Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

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6. Kapitel. Ein guter Hirt

Der Tag dämmerte kaum, als Abt Wonowski, eine trübe Laterne in der Hand, sich durch den Schnee einen Weg suchte zu einem alten Schuppen, wo er Hasen, Tauben und Rebhühner züchtete. Ein Glöcklein um den Hals, folgte ihm ein gezähmter Fuchs, neben dem zur Rechten ein Terrier, zur Linken ein Igel hertrabte, welcher in der warmen Stube des Geistlichen vom Winterschlaf verschont blieb.

Diese seltsame Kumpanei schritt durch den ganzen Hof und blieb unter dem Vorsprung eines Strohdaches stehen, von welchem lange Eiszapfen herniederhingen. Die Laterne schwankte, der Schlüssel knarrte im Schlosse, die alte Tür ächzte in den Angeln, und der Abt trat ein, seine Begleiter folgten ihm.

Dann setzte er sich auf einen Holzblock, stellte seine Laterne auf einen andern Block, nahm einen Sack voll Getreide und Krautblättern vor sich hin und begann dieses Futter zu seinen Füßen auf den Lehmboden zu streuen.

Noch ehe die Vorbereitungen beendet waren, verließen drei Hasen ihre finstern Schlupfwinkel und hüpften näher. Dann glänzten im Scheine der Laterne, Glaskörnern gleich, die runden Augen von Tauben und rostbraunen Rebhühnern. Sie kamen in dichtgedrängten Reihen heran und wiegten den zierlichen Kopf auf dem biegsamen Halse.

Die Tauben, die dreister waren, begannen sogleich zu picken; die vorsichtigen Rebhühner hielten scharf Umschau und ließen nicht eins der etwas abseits gefallenen Körner aus den Augen, wobei sie auf die geringsten Bewegungen des Priesters achteten und besonders des Fuchses, den sie übrigens gut kannten. Sie waren von der ersten Brut des Frühjahrs, und da sie mit der Hand aufgefüttert worden waren, hatten sie sich allmählich an den Anblick ihres Erbfeindes gewöhnt.

Während der Abt immer wieder Körner streute, murmelte er seine Gebete: »Pater noster qui es in coelis, sanctificetur nomen tuumDies und das folgende ist der lateinische Wortlaut des Vaterunsers.

Er unterbrach sich plötzlich, um den Fuchs anzureden, der, zwischen die Beine seines Herrn geschmiegt, wie von Fieberschauern bebte.

»Ja, ja, du zappelst vor Gier, sobald du sie nur siehst – und alle Tage ist es dasselbe . . . Lerne doch deine Leidenschaft meistern – hast ja doch nicht Hunger zu leiden. Bekommst dein gutes, reichliches Fressen, nicht wahr? – Wo blieb ich stehen?«

Er schloß halb die Augen, als ob er eine Antwort erwartete, und da er keine erhielt, begann er sein Gebet von vorn:

»Pater noster, qui es in coelis, sanctificetur nomen tuum, adveniat regnum tuum . . . Du winselst und winselst,« fuhr er fort und legte dem Fuchs die Hand auf den Rücken. »Du kannst dich also nicht damit begnügen, dir den Bauch vollzuschlagen – du mußt auch noch würgen und morden. Finek, halte ihn am Schwanze fest, und wenn das Vieh sich Uebergriffe erlaubt, so beiß zu. Adveniat regnum tuum . . . Ich weiß schon, was du antworten willst, mein Kleiner; der Mensch ißt selbst auch sehr gern Rebhühner, willst du sagen; aber wisse, dieser selbe Mensch läßt sie wenigstens an den Festtagen in Ruhe während in dir sicherlich der ausschweifende Geist eines Luther wohnt, denn du möchtest dich selbst am Karfreitag noch mit Wildbret vollstopfen . . . Fiat voluntas tua – na, na, na, na! – sicut in coelo et in terra – Da – da! noch für jeden ein Blättchen Kohl, damit Schluß – et in terra . . .«

Und so mit sich selbst redend, blätterte der gute Mann seine Kohlköpfe auseinander und warf die letzten Hände voll Getreide aus.

Nun zogen auch die Tauben sich einen Verweis zu. Ei, noch war der Frühling im weiten Felde, da gurrten sie schon, schmiegten sich aneinander und schnäbelten sich. Pfui doch!

Der Sack war leer, der Abt stand auf, nahm seine Laterne wieder zur Hand und schickte sich eben an, den Schuppen zu verlassen, als Taczewski auf der Schwelle erschien.

