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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Die sonnigen Stunden schienen Hedwig heute langsamer und träumerischer als sonst über Schloß Roda hinzugleiten, die Vögel in den Zweigen lauter und doch trauriger zu singen, die Blumen auf den Beeten stärker und doch weniger erquicklich zu duften. War es eine Folge der schlaflos verbrachten Nacht? War es der Gedanke, daß die Sonne dieses Tages die letzte sei, die sie über Roda würde untergehen sehen?

Denn morgen mußte es sich entscheiden, nicht für sie – für sie war es längst entschieden – aber für den Fürsten, für alle Welt; morgen war die Frist zu Ende, die er sich erbeten hatte. Ach, sie hatte bitter bereut, daß sie, gegen ihre Ueberzeugung, gegen ihre Natur, dieser Bitte, die eine Drohung gewesen war, nachgegeben: sie hatte diese Nachgiebigkeit bereits theuer bezahlt, würde sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch theurer bezahlen müssen.

Es waren schlimme Tage für sie gewesen, die sie durchlebt in stundenlangem Beisammensein mit der Generalin, die ihr aus den trostlosen Tagen ihrer geknechteten Jugend das Urbild der schlimmsten Tyrannei auf Erden war – der schlauen, abgefeimten Tyrannei, die ihre Brutalität hinter die glattesten Formen versteckt; mit dem Geheimrath, der die sanfteste Stimme hatte, wenn er mit vornehmen Leuten sprach, und der einen kranken Dienstboten anherrschte, wie einen räudigen Hund; mit Stephanie, die seit geraumer Zeit schon und nun besonders seit Ankunft der Mutter, ihre frühere Munterkeit mit einer larmoyanten Duldermiene vertauscht hatte und ihre schmachtenden Augen nicht von dem Grafen wendete, der, offenbar ganz absichtlich, seine Frau, um die er sich sonst in der Gesellschaft so wenig bekümmerte, mit Aufmerksamkeiten aller Art überhäufte; mit dem Fürsten endlich, der jetzt düster und zerstreut die Gesellschaft gewähren ließ und sich dann wieder mit fieberhafter Lebhaftigkeit in die Conversation mischte – das Bild eines Menschen, der, von einem einzigen Gedanken vollständig beherrscht, in allem Uebrigen nur noch mechanisch lebt.

Und sie wußte, welches dieser einzige Gedanke war. Sie las es aus der scheuen Miene, mit der er sie gelegentlich verstohlen betrachtete; sie hörte es heraus aus den dürren Worten, die er an sie richtete, wenn es die Schicklichkeit erforderte, daß er mit ihr sprach; sie hörte es heraus aus dem verlegenen Schweigen, in das er sofort verfiel, sobald er es nicht vermeiden konnte, auf ein paar Augenblicke mit ihr allein zu sein; sie hörte, sie sah aus Allem: es that ihm leid!

Es that ihm leid, daß er so weit gegangen! Es that dem Fürsten von Roda leid, daß er sich so tief gedemüthigt, daß er vor ihr auf den Knieen gelegen, daß er sein Schicksal in ihre Hände gegeben, daß ein Ja oder Nein von ihren Lippen über seine Zukunft entscheiden sollte!

Und sein Blick irrte nun umher, ob es im Himmel und auf Erden nichts gab, was ihn retten mochte aus dieser Noth, und blieb dann hilfesuchend auf seinen Verwandten haften, die ihm mit einemmal seltsam nahe getreten waren, so nah, daß er erst jetzt die Schwere der Versündigung empfand, die er an ihnen zu begehen im Begriffe war, die er um eines Haares Breite an ihnen begangen hätte.

Und sie verstanden diesen Blick; sie schöpften Hoffnung, Trost aus diesem Blick und den Muth, ihren Empfindungen Ausdruck zu geben, merken zu lassen, wie sie sehr wohl wüßten, daß die Gefürchtete nicht mehr ganz so fürchterlich sei.

Würden sie sonst die Stirn gehabt haben, diese Scene gestern bei der Tafel zu arrangiren? Und der Erfolg hatte ihnen ja Recht gegeben, der Fürst hatte durch sein klägliches Verstummen den schamlos-frechen Ausfall gegen einen Abwesenden sanctionirt, von dessen Lob sein Mund und doch auch wohl sein Herz früher so voll gewesen.

