Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehntes Kapitel.

Nach der unruhigen Nacht war es heute sehr still auf dem Hof und in dem Innern des Schlosses; unheimlich still nach Herrn von Zeisels Empfindung.

Die Stunde war gekommen, in welcher er sich nothwendig mit dem Uriasbrief, wie er das Schreiben des Marquis nannte, zu dem Fürsten begeben mußte, wenn er wenigstens den Schein retten wollte, dem gnädigen Herrn die wichtige Nachricht, wie es sich ziemte, zuerst überbracht zu haben.

Denn Herr von Zeisel, obgleich er es sich niemals merken ließ, wußte nur zu gut, daß er dem gnädigen Herrn für gewöhnlich wenig zu berichten hatte, was derselbe nicht bereits anderweitig erfahren. Er hatte das oft sehr peinlich empfunden, vor Allem, weil die Quelle, aus welcher der Herr schöpfte, fast niemals lauter und oft sehr unlauter war. Aber heute Morgen hätte er gar nichts dagegen gehabt, wenn Herr Andreas Gleich ihm die Erfüllung seiner Pflichten vollständig abgenommen hätte.

Herr Gleich war diesem Wunsche heute ausnahmsweise nicht zuvorgekommen, obgleich er, noch bevor der Cavalier sein Zimmer verlassen, die Ereignisse der Nacht: die Abreise des Marquis, die Ausfahrt des Grafen, das Wegreiten Hermanns erfahren. Auf den letzteren Umstand hatte er kein besonderes Gewicht gelegt; er hatte sich mit dem Plane, den ihm tief Verhaßten aus der Nähe des Gebieters zu entfernen, viel zu lange getragen, als daß er zu hoffen wagte, er werde ihn jemals so leichten Kaufes los werden. War er doch überzeugt, daß all das Gerede von des Doctors Fortgehen nur eitel Wind sei, den der Mann aussäe, um sich bitten zu lassen, da zu bleiben und nebenbei noch ein höheres Gehalt vom Fürsten zu erpressen.

Aber die Abreise des Marquis und die Ausfahrt des Grafen hatten ihm zu denken gegeben. Eine dunkle Ahnung, daß Beides in irgend einem Zusammenhange stehen könne, hatte sich ihm unwillkürlich aufgedrängt, da er aus flüchtig hingeworfenen Aeußerungen des Gebieters und noch mehr aus seiner eigenen Beobachtung zur Ueberzeugung gekommen war, daß das Verhältniß der beiden Herren keineswegs besonders gut sei. Indessen der eigentliche Zusammenhang war ihm nicht klar geworden und nur das hatte ihm sofort eingeleuchtet, daß, welche Bewandtniß es auch immer mit den großen Neuigkeiten des Morgens habe, dieselben keineswegs angenehm in das Ohr seines Gebieters – der überdies in den letzten Tagen ganz ausnahmsweise verstimmt gewesen war – klingen würden. Und da er die Maxime hatte, besonders Unangenehmes, so lange es ihn nicht direct anging, lieber durch Andere als durch ihn selbst an den Fürsten kommen zu lassen, war er heute Morgen, als er Durchlaucht einen guten Morgen wünschte, mit sehr leidender Miene vor demselben erschienen und er hatte auf Befragen geantwortet: er habe eine sehr schlechte Nacht zugebracht und sei erst gegen zwei Uhr eingeschlafen, weshalb er auch wegen seines späten Kommens um Entschuldigung bitte.

Der Fürst hatte ihn darauf geheißen, sich wieder hinzulegen, was aber Herr Gleich sehr höflich und bestimmt abgelehnt hatte. Er werde, wenn Durchlaucht es verstatte, nur noch eine Stunde im Vorzimmer auf dem Lehnstuhl nicken.

Und da saß nun Herr Gleich im Vorzimmer auf dem Lehnstuhl, aber ohne zu nicken, höchstens, wenn er einen Schritt auf dem Corridor hörte, um sich zu überzeugen, ob das wohl Herr von Zeisel sein könne, der doch jetzt unbedingt bald kommen mußte, Durchlaucht Rapport zu erstatten. Und jetzt war es wirklich des Cavaliers Schritt, und der Cavalier schaute zur Thür herein und fragte Herrn Gleich, der aus seinem tiefen Morgenschlaf ganz verstört emporschreckte, ob Durchlaucht bereits auf sei und ob er Durchlaucht ausnahmsweise jetzt schon in dringenden Angelegenheiten sprechen könne.

