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Zwölftes Kapitel

Seit diesem Abend erschien Fritz häufig in dem ihm freundlich geöffneten Kreise. Ja, da sein dem Ende nahendes Studium ihm wenig Zeit ließ, waren diese Abende fast das einzige, was außer kurzen Spaziergängen die Zeit unterbrach, die er zwischen Studien am Schreibtisch und in der Universität teilte. Die Teilnehmerzahl dieser abendlichen Zusammenkünfte ging kaum je über neun oder zehn Herren hinaus – den Kern bildeten immer Doktor Landmann, der bei einem kolonialen Unternehmen in Berlin beschäftigt war, der Generalstabsoffizier, Assessor Haffner und der Redakteur. Fritz zog die Art an, in der man hier ohne das übliche Kannegießern über politische Fragen als Lebensfragen des Volks sprach, und er sah, daß all diesen Männern, jedem nach seinem Wirkungskreis, das Gesprochene nicht nur Wort, sondern Tat war. Er fühlte sich unwillkürlich manchmal an den alten Witte erinnert und schöpfte aus seiner historischen Kenntnis Vergleiche mit den besten Tagen der alten Achtundvierziger. Als er das einmal aussprach, meinte Haffner: »Sie mögen nicht unrecht haben. Wir treffen ja sogar in einzelnen Fragen, zum Beispiel der Flotte, mit den alten Herren zusammen, in manchen andern freilich nicht. Und dann haben wir ja das 151 eine voraus, daß wir auf festerm Boden stehen. Die Plattform, die sie erst schaffen wollten, haben wir doch mal unter den Füßen, und das ist denn freilich sehr viel.«

»Sehr viel,« warf Landmann ein. »Im übrigen: kein Mensch kann heute sagen, ob nicht auch manches von den rein formell politischen Dingen, Parlamentarismus und so weiter, was jene beschäftigte, uns noch mal sehr unangenehm auf die Nägel brennen wird. Heut freilich haben wir andre Sorgen.«

Der Redakteur zog, wie er oft tat, seinen breiten Bart mit beiden Händen auseinander und sagte: »Warten Sie nur ab, bis das Sozialistengesetz aufgehoben wird. Dann werden wir auch in der Beziehung noch unser blaues Wunder erleben.«

Aber die Mitteilung ließ kühl. Haffner zuckte die Achseln und entgegnete: »Ewig konnte das ja doch nicht währen.«

Und Landmann meinte: »Soll es auch gar nicht. Damals, nach den Attentaten war einzelnes in dem Gesetz vielleicht nötig. Wenn man heute Zeitungen aus jenen Jahren vornimmt, ist man über die brutale Frechheit, den krassen Nihilismus entsetzt, der sich breitgemacht hat. Vielleicht war das Gesetz trotzdem um ein paar Grade zu hart, aber erzogen hat es die Sozialdemokratie doch. Jetzt können wir uns so was nicht mehr leisten. Wir sind heute auf die Industrie und die Arbeiter viel zu sehr angewiesen und müssen dann Unbequemlichkeiten mit in den Kauf nehmen. Ich werde dem Gesetz keine Träne nachweinen, ich hoffe sogar, daß es nicht erneuert wird.« 152

Der Redakteur gab nicht klein bei.

»Ja, hat sich denn aber die Gesinnung der Masse geändert, wenn auch der Ausdruck zahmer geworden ist? Haben denn die sozialpolitischen Gesetze irgend etwas genützt?«

»Nein,« sagte Haffner, »das haben sie nach der Richtung hin allerdings nicht. Aber sie haben den sogenannten besitzenden Klassen, uns, das Gewissen etwas entlastet; freilich sind sie erst der Anfang. Ganz gut kann es erst werden, wenn auch der Arbeiter, der kleine Mann überhaupt, der ja, was wir nicht vergessen wollen, nicht immer Fabrikarbeiter ist, Land erwerben kann.«

»Bravo!« rief Landmann, »da habe ich Sie auf Lagardes Spuren. Die alte germanische Freude am Landbesitz muß der Staat mit aller Gewalt stützen, nicht nur in den polnischen Provinzen, überall, drüben in den Kolonien und hier. Wer Land hat, wird staatserhaltend, ich meine gar nicht konservativ im Parteisinn, aber positiv, er ist an der Erhaltung der Ordnung ganz anders interessiert.«

Fritz erzählte von russischen Verhältnissen, die er in verschiedener Beleuchtung an Ort und Stelle kennengelernt hatte, von dem Bauernelend unter dem Gemeineigentum.

