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Nach beendeter Vorstellung strömte das Volk aus dem Circus. Nur die Augustianer blieben zurück und versammelten sich vor dem kaiserlichen Podium, um ihre Lobpreisungen darzubringen. Dies genügte aber dem Kaiser nicht; er hatte an Wahnsinn grenzende Beifallsstürme erwartet. Es wunderte ihn auch, daß nicht einmal Petronius ein Wort des Lobes über seinen Gesang hatte; dies wäre ihm in diesem Augenblick eine Wohltat gewesen. Schließlich rief er Petronius zu sich und sagte: »Rede!«
Petronius erwiderte dagegen kalt: »Ich schweige, denn ich kann keine Worte finden. Du überragst dich selbst.«
»Auch mir kommt es so vor! Aber dieses Volk?«
»Wie kannst du denn von diesem zusammengewürfelten Volk verlangen, daß es etwas von Dichtkunst versteht? Auch ist ihr Gehirn von dem Blutgeruch betäubt; die Aufmerksamkeit geht dadurch verloren.«
Nero ballte die Fäuste und sagte: »Ach, diese Christen! Rom verbrannten sie, und jetzt rauben sie mir auch noch den Beifall! Ich muß noch härtere Strafen für sie erdenken.«
Petronius sah, daß er auf diese Weise nichts ausrichten werde, und er schlug ein anderes Thema an. »Dein Lied war herrlich,« sagte er, »doch läßt der Versbau im zweiten Vers der dritten Strophe etwas zu wünschen übrig.«
Nero übergoß sich mit Röte, und etwas gereizt, aber mit gedämpftem Tone sagte er: »Du achtest auf alles! Ich weiß es und werde es abändern. Aber schweige darüber, wenn . . . dir dein Leben lieb ist.«
»Du kannst mich, Göttlicher, zum Tode verurteilen, wenn ich dir im Wege bin; doch drohe mir nicht, ich zittere vor dem Tode nicht,« entgegnete Petronius finster und blickte dabei scharf in die Augen des Cäsar.
»Du weißt doch, Petronius, daß ich dich liebe! Gräme dich nicht!«
Das ist ein schlechtes Zeichen! dachte Petronius bei sich.
»Ich wollte euch zu einem Festmahl einladen,« fuhr Nero fort, »doch werde ich mich einschließen und an dem verfluchten Vers der dritten Strophe arbeiten. Außer dir könnten es noch Seneka und Secundus Carinas bemerkt haben. Diese werde ich mir vom Halse schaffen.«
Auf den Ruf erschienen alsbald Seneka, Akratus und Secundus Carinas vor dem Kaiser, der ihnen mitteilte, er beabsichtige sie zur Eintreibung von Steuern auszusenden. Alle Ortschaften und berühmten Tempel sollten sie aufsuchen und alles Nennenswerte auspressen.
Doch Seneka, der sofort merkte, daß er auch noch Tempelschänder werden sollte, versuchte diese Aufgabe von sich zu wälzen. »Ich muß aufs Land fahren, o Herr,« sagte er, »und dort meinen Tod abwarten; ich bin krank, und meine Nerven sind zerrüttet.«
Seneka sah wirklich kränklich aus, er war in der letzten Zeit abgemagert und ganz grau geworden. Nero merkte dies und mochte sich hierbei denken, daß der Tod nicht mehr lange ausbleiben werde.
»Ich will dich nicht zu der Reise zwingen, wenn du krank bist. Aber würde ich Akratus und Carinas allein schicken,« bemerkte Nero lachend, »dann schicke ich Wölfe unter die Schafe. Einen Vorgesetzten muß ich diesen beigeben.«
Als sich Domitius Aser hierzu anbot, geriet Nero fast in Verzückung.
»Nein! Nein!« rief er. »Ich brauche dazu einen Stoiker, wie Seneka oder – wie mein neuer Freund und Philosoph, Chilon.«
Chilon, der sich in frischer Luft von seiner Ohnmacht bald erholt hatte, war ins Amphitheater zurückgekehrt, um den Gesang zu hören.
