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Zehntes Kapitel.

Während die Vorkehrungen zum Transport des Gefangenen, der einstweilen in einem noch bewohnbaren Raume des Schlosses untergebracht war, getroffen wurden, setzte sich Glossin an seinen Schreibtisch, um an Sir Robert Hazlewood auf Hazlewood, das Haupt eines der angesehensten Geschlechter Schottlands, das durch den Verfall des Hauses der Ellangowan an Ehren und Einfluß merklich gewonnen hatte, die Anfrage zu stellen, ob es ihm vielleicht genehm sei, den Verbrecher, der seinen Sohn angeschossen hätte, selbst zu verhören: es sei ihm geglückt, desselben habhaft zu werden; falls es dem edlen Herrn genehm sei, sich dieser unangenehmen Verpflichtung zu unterziehen, wolle er durch den gleichen Boten geneigtest Bescheid geben.

Der Herr von Hazlewood, der gern etwas von sich hermachte, dankte Glossin verbindlichst für die Mühe, die er sich auferlegt, und zwar in einer Angelegenheit, die ausschließlich seine, Hazlewoods, Familie anginge, ersuchte um Ueberführung des Delinquenten nach Hazlewood und schloß mit einer Einladung zum Mittagessen, falls Herr Glossin seine Liebenswürdigkeit so weit triebe, den Delinquenten persönlich nach Hazlewood zu bringen.

»Nu, einen Finger hätten wir ja in der Sache,« dachte Glossin bei sich, »nun werde ich wohl die ganze Hand hinein bringen! Zuerst muß ich aber diesen leidigen jungen Wicht mir vom Halse schaffen; dann denke ich den alten Herrn schon kirre zu machen. Er ist etwas schwachsinnig, spielt sich aber gern als großer Herr auf. Er wird sich gewiß von mir beschwatzen lassen, die Affäre so abzuwickeln, wie sie mir in den Kram paßt, kann er sich doch dabei besser aufspielen als je in seinem Leben, und sich so stellen, als sei alles aus seinem eigenen Kopfe hervorgegangen. Mir bleibt der Vorteil dabei, die Fäden hinter den Kulissen zu ziehen, ohne das mich irgendwelche Verantwortlichkeit für etwas dabei trifft.«

Unter diesen vergnügten Aussichten fuhr er durch eine Doppelreihe alter Eichen dem Landsitze des Baronets entgegen, der ehedem eine Abtei gewesen war, aber zur Zeit der Königin Maria Stuart Vergleiche hierzu den Roman »Der Abt« mit dem Vorspiele »Das Kloster« von Walter Scott dem Stifter des Hauses nebst den angrenzenden Ländereien von der Krone geschenkt worden war. Das Schloß lag äußerst anmutig inmitten eines großen Parkes, am Ufer eines kleinen Flusses. Der Charakter der umliegenden Landschaft war finster und feierlich, paßte jedoch gut zu dem schwermütigen Ernste des alten Gebäudes. Alles zeigte auf Reichtum und hohen Rang seines Besitzers.

Sir Robert erblickte den Wagen seines Nachbarn vom Fenster aus. In seinem Ahnenstolz empfand er es schon als eine Anmaßung beispielloser Art, daß sich ein Emporkömmling, wie dieser ehemalige Schreiber, zu einem Wagen verstiegen hatte; als er aber sah, daß auf dem Kutschenschlage bloß die Namens-Initialien G. G. standen und das Wappen fehlte, milderte sich sein Groll; freilich war schuld hieran weniger Glossins Bescheidenheit als die schleppende Erledigung seines Gesuchs seitens des Edinburger Wappenherolds, der zu einem Entwurfe des Wappenschilds für den neuen Laird von Ellangowan noch keine Zeit hatte finden können.

Während die Frone mit dem Gefangenen in eine Stube zu ebener Erde gewiesen wurden, ließ Sir Hazlewood den Gast Gilbert Glossin in das sogenannte Eichenzimmer geleiten: ein großes, mit lackiertem Täfelwerk ausgelegtes Gemach, worin die Ahnen des edlen Geschlechts mit ihren grimmen Gesichtern hingen. Hier empfing ihn Hazlewood mit all der gnädigen Herablassung, die er Menschen gegenüber, die er nicht für ebenbürtig seinem Range hielt, mit ausgezeichneter Verve zu entfalten verstand. Er dankte Glossin für seine Aufmerksamkeit bei dieser seinen Sohn so nahe angehenden Affäre, deutete mit der Spitze seines Zeigefingers auf die an den Wänden hängenden Ahnenbilder und sprach salbungsvoll: »Selbst diese ehrwürdigen Gestalten, lieber Herr Glossin, werden Ihnen verbunden sein für die Arbeit und Mühe, die Sorge und Beschwerde, die Sie sich auferlegt haben, und könnten sie sprechen, so möchte ich keinen Moment zweifeln, daß sie ihre Dankbarkeit mit der meinen vereinigen würden, um Ihnen zu danken für den guten Dienst, den Sie unserm Hause erwiesen haben.«

