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Uneinig unter uns selbst

Dieser Stand der Dinge wäre schlimm genug, wenn die regierenden Klassen wirklich die Wohlfahrt der Regierten anstrebten und sie zu ihrem eigenen Besten betrügen würden. Aber sie tun nichts dergleichen. Sie benützen ihre Macht nebenbei zweifellos um das Land zu erhalten, in dem sie eine so mächtige und bequeme Stellung innehaben. Aber ihr erstes Ziel ist es, durch die gesetzlich organisierte Ausraubung des Armen, diese Stellung aufrecht zu erhalten, und zu diesem Zweck würden sie gegen die Arbeiterklasse in Deutschland und England den deutschen Junkern ebenso bereitwillig die Hand reichen, wie Bismarck Thiers die Hand gereicht hat, um die Kommune von Paris zu unterdrücken. Und selbst wenn dem nicht so wäre, nichts könnte die Arbeiterklassen überzeugen, daß die, welche in kommerziellen Unternehmungen sie unbarmherzig ausbeuten, irgendwie rücksichtsvoller in öffentlichen Angelegenheiten vorgehen, besonders, wenn Krieg in Frage steht, wobei viel Geld zu verdienen ist für die Reichen, die mit Waren handeln, die man in Kriegszeit am meisten verlangt und am besten bezahlt, nämlich mit Rüstungen und Geld. Das direkte Interesse unserer Militärkaste am Krieg macht viel aus. Doch immerhin bringt der Krieg den Mitgliedern dieser Kaste auch persönliche Gefahr, Strapazen und Verluste. Aber der Kapitalist, der an Sprengmitteln, Kanonen und Soldatenstiefeln interessiert ist, läuft keine Gefahr und erträgt keine Strapazen, während der einfache Rentner lediglich vor der Tatsache steht, daß sein unverdientes Einkommen mit Staatsgarantie größer geworden ist als je. Der Sieg bedeutet für die europäischen Kapitalisten, daß sie nicht nur dem Gegner eine riesige Schadenersatzsumme auferlegen können, sondern ihm auch das Geld borgen um sie zu bezahlen, indes die Arbeiterklassen das Kapital und den Zins zu schaffen und zu leisten haben.

Solange diese Sachlage besteht, werden wir Kriege haben und eine geheime verlogene Diplomatie. Und das ist einer der vielen überwältigenden Gründe dafür, den Staat auf der Gleichheit des Einkommens aufzubauen, ohne die Gleichheit des Standes und allgemeine Kultur unmöglich sind. Demokratie ohne Gleichheit ist eine gefährlichere Täuschung als ausgesprochene Oligarchie und Autokratie. Und ohne Demokratie gibt es keine Hoffnung auf Frieden, keine Möglichkeit daran zu glauben, daß die Heiligkeit der Zivilisation sie besser schützen wird, als die Heiligkeit der Kathedrale von Reims diese geschützt hat, nicht gegen Hunnen und Vandalen, sondern gegen wohlerzogene deutsche Gentlemen.


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