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Doch die Stunde für die beiden Apostel war gekommen.
Um gleichsam das ihm aufgetragene Werk zu krönen, sollte der Fischer des Herrn sogar im Gefängnis noch zwei Seelen gewinnen. Die Soldaten Prozessus und Martinianus, die ihn bewachten, empfingen durch ihn die Taufe. Der Augenblick der Marter nahte. Nero war gerade nicht in Rom. Das Urteil war von Helios und Polythetes gefällt worden, zwei Freigelassenen, denen der Cäsar während seiner Abwesenheit von Rom die Regierung der Stadt anvertraut hatte.
Über den bejahrten Apostel hatte man die vom Gesetze vorgeschriebenen Rutenstreiche verhängt, den folgenden Tag sollte er aus den Stadtmauern nach dem Vatikanischen Hügel geführt werden, um dort den Kreuzestod zu erleiden. Die Soldaten staunten über die vor dem Gefängnis versammelte Menge, denn nach ihrem Dafürhalten konnte der Tod eines gewöhnlichen Mannes, und noch dazu eines Fremden, kein großes Interesse erregen. Sie wußten nicht, daß die Menge nicht aus Neugierigen, sondern aus Bekennern bestand, denen es eine Herzensangelegenheit war, den großen Apostel auf den Hinrichtungsplatz zu begleiten.
Am Nachmittag öffneten sich die Gefängnistore, und Petrus erschien, von einer Abteilung Prätorianer umgeben. Die Sonne hatte sich schon etwas gegen Ostia geneigt, der Tag war schön, kein Lüftchen regte sich. Wegen seines Alters ließ man Petrus das Kreuz nicht selber tragen. Er war fessellos, damit er nicht zu langsam gehe. Er ging ohne Hindernis, und die Gläubigen konnten ihn gut sehen. Als sich sein weißes Haupt zwischen den eisernen Helmen der Soldaten zeigte, hörte man leises Aufschluchzen, das jedoch sofort wieder unterdrückt wurde, denn auf dem Antlitz des Greises lag so große Ruhe, glänzte eine solche Freudigkeit, daß alle begriffen, er sei nicht ein dem Tode geweihtes Opfer, sondern ein triumphierender Sieger.
Und in der Tat: dieser demütige, gebückt einhergehende Fischer schritt jetzt aufrecht, voll Würde, schien höher als die Soldaten. Nie hatte aus seinem Wesen eine solche Majestät gesprochen. Er glich einem von Volk und Soldaten geleiteten Monarchen. Von allen Seiten hörte man Stimmen: »Dort ist Petrus, der zum Herrn geht!« Alle vergaßen, daß ja Marter und Tod seiner warteten. Mit feierlicher Ruhe, gesammelten Geistes wandelte er seinen Weg, im Bewußtsein, daß sich seit dem Kreuzestode auf Golgatha ein ähnlich bedeutungsvolles Geschehnis nicht mehr ereignet habe, denn wie jener Tod die Welt, so sollte dieser Rom erlösen.
Petrus sah die betende Menge, die ihn begleitete, und eine tiefe Freude verklärte sein Gesicht. Er fühlte, daß er sein Werk vollendet habe, daß diese weltbeherrschende Stadt für Christus erobert war. Als er an den Tempeln vorüberkam, sagte er: »Ihr werdet Tempel Christi werden!« Zu der Volksmenge sprach er: »Eure Kinder werden Diener Christi werden!«
So ging er dahin in dem Bewußtsein, erobert zu haben, im Bewußtsein seiner Arbeit, seiner Kraft, getröstet, groß. Die Soldaten führten ihn über den Pons Triumphalis, als wollten sie unwillkürlich seinem Siege Zeugnis geben, und weiter gegen die Naumachia und den Circus Neros.
Die Christen aus dem Stadtteil jenseits des Tiber schlossen sich dem Zuge an. Es sammelten sich solche Volksmassen, daß es dem die Prätorianer befehligenden Centurio allgemach offenbar wurde, er führe einen von seinen Gläubigen umgebenen Hohenpriester, und er beunruhigte sich wegen der kleinen Zahl seiner Soldaten. Aber kein Ruf des Zornes oder der Wut ließ sich in der Menge hören. Die Gesichter zeigten, wie sehr sie alle von der Größe des Augenblicks durchdrungen waren; man las darauf Feierlichkeit und Erwartung.
Zwischen dem Circus Neros und dem vatikanischen Hügel hielt der Zug still. Einige der Söldner machten sich daran, ein Loch in die Erde zu graben; andere legten das Kreuz, Hammer und Nägel zurecht und warteten, bis alle Vorkehrungen getroffen sein würden. Die Menge aber, ruhig und feierlich wie zuvor, kniete im Kreise umher.