»Sieh da! Jakob! Was führt dich her, mein Sohn?«

Der junge Mann neigte sich herab und berührte mit den Lippen die Schulter des Greises.

»Ich komme, um zu beichten, ehe ich an den heiligen Tisch trete.«

»Beichten? Eine löbliche Absicht! Aber warum hast du es damit so eilig? Komm – sprich – dieser Eifer hat seinen Grund.«

»Ich werde aufrichtig sein – ich habe heute einen Zweikampf zu bestehen, und zwar ich allein gegen fünf. Es ist also möglich, daß die Sache schlimm für mich abläuft.«

»Einer gegen fünf? Bei den Wundmalen Christi! wie hast du es gemacht, daß du dir so viele Gegner auf den Hals hetztest?«

»Ich? Ganz und gar nichts habe ich getan. Sie haben Zank mit mir gesucht und mich gefordert. Das ist alles.«

»Wer sind sie?«

»Die vier Bukojemski, königliche Förster, und außerdem der junge Cypryanowicz aus Jedlinka.«

»Aber die kenne ich ja, potzblitz! Komm in die Pfarre, wir können dort bequemer sprechen.«

Aber sie waren kaum aus dem Stall heraus, da blieb Abt Wonowski kurz stehen und sah dem jungen Manne fest in die Augen.

»Jakob! Dahinter muß ein Weib stecken. In hoc mulier –«Dabei ein Weib.

»Ja und nein, ehrwürdiger Vater,« antwortete jener, trübselig lächelnd. »Daß eine Evastochter im Spiele ist, das stimmt, aber wenn wir uns schlagen, so ist sie nicht daran schuld.«

»Nicht daran schuld? Das kennt man. Die sind überhaupt nie daran schuld. Weißt du wenigstens, was im Buche Salomonis über das Weib geschrieben steht?«

»Ich kann mich nicht erinnern . . .«

»Auch mein Gedächtnis ist nicht ganz sicher . . . was mir entfallen ist, das werde ich dir in der Pfarre vorlesen. Einstweilen vernimm schon folgendes: Inveni – ich fand – amoriam morte mulierem – das Weib bitterer als den Tod. Sagena cor ejus – sein Herz ist wie ein Netz. Und der Prediger Salomo fügt hinzu: Qui placet Deo – wer gottgefällig ist – effugiet illam – der wird sie fliehen . . . qui autem peccator est, capietur ab illa – wer aber ein Sünder ist, der wird von ihr bestrickt. Der Sünder fällt ihr zur Beute, verstehst du mich wohl. Capietur! Ich habe dir aber nicht einmal, sondern zehnmal gesagt: deine Besuche dort unten werden zu nichts Gutem führen. Jetzt wirst du das wenigstens selber einsehen.«

»Ach ja, es war für Euch leichter, diese Besuche zu tadeln, als für mich, darauf zu verzichten,« antwortete Jakob mit einem Seufzer.

»Nun, von dort wird dir kein Segen kommen.«

»Das ist richtig,« erwiderte leise der junge Ritter.

Schweigend schritten sie nach der Pfarre. Der alte Priester war traurig, denn er liebte Jakob von ganzem Herzen. Als die Pest dem blutjungen Burschen den Vater geraubt hatte, als er ohne Vermögen zurückblieb, allein mit seinen drei oder vier Leibeignen und seinen drei oder vier Morgen von Wyremby, welche sein ganzes Hab und Gut ausmachten – da hatte der heilige Mann sich mit rührender Sorgfalt seiner angenommen.

Geld konnte er ihm keines geben, denn als echter Seelenhirt verteilte er die dürftigen Sporteln, die ihm seine Pfarre einbrachte, als Almosen unter die Armen. Insgeheim aber unterstützte er ihn dennoch auf diskreteste Weise, soweit es ihm seine Hilfsmittel erlaubten. Er hatte ihn belehrt und ihn nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch im Gebrauch der Waffen unterwiesen.

Ehemals ein berühmter Krieger, hatte er als einer der bevorzugten Waffengefährten des ruhmreichen Wolodyjowski, unter Czarniecky den ganzen Krieg gegen die Schweden mitgemacht. Seither hatte ein furchtbares Erlebnis ihn bewogen, das Gewand des Priesters anzuziehen.

In Jakob verehrte er den letzten Sproß eines großen Geschlechts, aber vor allem schätzte er ihn wegen seines melancholischen Gemüts, wegen seines stolzen Herzens. Nun litt auch er an jener unglücklichen Liebe, die diesen jungen Mann in kläglicher Beschränkung zurückhielt, während er doch in der weiten Welt Glück und Ruhm hätte suchen sollen.

