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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Da Glossin ohne Leibeserben starb und auch den Kaufschilling noch nicht vollständig erlegt hatte, sollte die Herrschaft Ellangowan neuerdings im Interesse von Godfrey Bertrams Gläubigern zum Zwangsverkaufe gebracht werden, trotzdem keine geringe Anzahl derselben leer hätte ausgehen müssen, falls Harry Bertram als Fideikommiß-Erbe aufgetreten wäre. Dieser erachtete es für das klügste, die Verwaltung seiner Interessen in die Hände von Pleydell und Mac Morlan zu legen, mit dem ausdrücklichen Bedingnis indessen, daß sämtliche nachweisbaren Schulden, außer den gerichtlich anerkannten, auf Heller und Pfennig bereinigt werden sollten, auch in dem Falle, wenn er wieder nach Ostindien abkommandiert werden sollte. Oberst Mannering drückte ihm, als er diese ritterliche Erklärung vernahm, auf das herzlichste die Hand, und von da ab herrschte zwischen den beiden Männern das vollkommenste Einverständnis.

Was ihm an Bargeld aus dem Nachlasse von Jungfrau Margarethe zufiel, war, mit Hinzunahme der freiwilligen Unterstützung des Obersten, für den jungen Erben ausreichend, die bereits eingeklagten Schulden zu tilgen. Seinem Rechtsfreunde Pleydell gelang es, in den von Glossin aufgestellten Rechnungen mancherlei Posten zu entdecken, die weit über den normalen Anspruch hinausgingen, und deren Reduktion die eigentliche Schuldsumme beträchtlich herabsetzte, so daß die Hauptschuldiger schließlich gern darein willigten, Bertram in seinem Erbrecht anzuerkennen und ihm in der Uebernahme der Standesherrschaft keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten, Bertram siedelte als junger Laird von Woodbourne nach Ellangowan über und nahm in Gegenwart all seiner Freunde, und freudig begrüßt von seinen Pächtern und allem Landvolke, Besitz von dem alten Stammschlosse. Dem Obersten Mannering lag die Durchführung der Umbauten, mit denen er sich zurzeit, da er sich mit dem Gedanken getragen, Ellangowan durch Kauf in seinen Besitz zu bringen, befaßt hatte, so sehr am Herzen, daß er mit seiner Tochter selbst seinen Wohnsitz in das alte Schloß verlegte, ungeachtet mancher Bequemlichkeit, auf die er dabei verzichten mußte.

Ganz aus dem Häuschen vor Freude war Sampson, der alte Magister und Freund der Familie. Drei Stufen auf einmal nahm er die Treppe hinauf, um das ärmliche Stübchen unter dem Dache wiederzusehen, worin er so lange gehaust hatte, und das ihm auch in seiner besseren Wohnung in Woodbourne nie aus dem Gedächtnisse geschwunden war. Da kam ihm aber plötzlich ein herber Gedanke: die Bücher! und der drängte sich ihm schwer aufs Herz. Wo sollte er sie hier in diesem engen Raume lassen? Nicht einmal drei Stuben wären in Ellangowan ausreichend gewesen, all die Schätze zu fassen, die ihm der Oberst in Verwaltung gegeben! Ein Glück für den Armen, daß er gleich darauf zu dem Obersten gerufen wurde, um zusammen mit ihm über den Plan zu einem neuen großen Herrschaftshause zu beraten, das unfern von dem dermaligen Schloßgebäude in einem den beiden alten geschichtlichen Türmen angemessenen Stile erbaut werden sollte. In diesem Plane war eine besondere Zimmerflucht vorgesehen, die die Aufschrift »Bibliothek« zeigte und an die sich ein Wohnzimmer mit Kabinett schloß, über welchem die Zeile prangte: »Herrn Sampsons Gemächer.«

Da schlug der gelehrte Magister die Hände über dem Kopfe zusammen; aber die Freude, die ihn darob erfaßte, machte sich nur in dem Leib- und Magen-Ausrufe Luft: »Komisch! komisch! komisch!«

Der biedere Rechtsanwalt Pleydell hatte sich von seinen Freunden auf einige Zeit verabschiedet, zum Weihnachtsfeste aber fand er sich, dem gegebenen Versprechen gemäß, in Ellangowan wieder ein, wo er jedoch niemand außer dem mit seinen Bauplänen und allerhand Entwürfen zu Parkanlagen, in denen er Meister war, eifrig befaßten Obersten antraf.

»Ei, und wo befinden sich denn unsere schönen Damen?« fragte er, als die ersten Begrüßungsworte ausgetauscht waren, den Freund; »und wo steckt denn die holde Julie?«

»Nicht weit,« antwortete Mannering, »nur gerade auf einem Spaziergange begriffen mit dem jungen Herrn Hazlewood, dem jungen Laird und dessen Freunde und Kameraden Delaserre, der seit ein paar Tagen als Gast bei uns weilt. Wir sind nämlich willens, in Derncleugh die Hütte neu aufzubauen, die der alten Merrilies als Obdach gedient hat, und die fortan nach ihr benannt, werden soll.« »Und unser gemeinsamer Freund aus dem Liddes-Tale?« fragte Pleydell.