Von dem Glanze der Sonne umstrahlt, stand Petrus hochaufgerichtet inmitten der Söldner und schaute mit Blicken des Siegers auf die Stadt, auf sein Erbe. Durch mich bist du frei geworden! sagte er sich. Keiner aber von denen, die um ihn versammelt waren, von den Söldnern, welche das Loch für das Kreuz gruben, bis zu den Glaubensbrüdern, ahnte, daß sich unter ihnen die wahre Herrschaft befand, daß die Cäsaren dahingehen, die Barbaren gleich einer Sturmflut verschwinden mochten, daß aber jener Greis in alle Ewigkeit seine Macht behaupten werde.
Die Sonne neigte ihrem Untergange zu; der ganze westliche Himmel schien in dunkle Glut getaucht. Jetzt näherten sich die Söldner dem Apostel, um ihn zu entkleiden.
Plötzlich richtete er sich auf im Gebete und hob seine Rechte hoch empor. Die Schergen, wie eingeschüchtert von dieser Haltung, standen unbeweglich, die Gläubigen hielten den Atem an, in der Meinung, er wolle etwas sagen. Eine tiefe Stille trat ein. Er aber, auf dieser Höhe stehend, machte mit der ausgestreckten Hand das Zeichen des Kreuzes und segnete in der Stunde seines Todes die Stadt und den Erdkreis: urbem et orbem.
Am gleichen wundervollen Abend führte eine andere Abteilung Söldner Paulus von Tarsos auf der Via Ostiensis zum Platze Aquae Silviae. Auch hinter ihm schritt eine Menge solcher, die er bekehrt hatte. Sah er nähere Bekannte, so hielt er an und sprach mit ihnen, denn gegen römische Bürger wagten die Wachen nicht allzu streng vorzugehen.
Vor der Porta Trigemina traf er Plautilla, die Tochter des Präfekten Flavius Sabinus. Beim Anblick ihres tränenbedeckten jugendlichen Gesichtes sprach er:
»Plautilla, Tochter des ewigen Heiles, geh in Frieden! Gib mir nur noch dein Tuch, meine Augen zu verbinden, wenn ich zum Herrn gehe!«
Und nachdem er das Tuch in Empfang genommen hatte, schritt er mit strahlendem Antlitz weiter, wie ein Landmann, der nach wohlvollbrachtem Tagewerk nach Hause zurückkehrt.
Wie in der Seele des Apostels Petrus, walteten auch in seiner Seele Friede und Ruhe. Gedankenvoll glitt sein Auge über die sich vor ihm ausdehnende Ebene und die in Licht getauchten Albaner Berge. Er gedachte seiner Reisen, seiner Mühseligkeiten, seiner Arbeit, seiner Siege, der Kirchen, die er in allen Landen und über allen Meeren gegründet hatte; er glaubte, daß er sein Werk vollendet habe. Es tröstete ihn das Bewußtsein, daß der Same, den er ausgestreut, vom Winde der Bosheit nicht verweht werden konnte. Der Friede senkte sich in seine Seele; verließ er doch die Welt in dem Bewußtsein, daß die von ihm verkündete Wahrheit im Kampfe gegen die Welt siegen werde.
Der Weg zum Richtplatze war weit; es wurde Abend. Die Berge überzogen sich mit Purpur, und allmählich umhüllten Schatten ihren Fuß. Die Herden kehrten heim. Da und dort sah man einzelne Gruppen von Sklaven dahinschreiten, Arbeitsgeräte auf den Schultern. Die vor den Häusern spielenden Kinder blickten neugierig auf die vorüberziehenden Soldaten. Die Soldaten verließen jetzt die Hauptstraße und wandten sich auf einem engen Pfade östlich zu den Aquae Silviae. Die rötliche Sonne war bis zum Gesträuch herabgesunken. Bei den Brunnen ließ der Centurio die Soldaten halten. Der ernste Augenblick war gekommen.
Paulus legte Plautillas Tuch auf seinen Arm, weil er sich die Augen damit verbinden wollte; zum letztenmal erhob er sie mit dem Ausdrucke unaussprechlichen Friedens gegen das Firmament und betete. Ja, seine Stunde war gekommen. Doch ihn dünkte, er sähe inmitten der Abendröte eine breite Lichtbahn vor sich, die zum Himmel führte, und seine Seele sprach dieselben Worte, die er im Gefühle seiner treu geleisteten Dienste und seines nahen Endes geschrieben hatte: »Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt; im übrigen ist mir die Krone hinterlegt, die mir an jenem Tage geben wird der Herr, der gerechte Richter.«