Er hegte deshalb Groll wider den Gutsherrn von Belczonka, dem er außerdem auch den Vorwurf der Härte gegen die Bauern machte. Denn er selbst liebte alle diese Erdenwürmer wie seine Augäpfel. Ueberhaupt liebte er alle Kreatur, die Tiere, die ihn umgaben, die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser, ja selbst die Frösche, die während der Sommernächte im Sumpfe quakten.

Unter dieser schlichten Soutane klopfte also das Herz eines Heiligen und Soldaten. Nun er erfahren hatte, daß Jakob fünf Feinden gegenüberzutreten hatte, beschäftigte ihn nur der eine Gedanke: Wie würde sein Zögling sich da aus der Patsche ziehen?

Noch auf der Schwelle des Pfarrhäuschens blieb er abermals stehen.

»Du wirst dich doch nicht abstechen lassen wie ein Kaninchen, denke ich? Denn alle Schliche der edlen Fechtkunst, sowohl die, die mir selber vertraut waren, als auch die, die mich Pan Wolodyjowski lehrte, habe ich dir beigebracht.«

»Ich möchte auch gar nicht, daß sie mich zu Tode frikassierten,« lachte Taczewski, »gerade jetzt, wo es in den Krieg gegen die Türken geht.«

Die Augen des Alten funkelten. Er packte Jakob an der Rockschleife und fragte eifrig: »Von wannen kommt dir diese Kunde? Gott sei gelobt! Wer hat dir das gesagt?«

»Der Starost Grothus sagte es gestern in Belczonka.«

Lange währte die Unterredung des Abts mit Jakob, lange auch die Beichte. Als die Messe gelesen war, fanden sie sich wieder in der Pfarre vor der dampfenden Suppe. Abt Wonowski dachte noch immer an den bevorstehenden Krieg gegen den Halbmond. Und wie die alten Leute zu tun pflegen, jammerte er über die Sittenverderbnis, und die immer lauer werdende Frömmigkeit, die in der Republik herrsche.

»Dort eröffnet sich eine riesige Arena des Ruhms, auf welcher sich das Schicksal Polens und der Christenheit entscheiden soll, und ihr zerfleischt einander hier wegen armseliger Liebeleien! Ihr könnt euer Blut im Dienste des Glaubens vergießen, und ihr vergießt das eurer Brüder! . . . Und warum? Wegen gemeiner, niedriger Dinge, wegen eines vorüberrauschenden Tänzchens, wegen tausend Frivolitäten! Ach, ich weiß es nur zu wohl! Bei jeder Kleinigkeit blankziehen – das ist nationaler Instinkt! – Mea culpa!Bin dessen selber schuldig. Habe ich es doch in meinen jungen Tagen selbst nicht anders gemacht, ich gebe es zu. In der Zeit der Winterquartiere, wenn das Leben des Soldaten nur aus Trunkenheit und Faulenzen bestand, da verging kein Tag, wo nicht ein Duell unliebsames Aufsehen erregt hätte. Eine Sünde ist es, sage ich dir, die Kirche verdammt sie, aber das Gesetz nimmt sie leider in Schutz. Um so schwerer aber ist diese Sünde zu einer Zeit, wo ein heiliger Krieg vor der Tür steht. Deshalb hegt auch unser Landesherr, defensor fideiDer Schutzherr des Glaubens., Abscheu vor dem Duell. Wenn er im Felde liegt und die Kriegsartikel gelten, bestraft er jeden Zweikampf sehr streng.«

»Bah!« sagte Jakob, »auch er hat sich geschlagen, als er jung war . . . und zwar zehnmal für einmal. Und ich kann ja doch gar nichts dafür, ehrwürdiger Vater. Ich bin gefordert worden. Verlangt Ihr von mir, ich solle mich feige zurückziehen?«

»Bei Gott, nein! Du hast nicht anders handeln können. Das hindert aber nicht, daß meine Seele des Kummers voll ist. Doch Gott wird auf der Seite der Unschuld sein.«

Jakob erhob sich, um Abschied von dem Priester zu nehmen . . . Es war schon zehn Uhr, und er hatte noch ein gut Stück Weges zurückzulegen.