»Hier bin ich, du leuchtender Strahl der Sonne und des Mondes; ich war krank, doch dein Gesang machte mich wieder gesund.«
»Du wärst wirklich der beste für Achaja,« sagte Nero. »Aber ich darf dich doch des Anblickes der Schauspiele nicht berauben.«
Die Augustianer, erfreut darüber, daß Nero wieder humoristisch wurde, stimmten ihm bei: »Nein, Herr! Beraube diesen männlichen Griechen nicht des Anblickes der Schauspiele.«
Chilon war innerlich wütend, doch wagte er nicht, etwas zu entgegnen. Indessen gab Nero seinem Fackelträger ein Zeichen und verließ den Circus; die Vestalinnen, Senatoren, Priester und Höflinge folgten ihm.
Petronius und Vinicius legten ihren Weg schweigend zurück. Als sie vor der Villa des Petronius angekommen waren und die Sänfte verließen, näherte sich ihnen eine dunkle Gestalt und fragte: »Ist der edle Vinicius hier?«
»Er ist hier,« antwortete Vinicius, »was wünschest du?«
»Ich bin Nazarius, der Sohn Miriams. Ich komme vom Gefängnis und bringe Nachrichten von Lygia.«
Vinicius, keines Wortes mächtig, legte seine Hand auf die Schulter des Jünglings und blickte beim Fackellicht in dessen Auge. Nazarius ahnte die Frage, die auf seinen Lippen erstarb, und sprach: »Sie lebt noch. Ursus sendet mich, dir zu sagen, daß sie in ihrem Fieber betete und deinen Namen wiederholte.«
»Gepriesen sei Christus, der die Macht hat, sie mir wiederherzustellen!« sagte Vinicius.
Er führte Nazarius nach der Bibliothek, und bald kam auch Petronius, um ihrer Unterredung beizuwohnen.
»Krankheit rettete sie vor Schande, denn die Häscher wollen nichts mit Kranken zu tun haben,« sprach der Jüngling. »Ursus und Glaukus der Arzt wachen bei ihr Tag und Nacht.«
»Sind die Wachen dieselben?«
»Sie sind dieselben, und Lygia ist in deren Zimmer. Alle Gefangenen in den tiefer gelegenen Kerkern starben am Fieber oder erstickten in der unreinen Luft.«
»Wie kannst du frei in das Gefängnis treten?« fragte Petronius.
»Ich verdingte mich, Leichname herauszutragen, um so meinen Brüdern beizustehen und Nachrichten aus der Stadt zu bringen.«
Vinicius, der im stillen gebetet hatte, sagte jetzt zu dem Jüngling: »Sage den Wachen, sie sollen Lygia gleich einer Toten in einen Sarg legen. Suche dir Gehilfen, um sie des Nachts aus dem Gefängnisse zu tragen. In der Nähe der Leichengrube werden eure Leute mit einer Sänfte warten; ihnen übergibst du den Sarg. Versprich den Wachen so viel Gold von mir, als ein jeder in seinem Mantel fassen kann.«
Nazarius erglühte vor Entzücken und rief aus, die Hände erhebend: »Möge Christus ihr Gesundheit geben, denn sie wird frei sein!«
»Glaubst du, daß die Wachen zustimmen?« fragte Petronius.
»Die Wachen werden in ihre Flucht einwilligen; um so mehr werden sie uns Lygia als Leiche hinaustragen lassen,« sagte Vinicius.
»Es ist zwar ein Mann aufgestellt,« sprach Nazarius, »der die wegzutragenden Körper mit rotglühenden Eisen brennt, um sich von ihrem Tode zu überzeugen. Aber um einige Sesterzien wird er Lygias Angesicht nicht berühren und für ein Goldstück statt ihrer den Sarg brennen.«
»Sage ihm, er würde eine Mütze voll Goldstücke erhalten,« sprach Petronius.
Vinicius wäre am liebsten in einer Verkleidung mit ins Gefängnis gegangen, aber Petronius widersetzte sich ernstlich.
