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Vom Muthe

In allen Lagen des Lebens ist Entschlossenheit und Muth oft nöthig, manchmal unentbehrlich und immer höchst nützlich. Muth ist eine ausgezeichnete Gabe des Mannes, die man bei ihm voraussetzt und verlangt. Ein Mann, der keinen Muth besitzt, gilt kaum für einen Mann, und selbst die Weiber können ihm ihre Geringschätzung kaum verbergen. Muth braucht nicht allein der Kriegsmann, der Reisende, der Handwerker in gefährlichen Arbeiten; jeder Mensch braucht Muth bei vielen Vorfällen des Lebens. Wir können die Gefahren nicht voraussehen, in welche wir gerathen werden. Nur Muth rettet in Gefahr, entfernt oder überwindet sie. Wo mehr Stärke ist, da setzt man auch mehr Muth voraus. Der Muth ist Vertrauen auf seine Kräfte, Seelenkräfte oder Kräfte des Körpers. Man fordert also von dem Manne mehr Muth als von dem Weibe, weil er der Stärkere ist, und wenn die Frau mehr Muth hat, so ist es ein Beweis, daß sie die Stärkere ist, wenigstens an Geist. Meistens thut Geistesstärke mehr als Körperkraft. Der Mann soll nicht allein seines Weibes, sondern seiner ganzen Familie Schutz und Vertheidiger sein; ohne Entschlossenheit und Muth wird er diese Pflicht sehr schlecht erfüllen. Den Muthlosen schlägt die kleinste Gefahr nieder, und er sieht oft die nächsten, leichtesten Mittel zur Rettung nicht. »Er hat den Muth verloren«, sagt man von einem Menschen, der sich gar nicht mehr dem Unglück entgegenstemmen kann, und der also alle Aussichten auf Glück durch eigene Kleinmüthigkeit aufgegeben hat. Ein solcher Mensch hat die Würde des Menschen verloren. Mensch sein heißt mit Vernunft und Kraft arbeiten und wirken und durch sein Wirken etwas Gutes zu erreichen hoffen und den Ausgang der wohlgemeinten Arbeit dem Lenker des Schicksals überlassen. Wer nicht mehr wirkt und arbeitet und hofft, ist fast zur Maschine geworden. Beklagenswerth sind die Menschen, die durch widrige Schicksale sogleich kleinmüthig werden, die sodann in Traurigkeit, Furcht und Unthätigkeit versinken, und es ist unsere Pflicht, die wir nicht so schwach sind, sie so viel als möglich durch unsere Standhaftigkeit mit aufrecht zu halten.

Muth ist zwar ein Geschenk der Natur, und wem die Natur dasselbe versagt hat, der wird es sich nie in einem hohen Grade erwerben; aber wir können doch durch Vernunft und Uebung, durch Anstrengung und Abhärtung, durch Bekanntmachung mit Gefahren und glücklicher Ueberwindung derselben nach und nach uns eine Festigkeit verschaffen, die dem natürlichen Muthe oft nichts nachgiebt. »Noth bricht Eisen«, sagt man, und Gefahr giebt Muth. Es ist aber immer ein mißliches Unternehmen, sich durch wirklich große Gefahren erst Muth erwerben zu wollen, in welche wir schon Muth mitbringen sollen. Jeder Mensch hat natürlichen Muth; nur wird er bei Manchen in der Jugend genährt und ausgebildet und bei Manchen gedämpft und erstickt. In der Jugend muß dem Knaben Muth eingeflößt werden, der ihn als Mann einst zeigen soll. Wenn das Kind und der Knabe mit übertriebener Aengstlichkeit vor jedem raschen Schritte gewarnt werden, wenn die Mutter ihn nicht von der Hand und dem Gängelbande lassen will, wenn man ihn mit Ammenmärchen, Gespenstergeschichten und allen Albernheiten des Aberglaubens überall einzuschränken sucht und dadurch seine junge empfängliche Einbildungskraft auf sein ganzes Leben krank macht; wenn jeder Fall, jedes Stolpern, jeder wunde Finger und jede blutige Nase kläglich betrauert und mit furchtbaren Beispielen aller Art begleitet wird, so wächst die Furcht mit den Jahren, wie der Muth gewachsen wäre, und es ist dann zu spät, wenn man endlich dem Jüngling die mädchenhafte Bangigkeit durch Vernunftgründe benehmen will. Der Knabe soll Muth haben und ihn nähren und wachsen lassen. »Es ist ein muthiger Knabe«, sagt man mit Vergnügen von einem Kleinen, der in seinen Kinderspielen schon zeigt, daß er einst ein fester, ernster, entschlossener Mann sein werde. Die Natur wird schon selbst warnen, und zu rechter Zeit gegebene Vorstellungen und Zurechtweisungen werden die jugendliche Hitze schon mäßigen. Es ist immer besser, man hat einst den Zügel nöthig als den Sporn; man kann das Feuer eher dämpfen als anfachen, den Muthigen eher zurückhalten als den Furchtsamen vorwärts bringen. Daß die Weiber nicht den Muth der Männer haben, liegt in der Natur und es ist weise Absicht der Natur. Ihr Bau ist feiner und zarter; ihre Geschäfte sind mehr häuslich und wirthlich; sie sind nicht zu großen Unternehmungen bestimmt. Ein Weib kann des Muthes eher entbehren als ein Mann; er würde ihr oft nicht einmal zur Ehre gereichen. Wir wollen gewiß keine Frau loben, wenn wir von ihr sagen: »Sie ist ein wahrer Dragoner von einem Weibe.« Schüchternheit, Besorglichkeit und etwas Furchtsamkeit liegen in dem Wesen der Weiber, und der Himmel hat dieses sehr weise eingerichtet; denn diese Schwachheiten sind sehr genau mit den weiblichen Tugenden der Sittsamkeit, der Schamhaftigkeit und Sanftmuth verbunden. Aber wenn diese Furchtsamkeit in erschütternde Aengstlichkeit ausartet, so ist sie auch dem Weibe schädlich und selbst bei dem Weibe lächerlich, und das Weib muß sodann sich durch vernünftiges Nachdenken davon losmachen und etwas Entschlossenheit und Unerschrockenheit zu erhalten suchen. Dies ist nöthig, zumal bei uns auf dem Lande, wo die meisten Arbeiten immer etwas beschwerlich sind und es manche Gelegenheit giebt, wo auch Frauen durch ihre Kleinmüthigkeit und Bangigkeit zu ihren Pflichten ungeschickt werden. Muth ist zu allen Dingen gut, aber der Muth des Weibes bestehet mehr in stiller Ruhe und Gelassenheit und williger Folgsamkeit, wo die Nothwendigkeit irgend etwas Gefährliches herbeiführt, das überstanden werden muß. Der Mann soll durch seine stärkere Vernunft und durch seinen höheren Muth den Muth des Weibes unterstützen; und wenn die Frau in seinen Gründen und seiner festen Entschlossenheit Beruhigung findet, so ist das Alles, was man von ihr erwarten kann.


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