Herr Gleich sagte, daß Durchlaucht allerdings schon auf und sogar schon in seinem Arbeitscabinet sei und daß er fragen wolle, ob er Herrn von Zeisel vorlassen dürfe.

Der Alte weiß noch von nichts, sagte Herr von Zeisel, oder will von nichts wissen; ich werde das ganze Vergnügen für mich allein haben.

Durchlaucht lassen bitten, sagte Herr Gleich.

Der Cavalier wollte fragen, wie Durchlaucht geschlafen habe, aber er hatte ein solches Zugeständniß an den allmächtigen Kammerdiener noch niemals gemacht; so verschluckte er denn seine Frage und folgte beklommenen Herzens dem Voranschreitenden, der ihm die Thür zum Arbeitscabinet des Fürsten öffnete.

Der Fürst saß an seinem Schreibtisch in der Mitte des schönen Gemaches, so daß er den Blick durch die beiden Fenster in die Berge hatte, und wendete sich jetzt nach dem Eintretenden um. Das helle Morgenlicht fiel ihm dabei voll in das Gesicht, und in dem hellen Morgenlicht sah das Gesicht so bleich und verfallen aus, daß der gutmüthige Herr von Zeisel die Schwere seiner Pflicht doppelt fühlte und die Neigung, die er bereits vorher verspürte, nicht mehr zu sagen, als unbedingt nothwendig sein werde, vollauf berechtigt fand.

Er begann also, dem gnädigen Herrn, der ihn mit einer freundlichen Handbewegung zum Sitzen eingeladen, in möglichst unbefangener Weise mitzutheilen, was er mitzutheilen hatte, und er zwang sich, diese Unbefangenheit beizubehalten, trotzdem er die Miene des Fürsten aus Befremdung in Verwunderung, aus Verwunderung in Bestürzung übergehen sah. Ich kann nichts dafür, dachte er bei sich; mögen sie es verantworten, die es angeht; ich sehe nicht ein, weshalb ich meine Haut zu Markte tragen soll.

Und so hielt er denn die befremdeten, verwunderten, bestürzten Blicke des gnädigen Herrn muthig aus, begnügte sich mit einer Relation des Thatsächlichen, erwähnte nichts von Herrn Rosels letzten zweideutig unzweideutigen Worten, hütete sich wohl, ein Wort von dem Verdacht laut werden zu lassen, der jetzt bei ihm bereits zur Gewißheit geworden war, und überreichte schließlich das Schreiben des Herrn Marquis. Er bemerkte, daß die Hände des Fürsten, als derselbe das Schreiben entgegennahm und öffnete, heftig zitterten und daß er sich, nachdem er die ersten Worte gelesen, sofort abwendete, ohne Zweifel, um den Eindruck, welchen der Inhalt auf ihn machte, nicht sehen zu lassen. Er kam dieser Absicht des gnädigen Herrn dadurch entgegen, daß er bescheiden seitwärts trat und sehr eifrig durch das offene Fenster über die Gebüsche des Terrassengartens fort in die von grellem Morgenlicht überströmten Berge blickte, bis Durchlaucht seine Lectüre beendet haben und ihn wieder anreden würde.

Aber Herr von Zeisel mußte so lange in die Berge blicken, daß er zuletzt gar nichts mehr sah und das Blut in seinen Ohren zu sausen begann. Er konnte es endlich nicht mehr aushalten und mußte sich, auf die Gefahr der Indiscretion, nach dem Fürsten umwenden.

Großer Gott! sagte Herr von Zeisel.

Der Fürst saß in seinen Arbeitsstuhl zurückgesunken, ganz bleich, mit fast entstellten Zügen, ohnmächtig oder einer Ohnmacht nahe, den Kopf hinten übergelehnt, die rechte Hand, der der Brief entglitten war, schlaff herabhangend, während die zusammengeballte Linke krampfhaft auf das Herz gedrückt war. Herr von Zeisel sprang hinzu, aber der Fürst lehnte, beide Hände ausstreckend, die Hilfe ab und richtete sich mit einer gewaltsamen Anstrengung mühsam auf.

Es ist nichts, lieber Zeisel, sagte er, mein Herzkrampf, der mich in letzter Zeit mehr als billig plagt. Das geht schnell vorüber. Gleich weiß damit Bescheid, schlimmstenfalls hat unser Doctor noch immer bald geholfen.