»Die Prätorianer möchten dich selbst in der Verkleidung erkennen, und dann ist alles verloren. Geh weder ins Gefängnis noch nach der Leichengrube. Alle, auch der Cäsar und Tigellinus, müssen von ihrem Tode überzeugt sein, sonst werden sie sofort ihre Verfolgung befehlen. Wir können den Verdacht nur auf folgende Weise abwenden: Lygia wird in die Albaner Berge gebracht oder noch weiter, nach Sizilien, und wir bleiben in Rom. Ein oder zwei Wochen später erkrankst auch du und wendest dich an Neros Arzt. Dieser wird dir raten, in die Berge zu gehen. Dort trefft ihr euch und dann –.« Er dachte einige Augenblicke nach und fügte mit einer Handbewegung hinzu: »Mögen andere Zeiten kommen!«
Nazarius verabschiedete sich nun mit dem Versprechen, bei Tagesanbruch wiederzukommen. Er wollte die Nacht bei den Wachen verbringen, aber vorher noch seine Mutter besuchen, die in dieser unsicheren Zeit in beständiger Sorge um ihn lebte. Ehe er ging, sagte er: »Ich werde euren Plan niemand mitteilen, auch nicht meiner Mutter; nur dem Apostel Petrus, der uns versprach, vom Amphitheater aus in unser Haus zu kommen, werde ich alles sagen.«
»Der Apostel war im Theater bei den Leuten des Petronius,« antwortete Vinicius. »Indes will ich selbst mit dir gehen.« Er ließ sich den Mantel eines Sklaven bringen, und sie entfernten sich.
Petronius begab sich nach dem Triklinium, um gemeinsam mit Eunike die Abendmahlzeit einzunehmen. Dabei las ihnen ein Lektor vor. Draußen jagte der Wind die Wolken vom Sorakte her, und ein plötzlicher Sturm unterbrach das Schweigen der ruhigen Sommernacht. Von Zeit zu Zeit hallte der Donner von den sieben Hügeln wider, indes die beiden, dicht aneinander gelehnt, an der Tafel saßen und der Vorlesung lauschten.
Unterdessen kehrte Vinicius zurück. Petronius hörte ihn kommen und ging ihm entgegen.
»Habt ihr etwas erreicht?« fragte er. »Ist Nazarius ins Gefängnis gegangen?«
»Ja,« antwortete der junge Mann, seine vom Regen nassen Haare ordnend, – »Nazarius ging, um die Angelegenheit mit den Wachen zu ordnen, und ich habe Petrus gesehen, der mir befahl, zu beten und zu glauben.«
»Das ist gut. Wenn alles glücklich vonstatten geht, können wir sie nächste Nacht wegtragen.«
Vinicius besaß in den Bergen bei Corioli ein Landgut, wohin er Lygia einstweilen bringen wollte. Er hatte sofort einen reitenden Boten dorthin geschickt, um den Verwalter, der ihm treu ergeben war, kommen zu lassen. Mit Sonnenaufgang langte Niger, der Verwalter von Corioli, an und brachte auf Vinicius' Befehl Maultiere, eine Sänfte und vier zuverlässige, unter seinen britischen Sklaven ausgewählte Männer mit, die er, um sein Erscheinen nicht auffällig zu machen, in einem Gasthause an der Subura zurückgelassen hatte. Vinicius, der die ganze Nacht kein Auge geschlossen, ging ihm entgegen. Niger war beim Anblick seines jugendlichen Herrn gerührt, küßte ihm Hände und Augen und sprach: »Mein Teurer, du bist krank, oder irgendein Leid hat dir deine Wangen gebleicht; denn ich erkenne dich kaum wieder.«
Vinicius führte ihn tiefer in die Kolonnade hinein und eröffnete ihm hier sein Geheimnis. Niger lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit, und sein mageres, sonnenverbranntes Gesicht verriet große Bewegung, die er auch nicht zu bemeistern suchte.
»Dann ist sie eine Christin!« rief Niger aus, und er schaute fragend in Vinicius' Angesicht, der offenbar ahnte, was der erstaunte Blick des Landmannes bedeute, und ihm sagte:
»Auch ich bin ein Christ!«
Tränen glänzten jetzt in Nigers Augen. Einige Zeit schwieg er, dann erhob er seine Hände und betete: »Ich danke dir, o Christus, daß du die Binde von jenen Augen genommen, die mir die teuersten auf Erden sind.« Und er umarmte Vinicius, küßte dessen Stirn und weinte vor Glück.
Bald darauf erschien Petronius, begleitet von Nazarius. »Gute Nachrichten!« rief er schon von ferne.
In der Tat, die Nachrichten waren gut. Vor allem hatte Glaukus, der Arzt, Lygias Genesung verbürgt, obwohl sie dasselbe Gefängnisfieber hatte, dem im Tullianum und in anderen Kerkern täglich Hunderte erlagen. Zudem waren die Wachen und der Mann, der die Körper mit rotglühenden Eisen brannte, gewonnen, auch Attys, der Gehilfe.
