Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

27. Kapitel. Das Verhör

Jakob war in der Tat verwundet worden. Einer der Briganten hatte ihm die linke Schulter mit einem Sensenhieb aufgerissen. Das Eisen war ziemlich tief ins Fleisch eingedrungen. Die Wunde war nicht schwer, blutete aber stark, und der Blutverlust hatte den jungen Mann ohnmächtig gemacht. Abt Wonowski legte sofort einen Verband an; dann ließ er ihn in den Wagen betten, und als Jakob bald darauf die Augen wieder öffnete, fielen sie abermals auf das Gesicht des Fräulein Siëninska, das sich über ihn beugte.

Inzwischen hatten die Diener und Fuhrleute den Graben ausgefüllt und den Boden von den gefällten Bäumen gesäubert. Nun konnte die Reiterei vorbei, und nun war auch für die kleine Truppe und für die Bagagewagen die Durchfahrt frei. Aber Menschen und Tieren mußte Ruhe vergönnt werden, und sobald man jenseits des Dammes sich wieder auf trocknem Boden befand, wurde abermals Halt gemacht, um die Ordnung wiederherzustellen und die Gefangnen in Verhör zu nehmen. Der Abt hatte sich davon überzeugt, daß für Jakob keine Gefahr bestand, und suchte nun die Brüder Bukojemski auf. Er fürchtete, es könnte ihnen ein Unglück zugestoßen sein. Er fand sie unverletzt und wohlauf. Sie waren außer sich vor Freude und stolz auf ihren Sieg. Ihre Tapferkeit war allgemein bewundert worden.

»Das sind straffe Kerle!« hieß es überall. »Sie haben noch vor der ersten Schlacht des Krieges mehr Menschen niedergemacht, als mancher Soldat während ganzer Kriegesjahre.«

»Tretet doch zu unserm Fähnlein, ihr Herren!« sprach man zu ihnen. »Jeder weiß, das Regiment des Obersten Zbierchowski nimmt einen Ehrenplatz ein, selbst unter den Husarenregimentern. So Gott will, wird es sich bald von neuem zeigen. Nicht jeder erste beste wird bei uns eingestellt. Aber solch tapfere Streiter, wie ihr seid, wird der Oberst mit offenen Armen aufnehmen.«

Die Brüder hörten die Offiziere, die also sprachen, mit Entzücken an, obwohl sie wußten, daß sie bei ihrer Armut nicht in einem so vornehmen Fähnlein dienen konnten. Als die Feldflaschen zu kreisen begannen, zeigten sie sich auch auf diesem Felde allen andern überlegen.

Inzwischen zogen die Soldaten diejenigen der Räuber, die noch am Leben waren, aus dem Sumpfe. Sie packten sie bei den Haaren und schleppten die von Blut und Schlamm triefenden Menschen vor ihre Hauptleute. Der Anblick der Gefangenen setzte die Sieger in Erstaunen. Sie erwarteten, Martin Krepecki und seine Gefährten zu sehen, heruntergekommene, verdorbene Gesellen, aber doch immerhin Edelleute; statt dessen hatte man hier nur eine Bande von Strauchdieben, von fahnenflüchtigen, aufrührerischen Leibeigenen vor sich, mit einem Worte den Abschaum der Bevölkerung. Es gab viele solcher Banden in der dicht bewaldeten Wojwodschaft von Sandomir. Da sie sich meistens aus Leuten zusammensetzten, die zu allem fähig waren und überdies im Falle der Gefangennehmung harte Strafen zu gewärtigen hatten, so kämpften sie stets mit Todesverachtung und Erbitterung.

Nachdem man die Sümpfe und die nächste Umgebung gründlich abgesucht hatte, wandte sich Pan Cypryanowicz an Zbierchowski. »Herr Oberst,« sagte er, »wir schrieben den Ueberfall andern Leuten zu. Es ist jedoch ein ganz gemeiner Handstreich von Räubern gewesen. Nichtsdestoweniger danken wir Euer Gnaden und all Euern Reitern dankbaren Herzens für die erfolgreiche Hilfe, ohne welche wir gewiß die nächste Sonne nicht mehr erschaut hätten.«

Der Oberst fragte: »Wünscht Ihr, Herr, daß man zur Vernehmung dieser Schelme schreite? Wie gut es doch manchmal ist, zur Nachtzeit zu marschieren! Man leidet nicht unter der Hitze und kann gleichzeitig einem Nebenmenschen gefällig sein.«

»Ein Verhör dünkt mich überflüssig. Für diese Leute ist die Justiz und der Henker da.«

Bei diesen Worten kam ein hochgewachsener, knochiger Kerl mit zottigem Haar aus der Reihe der Gefangenen hervor, neigte die Stirn bis zum Steigbügel des Herrn Cypryanowicz und sprach: »Wenn Euer Gnaden uns das Leben schenkt, so werden wir die Wahrheit bekennen. Ja, wir sind allerdings gemeine Straßenräuber, aber der Ueberfall ging nicht von uns aus.«

»Wer bist du?« fragte der Priester.

