»Du hast die Hände deiner Großmutter, unsrer Mutter,« meinte er. »Trage den Ring so lange und so glücklich wie sie.« –

Fritz war nach Wittes Brief nicht überrascht, daß Alines Vater seine neuen Pläne ohne sonderliches Erstaunen aufnahm. Er hatte sich im stillen bereits an den Gedanken gewöhnt, Aline nicht in Königsberg zu behalten, und, wie es seine Art war, von einmal entschiedenen Dingen nicht viel Wesens zu machen, so tat er auch das verhältnismäßig kurz ab, zumal Fritz zunächst den Winter über hier zu bleiben, das letzte Semester abzumachen und seine Prüfungen zu bestehen hatte.

Es war heiße Arbeit, die Fritz in diesen Monaten leistete, viel unerquickliche Lernarbeit, von der er sich in den seltenen Stunden, die er Aline widmen konnte, erholte.

Eines Tages traf er nahe der Sugambrerkneipe 203 Kossekel, der jetzt Assistenzarzt an einer Klinik war. Fritz wußte den Augenblick nicht recht, wie sie miteinander standen, und wollte mit einem höflichen Gruß vorübergehen. Da hielt ihn der andre an, duzte ihn sofort und sprach ganz in der alten freundschaftlichen Art mit ihm, schalt, daß er sich nicht habe sehen lassen. Fritz machte einen erstaunten Einwand, aber Kossekel sagte: »Komm nur ruhig einmal hin, oder besser, ich werde dich zu irgendeiner Gelegenheit einladen. Du bist in allen Ehren geschieden, freiwillig gegangen, ich würde an deiner Stelle gerade deshalb mich mal sehen lassen; schließlich, sei mal ganz offen: nachtragen kannst du doch keinem von uns etwas?«

»Nein, wie könnte ich,« entgegnete Fritz. »Von dir ist überhaupt nicht die Rede, und auch sonst ist man ja etwas kühl, aber doch durchaus freundlich und kameradschaftlich zu mir gewesen.«

»Na, siehst du,« sagte Kossekel. »Im übrigen: wir haben da ein paar junge Leute, einer ist sogar seit diesem Semester zweiter Chargierter, die so 'ne Art besondere Hochachtung für dich haben, und über die sich Rose (er lächelte) ein bißchen ärgert. Schadet ihm gar nichts.«

Fritz lächelte gleichfalls und dachte an Wittes damaligen Brief, versprach dann, einer Einladung Kossekels zu folgen. –

Nun war es Weihnachtszeit. Es lag viel Schnee in der Stadt, oft waren des Morgens die Haustüren zugeweht, und unablässig fielen Tag und Nacht weiße Flocken hernieder und spotteten jeder Bemühung, die Straßen freizufegen. 204

Fritz hatte sich für eine Nachmittagsstunde freigemacht und war mit Aline auf dem Schloßteich zusammengetroffen, wo sie unter fröhlicher Gesellschaft Schlittschuh liefen. In der Mitte der Bahn saß auf einem erhöhten Holzboden zwischen Tannen und Fahnen die Musik und spielte einen Walzer, nach dessen Klängen Aline und Fritz mit gekreuzten Händen die Bahn hinabglitten. Als sie bei der Brücke umbiegen wollten, kam ihnen von der andern Seite ein Paar im gleichen Walzermaß entgegengelaufen: er sehr groß, in einer rauhen, kurzen Joppe, sie klein und zierlich, mit schwarzer Astrachanmütze, einem Kragen aus gleichem Stoff und einem kleinen Muff, durch den der Herr seine große Hand halb durchgesteckt hatte, die ihre, die ganz darin verloren schien, zu fassen. Die vier parierten fast unmittelbar voreinander und erkannten sich im selben Augenblick – die beiden andern waren Hermann und Natja.

Nach der ersten Begrüßung erklärte Hermann: »Sie ist mit meinen Eltern hier, wir wollen gleich nach Weihnachten heiraten.«

Fritz hatte das Mädchen ein wenig scheu angesehen und bemerkt, daß bei ihr ein leises, liebenswürdiges Lächeln mit einer kleinen Verlegenheit rang. Da sagte Hermann: »Kinder, zum Stehen ist es heute zu kalt, ich schlage vor, wir wechseln die Damen und laufen wieder.«

Schon glitt er mit Aline davon, und Fritz machte Natja eine nicht eben geschickte Verbeugung, ergriff ihre Hände, und sie liefen nach der andern Seite. 205

»Ich habe Ihnen noch nicht gratuliert, Herr Friedrich,« sagte sie, und ihm schien, daß ihr herber, fremdländischer Akzent sich wesentlich gemildert hatte. »Ich tu's hiermit, ich wünsche Ihnen und Ihrer Braut alles, alles Gute.«

»Ich danke Ihnen, Fräulein Natja,« sagte er und wurde unter ihren guten Worten ganz unbefangen. »Ich danke Ihnen nicht nur für den Glückwunsch, Sie wissen, daß ich Ihnen auch sonst herzlich verpflichtet bin.«

Sie sah ihn mit lachendem Gesicht voll an.