»Übrigens,« fiel Haffner wieder ein, »wenn die Partei gar so schlimm wäre, müßten wir im Heere sehr viel mehr davon merken, und es gibt doch jetzt bald in jeder Kompagnie fertige Sozialdemokraten, wenigstens in allen Industrieprovinzen. Ich habe bei meinen 153 Übungen niemals das geringste bemerkt. Was sagen Sie, Mettelkamp?«

Der Gefragte nickte.

»Ich hatte als Rekrutenoffizier regelmäßig eine ganze Anzahl Leute, die uns beim Eintritt als Sozialdemokraten bezeichnet waren. Sie haben sich in nichts von den andern unterschieden und, was wichtiger ist: auch in den Landwehrkompagnien, in den Großstädten kommt eigentlich niemals etwas vor. Als ich mir drüben dies (er zeigte auf die schlecht vernarbte Wunde) holte, damals mit Wißmann, war auch ein Mann mit, den ich Grund hatte, für einen waschechten Sozi zu halten, wenn er auch selten den Mund auftat. Der Kerl hat gefochten wie der Teufel. Und genau so wird's uns mit der ganzen Gesellschaft gehen, wenn's mal hier zum Schlagen kommt.«

»Die Leute,« sagte Landmann, »werden sich sicherlich nach der Aufhebung des Gesetzes nicht ändern, vielleicht kriegen wir noch mehr in den Reichstag, aber das hilft mal nichts. Entweder oder. Wenn wir heraus wollen, in die Höhe, größer werden, können wir nicht ein paar Millionen zu Männern minderen Rechts machen. Im übrigen halte ich die jetzt notwendige Geheimnistuerei für viel schlimmer als offne Aussprache. Sehen Sie England an: das hat längst nicht ein so demokratisches Wahlrecht wie das Reich, aber jeder kann unangemeldet unter freiem Himmel, oder wo er sonst Lust hat, soviel sozialistische Theorien verkünden, wie er will. Je mehr wir die Sozialdemokratie ohne sonderliche Erregung als Partei wie jede andre 154 behandeln, um so mehr Nimbus nehmen wir ihr – vorausgesetzt, daß im übrigen nicht zu viel Dummheiten passieren.«

»Und der Anarchismus?« warf der Redakteur ein.

»Die Bestie,« meinte Haffner, »müssen wir der Polizei überlassen. Die bändigen wir durch das Sozialistengesetz auch nicht. Die frißt sich am faulen Fleisch in der freiesten Republik so gut weiter wie in der russischen Autokratie.« –

Diese Unterhaltung klang in Fritz noch nach, als er am andern Abend den Feenpalast betrat, wo eine Studentenversammlung das Thema »Studenten und Politik« erörtern wollte. Der große Saal war rasch bis auf den letzten Platz gefüllt. Hier und da sah man Leute, die offenbar keine Studenten oder keine Studenten mehr waren, aber im großen und ganzen waren alle Gruppen der akademischen Bürgerschaft vertreten, auch, ohne Band und Mütze, aber an den Mensurnarben erkenntlich, Verbindungsstudenten.

Der Referent kam nach kurzen Erörterungen zu dem Schluß, daß sich der Student überhaupt nicht mit Politik befassen solle. Seine Rede wurde ohne sonderliche Zeichen von Beifall oder Mißfallen aufgenommen.

Dann trat ein andrer auf und widersprach. Mit einem freien und echten Pathos betonte er, der Student solle sich in allen Dingen, die Kaiser und Reich angingen, auf die Seite der staatserhaltenden Parteien stellen, aber im übrigen jede Politik von sich abwehren.

Dieser Redner fand starken Beifall, der sich noch steigerte, als ein dritter die Judenfrage vorbrachte und 155 hier die Studentenschaft zur Beteiligung im Sinne der Abwehr des Judentums aufforderte.