Es war der Tropfen, der den Becher überlaufen macht. Hedwig fühlte es in der Tiefe ihres leidenschaftlichen Herzens, daß dies das Signal sei zu dem Bruche zwischen ihr und dem Fürsten; daß sie auf ein freundschaftliches Verhältniß, wie sie es um seinet-, um ihrethalben gewünscht und gehofft, fortan zu verzichten habe.

Und in dieser leidenschaftlich-bitteren Stimmung war sie hinaufgeritten auf die Fasanerie und hatte den alten Prachatitz gefragt, ob er sich bereit halten wolle und könne, sobald sie ihm Botschaft sende, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht an einem Punkte, den sie angeben werde, sie mit einem Gefährt zu erwarten und mit ihr zu gehen, wohin sie jetzt selbst noch nicht wisse.

Und der Alte hatte sich mit der harten Hand über die borstigen Wimpern gewischt und gesagt: er habe es längst kommen sehen und sie werde ihn bereit finden.

Dann war sie von der Fasanerie durch den Wald auf eine Klippe geritten, die trotzig-hoch hinausschaute in das Rodathal. Sie hatte zum letztenmal einen Blick werfen wollen auf das wunderliebliche Bild, an dem sie so oft Herz und Auge gelabt: auf die dunklen Wälder hüben und drüben, auf die sonnigen Matten, auf die zackigen Berge, auf den Fluß, der sich tief unten – eine braune Schlange – um den Felskegel zog, von dem das stolze Schloß, in Abendsonnengluth gebadet, mächtig aufragte. Es hatte ein kurzer Abschied sein sollen und ohne Wehmuth.

Aber als sie dort oben hielt und ihr zu Häupten die Riesentannen schauerlich im Abendwinde flüsterten und durch die tiefe Stille das Rauschen der Roda in ihrem steinigen Bett zu ihr hinaufmurmelte, und ein Falk mit lustigem Schrei sich vorüberschwang durch die blaue Luft, und der prächtige Rappe, ihr Lieblingspferd, ungeduldig mit dem schönen Kopfe nickte und das nackte Gestein mit dem Eisen schlug, daß es laut ertönte, – da waren ihr die Thränen heiß aus den Augen gestürzt und eine Stimme in ihr hatte gefragt: ob es nicht sein könne? ob sie diese Herrlichkeit aufgeben und hinausziehen müsse in die Wüste der Welt, ein armes verlassenes Mädchen, das nur eben ihrem Sterne folgte, der sie vielleicht in grenzenloses Elend führte, aus dem es keine Rettung gab als den Tod.

Und wäre es in den Tod, hatte eine zweite Stimme der ersten geantwortet, doch mußt du fort von hier; du kannst nicht deinem Gott dienen und dem Mammon.

Da war es ruhig in ihr geworden, ganz ruhig; und so war sie zurückgeritten und hatte während der Nacht ihre Sachen geordnet wie Jemand, der zu einer langen, langen Reise aufbricht, von der er vielleicht nicht wiederkehrt. Aber in das kleine ärmliche Bündel, das sie sich zurechtmachte, war nichts gekommen von dem unendlichen Reichthum, der ihr aus den geöffneten Schränken und Laden entgegenglänzte und schimmerte, nichts von den herrlichen Kleidern von den zahllosen Kostbarkeiten; nur die dürftige Habe, die sie besessen, als sie noch hinter dem Theetisch der Generalin stand und die sie sorgfältig aufgehoben.

Dann hatte sie im Kamin Papiere verbrannt, und dabei waren ihr denn auch die Briefe in die Hand gekommen, die Hermann im Laufe der letzten drei Jahre an sie geschrieben. Es hatte sie seltsam berührt, als sie das Packet so in der Hand hielt; es war ihr gewichtiger vorgekommen, als die anderen alle, und einen Augenblick hatte sie geschwankt; dann aber hatte sie es auf die glühende Asche geworfen und zugesehen, wie die Flammen es verzehrten.

Ich kann nicht von hier gehen mit dem Bilde eines Mannes im Herzen, sprach sie bei sich. Es würde mir die Festigkeit rauben, die der Augenblick von mir heischt, und würde mir das Vertrauen zu mir selbst rauben, mein einzig Gut für die Tage, die da kommen werden.

Dann war sie auf den Balcon getreten und hatte, in die Dämmerung hinausschauend, durch den stillen Morgen vom Schloßhofe her das Geräusch eines Wagens gehört und bald darauf über die Brücke unten einen Wagen fahren sehen, ohne zu ahnen, daß es der Fürst sei.

