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Warum nicht die deutschen Frauen töten?

Es herrscht keinerlei Unklarheit über diese Frage. Diese Deutschen, die zu töten es bloß einen Augenblick brauchte, hatten die Mühe einer Frau für drei Vierteljahre beansprucht, um geboren zu werden und achtzehn Jahre, um für die Schlächterei reif zu sein. Alles was wir zu tun haben ist, sagen wir 75 Prozent aller Frauen unter sechzig Jahren umzubringen. Dann können wir Deutschland seine Flotte lassen und sein Geld und sagen: »Mögen sie dir recht gut bekommen!« Warum nicht, wenn ihr wirklich tun wollt, was ihr, die ihr niemals »this Neech they talk of« gelesen habt, einen Nietzsche-Übermenschen nennt? Krieg ist nicht eine Gefühlsangelegenheit. Manche unserer Zeitungen klagen darüber, daß die Deutschen Verwundete töten und auf Kriegslazarette und Ambulanzen des Roten Kreuzes schießen. Diese selben Zeitungen füllen ihre Spalten mit triumphierenden Berichten, wie unsere Verwundeten sich über die Wunden moderner Geschosse hinwegsetzen und hoffen in Wochenfrist wieder an der Front zu sein, was ich für die denkbar direkteste Aufforderung an die Deutschen halte, die Verwundeten zu töten. Es ist zwecklos, sich tugendhaft zu entrüsten. »Stone dead hath no fellow« ist ein englisches Sprichwort, nicht ein deutsches. Sogar das Töten von Gefangenen ist eine Agincourt-Überlieferung. Nun ist es keine größere Feigheit, eine Frau zu töten als einen verwundeten Mann zu töten. Und es gibt nur einen Grund, daß es ein größeres Verbrechen ist eine Frau zu töten als einen Mann und weshalb Frauen geschont und beschützt werden müssen, wenn Männer preisgegeben und vernichtet werden. Der Grund ist der, daß die Vernichtung der Frau die Zerstörung der Gemeinschaft bedeutet. Männer zählen vergleichsweise nicht. Man töte 90 Prozent der deutschen Männer und die verbleibenden zehn Prozent können Deutschland wieder bevölkern. Doch man töte die Frauen und delenda est Carthago. Nun, genau das ist es, was unsere Militaristen wünschen, das mit Deutschland geschehen soll. Darum wird der Einwand gegen das Töten von Frauen in diesem Falle ein Grund es zu tun. Warum nicht? Vom militaristischen Standpunkt, den Gegner zu schwächen, ist keine Entgegnung möglich. Wenn ihr die Schwächung wollt, hier ist euer Weg dazu und das einzig wirksame Mittel. Wir sollten wirklich nicht den Kaiser und von Bernhardi Schüler des mythischen »Neech« nennen, da sie eine so einleuchtende biologische Notwendigkeit entweder übersehen haben oder davor zurückgeschreckt sind. So ein paar winselnde, fromme Gefühlsmenschen! Doch Übermenschen? Unsinn! O, meine Bruder-Journalisten, wenn ihr die Preußen beschimpfen müßt, nennt sie Schafe, geführt von Snobs, nennt sie Bettler zu Pferd, nennt sie Wurstesser, schildert sie nach guter altenglischer Mode mit Brille und Halstuch, den schäbigen Überrock über den dicken Leib geknöpft und in einer Straßenmusik den Kontrabaß blasend. Doch schmeichelt ihnen nicht mit der heldischen Bezeichnung des Übermenschen und haltet nicht für großartige Schurkereien, würdig eines Lucifer Miltons, diese gewöhnlichen Vergehen von Gewalt, Überfall und Gelüste, die jeder betrunkene Kerl verüben kann, wenn die Polizei abwesend ist und die keine einfache Multiplikation zu veredeln vermag. Was Nietzsche mit seinem polnischen Haß auf die Preußen anbelangt (die das Gefühl herzlich erwiderten), wann hat er je zu den Deutschen gesagt, sie sollten sich wie Schafe zu Millionen zur Schlachtbank führen lassen von bösartigen Tölpeln, die in der Mehrzahl unfähig sind, zehn Sätze einer philosophischen Abhandlung zu lesen ohne einzuschlafen? Oder von Journalisten, ebenso unbelesen wie sie selbst, überreden lassen, er habe seinen großen Ruf dadurch erlangt, daß er einen billigen Katechismus für Renommisten schrieb? Ganz unter uns, wir sind auch ein ungebildetes Volk, aber wir könnten doch wenigstens über Dinge, die wir nicht verstehen, den Mund halten und nicht angesichts Europas behaupten, die Engländer hielten den Komponisten des Parsifal für einen militaristischen Preußen (es war ein verbannter Revolutionär), Nietzsche für einen Schüler Wagners (Nietzsche gab der Musik von Bizet, einem Franzosen, den Vorzug) und den Kaiser für einen Schüler Nietzsches, der seinen kindischen Pietismus verlacht haben würde.


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