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Das Pflichten- und Sittenbuch für Landleute ist erst nach Seume's Tode 1811 durch seinen Freund, den Prediger Schieck in Pomßen, welchem Seume das Manuscript vor seiner Reise nach Sicilien geschenkt hatte, veröffentlicht worden. Es erschien in Leipzig unter dem Titel: Ein Nachlaß moralisch-religiösen Inhalts von J. G. Seume.

Ueber die Entstehung der Schrift berichtet der Herausgeber Folgendes:

»Seume hatte sie einst, vor ungefähr zwölf Jahren, in Auftrag seines vieljährigen Freundes Göschen geschrieben, dem es damals an einem Buche für den Landmann zu fehlen schien, das die Fehler und Tugenden dieser Volksclasse in einem ihr durchaus verständlichen Tone schilderte und mit der Kraft schmuckloser Wahrheit warnend und ermunternd zu seinem Herzen spräche - ein Sittenbuch, das für Landleute das wäre, was ein bekanntes Handbuch der Moral für Bürger sein sollte. Seume, dem bei einem finstern Aeußern ein Herz voll Menschenliebe im Busen schlug, der den Landmann liebte, sich gern an ihn auf seinen kleinen Reisen anschloß, wenn er mit ihm desselben Weges ging - verstand sich zur Abfassung eines solchen Buchs.

»War es nun, daß diese Aufgabe leichter schien, als sie ist, oder konnte sich sein Geist zu der in Anlage und Ausführung ganz einfachen Darstellung solcher Wahrheiten nicht herablassen, wie sie der Landmann bedarf, oder verführte ihn seine warme Phantasie, daß er dieser Darstellung hier und da ein zu dichterisches und farbenreiches Colorit gab, kurz, Herrn Göschen schien der Standpunkt etwas zu hoch genommen, und er wünschte einigen Stellen etwas mehr Faßlichkeit; andere Arbeiten der Art erschienen unterdeß im Publicum, und Seume's Entwurf blieb, weil er zum Abändern und Umarbeiten weder Lust noch Zeit hatte, ungedruckt liegen und kam hierauf als ein Denkmal der Freundschaft in meine Hände.«

Lieben Freunde vom Lande!

Ich glaubte, daß ein kleines Buch dieser Art Euch wol sehr nützlich sein könnte, und ich setzte mich hin und schrieb es.

Es haben vielleicht nur wenige von den Männern, welche Bücher schreiben, mehr Gelegenheit gehabt, Euch und Eure Lage besser kennen zu lernen, als ich, und es ist gewiß Keiner, der mehr Euer herzlicher Freund ist und Euch inniger wohl will. Jeder gute Mensch wünscht das Glück aller seiner Mitbrüder und trägt dazu bei, so viel er kann, jeder nach seiner Weise. Ich kann sonst nichts Wesentliches für Euch thun, als mit Euch über den Menschen und seine Pflichten, die einzigen Stützen seiner Glückseligkeit, mit warmer Theilnahme zu sprechen.

Man hat darüber schon viele Bücher geschrieben, die meistens alle gut und wahr sind; aber sie sind theils zu groß, theils zu gelehrt und also für Euch nicht immer so deutlich und faßlich, als sie sein könnten und sollten. Ich habe mich bemüht, mit wahrer Ueberzeugung in Eure Seelen zu sprechen. Ob es mir gelungen ist, darüber könnt und müßt Ihr nur selbst urtheilen, wenn Ihr aus meinem Vortrage den Nutzen schöpft, der meine Absicht war.

Es wird gewiß meine größte Belohnung sein, wenn ich erfahre, daß recht Viele von Euch dadurch mehr Belehrung zum Leben, mehr Abscheu vor dem Bösen, mehr Befestigung im Guten, mehr Ermunterung, Trost und Beruhigung im Leiden, mehr wahren Frohsinn im Glück bekommen haben, und daß Mancher dadurch hier und da besser und glücklicher geworden ist.


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