»Wir machten Öffnungen in den Sarg, um der Kranken das Atmen zu ermöglichen,« sagte Nazarius. »Gefährlich könnte einzig der Umstand werden, daß sie stöhnen und sprechen möchte, wenn wir an den Prätorianern vorbeikommen. Allein sie ist sehr schwach und liegt seit dem frühen Morgen mit geschlossenen Augen da. Glaukus wird ihr einen Schlaftrunk reichen, den er selbst aus Medikamenten bereitete, welche ich aus der Stadt holte. Der Deckel wird nicht auf den Sarg genagelt werden; ihr könnt ihn leicht abheben und die Kranke in die Sänfte bringen. In den Sarg legen wir dann einen Sack voll Sand, den ihr bereithalten werdet.«
Vinicius war beim Hören dieser Worte weiß wie die Wand, aber er lauschte mit einer Spannung, als wolle er alles auf einmal hören, was Nazarius sagte.
»Werden auch andere Leichen aus dem Gefängnis getragen?« fragte Petronius.
»Ungefähr zwanzig starben diese Nacht, und bis zum Abend werden noch mehrere Todesfälle erfolgen,« sagte der Jüngling. »Wir werden mit vielen anderen gehen müssen; doch wir zögern und werden uns zur Nachhut schlagen. An der ersten Straßenecke wird mein Gehilfe scheinbar erlahmen, und so können wir leicht hinter den anderen eine beträchtliche Strecke zurückbleiben. Erwarte uns beim kleinen Tempel der Libitina! Möge Gott eine möglichst dunkle Nacht geben!«
Petronius wandte sich jetzt an Vinicius: »Unter diesen Umständen ist es gar nicht nötig, daß du zu Hause bleibst. Würde es sich um eine Flucht handeln, so wäre die größte Vorsicht nötig; da man sie jedoch als Leiche fortträgt, wird kein Mensch irgendwelchen Verdacht schöpfen.«
»Das ist wahr,« sagte Vinicius. »Ich will dabei sein und sie selber aus dem Sarge heben.«
Für den jungen Tribun begann nunmehr ein Tag voller Unruhe, Aufregung und Hoffnung.
»Das Unternehmen sollte gelingen, denn es ist gut geplant,« sagte Petronius. »Es könnte nicht besser ausgedacht sein! Du mußt Trauer heucheln und eine dunkle Toga tragen! Entflieh nicht aus dem Amphitheater; das Volk soll dich sehen. Die ganze Sache ist so gut geordnet, daß sie nicht fehlschlagen kann.«
Vinicius ging, um von ferne nach dem Gefängnis zu blicken, und wandte sich nach dem Abhang des vatikanischen Hügels, zu der Hütte jenes Steinbrechers, bei dem er aus der Hand des Apostels die Taufe empfangen hatte. Es schien ihm, Christus würde ihn dort eher erhören als an einem anderen Orte. Hier angelangt, warf er sich zur Erde und flehte aus allen Kräften seiner schmerzerfüllten Seele um Barmherzigkeit, so daß er darüber vergaß, wo er war und was er tat. Erst am Nachmittag brachte ihn der Schall der Trompeten von Neros Circus her wieder zu sich. Er kehrte heim und wurde von Petronius im Atrium erwartet.
»Ich war im Palast,« sagte er. »Ich zeigte mich dort mit Absicht und beteiligte mich sogar am Würfelspiel. Anicius gibt diesen Abend in seinem Hause ein Fest, und ich versprach zu kommen, doch erst nach Mitternacht, da ich vor dieser Zeit des Schlafes bedürfe. Ich werde mich auch wirklich einfinden, und es wäre gut, wenn du mich begleiten würdest.«
»Sind keine Nachrichten von Niger oder Nazarius gekommen?« fragte Vinicius.
»Nein, wir werden sie erst um Mitternacht wiedersehen. Hast du bemerkt, daß ein Sturm im Anzuge ist?«
»Ja.«
»Für morgen ist eine Schaustellung von gekreuzigten Christen anberaumt; aber vielleicht wird sie durch Regen verhindert.«
Der Abend brach an, und früher als gewöhnlich begann Finsternis die Stadt zu bedecken, denn der ganze Horizont war mit Gewölk umzogen. Bei Einbruch der Nacht fiel schwerer Regen nieder, der sich auf den von der Tageshitze erwärmten Steinen in Dampf verwandelte und die Straßen der Stadt mit Nebel erfüllte. Dann trat Windstille ein, worauf kurze, heftige Regenschauer folgten.