Fritz hatte keine dieser Reden befriedigt. Er fand in keiner, was nach seinem Gefühl gesagt werden mußte, und meldete sich zum Wort. Eh' er's gedacht, wurde sein Name aufgerufen, und er schritt auf die Tribüne. Wie ein ungeheurer Druck legte es sich ihm auf die Brust, als er auf die vielen Hunderte hinabsah, die nun alle gleichzeitig ihm ins Gesicht schauten. Er hatte noch nie in einer großen Versammlung gesprochen, und so begann er, zögernd, tastend, wurde erst an seinen eignen Worten freier und sprach schließlich in zusammenhängendem Fluß.

»Kommilitonen,« sagte er, »ich kann keinem der drei Vorredner beistimmen, am wenigsten dem ersten. Wenn wir uns in der Tat von jeder Beschäftigung mit Politik ausschließen wollen, so stellen wir uns selbst schlechter, als alle andern jungen Leute unsres Alters stehen. Selbstverständlich betreiben wir keine Parteipolitik. Das wieder würde unserm Charakter als Studenten widersprechen, die sich lernend ihr Urteil bilden wollen. Aber wie sollen wir das, wenn wir aus dem Verkehr unter uns, aus dem privaten und dem öffentlichen, jede Politik verbannen? Nur wenn Stein sich an Stein reibt, gibt es Funken, und wo soll das Feuer, das der zweite Redner für die großen deutschen Ziele verlangt hat, herkommen, wenn wir es nicht, auch in Streit und Widerstreit, genährt haben? Und so darf es nicht nur, wie derselbe Redner gesagt hat, etwa die Wehrmacht des Reiches sein, der wir nachdenken, und 156 nicht etwa die von dem dritten Redner herausgegriffene Judenfrage, die wir nur im Komplex aller politischen Fragen verstehen können. Nach meiner Auffassung (wie eine Vision erschien Fritz in diesem Augenblick Wittes Zimmer, und er sah sich dem Alten gegenüber, wie vor ein paar Monaten) – nach meiner Auffassung hat der Student nicht nur das Recht, sich, so weit es irgend geht, auch mit politischen Fragen zu befassen, sie durchzudenken, sich über sie Rats zu erholen, er darf nicht nur Politik lesen und hören, sondern er hat geradezu die Pflicht, sich politisch zu bilden.

»Wann soll er denn das tun, wenn nicht auf der Universität? Viele von uns kommen später in ganz kleine Orte, fern vom großen Treiben, das in den großen Universitätsstädten, besonders hier in Berlin, herrscht, fern von dem regen geistigen Verkehr, den es auch an der kleineren Universität gibt. Dann wird es für viele zu spät sein, dann werden sie wie Rekruten in irgendeinen Parteiverband einschwenken, sie werden nie führen können, sie werden immer nicht einmal in verba magistri schwören, sondern auf die Worte dessen, sagen wir einmal, den größten Mund hat.«

Hier unterbrach den Redner vereinzeltes beifälliges Lachen.

»Wenn wir auf der Universität nicht nur totes Wissen lernen sollen und lernen wollen, so müssen wir auch unter uns selbst und von unsern Lehrern lernen, politisch denken. Denn was heißt politisch denken anders als staatlich denken, als sich fühlen als Bürger eines großen Gemeinwesens! Wie sollen wir die 157 bürgerlichen Rechte, die uns später zufallen, und die nach jeder ernsten Auffassung Bürgerpflichten sind, ohne diese Vorbereitung erfüllen? Nur so verstehe ich unsern geliebten Lehrer Heinrich von Treitschke (hier unterbrach ihn stürmischer Beifall), nur so verstehe ich ihn, wenn er uns davor warnt, in das Gezänk des Tages hinabzusteigen. Die lebendige Staatsgesinnung, die er lehrt, die große Volksgesinnung, möchte ich sagen, die wir brauchen und die wir später selbst lehren und vertreten sollen, die müssen wir hier miteinander und aneinander erwerben.«

Er machte eine kleine Pause. Dann fuhr er, nun ganz ruhig geworden, fort, und die Wärme, mit der er sprach, der Ernst, den seine Rede ausströmte, verlieh dem jugendlich Unfertigen, das darin war, eine größre Ausgeglichenheit.

