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Es gibt Blumen, nach denen wir bangende Sehnsucht tragen,
Gefährten von Lust und Leid aus fernen Tagen;
Vergißmeinnicht am schilfumbuschten Rand
Des Dorfteichs, wo das Haus der Ahnl stand,
Die blaue Iris an den Gartenwegen,
der Nelken duftender Blütensegen,
Der schlichten Ringelblumen Üppigkeit,
Der Lilien, der brennenden Liebe Herrlichkeit,
Die Pappelrosen an den Bienenständen,
Die Bauernröslein an des Hauses Wänden,
Darunter Narzissen, Tulpen und Akelei,
Ranunkeln, Aurikeln und Rockerln in bunter Reih;
Dann der Großmutter Stolz, beneidete Fensterzier,
Der Passiflora ernstes Blumenbrevier,
Und ach! Die Herzchenblume im fremden Garten,
An dem vorbei in ernsten Wanderfahrten
Die Heimflucht führte in die Welt hinaus,
Als wir verloren Grund und Hof und Haus.
Die Blumen, nach denen wir bangende Sehnsucht tragen,
Sie blühen in uns in des Darbens Tagen,
Sie weisen und treiben in eine Zukunft empor,
In der das Kind erwirbt, was der Vater verlor:
Ein Stückchen eigener Erde mit Garten und Haus,
Wo sammelnde Immen summen ein und aus,
Heimsuchend gastfreundlicher Blüten duftende Pracht
Um Honigseims Trunk und goldigen Pollens Tracht.
Es erschauern, befruchtet vom Bienenflug
Die Blumen, nach denen die Seele Sehnsucht trug.
Perchtoldsdorf,
Haus »Auf der Sonnleiten« , 21. 6. 1921.