»Warte noch ein wenig. So lasse ich dich nicht ziehen. Mein Diener wird anspannen und Stroh in den Schlitten stopfen. Er soll in der Nähe des Kampfplatzes halten. Pongowski weiß von dem allem nichts? Ja? Aber dann ist doch, wenn ein Unglück geschieht, von keiner Seite auf Hilfe zu hoffen. Hast du das bedacht?«

»Meiner Treu, nein, und wahrscheinlich auch die andern nicht.«

»Da siehst du es! – Ich komme mit – nicht bis auf den Kampfplatz – o nein. Ich werde bei dir zu Hause in Wyremby auf dich warten . . . die heilige Wegzehrung soll zur Stelle sein – der Chorknabe und sein Glöcklein, da muß man an alles denken. Wer weiß, was geschehen kann! Für einen Priester ist es nicht schicklich, einem Kampfe beizuwohnen. Ach, sonst würde ich dabei sein, sei es auch nur, um dir Mut zu machen.«

Taczewski dankte ihm mit seinem sanften Blick, der etwas Mädchenhaftes hatte.

»Möchte doch Gott Euch hundertfach Eure Güte lohnen, Vater; aber ich fühle mich tapferen Herzens, und sollte das Abenteuer mich auch den Kopf kosten.«

»Sprich nicht so,« tadelte ihn der Priester. »Wäre es nicht ruhmreicher, den Soldatentod in der Schlacht wider die Ungläubigen zu sterben?«

»Wohl wahr, mein Vater. Deshalb werde ich mir auch alle Mühe geben, diese Werwölfe daran zu hindern, daß sie aus mir einen Bissen Hackfleisch machen!«

Der Pfarrer schien nachzudenken.

»Und wenn ich doch mit auf den Platz käme? Wenn ich ihnen vorstellte, welcher Lohn im Paradiese alle jene erwartet, die unter den Schlägen der Heiden fallen? Vielleicht würden sie dann vom Zweikampf ablassen.«

»Beileibe nicht!« wandte Jakob ein. »Sie würden glauben, ich hätte Euch geschickt. Lebt wohl! Ich entferne mich lieber gleich, als daß ich Euch so reden höre.«

»Die Würfel sind gefallen. Nun vorwärts!« entschied der Priester.

Er verließ die Pfarre, und der junge Mann folgte ihm. Beide gingen dem Diener fleißig zur Hand, der den Schlitten anschirrte. Erst jetzt erblickte der Greis das Pferd seines Schützlings.

»Herr des Himmels!« rief er aus, »wo hast du diese Schindmähre her?«

Ein Gaul, der aussah, als wenn er die Räude hätte, und kaum höher war als eine Ziege, mit hängendem Kopfe, mit bärtigen Kinnbacken, stand am Zaune.

»Das Tier habe ich von einem meiner Leibeigenen,« erklärte Taczewski. »Nicht wahr, ich werde als stolzer Reitersmann in den Krieg ziehen?«

Und er lachte gezwungen.

»Es kommt wenig drauf an, worauf du ausreitest, so du nur auf einem anatolischen Renner wiederkehrst. Einstweilen aber lege deinen Sattel auf den Rücken meines Pferdes. Potzblitz, du mußt doch manierlich vor diesen Herren erscheinen.«

Wenige Minuten später waren sie schon unterwegs. Im Schlitten saßen der Priester, der Chorknabe und der Diener. Jakob ritt nebenher. Es herrschte nebliges Wetter. Tau setzte ein. Der Schnee zerschmolz bereits unter den Schuhen, und die Schlittenkufen rutschten geräuschlos darüber hin. Zuerst kamen unsere Leute an Karren vorbei, die mit Holz beladen waren; die Kutscher knieten beim Klingeln des Glöckleins nieder, denn sie glaubten, der Priester brächte einem Sterbenden den Leib des Herrn.

Dann lag die weite Steppe um sie her, von Dunst verschleiert. Schwärme von Raben flogen vorbei. Je näher man an den Wald herankam, um so dichter wurde der Nebel. Jetzt lag er wie Ballen von Watte in der Luft, so daß man die Vögel der bösen Vorbedeutung nicht mehr sah, sondern nur noch ihr unheilkündendes Krächzen hörte. Das Gesträuch am Wegesrande nahm gespenstische Gestalten an. Es gab für das Auge keine Entfernung mehr in diesem Brodem, und die ganze Welt schien in Rauch versunken.

Beim rhythmischen Trab des Pferdes dachte Jakob an den bevorstehenden Kampf und vor allem an Fräulein Siëninska. So begann er in seinem Herzen mit ihr und mit sich selbst zu sprechen.