»Wenn Sie's so ansehen, freut's mich doppelt.«

Sie erzählte, daß sie mit Hermanns Mutter für einige Tage hier wäre und dann nach Memel zurückginge, wo die Hochzeit sein sollte. Hermann hätte eine Anstellung in seinem neuen Fach in Danzig gefunden und müßte sie gleich nach Neujahr antreten.

Als sie so in bestem Einvernehmen wieder bei der Brücke waren und das andre Paar, das sie mehrmals getroffen hatten, ihnen entgegenkam und alle vier nun stehen blieben, schien es Fritz in dem schon dämmrig werdenden Spätlicht, als ob an dem durchbrochnen Holzgeländer der Brücke eine bekannte Gestalt lehnte. In dem Augenblick flammte eine Laterne am Ufer auf, und nun erkannte er, schärfer hinsehend, Bogdan. Sein erstes Gefühl war, die Freunde auf ihn aufmerksam zu machen, dann aber ließ er's, ohne sich im Grunde Rechenschaft zu geben, warum; einen Gruß hinüberzuwinken war die Entfernung ohnehin zu groß. 206

Sie mußten sich trennen, Frau Friedrich kam, Aline abzuholen, und das andre Brautpaar ging davon. Fritz aber schlug den Weg nach der Brücke ein – die Gestalt stand nicht mehr dort, so ging er langsam weiter geradeaus, bis er plötzlich um die Ecke einer schmalen Gasse den Gesuchten erblickte, der langsam die Häuser entlang ging. Mit wenig Schritten hatte er ihn eingeholt und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Herr Bogdan, Sie hier?« sagte er mit aufrichtiger Freude.

Der andre war wie erschreckt stehen geblieben und sah Fritz aus einem blassen, elenden Gesicht mit großen, schwermütigen Augen an.

Dann sagte er mit einem matten Lächeln: »Sie, Herr Friedrich? Das freut mich.«

Aber die Mattigkeit seines Händedrucks schien seine Worte Lügen zu strafen. Und Fritz sagte, während sie zusammen weiter gingen: »Ich fürchte, ich bin Ihnen nicht willkommen, Herr Bogdan. Sagen Sie mir's aufrichtig. Es geht Ihnen nicht gut?«

Der andre zog fröstelnd seinen weiten Radmantel, den er schon in Petersburg getragen hatte, um die verschobenen Glieder und sagte, den Kopf wiegend: »Gut? Nehmen Sie's, wie Sie wollen. Es geht mir nicht schlechter, nicht besser als gewöhnlich.«

Sie waren in eine kleine, schlecht erhellte Gasse gelangt, wo zwischen alten Häusern um diese Stunde kaum ein Mensch durchging. Trotzdem sah Bogdan sich 207 lauschend ringsum, und dann trat er näher zu Fritz heran, blieb stehen, so daß er jenen nötigte, auch haltzumachen, und sprach: »Sie haben sie gesehen und gesprochen. Ist sie glücklich?«

Es lag ein solcher Schmerz und eine solche Liebe in der Frage, daß Fritz sich ins Tiefste getroffen fühlte. Er rang mit einer Antwort. Dann sagte er langsam mit dunkler Stimme: »Ja, Herr Bogdan, ich habe sie eben gesprochen. Ich glaube, sie ist sehr glücklich.«

Der andre hatte sich abgewandt, so daß Fritz den Ausdruck seines Antlitzes nicht gewahren konnte, aber er sah, wie über die kleine Gestalt ein Zittern lief. Dann drehte sich Bogdan, indem er langsam weiterging, ihm wieder zu und sagte: »Ich hab' sie noch einmal sehen wollen – sie zu sprechen, hab' ich doch nicht vermocht. Ich wollte ja nur, daß sie ein ruhigeres Geschick findet als dort (er wies mit der Hand in eine unbestimmte Richtung) bei uns, und dennoch – und doch –«

Er sprach nicht weiter. Dann drückte er Fritz die Hand und lief geradeaus, kehrte nach wenig Schritten noch einmal um, so jäh, daß er fast mit dem Vorwärtsschreitenden zusammenstieß: »Grüßen Sie sie noch einmal von mir, aber nur grüßen, nichts weiter.«

Dabei sah er Fritz voll in die Augen, las aus ihnen die Antwort und ging nun langsam, mit einer Hand zurückwinkend, geradeaus. Ein großer, wüster Platz begann hier, auf dem Steinhaufen lagen, undeutlich ragte das hohe Dach einer Kirche von rechts herüber. 208 Fritz blieb stehen, um den andern nicht einzuholen, und blickte lange dem Fortgehenden nach, der, nicht höher als die aufgehäuften Steine um ihn her, langsam in der verschneiten Gasse verschwand, bis Fritz vor dem fallenden Schnee nichts mehr von ihm erkennen konnte. – 209

 


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