Sie hatte es erst heute Morgen von Meta gehört. Ihr erster Gedanke war gewesen: er flieht vor dir! ihr zweiter: benutze diese Stunde, die vielleicht nicht wiederkommt, zu deiner eigenen Flucht. Aber sie hatte ihr Wort gegeben, bis zum Geburtstag des Fürsten auszuharren; sie mußte es halten, wenn vielleicht auch ihm, der es ihr so unritterlich abgezwungen, nicht mehr daran gelegen war, daß sie es hielt.

Und so wandelte sie nun in dem morgensonneüberstrahlten Garten zwischen den Beeten, von denen ihr der Würzduft der Reseda und des Heliotrops entgegenhauchte, unter den schattigen Bäumen, deren glänzendes Gezweig sich leise im Morgenwinde hob und senkte, aus deren dichten Kronen die Vögel rastlos sangen; und Morgensonnenschein und labender Schatten, säuselnder Wind und nickende Zweige, duftende Blumen und singende Vögel – alle sagten ihr Lebewohl, und: lebet wohl! tönte es aus ihrem tiefsten Herzen wieder: lebet Alle wohl!

Da sah sie Stephanie am Arm des Grafen, denen die Generalin und der Geheimrath folgten, den Gang heraufkommen; der Becher süßer wehmuthsvoller Abschiedstrauer war geleert, der bittere Tropfen des Hasses mochte drinnen bleiben; sie wendete sich langsam in das Schloß.

Wie danke ich Dir, Henri, daß Du gekommen bist, sagte Stephanie, sich zärtlich an die hohe Gestalt des Gatten schmiegend.

Nur keine Aufregung, liebe Stephanie, sagte der Graf, düsteren Blickes der zwischen den Büschen Verschwindenden nachschauend; Du weißt, wie streng Dir der Geheimrath jede Emotion verboten hat. Und dann – wollen Sie nicht die Güte haben, Herr Geheimrath, meine Frau ein wenig zu führen; ich möchte eine paar Worte mit Deiner Mama sprechen, liebe Stephanie.

Es ist doch nichts Schlimmes? rief Stephanie. Aber ich bitte Dich, liebes Kind! rief der Graf etwas ungeduldig.

Lassen wir die Politiker allein, gnädige Gräfin, sagte der Geheimrath; von diesen Dingen verstehen wir jungen Frauen und Gelehrten doch nichts.

Nennen Sie mich eine alte Frau! rief die Generalin, rückwärts gewendet mit dem Finger drohend.

Der Graf hatte vor einer Stunde eine wichtige Nachricht gebracht, die allerdings für die Generalin nichts Ueberraschendes enthalten hatte. Sie war fest überzeugt gewesen, daß es diesmal zum Kriege kommen werde, und so bestätigte das Extrablatt, welches vorgestern Abend spät in Berlin ausgegeben und dem Grafen von seinem Freunde, dem Baron Malte, sofort übersendet war, nur ihre Prophezeiung: Seine Majestät der König hatte es abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe.

Unser Prinz hätte ihm schon lange nichts mehr mitzutheilen gehabt, sagte die Generalin; aber wir wollen doch lieber gegen Stephanie nichts davon verlauten lassen; und dann, eine Kriegserklärung ist es noch immer nicht, und diese Affaire hat schon so seltsame Wandlungen durchgemacht, daß schließlich Alles möglich ist.

Die Generalin glaubte, der Graf wolle noch einmal von dieser Sache mit ihr reden, und sie war deshalb nicht wenig überrascht, ja erschrocken, als derselbe ihr jetzt in einer Aufregung, die er bis dahin mühsam beherrscht hatte, anvertraute, was ihn eigentlich in vollem Rosseslauf von Neuhof hatte herüberjagen lassen.

Lesen Sie, sagte er, ihr einen Brief reichend, den er aus der Tasche nahm, als Stephanie mit dem Geheimrath nicht mehr zu sehen war; er ist ebenfalls von Baron Malte, der, wie Ihnen bekannt, mehr davon weiß und wissen kann, als ein Anderer. Hier diese Zeilen, wenn ich bitten darf.