»Der ist schon lange in seinen Bergen,« erwiderte Mannering, »hat aber meiner Tochter fest versprochen, uns im Laufe des Sommers wieder zu besuchen und auch seine Frau mitzubringen, vielleicht auch seine Kinder; wieviel das sein werden, darüber hat er sich freilich nicht geäußert.«

»O, die kleinen Blondköpfe! Na, da muß ich mich auch einfinden, denn ohne Versteckens und Blindekuh können die ja doch schwerlich sein, und dazu bin ich doch ohne Frage der beste Partner ... Aber was seh ich da? Baupläne? mit Turm in der Mitte? ganz nach dem Muster des Caernarvoner Adlerturms? und auch mit Corps de logis-Flügeln? Oho! der Neubau wird ja ganz Ellangowan auf seinen Buckel laden und mit ihm auf und davon fliegen.«

»Nun, dann wird uns wohl nichts anders übrig bleiben als ein paar gutgespickte Beutel als Ballast hineinzuwerfen!«

»Ei, ei! Aus dem Quartier pfeift der Wind?« rief mit schelmischem Lachen der Anwalt, »dann muß man wohl gar damit rechnen, daß mir der flotte Bursch die holde Julie vor der Nase wegfischt?«

»Das wird freilich der Fall sein, mein werter Herr Pleydell!« erwiderte der Oberst.

»Diese post nati Schelme laufen uns Schlemihls aus der alten Schule leider immer den Rang ab,« antwortete Pleydell lachend, »aber vielleicht bleibt mir wenigstens die Lucy sicher?«

»Ich fürchte stark, Pleydell,« sagte Mannering, »auch nach dieser Seite hin dürften Sie mit einem kleinen Schiffbruch zu rechnen haben!«

»Was Sie sagen!«

»Sir Robert Hazlewood war bei unserm Harry Bertram, heute vor ein paar Tagen, um seine Meinung über ein paar Fälle auszusprechen ...«

»Ach, bitte, Oberst, ersparen Sie mir die nähere Kenntnis von Phrasen aus dem Munde dieses würdigen Herrn!«

»Nun, so will ich mich so kurz fassen wie möglich,« erwiderte Mannering, »er war der Meinung, es ließe sich vielleicht insofern über einen Ausgleich zwischen den beiden Landeigentümern sprechen, als Gut Singleside zwischen zwei von seinen Pachthöfen eingeschoben läge bei mehr als zwei Stunden Entfernung von Ellangowan ... Ihm wenigstens möchte ein Tausch, auch wohl ein Verkauf, oder sonst welche Abmachung genehm sein.«

»Schön! Und was hat Bertram dazu für Meinung?«

»Daß Singleside, gemäß der letztwilligen Verfügung seiner Schwester, der verblichenen Jungfer Margarethe, und nicht minder seinem Wunsche entsprechend, als Eigentum seiner Schwester zu gelten habe und sich zufolgedessen jeglicher Verfügung seinerseits entziehe.«

»Solch ein Spitzbub!« rief Pleydell, sich ostentativ die Brille putzend, »nicht bloß die Liebste, auch das Herz muß er mir noch entziehen! – Et puis»?« fragte er lauernd.

» Et puis,« knüpfte Mannering an die Frage des Freundes an, »entfernte Sir Robert sich und nahm mit vielen verbindlichen Worten einstweiligen Abschied, fand sich aber in der letztverwichenen Woche wiederum ein, diesmal jedoch mit voller Heeresmacht, das heißt sechsspännig, in gestickter Scharlachweste und mit der besten Perücke auf dem Kopfe, kurz, von A bis Z als nobler Herr!«

»Und in welcher Absicht?«

»Nun, zuerst erging er sich in einer recht ausführlichen Schilderung von der Neigung, die im Herzen seines Sohnes Charles für Jungfrau Lucy Bertram wohne ...«

»Ei, ei! Seit Gott Amor seine Residenz auf den Zinnen von Singleside aufgeschlagen, ist's ihm also geglückt, die Aufmerksamkeit des alten Herrn auf sich zu lenken? Und bei dem alten Gecken und seiner Dame, dem Reisigen im Unterrock, soll das arme Ding, die Lucy, künftighin hausen?«

»O, nicht doch! Wir gehen mit dem Gedanken um, das Ding anders einzurichten. Singleside soll künftighin als Ober-Hazlewood auf den Landkarten erscheinen und das junge Paar in seinen Räumen aufnehmen.«

»Und Sie, lieber Oberst, gedenken hinfort in Woodbourne zu residieren?«

»Wenigstens so lange, bis die Baupläne hier in die Praxis übertragen sein werden,« versetzte Mannering: »da, bitte, ist der Plan zu meinem Heim, und, wie Sie zugeben dürften, gar nicht so übel? Wenigstens wird es mir an Raum darin nicht fehlen, mich auszubrummen, wenn mich die Laune dazu befällt.«

»Ei, und so dicht beim alten Schlosse? Da haben Sie wohl Absichten auf den Turm Donagilds, um sich wieder mit astrologischen Studien zu befassen?« fragte Pleydell schelmisch.

»O nein, mein lieber Herr Juriskonsulent,« antwortete Mannering, »hier sagt der Astrolog Valet!«

Schluß des Romans.


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