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Von Gott

Wir schauen hin auf die Flur, wo eben der Säemann die Körner in die Furchen geworfen hat; die Erde scheint todt, der Same scheint gestorben zu sein. Aber das Körnchen keimt und lebt auf, das schöne liebliche Blatt dringt hervor; das Blatt wächst und wird zum Stock; der Stock breitet sich aus und treibt Stengel; jeder Stengel schoßt empor zur Aehre. Die ganze weite Flur der Saat bewegt sich in Wogen und duftet Wohlgerüche. Das Körnchen, das gestorben schien, giebt sich selbst hundertfach ins Leben zurück.

Es müssen sehr unglückliche Menschen sein, die keinen Gott glauben. Wir möchten über sie weinen.

Dort fällt eine Eichel herab; der Wind bedeckt sie mit Erde. Der nächste Frühling bringt ihre Blättchen hervor; die Blättchen werden zur Pflanze, die Pflanze zum Bäumchen, das Bäumchen zum Stamm, der Stamm zum hohen majestätischen Baum, der sich Jahrhunderte emporthürmt und mit seiner Wurzel rundum die Tiefe faßt. Ein Volk von Vögeln lebt und nistet in seinen Aesten Jahrhunderte und singt dem Schöpfer Lob; und unten an seinem tausendjährigen Stamme, den kaum der Blitz zerschmettern kann, sitzen Menschen und freveln und wollen vernünfteln, ob und was Gott sei.

Sie müssen sehr unglücklich sein. Wir möchten über sie weinen.

Sie laben sich an der Blumen Geruch und zweifeln an dem Schöpfer der Blumen. Sie sehen in den Blitz und staunen in die Donnerwolke und verkennen Den, der den Donner sendet und den Blitz leitet. Sie hören die Stürme brausen und wollen Den nicht sehen, der sie im Zügel hält, daß sie nicht den Felsen herabstürzen, an dessen Fuß die Sünder sitzen.

Sie müssen sehr unglücklich sein.

Gott, unser Schöpfer, wir wollen niederfallen und anbeten vor dem Gedanken Deiner Herrlichkeit und Größe. Wir können Dich nicht begreifen, denn wir sind Staub und Asche, und Du hast die Morgensterne gemacht. Aus Deiner Hand sind die Sonnen wie Funken geronnen. Die Blinden am Geist sehen Dich nicht; die Tauben am Herzen hören Dich nicht. Du wogst die Welten und maßest ihnen ihre Laufbahn, die sie wandeln sollten. Das Meer ist vor Dir wie ein Tropfen; Du hast die Berge aus der Erde gehaucht, und von Deinem Hauche sinken sie zurück. Gott, unser Erhalter, wir wollen hingehen zu Deinen Altären und danken. Der Boden ist bestreut mit Deinen Gütern; Du krönest jedes Jahr mit neuem Wuchs. Wir werden gesättiget aus Deiner Hand und sind froh. Deine Fußstapfen triefen von Fett. Du öffnest den Schooß der Erde, daß sie uns giebt einen Vorrath nach dem andern. Millionen nähren sich täglich von Deinen Gaben und sammeln Reichthum. Gott, unser Vater, wir wollen uns werfen in Deine Arme mit kindlicher Liebe. Jeder Tag ist ein neuer Beweis Deiner Güte und Vaterhuld. Könnte auch eine Mutter ihres Säuglings vergessen, daß sie sich nicht erbarmte über den Sohn, den sie geboren hat, so willst Du doch unser nicht vergessen, Vater. Die Sonne gehet auf und unter, um uns Segen zu bereiten, die Jahrszeiten wechseln mit Deinen Geschenken, um uns zu erhalten und zu erfreuen. Dein Regen tränkt die Furchen, damit unser Fleiß gedeihe. Wohin wir sehen, ist Alles voll von Deiner Liebe und Sorgfalt für uns, Deine Kinder.

Wie kann der Mensch, der ein Wurm ist, sich erkühnen, Dein Wesen ergründen zu wollen! Wie kann er so blind, so gefühllos sein, Deine wohlthätige Allgegenwart nicht zu sehen, nicht zu empfinden! Seine stolze Kunst kann keinen Halm hervorbringen, wie er zu seinen Füßen liegt; und er wagt es, über Gott zu richten. Wie will der Endliche den Unendlichen messen? Die Weisen werden Thoren, wenn sie in die Tiefen der Unendlichkeit dringen wollen. Ehrfurcht und Anbetung vor dem Ewigen, dessen Dasein in jedem Blatte redet, dessen Wohlthätigkeit aus jeder Pflanze spricht, dessen Herrlichkeit der kleinste Wurm im Staube verkündiget. Sterne gehen wie Lichtstaub aus seiner Hand und werden Welten; ewiges Licht ist sein Gewand, das kein sterbliches Auge durchschauen kann. Wir sollten es wagen, Gott kennen zu wollen, wie Gott ist! Wir können nicht unverwandt in unsere Sonne sehen, die ein Pünktchen ist in seinen Schöpfungen, deren Feuer vielleicht Eis ist gegen das Feuer der Sonnen um seinen Thron; deren Glanz Dämmerung ist gegen den Glanz des ewigen Lichts, in welchem er wohnet.

Ein Blick um uns her und sodann in unser Herz ist der tiefste Beweis von Gott. Wer diesen nicht fühlt, für den spricht die Weisheit umsonst. Die Thoren sprechen in ihren Herzen: »Es ist kein Gott«; aber sie werden dafür gestraft durch ihr eigenes Herz, welches traurig und trostlos in der Welt umherirrt und sich an nichts mit Vertrauen wenden kann. Wer auf Gott nicht hoffen kann, wie will der auf irgend etwas in dieser Welt hoffen, wie will er von sich selbst etwas hoffen können?

Gott, gieb, daß wir uns nie verirren;
Laß in Betrug und falschen Wahn
Nie unsre Herzen sich verwirren.
Und zeig uns stets die rechte Bahn!
Bei Dir nur, Vater, finden wir
Beruhigung und Heil, bei Dir.

Wenn Frevler von den frechen Rotten
In ihres Stolzes Unverstand
Der Ehre Deines Namens spotten,
Weil Dich noch nie ihr Herz empfand,
So sei uns Deines Namens Licht
Erleuchtung, Trost und Zuversicht!

Du hast uns aus dem Nichts gerufen,
Mit jeder Wohlthat uns erfreut
Und führst von Stufen uns zu Stufen
In eine höh're Seligkeit.
Bei Dir ist, wenn Vernichtung droht,
Ein neues Leben in dem Tod.


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