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Reims

Kommerzielle Lohnsklaven können niemals diese wundervolle Reihe von Skulpturen nachbilden, die Reims jedem andern Platz in der Welt unähnlich gemach haben. Und wenn sie nun zerstört sind oder bald es sein werden, ist es mir kein Trost, daß wir – vielleicht nur für kurze Zeit noch – die zauberischen Glasgemälde von Chartres und den Chor von Beauvais besitzen. Wir sagen uns, das arme französische Volk müsse empfinden, wie wir, hätten wir die Westminster-Abtei verloren. Reims war zehn Westminster-Abteien wert, und was mit Reims geschehen ist, mag ebenso wohl jenen andern auch zustoßen. Wir wollen den deutschen Anspruch auf Kultur nicht belächeln. Wir wollen die Tatsache ins Auge fassen, daß die Deutschen (zumindest) ebenso kultiviert sind als wir und daß der Krieg sie gleichwohl dazu trieb, so unwiderstehlich diese Dinge zu tun, wie er morgen uns dazu treiben wird ähnliche Dinge zu tun, wenn wir im Begriff sind, eine Stadt anzugreifen, in der der höchste Punkt, von dem ein Beobachter mit dem Feldstecher in der einen und dem Telephon in der andern Hand unsere Stellung erkundigen kann, das hohe Dach der Kathedrale ist. Wir wollen auch zurückhaltend sein, wenn wir uns unserer Liebe für mittelalterliche Kunst rühmen gegenüber Leuten, die aus den Protesten von Ruskin und Morris genau wissen, daß wir in Friedenszeiten Dinge getan haben, die ebenso verderblich und nicht wieder gut zu machen sind, und das lediglich, weil des Majors Bruder oder des Dekans Schwiegeronkel ein Baumeister war, der einen Restaurierungsauftrag suchte. Würde die Kathedrale von Reims morgen der Kirche weggenommen und einer englischen oder französischen Aktiengesellschaft übergeben, so wäre alles was an ihr transportabel ist ehestens an amerikanische Sammler verkauft und der Platz geebnet und für Bauzwecke parzelliert. Das ist die Art, sie kaufmännisch rentieren zu machen.


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