»Laß uns eilen!« sagte endlich Vinicius. »Sie möchten wegen des Sturmes die Leichname früher aus dem Gefängnisse tragen.«
Sie bekleideten sich mit gallischen Mänteln und Kopfbedeckungen und gingen durch die Gartentür auf die Straße. Petronius hatte sich mit einem kurzen römischen Messer bewaffnet, Sicca genannt, wie er es bei nächtlichen Ausgängen immer tat.
Die Stadt war wegen des Sturmes menschenleer, von Zeit zu Zeit zerrissen Blitze die Wolken und beleuchteten mit blendendem Glanze die frischen Mauern der neuerrichteten oder im Bau begriffenen Häuser und die nassen Steinfliesen, mit denen die Straßen gepflastert waren. Nachdem sie einen weiten Weg zurückgelegt, erhellte endlich ein Blitzstrahl den Erdwall mit dem Tempel der Libitina auf der Höhe und einer Gruppe von Maultieren und Pferden an dessen Fuß.
»Niger!« rief Vinicius mit leiser Stimme.
»Hier bin ich, Herr!« war die Antwort.
»Ist alles bereit?«
»Ja, Herr, wir fanden uns mit der Dunkelheit hier ein. Verbergt euch hier unter dem Walle vor dem Regen. Welch ein Sturm!«
Sie warteten und lauschten, um das Geräusch des nahenden Zuges zu vernehmen. Ein Hagelschauer kam, und dann folgte ein heftiger Regenguß. Zuweilen erhob sich ein Wind und brachte von der Leichengrube her den schrecklichen Geruch verwesender Körper, die nahe der Oberfläche und nur nachlässig begraben waren.
»Ich gewahre ein Licht durch den Nebel,« sagte Niger, »eins, zwei, drei – es sind Fackeln. Gebt acht, laßt die Maultiere keinen Laut von sich geben,« sprach er zu den Männern.
»Sie kommen,« flüsterte Petronius.
Die Lichter wurden immer deutlicher, und bald konnte man unter den zitternden Flammen die Fackeln unterscheiden.
Niger machte das Kreuzzeichen und begann zu beten. Unterdessen näherte sich die düstere Prozession und hielt endlich vor dem Tempel der Libitina. Petronius, Vinicius und Niger preßten sich schweigend gegen den Wall, da sie nicht wußten, warum haltgemacht wurde. Doch die Männer waren nur stillgestanden, um Mund und Angesicht mit Tüchern zu bedecken, um den unerträglichen, erstickenden Geruch von sich abzuhalten, der ihnen von der Leichengrube her entgegenkam. Dann erhoben sie die Bahren mit den Särgen und gingen weiter.
Nur ein Sarg blieb vor dem Tempel stehen, Vinicius sprang darauf zu, ihm folgten Petronius, Niger und zwei britische Sklaven mit der Sänfte. Aber noch ehe sie den Sarg in der Dunkelheit erreicht hatten, rief ihnen Nazarius schmerzerfüllt entgegen:
»Herr, man brachte sie mit Ursus in das esquilinische Gefängnis; wir tragen einen anderen Leichnam. Beide wurden schon vor Mitternacht fortgeführt.«
Petronius kehrte heim, finster wie ein Sturm, und versuchte es auch nicht, Vinicius zu trösten. Er sah ein, daß an eine Befreiung Lygias aus dem esquilinischen Gefängnisse nicht zu denken war. Man hatte sie wohl deshalb aus dem Tullianum genommen, sagte er sich, um sie vor dem Tode zu bewahren und für das Amphitheater, für das sie bestimmt war, zu erhalten. Und gerade aus diesem Grunde wurde sie auch sorgfältiger als die übrigen bewacht, Petronius wandte sich zu Vinicius, der ihn mit stieren Augen anblickte: »Was ist dir? Du bist im Fieber,« sprach er.
Vinicius antwortete mit eigentümlicher, gebrochener, zögernder stimme, gleich der eines kranken Kindes: »Aber ich glaube, daß er sie mir zurückgeben kann.«
Über der Stadt verhallten die letzten Donnerschläge.