»Diese Liebe wird nimmermehr erlöschen, aber sie wird mir auch keine Freude bereiten . . . doch ach, habe ich denn je die Freude kennen gelernt? Ach, wenn ich in diesem Augenblick mich dir zu Füßen werfen könnte, wenn ich dich ein liebes Wort zu mir sprechen hörte! Wenn ich wenigstens der Zuversicht sein könnte, du würdest mich beweinen, wenn der Tod mich heute ereilt. Ach, ach! all das ist wie dieser Nebel, und auch dich, mein Herzblatt, sehe ich nicht deutlicher als wie durch Nebel. Ich weiß nicht, was ist – nicht, was sein wird – nicht, welches Schicksal meiner harrt. Nichts weiß ich – nichts!«

Trübsinn durchdrang seine Seele, wie die eisige Nässe seine Haut durchdrang. Er seufzte tief auf.

»Sei es drum! und das beste wäre, es nähme mit einem Schlage ein Ende!«

Nicht minder schwarze Gedanken bedrückten den Abt Wonowski.

»Der arme liebe Junge hat sein Lebtag nur zu leiden gehabt!« jammerte er bei sich. »Durch diese unglückliche Liebe hat er sich seine ganze Jugend verdorben. Und nun sind diese Raufbolde imstande und schlagen ihn mir tot. Wenn er ihnen entrinnt, ach, so birgt das Leben nichts Gutes für ihn – und doch entstammt er so edlem Blute. Möchte er nur die Ruhe bewahren! Hoffen wir, er hat meine beiden famosen Hiebe nicht vergessen: primo Fintenhieb gegen die Stirn – rasche Parade und Ausfall nach der Seite; secundo Wirbelhieb mitten ins Gesicht. Jakob!«

Aber Jakob war zu weit vorausgeritten, als daß die Stimme des Priesters ihn noch hätte erreichen können. Der Priester hielt sich nun selbst eine Strafpredigt. Wie? er, ein Diener des Herrn, trug in diesem Augenblick die heilige Wegzehrung bei sich und bedachte dabei, auf welche Weise man am raschesten einen Menschen töten könne. Und nun wandte er sich flehend an Gottes Barmherzigkeit. Doch noch immer bedrückten ihn böse Ahnungen. Dieses ungewöhnliche Duell, das ohne Zeugen stattfinden sollte, würde ganz gewiß verhängnisvoll für Jakob enden.

Sie kamen jetzt an einen Kreuzungspunkt, wo die Wege sich gabelten. Taczewski ritt zu dem Schlitten zurück und stieg ab. Er befahl dem Kutscher anzuhalten.

»Bis zum Kruzifix werde ich zu Fuß gehen,« sagte er. »Wenn Ihr, Hochwürden, aber mitkommen wolltet, wo sollte man das Pferd lassen? Sie sind vielleicht schon dort.«

Von neuem hörte man das Krächzen von Raben, die man nicht sehen konnte.

»Es fehlt nicht mehr viel an Mittag,« sagte der Geistliche und zwang seine Stimme zu ruhigem Klange. »Und doch so dichter Nebel! Ihr werdet euch im Finstern schlagen müssen.«

»Dazu werden wir immer genug sehen . . .«

»Jakob!« sagte der Priester.

»Was denn, mein Vater?«

»Nun – da es einmal so weit ist und sich nichts mehr ändern läßt,« antwortete der Abt, »gedenke des Beispiels deiner Ahnen, der stolzen Paladine von Taczew!«

»Ich werde ihnen keine Schande machen.«

Der alte Mann erkannte, daß die Züge seines Schützlings hart wurden und eine steinerne Ruhe annahmen; obwohl seine Augen noch immer traurig dreinschauten, hatten sie jetzt doch ihren fast mädchenhaften Ausdruck verloren.

»Gut so, mein Kind,« sagte der Priester. »Und nun knie nieder und empfange meinen Segen. In nomine patris et filii et spiritus sancti!«Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

»Amen!« antwortete der Jüngling.

Und der alte Mann beschrieb noch einmal über dem Scheitel des Jünglings, der in den Schnee niedergekniet war, das Zeichen des Kreuzes.

Jakob stand auf, band sein Pferd hinten an dem Schlitten fest, küßte dem Abt die Hand und entfernte sich mit langen Schritten in der Richtung auf Belczonka zu.

»Möge Gott dich gesund und heil zurückführen!« rief der gute Hirt ihm ein letztes Mal zu. »Vergiß nicht, dich vor Beginn des Kampfes zu bekreuzen!«



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