 

»Soeben komme ich von **, der mir ein Geheimniß anvertraute, das ich Ihnen sofort communicire, da es mir offenbar zu diesem Zweck mitgetheilt wurde. Seine Durchlaucht, dessen welfische Gesinnung diesseits um so mehr bekannt ist, als er aus derselben nie ein Hehl gemacht, hat sich neuerdings zu einer Handlungsweise hinreißen lassen, welche der mildeste Beurtheiler nicht anders als hochverrätherisch nennen kann. Die ganze Sache ist durch einen Mr. Rose oder Rosel herausgekommen, der aus vorläufig unbekannten und auch irrelevanten Gründen an seinem Herrn, dem Marquis de Florville, mit dem Sie vor drei Tagen das Rencontre gehabt, und der jetzt noch krank in Hannover liegt, zum Angeber geworden ist. Es ist eine Verschwörung in optima forma, die ihre Centralstelle natürlich in . . ., aber eine Hauptcommandite, wie sich jetzt herausstellt, auf Schloß Roda hat, und deren Verzweigungen über Hannover u.s.w. bis nach Brüssel und London laufen. Das Ganze ist von einem Gewicht, daß es niemals ungeahndet hingehen könnte, im jetzigen Moment aber, unmittelbar vor dem wahrscheinlichen Ausbruch eines Krieges mit Frankreich, die ganze Strenge des Gesetzes herausfordert. Das fühlt man auch Allerhöchstenorts, so schmerzlich es berührt, daß ein Fürst Roda mit communistischen Schneidern, internationalen Abenteurern und welfischen Enragés gemeinschaftliche Sache machen konnte, und wie man auch, mildgesinnt, wie man ist, Gnade für Recht ergehen lassen möchte. Noch schwankt die Wage, aber **, dessen Meinung doch zuletzt den Ausschlag giebt, sagte mir, daß er selbst, so leid es ihm um Ihrethalben thue, nicht zur absoluten Milde rathen könne und werde. Morgen Abend ist Ministerrath, wo die Sache officiell entschieden wird; in der Nacht gehen die Depeschen ab. Einen bestimmten Avis, waren **s letzte Worte, kann ich dem Grafen nicht geben, außer etwa, daß er den Fürsten zu bestimmen sucht, ruhig auf Schloß Roda zu bleiben und nicht etwa durch eine kopflose Flucht dem, was man unter Umständen als blosen Verdacht gelten lassen darf, volle Bestätigung zu geben und uns die Möglichkeit zu rauben, die Karten so zu mischen, daß die Trümpfe nicht zu stark gegen ihn fallen.«

 

Das ist denn doch toller als toll, sagte die Generalin, den Brief sinken lassend und den Grafen mit großen Augen starr ansehend; dieser alte Mann erschöpft die Geduld eines Engels.

Ich habe gethan, was ich konnte, es zu verhindern, sagte der Graf.

Es herbeizuführen, dachte die Generalin, und laut sagte sie: Jedenfalls steht die Sache nun nicht mehr zu ändern, und dann hat sie doch, fatal wie sie ist, auch ihre gute Seite. Dieser wahnsinnige Streich, der ihm, wenn er ihm vergeben wird, nur unserethalben vergeben wird, macht ihn in demselben Maße von uns abhängig.

Ich fürchte, er wird dem einen wahnsinnigen Streich schnell genug den anderen folgen lassen, sagte der Graf.

Dafür ist gesorgt oder vielmehr habe ich gesorgt, erwiederte die Generalin.

Sie deuteten dergleichen schon gestern an; ich muß gestehen, daß ich einigermaßen neugierig bin, Ihren Feldzugsplan etwas genauer kennen zu lernen.

Sie haben mir versprochen, Henri, mich bis morgen frei gewähren zu lassen.

Aber Sie sehen meine Ungeduld; ich meine, die Zeit ist nicht dazu angethan, Comödie zu spielen.

Sie sind in böser Laune, Henri, sagte die Generalin, und das macht Sie sogar in der Wahl Ihrer Ausdrücke weniger glücklich als sonst. Wenn ich eine Comödie gespielt habe, so hat dieselbe jedenfalls einen sehr bedeutenden Erfolg gehabt, für den ich einiges Lob zu verdienen glaube. Sie hat ihn die ganze Nacht wach erhalten und um drei Uhr nach einem Wagen rufen lassen, vermuthlich, sich den heißen Kopf in der Morgenluft etwas abzukühlen. Er wird nur an einem so warmen Tage wie heute bald zurückkommen müssen, soll die gute Wirkung nicht wieder verloren gehen.

