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Von der Arbeitsamkeit

Arbeit erhält das Leben; der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. Wenn er nichts zu arbeiten hat, so sucht er sich wenigstens zum Ersatz Beschäftigungen und thut oft, da er nichts Gutes zu thun weiß, etwas Böses. Das ist der Fall oft mit den Reichen, die in der Ueppigkeit des Ueberflusses an wahre Arbeit nicht denken. Daher das alte Sprichwort: »Müssiggang der Laster Anfang.« Das erste wahre Geschenk, das also Eltern ihren Kindern machen können, sie mögen arm oder reich, geringe oder vornehm sein, ist, daß sie dieselben zur Arbeit gewöhnen. »Er will nicht arbeiten«, sagt man im gemeinen Leben von einem Menschen, der ganz unbrauchbar ist, und den man seine ganze Verachtung fühlen lassen will. Arbeit ist das erste Mittel, an Leib und Seele gesund zu sein. Arbeit würzt die Mahlzeit, und dem Arbeitsamen schmeckt schwarzes Brod und eine Wassersuppe besser und wird ihm wohlthätiger als dem faulen Schwelger fremde Weine und Wildpasteten.

»Wie geht es, Nachbar?« fragt man. »Wir arbeiten brav«, ist die Antwort; »und da schmeckt das Essen, und da sind wir gesund.« Arbeit und Mäßigkeit und Frohsinn sind die besten Aerzte. Der letzte begleitet gewöhnlich die beiden ersten. Der gute Arbeiter, welcher mäßige Mahlzeiten hält, klagt selten über Magendrücken, Schwindel, Kopfschmerzen und Bauchgrimmen; der Doctor ist für ihn ein Mann, für den er in seinem Ausgabebuche höchst selten etwas anschreibt.

Die Arbeit ist das einzige sichere Mittel zum Wohlstande. So wohlthätig hat es durchaus der Himmel geordnet, daß immer ein Segen aus dem andern stießet. Der Arbeitsame erhält seine Gesundheit und gewinnt Vorrath für künftige Vorfälle des Lebens. »So Jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen«, sagt der biblische Sittenlehrer. Die Wahrheit des Spruchs zeigt sich bald an dem Uebertreter der Ordnung. Wer nicht arbeitet, verdient nichts, hat bald nichts und kann also nichts verzehren. Mangel und Dürftigkeit folgen dem Faulen auf dem Fuße nach. Schon die Faulheit selbst ist eine Krankheit, und wer ihr nicht bei Zeiten zu steuern sucht, fällt aus einem Uebel in das andere. Der Faule ist langsam, träge, verdrossen, mürrisch und wird sodann furchtsam, blödsinnig, dumm. Selbst der Genuß des Lebens ist für ihn beschwerlich. »Er ist zu faul zum Essen«, sagt man, die faulste Faulheit auszudrücken, und sehr passend von einem solchen völlig unthätigen Geschöpf. Nur die größte Unbequemlichkeit und der schärfste Reiz des Hungers treibt ihn zur Schüssel; und er glaubt eine Arbeit gethan zu haben, wenn er den Magen zur gemächlichen Verdauung angefüllt hat. Träge Thiere sind zu nichts gut als zur Mast; aber die Mast des faulen Menschen ist der Gesellschaft eine doppelte Last, da er doch nun einmal Mensch ist. Die Faulen gehören zur Strafe der Erde, zu den Geschöpfen, von welchen man sagt, daß sie nur da sind, die Früchte des Landes zu verzehren. Nichts Verächtlichers kann man von einem Menschen sagen als dieses; es ist nur in der Natur des Ungeziefers, Alles zu verzehren und nichts zu erwerben. Die ganze Schöpfung ist thätig und regsam; Alles arbeitet auf der Erde; Alles hat den Trieb, die Sorgfalt für sich und seine Brut. Manche Thiere können dem Menschen Muster des Fleißes, der Arbeitsamkeit und der Sparsamkeit sein.

Wie emsig im Grund sich die Ameise regt
Und Körnchen bei Körnchen zum Vorrathe trägt!
Sie schafft in dem Sommer, damit es ihr nicht
Im Froste des Winters an Brode gebricht.

Dort sammelt die Biene mit künstlichem Sinn
Von Blume zu Blume den süßen Gewinn;
Das wirthliche Völkchen fliegt ein und fliegt aus
Und füllet mit Honig das zierliche Haus.

Geh, siehe das kleine, das fleißige Thier,
Du müssiger Fauler, und lerne von ihr;
Geh, sammle wie Bienen, es eilet die Zeit,
Bald sind mit Gestöber die Fluren beschneit!

Durch Arbeit erwirbt man nicht allein, sondern man lernt auch Mäßigkeit und Ordnung. Wer es weiß, wie sauer Manches zu erwerben ist, der lernt den Werth desselben schätzen, der denkt nach, wie viel mit dem Erworbenen gethan werden kann, und rechnet aus und setzt sich vor, so viel als möglich damit zu thun. Wer arbeitet, thut nichts Böses; denn nur dasjenige ist Arbeit, wodurch etwas Gutes und Nützliches für uns und Andere bewirkt wird. Wenn der Boshafte, der Menschenfeind den Untergang und das Verderben eines Andern sucht, und man sagt, er arbeitet, Andere zu verderben, so ist dieses eine ehrlose, schändliche Absicht, und die Bemühung verdient nicht den guten Namen, daß es Arbeit genannt werde. So trachtet ein böser Geist, Unglück zu stiften. Arbeit ist eine dauernde Beschäftigung zu einem nützlichen und löblichen Zwecke. Und wenn wir für uns und unsere Haushaltung sorgen, ohne daß wir Andern schaden, wenn wir unserm Nächsten helfen, ohne daß wir uns und unsere Familie ganz vernachlässigen, so können wir in dem besten Sinne sagen, wir arbeiten; kein Zweck kann nützlicher und löblicher sein.


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