Der Doctor? Großer Gott!

Herr von Zeisel hatte sich vorgenommen, Hermanns Angelegenheit erst zuletzt vorzubringen und, wenn es sein müßte, hier, wo es sich um seinen Freund handelte und ein Vertuschen und Verschweigen auch kaum möglich war, in möglichst schonender Weise den wahren Sachverhalt anzugeben. Sollte er jetzt dem Fürsten, der durch das, was er erfahren, bereits so erschüttert war, auch noch dieses Leid anthun? Es schien unmöglich.

Doctor Horst ist heute sehr früh fortgeritten, sagte er; ich vermuthe –

Er wollte sagen: nach Hühnerfeld, aber er konnte eine positive Unwahrheit nicht über die Lippen bringen und schwieg verlegen.

Daß er nicht wiederkommt, sagte der Fürst mit einem Lächeln, das Herrn von Zeisel in die Seele schnitt. Nun, überraschen kann es mich nicht; er hat mir oft genug gesagt, daß er fort wolle, noch gestern, und ich bin unfreundlich genug von ihm geschieden. Warum sollte er nicht von hier gehen, wo ihm der Boden unter den Füßen brannte!

Herr von Zeisel war auf das tiefste erschrocken. Der Fürst sagte das Alles in einem so sonderbaren Ton, als ob er gar nicht mit ihm, sondern mit sich selbst spräche, und Herr von von Zeisel fürchtete jeden Augenblick, es werde etwas kommen, was er auf keinen Fall gehört haben dürfe, und war fest entschlossen, es auf keinen Fall zu hören; aber der Fürst machte dieser peinlichen Scene ein Ende, indem er, mit Anstrengung seine alte Weise copirend, sagte: Ich danke Ihnen recht sehr, lieber Zeisel, und wenn Sie dann nichts weiter vorzubringen hätten –

Der Cavalier wollte sagen, daß er noch sehr viel vorzubringen habe, aber er war zu verwirrt, um einen Entschluß fassen zu können und fand sich draußen auf dem Corridor, ohne recht zu wissen, wie er dahin gelangt war. Hier kam ihm die Besinnung wieder. Er sagte sich, daß es doch seiner gänzlich unwürdig sei, in dieser Weise, aus bloßer Furcht vor der Heftigkeit des alten Herrn, den Unwissenden und Stummen zu spielen; daß es seine Pflicht gewesen wäre, ihn, den er so liebte und verehrte, bei einer solchen Gelegenheit nicht im Stich zu lassen, daß er wenigstens hätte sagen müssen: wenn Durchlaucht der Dienste eines treuen und ihm gänzlich ergebenen Mannes bedürfe, so befehlen Sie über Oscar von Zeisel.

Er war im Begriff, umzukehren, aber er wußte, daß er jetzt Herrn Gleich, der an ihm vorüber in das Zimmer des gnädigen Herrn geschlüpft war, bei demselben finden würde, und er sagte sich, daß der Fürst die Dienste des Vielerfahrenen in diesem Augenblicke jedenfalls nöthiger habe, als die seinen.

Dennoch war es ihm in dieser Stimmung unmöglich, die Dinge eben gehen zu lassen, wie sie wollten. Und da kam ihm plötzlich ein Gedanke, der einen Ausweg aus diesem Labyrinth zeigte. Weshalb ist sie denn seine Frau, sagte er bei sich, wenn sie ihm in solchen Augenblicken nicht zur Seite stehen will!

Und Herr von Zeisel ging, Hedwig in einem Billet zu bitten, ihn, sobald es möglich sei, in einer wichtigen Angelegenheit zu empfangen.

Hedwig saß in finsteres Brüten versunken, als Meta Herrn von Zeisels Billet brachte.

Er ist willkommen! sagte Hedwig.

Vielleicht sendet ihn der Fürst, dachte sie; vielleicht bringt er mir den Scheidebrief.

Aber Herr von Zeisel brachte keinen Brief, als er bald darauf bei der gnädigen Frau eintrat. Er kam nur, um seiner Besorgniß wegen Durchlaucht Luft zu machen, den die Nachricht von der Abreise des Marquis sehr erschüttert zu haben scheine, trotzdem er doch wohl kaum den wahren Zusammenhang ahnen könne, den freilich er selbst nur muthmaße, oder doch höchstens nur aus ungewissen Indicien schließe, über die er das sichere Urtheil der gnädigen Frau einholen möchte.