»Der Führer von einer der Banden, denn wir waren zwei Rotten. Der von der andern ist gefallen. Laßt uns laufen, so sollt Ihr alles erfahren.«

Der Abt überlegte einen Moment, dann antwortete er: »Der Justiz können wir euch nicht entziehen, aber auch so ist es für euch das beste, freiwillig die Wahrheit zu sagen, denn ihr entgeht dadurch der Tortur, und vielleicht fällt der göttliche und der menschliche Richterspruch milder aus, wenn ihr aufrichtig seid.«

Der Mann sah seine Leute fragend an; er war unschlüssig, was er tun solle.

»Wenn ihr frei und offen alles bekennt,« fuhr der Priester fort, »so können wir insofern etwas für euch tun, als wir Fürsprache beim König einlegen werden. Der König braucht Leute für seine Infanterie, und er stellt selbst Schuldige ein, wenn sie ihre Sünden ehrlich bereuen. Er würde euch gewiß ein gelindes Urteil erwirken.«

»Wenn dem so ist, so werde ich alles sagen,« antwortete der Mann. »Mein Name ist ›der Hammer‹, der Häuptling der andern Bande hieß ›der Spatz‹. Wir sind beide von einem Edelmanns gedungen worden, euch, ihr Herren, alle zu töten.«

»Und weißt du, wer dieser Edelmann war?«

»Mein Genosse nannte ihn Wycz.«

Der Abt und Cypryanowicz sahen einander an. »Wycz, sagst du?«

»Ja, gnädiger Herr.«

»Und war dieser Wycz allein?«

»Nein, ein anderer war bei ihm, ein schmächtiger, kleiner, junger Mensch.«

Pan Seraphin murmelte: »Das sieht nicht nach Martin aus.«

»Er hat vielleicht nur ein paar von seinen Spießgesellen vorgeschickt,« flüsterte Wonowski. Darauf fragte er den Räuber weiter: »Und was haben euch dieser Wycz und sein Kamerad aufgetragen?«

»Sie haben zu uns gesagt: ›Was ihr mit den Leuten macht, ist euch überlassen. Das ganze Gepäck gehört euch. Aber bei der Gesellschaft befindet sich ein Fräulein. Das müßt ihr gefangennehmen und auf Umwegen zwischen Radom und Zwolen nach Policzna bringen. Hinter Policzna werden wir zum Schein über euch herfallen und euch das Fräulein entreißen. Wohlverstanden, ihr müßt so tun, als wolltet ihr sie verteidigen, als wolltet ihr sie selbst behalten. Dabei soll aber niemand verwundet werden. Außer der Beute wird ein jeder von euch einen Dukaten bekommen‹.«

»Nun ist es klar wie der Tag!« rief der Abt. Nach einem Augenblick fragte er weiter: »Und ihr habt mit niemand außer diesen zwei Männern gesprochen?«

»Während der Nacht kam ein dritter an. Er gab jedem von uns einen Gulden, als Handgeld. Obwohl es so finster war wie in einem Schacht, hat einer meiner Mannen, der früher Leibeigener bei ihm gewesen ist, ihn erkannt. Er sagte mir, dieser Edelmann heiße Krepecki.«

»Da haben wir ihn,« rief Cypryanowicz.

»Und lebt dieser Leibeigene, oder ist er gefallen?«

Eine Stimme antwortete: »Ich bin's, gnädiger Herr.«

»Tritt ein wenig näher. Du also hast Pan Krepecki erkannt. Hast du dich auch nicht geirrt? Die Nacht war sehr finster.«

»Verdammt, ich kenn' ihn von Kind auf. An seinen krummen Beinen habe ich ihn erkannt, an seinem Bockskopf, der so tief zwischen den Schultern steckt, wie zwischen zwei Höckern, und auch an seiner Stimme.«

»Hat er mit euch gesprochen?«

»Mit uns nicht; aber ich habe ihn mit seinen Kameraden sprechen hören.«

»Was hat er zu ihnen gesagt?«

»Er hat zu ihnen gesagt: Wenn ich mein Geld einer zuverlässigen Person hätte anvertrauen können, würde ich nicht selbst gekommen sein, wäre die Nacht auch noch so finster gewesen.«

»Bist du willens, deine Aussagen unter dem Eide zu wiederholen, vorm Ortsrichter oder vorm Starosten?«

»Ich kann's beschwören.«

»Dann soll man diesen Mann besonders sorgsam bewachen,« befahl Oberst Zbierchowski.



 << zurück weiter >>