Der Fürst um drei Uhr weggefahren und noch nicht wieder zurück! rief der Graf. Und das sagen Sie so ruhig, wenn es die größte Wahrscheinlichkeit hat, daß dies nichts Anderes ist als eine Flucht. Wie leicht kann er von irgend einer Seite – diese Menschen haben ja tausend geheime Wege – gewarnt worden sein! Er kommt nicht zurück, sage ich Ihnen, und unser Name bleibt gebrandmarkt für alle Zeiten!

Er kommt zurück, erwiederte die Generalin, verlassen Sie sich darauf; er hat ja nicht einmal sein Factotum, den alten Gleich, mitgenommen.

Das spricht umsomehr für meine Ansicht.

Im Gegentheil, oder er müßte sich denn geradezu das Leben genommen haben; ich bin überzeugt, daß er ohne Gleich nicht seine Toilette für eine einzige Nacht machen kann.

Sie sind noch immer in der Comödienlaune.

Die ich mir durch Ihre Undankbarkeit nicht werde rauben lassen. Wir Frauen könnten die Hände nur ein- für allemal in den Schoß legen, wenn wir überhaupt auf Dank von Euch rechneten. Und nun geben Sie mir hübsch den Arm und lassen Sie Stephanie nicht merken, daß Sie der Hedwig ihr Faible für diesen Wunderdoctor durchaus nicht vergeben können.

Die Generalin sagte das in ihrer gewöhnlichen leichten und heiteren Weise, während sie innerlich über die Hartnäckigkeit, mit welcher der Graf an seiner Leidenschaft festhielt, empört war und die Abwesenheit des Fürsten ihr jetzt ernstlich Sorge zu machen begann.

Die Frühstückszeit, zu welcher der Fürst regelmäßig auf einige Minuten im Salon bei den Damen zu erscheinen pflegte, war längst vorüber; zum Diner war heute freilich ausnahmsweise Niemand eingeladen, und so mochte es sein, daß der Küchenzettel, den sich der Fürst sonst jeden Morgen vorlegen ließ, heute dem Chef überlassen blieb; aber es harrten für das Fest morgen hundert Dinge der Erledigung. Herr von Zeisel war in Verzweiflung, und auch der alte Gleich, den die Generalin beiseite nahm, schüttelte bedenklich den grauen Kopf. Durchlaucht sei heute Nacht in der That ganz ungewöhnlich erregt und, mit Respect zu sagen, wie toll gewesen; und so allein in die graukalte Dämmerung hinauszufahren, sei und bleibe ein wunderlich Stück, wenn Durchlaucht auch wohl je zuweilen gar absonderliche Einfälle hätte und schon mehr als einmal gerade den Tag vor seinem Geburtstag auf seinem Gebiete hin- und herkutschirt sei, sich den Zustand der Leute aus der Nähe an zusehen und sich zu vergewissern, wie Durchlaucht das so auszudrücken pflegte, ob er auch am nächsten Tage vergnügt sein dürfe.

Die Generalin that, als ob sie großen Werth auf diese Mittheilung lege, aber der Graf konnte ihr nicht beipflichten. Das hätte die Sache unter gewöhnlichen Verhältnissen zur Noth erklärt; es handle sich jetzt nicht um patriarchalische Wallungen. Seine Unruhe wuchs mit jeder Minute; er wünschte, daß Herr von Zeisel Reitende nach verschiedenen Richtungen aussende. Der Cavalier war dazu bereit, meinte aber, daß nicht viel dabei herauskommen werde.

Wenn Durchlaucht auf den Wald gefahren ist, sagte er, ich meine in die Berge, könnte man ebenso gut ein geständertes Huhn ohne Hund in einem Runkelrübenfelde suchen; aber da sich die Damen so ängstigen und dem Herrn Grafen viel daran zu liegen scheint, Durchlaucht möglichst bald zu sprechen, wollen wir es versuchen, während ich selbst nach dem Diner mich hier ein wenig in der Nachbarschaft umsehe. Durchlaucht hatte sich in der letzten Zeit so sehr an Herrn von Fischbach attachirt, daß er ebensogut dorthin, wie irgend wohin sonst gefahren sein kann; nach Rothebühl und Erichsthal muß ich so wie so, da ist es ja nur ein Trab von zehn Minuten bis Buchholz.


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