Und Herr von Zeisel erzählte nun, was ihm Herr Rosel in der Nacht mitgetheilt, und wie ihm die diplomatische Mission des Herrn Marquis von Anfang an nicht eben wahrscheinlich gewesen, und ganz verdächtig geworden sei, als er heute Morgen von dem Hofcourier Porst erfahren, daß gestern Abend ausnahmsweise gar keine Briefe, keine Depeschen gekommen seien, die dem Marquis den Befehl seiner Regierung hätten übermitteln können. Er kam dann auf die sonderbare Aeußerung Herrn Rosels zu sprechen: die blutige Revanche für Sadowa, die der Marquis an den Fürsten, Herr Rosel an ihn adressirte; sodann die plötzliche Ausfahrt des Grafen zum Besuch beim Baron, das heißt Demjenigen, an welchen sich der Graf jedenfalls bei einem Ehrenhandel zuerst wenden mußte.

Dies Alles sind, wie gesagt, nur Muthmaßungen, gnädige Frau, fuhr Herr von Zeisel fort; es ist ja möglich, daß es mit der diplomatischen Mission des Marquis seine Richtigkeit hat, daß der Graf, Gott weiß aus welchem Grunde, drei Uhr Morgens für die geeignetste Zeit zu einer Visite hält. Aber wenn ich die große Aufregung bedenke, in welcher sich der Graf alle diese Tage in Folge der politischen Ereignisse befunden hat, die hinreichend sichtbare Mißstimmung, mit der ihn die Anwesenheit der französischen Gäste erfüllte – die bedenklichen Nachrichten, welche noch gestern die Zeitungen über die wahrhaft tolle Haltung der französischen Kammer brachten – wie leicht kann ein Funke in dieses Pulverfaß gefallen sein! Verzeihen Sie, gnädige Frau, diesen vulgären Ausdruck, aber mein Kopf ist von der schlechten Nacht ein wenig angegriffen, und mein Herz ist schwer, wenn ich denke, daß durch diese unselige Politik ein Kreis auseinandergerissen wird, der sich eben erst zu einem so schönen – ich darf wohl sagen, ideal schönen – Leben entfaltete; und nun muß unser trefflicher Freund den Einfall haben, mitten in der Nacht ohne officiellen Abschied aufzubrechen und mich dadurch in die unbequemste, ja peinlichste Lage zu versetzen.

Hermann war fort; auch das noch zu dem Uebrigen. Es war zuviel!

Hedwig senkte den Kopf, die Thränen zu verbergen, die ihr in die Augen stiegen; aber sie raffte sich gewaltsam empor.

Und glauben Sie, daß die Abreise Doctor Horsts mit der Angelegenheit, von der Sie eben sprachen, in Verbindung steht? fragte sie mit dumpfer Stimme.

Ich habe es einen Augenblick vermuthet, erwiederte der Cavalier; handelt es sich um ein Duell – und es scheint mir, daß die gnädige Frau sich ebenfalls zu dieser Annahme neigt – so ist ja ein Arzt unbedingt nothwendig und unser Doctor der nächste, an den man sich wenden konnte. Ueberdies habe ich durch meinen Diener erfahren, daß Herr Rosel heute Nacht, nachdem er bei mir gewesen, sich zu Horst begeben und längere Zeit mit ihm conferirt hat; aber bei reiflicher Ueberlegung bin ich doch wieder von meiner ersten Annahme zurückgekommen. Einmal glaube ich sicher, daß Horst es mir geschrieben hätte, wenn es sich so verhielte, sodann – und das ist die Hauptsache – mir wollte immer scheinen, als ob der Herr Graf und Horst nicht besonders zusammen stünden, und ich glaube den Grund zu kennen – aber Sie werden mich für einen Schwätzer halten, gnädige Frau, wenn ich weiter spreche, und für einen Schmeichler, wenn ich sage, daß bei der grenzenlosen Verehrung, die ich Ihnen zolle, ein Geheimniß für mich Ihnen gegenüber gar nicht existirt.

Was für ein Geheimniß meinen Sie? fragte Hedwig.