»Wir leben, das empfinden Sie alle mit mir, in einer Zeit ernster Wandlungen, wir wissen nicht, was für Geschicke sich für Deutschland vorbereiten.«

Hier riefen ein paar Stimmen aus einer Ecke: »Oho!«

»Das Deutsche Reich ist da. Auch von uns Studenten, von unsern Vorgängern haben viele dafür geblutet.«

Er hielt inne, weil das Antlitz seines Vaters in diesem Augenblick lebhaft vor ihm aufstieg.

»Aber das Reich ist noch nicht am Ende seiner Aufgaben, am Ziele seiner Größe.«

Hier wurden die Oho-Rufe lebhafter, ein paar, die ihre parlamentarische Schulung zeigen wollten, riefen: »Hört, hört!« 158

»Sie wissen alle, daß es die akademische Jugend war, die in den vierziger Jahren, die auch 1848 mit vornean stand.«

Hier verstärkte sich der Widerspruch bis zu lebhaftem Protest, von vielen Seiten wurde gerufen: »Achtundvierzig, wir danken,« und ähnliches. »Wir sind keine Republikaner,« tönte es von einem der vordersten Tische, und von hinten rief eine Stimme: »Olle Kamellen!«

Mit Mühe verschaffte der Leiter der Versammlung Fritz wieder Ruhe. Erregt fuhr dieser fort und klopfte unwillkürlich mit der Hand auf das Pult: »Olle Kamellen! habe ich soeben jemanden rufen hören, und ein andrer von Ihnen sagte: wir sind keine Republikaner. Diesem zweiten Herrn sage ich: gewiß nicht, das sind wir nicht, wir stehen auf dem Boden des heutigen Deutschen Reichs und als Preußen auf dem des Königreichs Preußen. Aber, das möchte ich denn doch hinzufügen (hier bekam seine Stimme einen Beigeschmack von leichter Ironie), wenn der betreffende Herr vielleicht etwas mehr Politik auf der Universität getrieben hätte, so würde er wissen, daß auch von jenen alten Achtundvierzigern sehr viele keineswegs Republikaner waren, und ich möchte ihn bitten, sich einmal die Verfassung anzusehen, die das Frankfurter Parlament geschaffen hat.«

Wieder wurde von verschiedenen Ecken dazwischen gerufen: »Professoren-Parlament!« Aber Fritz ließ sich nicht stören und fuhr mit erhobener Stimme fort: »Die Verfassung, die das Frankfurter Parlament geschaffen 159 hat, in dem allerdings, worauf wir Studenten stolz sein sollten, viele Professoren saßen, ist in wesentlichen Stücken die Grundlage der heutigen Reichsverfassung. Die Herren, die das nicht wissen und deren politische Studien offenbar sehr einseitig gewesen sind, haben vielleicht die Güte, das zu Hause nachzulesen, oder, falls sie politische Werke nicht auf ihr Bücherbrett stellen, sie sich in der Königlichen Bibliothek geben zu lassen. Jene alten Frankfurter waren in ihrer großen Mehrheit alles andre als Republikaner, was ja übrigens noch gar kein Schimpfwort ist, und – das sage ich dem Herrn, der vorher ›Olle Kamellen!‹ rief, – auf den Schultern dieser Männer stehen wir und steht auch, wie er das selbst ausgesprochen hat, in sehr vielen Dingen Fürst Bismarck.«

Wieder ertönten Oho-Rufe.

»Worin wir aber ganz und gar auf den Schultern der besten unter diesen Männern stehen sollten, das ist das Bewußtsein, daß wir künftige, vollberechtigte Staats- und Reichsbürger sind, und daß es unsre verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, uns darauf vorzubereiten, vom ersten Tage an, wo wir als freie akademische Bürger aus der Schule hinaustreten.«

Er mußte an das kurze Gespräch mit Kossekel während des Kaiser-Kommerses denken und lächelte mitten in seiner Erregung.

