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Von der Zanksucht

Der Friedfertigkeit, welche eine der schönsten menschlichen und christlichen Tugenden ist, wird die Zanksucht, eines der schlimmsten Laster, entgegengesetzt. Es giebt Leute, von denen man wol sagt, daß sie ohne Zank und Streit nicht leben können. Es ist eine unselige Gewohnheit, sich und Andern Unruhe und Verdruß und Aergerniß machen zu müssen. Freilich meinen es dergleichen Leute nicht allemal böse und sind selbst nicht allemal schlimm; aber es läßt sich doch nur sehr schlimm mit ihnen leben. Zorn und Hitze und Eigensinn sind gewöhnlich der Grund eines solchen Betragens. Die Personen selbst, welche diesem Fehler unterworfen sind, werden ebenso unglücklich dadurch, daß alle Diejenigen leiden müssen, welche mit ihnen umgehen. Wenn wir hohe Glückseligkeit nennen wollen, so sagen wir nur Frieden und nennen die höchste Glückseligkeit in jenem Leben den ewigen Frieden; das Entgegengesetzte des Friedens, Krieg, Hader, Zank und Streit, ist also auch das Entgegengesetzte der Glückseligkeit, ist also immer großes Elend. Wer an Hader und Streit Vergnügen findet, ist auf dem Wege der Verdorbenheit und Bosheit schon weit gekommen. Aber die Zanksüchtigen finden eigentlich wol kein Vergnügen am Zanke, sondern sie sind nur eines so mürrischen, unleidlichen und unverträglichen Wesens, daß die geringste Kleinigkeit, die, wie man sagt, nicht nach ihrem Kopfe geht, ihre Galle reizt und sie in Aergerniß und Bitterkeit oft sehr laut und qualvoll überströmen läßt. »Er ist ein böser Mann«, sagt man wol von einem solchen Manne, nicht als ob er durchaus boshaft wäre, sondern nur weil er in diesem Hauptpunkte des menschlichen Lebens nicht gut ist, und weil es sich in seiner Gesellschaft nur sehr schlimm leben läßt. Die Gesellschaft eines solchen Menschen flieht man mit Recht; er richtet nur Verwirrung und Unheil an. Wohin er kommt, ist sogleich Krieg, er störet jede Freude und verscheucht jedes Vergnügen. »Du mußt ihm nicht zu nahe kommen, er ist ein Händelmacher!« warnt Jeder vor ihm. »Sie hat eine böse, schneidende Zunge; jedes Wort, das sie sagt, giebt eine Wunde«, spricht man von einem zänkischen Weibe. Wenn vorher die freundschaftliche Fröhlichkeit herrschte, so wird Alles sogleich stumm, wo sie erscheinen, weil Jedermann fürchtet, ihnen durch irgend einen unbewachten Ausdruck Gelegenheit zum Streit zu geben. Der Zanksüchtige findet in jedem Worte Veranlassung zur Mißdeutung; jede Miene ist ihm verdächtig, und sogar das Stillschweigen Anderer kann er nicht vertragen, weil er das Schweigen für Tadel und den Schweigenden für seinen Gegner hält. Wer von Jugend auf durch seine eigenen oder seiner Erzieher Fehler und Vernachlässigung diese unselige Gewohnheit bei sich hat einwurzeln lassen, dem wird es sehr schwer, sich davon loszumachen, aber desto eifriger muß er bemüht sein, damit es ihm endlich doch gelinge, dieses böse Laster abzulegen. In der Jugend muß jede Tugend aufkeimen; im erwachsenen Alter kostet es überall zehnmal größere Mühe, einen mit aufgewachsenen Fehler auszurotten. Die Lehre und Religion Jesu zeichnet sich hier besonders aus, sie ist vorzugsweise eine Religion des Friedens und der Sanftmuth, weil diese Tugenden vorzüglich die Glückseligkeit der Menschen in allen ihren Lagen begründen und befördern, so wie die entgegengesetzten Fehler und Laster es untergraben und zerstören. Der Zänker empfindet täglich selbst die unangenehmen Folgen seiner unglücklichen Leidenschaft. er sieht, man liebt ihn nicht, und wird dadurch noch bitterer; er sieht, man flieht ihn, und wird dadurch noch mürrischer. Er geräth endlich in Zank mit sich selbst, und wie sollte er mit Andern in Frieden leben können? Möchte Keiner unter uns, keiner unserer Freunde und nähern Bekannten so unglücklich sein, auf diese traurige Weise seine eigene und seiner Brüder Ruhe und Zufriedenheit zu stören!


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