Ich wollte sagen, fuhr der Cavalier fort, ich glaube den Grund zu kennen, welcher unserem Freunde den klaren Geist so sehr verdüsterte, daß er sich so unceremoniell von unserem Hofe trennen konnte, und dieser Grund ist derselbe, weshalb es mir nicht eben wahrscheinlich dünkt, daß der Herr Graf sich in diesem Falle an Horst wendete. Mit einem Worte, gnädige Frau, ich glaube zu wissen, daß die Gräfin auf das verschlossene und deshalb nur um so weichere Gemüth unseres Freundes einen allzu tiefen Eindruck gemacht hat; aber ich erzähle der gnädigen Frau jedenfalls nur, was dem Scharfblick der gnädigen Frau längst klar gewesen ist.

Doch nicht, sagte Hedwig, ich habe nie daran gedacht, und hat Doctor Horst Ihnen je vorher oder in dem Briefe, von dem Sie sprachen, eine dahin zielende Andeutung gemacht?

Er, der verschlossenste der Menschen! sagte der Cavalier.

Würden Sie mich den Brief sehen lassen? fragte Hedwig.

Hier ist er, sagte Herr von Zeisel; ich habe ihn wiederholt gelesen, und doch würde er mir vollkommen dunkel geblieben sein, wenn – aber ich bitte!

Für Hedwig hatte der Brief keine Dunkelheit; aber als sie damit zu Ende war, verschwammen ihr die Zeilen vor den Augen, aus denen jetzt die Thränen unaufhaltsam hervordrangen.

Nicht wahr, gnädige Frau, sagte Herr von Zeisel, hier ist auch nur Eine Auslegung möglich? Nur die Liebe kann einen sonst so ruhigen, leidenschaftslosen Mann zu einer so unbesonnenen Handlung treiben. Und nun nehmen Sie noch dies, gnädige Frau: die Frau Generalin Excellenz kommt heute mit dem Geheimrath. Gestehen wir, gnädige Frau, Horst mußte sich dadurch beleidigt fühlen, nachdem er seine Abreise nur um der Gräfin willen, auf Bitten des Fürsten, auf Andringen der Gräfin selbst, so lange hinausgeschoben; jeder andere Arzt hätte sich dadurch beleidigt gefühlt, auch ohne gerade für die schöne Patientin wärmer zu empfinden. Die Frau Gräfin ist ja gewiß in jeder Beziehung unschuldig; sie folgt hier, wie ich glaube in den meisten Dingen, blindlings dem Herrn Grafen; aber man wendet sich doch in einer so wichtigen Angelegenheit, wie ein Duell ist, nicht gern an Jemand, den man zum Fortgehen gezwungen hat. Und ich sollte denken, daß Durchlaucht, dem ich von Horsts verzweifeltem Schritt pflichtschuldige Mittheilung machte, die Sache nicht anders auffaßt.

Der Cavalier schwieg. Hedwig saß mit zuckenden Lippen und starren Augen da. Endlich sagte sie: Und in welcher Weise wünschen Sie nun, daß ich in dieser Angelegenheit meinen Einfluß bei dem Fürsten geltend mache?

Ich meine, erwiederte Herr von Zeisel, die gnädige Frau würde uns Allen und Durchlaucht im Speciellen eine unendliche Wohlthat erweisen, wenn Sie Durchlaucht auf die Möglichkeit eines Rencontre zwischen dem Marquis und dem Grafen vorbereiteten; oder falls Durchlaucht – was mir wahrscheinlich däucht – bereits eine Ahnung des wahren Sachverhalts hat – der Brief des Marquis muß eine Andeutung enthalten haben, ich könnte mir sonst Durchlauchts Erschrecken nicht erklären – ihm über diese schwere Prüfung weghülfen, wie es ja eben nur die gnädige Frau vermag.

Ich danke Ihnen, sagte Hedwig.

Ich danke Ihnen, gnädige Frau, sagte der Cavalier, indem er aufstand und Hedwig die Hand küßte. Sie sind schon so oft unser guter Engel gewesen, seien Sie es auch diesmal und immerdar!

Der Cavalier war gegangen. Hedwig blickte ihm mit einem wehmüthigen Lächeln nach. Ja wohl, sagte sie, guter Engel! So hat er mich tausendmal genannt, der alte Mann, aber es gibt keine guten Engel, nur böse Menschen.

Sie klingelte und sagte zu Meta, die alsbald hereintrat, man solle Durchlaucht ansagen, daß sie ihn zu sprechen wünsche, sogleich.

Meta kam nach wenigen Minuten zurück und meldete, daß Durchlaucht bereits ausgefahren sei, nach dem Jagdschlosse, sage Herr Gleich.


 << zurück weiter >>