» Noblesse oblige. Wir haben es so sehr viel besser als alle Altersgenossen, vom Leutnant, der vom ersten Tage an unter Befehl steht, bis zum Arbeiter, dem die Bildungsquellen nicht zugänglich sind, die wir haben –; 160 darum tun wir nicht mehr, als wir müssen, wenn wir diese Lage mit allen Kräften ausnützen. Damit nützen wir nicht nur uns, sondern dem Vaterlande, dann können wir ihm nicht nur in den Fragen, die der zweite Herr Redner erwähnt hat, sondern in allen Fragen helfen, denn alle Probleme, die das Vaterland berühren, sind nationale Probleme – nur dann hat unsre spätere Tätigkeit für das Reich und für den Staat Wert. Ich bin selbst Couleurstudent (›Nanu‹, rief eine schrille Stimme), aber so wenig es auf der Universität mit Band und Mütze getan ist, so wenig später gegenüber den andern, die etwas von uns verlangen und erwarten, mit dem Doktor- oder dem Assessor- oder meinetwegen selbst mit dem Geheimratstitel. Und so lassen Sie mich schließen: die Frage heißt nicht: soll der Student Politik treiben, sondern sie kann nur noch heißen: wie treibt der Student am besten Politik? Und meine Antwort darauf ist: nicht durch vorzeitige Festlegung auf eine Partei oder eine Ansicht, sondern durch das, was sein Name sagt, durch ein heißes, unablässiges Studium. Hier müssen wir lernen, was wir dereinst, und hoffentlich als Führer, üben wollen.«

Fritz verließ den Platz, während rings im Saal Beifall in sehr verschiedenen Abstufungen laut wurde. An einigen Tafeln klatschte und trampelte man unablässig, an andern gab sich kühle Beistimmung kund, viele saßen schweigend und sichtlich unzufrieden, offenbar nur durch die Wärme der Ansprache instinktiv innerlich verhindert, ihrem Mißfallen Ausdruck zu geben. 161

Fritz schwankte das Bild der lebhaft bewegten Menge ein wenig durcheinander, und so erstaunte er, als auf dem kurzen Wege von der Tribüne zu seinem Tisch jemand auf ihn zutrat und ihm auf die Schulter klopfte. Erst nach einigen Augenklicken erkannte er den Redakteur.

»Das war ganz vortrefflich, Herr Friedrich,« sagte der.

Fritz, noch ein wenig erregt, dankte ihm nur kurz und lud ihn ein, an seinen Tisch zu kommen. Sie brachen bald auf, da die weitere Diskussion nichts Neues mehr brachte und schließlich steuerlos ins Uferlose verlief. An einem übermüdet gähnenden Polizeioffizier vorbei gingen sie eine Seitentreppe hinab und traten ins Freie.

»Wollen Sie mir einen Gefallen tun?« sagte der Redakteur. »Dann schreiben Sie mir die Grundgedanken Ihrer Rede mal auf und schicken Sie sie mir für mein Blatt.«

»Für Ihr Blatt?« fragte Fritz überrascht.

»Ja. Was Sie sagten, hatte Hand und Fuß, Sie werden's ja beim Niederschreiben noch etwas prägnanter zusammenfassen. Also wann schicken Sie mir's?«

Fritz versprach auf sein Drängen, es am andern Tage in die Redaktion zu senden.

Von der Kaiser-Wilhelm-Brücke ging er allein nach Hause. Pferdebahnen fuhren ohnehin nicht mehr, und da es eine laue Sommernacht war, tat ihm der Spaziergang wohl. Er schritt am Lustgarten vorbei, wo links von ihm die Schloßkuppel in die Lüfte ragte, 162 rechts das Museum, und schlenderte dann den Mittelgang der Linden entlang, durch den Tiergarten auf schmalen Wegen, die er nun alle kannte, weiter. Jetzt hinterher erschien ihm sein Auftreten wie etwas Unwahrscheinliches, und unwillkürlich suchte er die Worte, die er gesprochen hatte, wieder zusammen, ohne sie finden zu können.

Noch als er eingeschlafen war, vernahm er im Traum die Geräusche der Versammlung, das Hin und Her der Zwischenrufe, aber als er am Morgen aufwachte, standen seine gestrigen Worte so fest in seinem Gedächtnis, daß er sie nur wie von einer Tafel abzuschreiben brauchte. Er strich einiges und sandte das Manuskript an Doktor Burdach. 163

 


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