Glossin verneigte sich dreimal, und jedesmal tiefer, zur Erde hinunter: einmal zu Ehren des edlen Herrn, der in gemessener Haltung vor ihm stand, zum andern Male den an den Wänden hängenden stummen Bildern zur Huldigung, und zum dritten Male als Aufmerksamkeit dem letzten Sprößlinge gegenüber, der berufen war zur Fortpflanzung des alten Geschlechts und Namens. Hazlewood war sehr erfreut über die ihm und seinem Hause von diesem »Bürgerlichen« erwiesenen Ehrenbezeigungen und nahm in freundlich-vertraulichem Tone das Wort: »Nun müssen Sie mir schon erlauben, mein lieber Freund, an Ihre Rechtskenntnis in diesem Falle zu appellieren. In friedensrichterlichen Funktionen habe ich nur geringe Erfahrung; sie eignen sich eben besser für solche Leute, die von ihren häuslichen Obliegenheiten weniger in Anspruch genommen werden als unsereiner.«

Glossin erwiderte, daß er selbstverständlich bereit sei, alles zu tun, was in seiner geringen Kraft stehe; aber der Baronet sei doch in allen einschlägigen Kreisen so rühmlich als tüchtiger Rechtsmann bekannt, daß er sich der Hoffnung auf wichtigere Dienste wohl kaum zu versehen haben dürfte.

»Nun, mein lieber Herr Glossin,« sagte darauf Hazlewood, »ich meine ja auch nur die gerichtliche Präzis, wenn ich mich so ausdrücken darf. Freilich habe ich auch das edle Jus studiert und darf mich wohl einiger Fortschritte in dieser Wissenschaft rühmen, doch fallen dieselben in eine frühere Zeit. Heute bietet sich für einen Mann vom Stande wenig Gelegenheit, es im edlen Jus so weit zu bringen, wie andere Leute, die für den Plebs ebensowohl als für den ersten Edelmann im Lande Prozesse führen. So etwas muß Leuten von meinem Range natürlich die Lust verleiden. Schon bei dem ersten Prozesse, der mir zuerteilt wurde, ist mir richtig übel geworden: das Objekt, um das die beiden Parteien stritten, war Talg ... Talg! Ich bitte Sie, Herr! Ein Fleischer und ein Lichtzieher waren die beiden Streithammel, und mir wurde zugemutet, ihren Namen in den Mund zu nehmen und mich mit den terminis technicis ihrer beiden Gewerbe zu befassen. Seit diesem Prozesse, lieber Herr Glossin, habe ich tatsächlich kein Talglicht mehr riechen können.«

Glossin bedauerte, wie erwartet, daß man einem Baronet mit so hervorragenden Fähigkeiten solche Bagatelle, obendrein von so übelduftender Sorte, zugemutet hätte, und erklärte sich bereit, bei dem Verhöre, um das sich freilich nicht herumkommen ließe, das Protokoll zu führen, oder sich anderweit nützlich zu machen, je nachdem der Baronet bestimmen würde ... »Wir werden vor allen Dingen,« sagte er, »feststellen müssen, daß der Gefangene derjenige ist, der den Schuß abgegeben hat; was übrigens nicht eben schwierig sein dürfte. Falls er es in Abrede stellen sollte, wird Ihr Herr Sohn ja zweifellos es durch seine Aussage bekräftigen können.«

»Mein Sohn ist heute nicht zu Hause anwesend.«

»Aber der Reitknecht, den Ihr Herr Sohn bei sich hatte, wird es beschwören können. Das Faktum wird sich, meines Erachtens, nicht in Abrede stellen lassen; aber daß durch die nachsichtige Weise, wie Ihr Herr Sohn den Vorfall schildert, die Tat nur als bloßer Zufall und nicht als vorsätzlich begangen erscheint und aufgefaßt wird, ist freilich nicht ausgeschlossen.«

»Ich habe ja nicht die Ehre, unsere liebe Obrigkeit in dieser Hinsicht zu kennen,« versetzte der Baronet, »aber vermuten möchte ich, um nicht zu sagen, daß ich davon überzeugt sei, daß die Tatsache, meinen Sohn verwundet zu haben, sei es auch nur unvorsichtigerweise geschehen, wenn ich die mildeste, günstigste und unwahrscheinlichste Auslegung annehmen will, von ihr für ein Verbrechen angesehen wird, das mit Gefängnis nicht als gebüßt angesehen werden dürfte, sondern zum wenigsten mit Landesverweisung geahndet werden müsse.«

»Ich bin allerdings in dieser Hinsicht ganz Ihrer Meinung, Sir Robert,« erwiderte Glossin; »aber ich weiß nicht, wie es kommt, daß in Edinburgh die Justiz etwas darunter zu suchen scheint, bei der Rechtsprechung auf Rang und Geburt keinerlei Rücksicht zu nehmen ..«

»Was fällt Ihnen denn ein, Herr Glossin, so etwas zu sprechen,« rief Hazlewood; »keine Rücksicht auf Rang und Geburt? Das wäre ja noch schöner! Wie können sich Leute von Bildung und Erziehung auf solchen Standpunkt stellen? wie zu solchen Anschauungen bekennen? Es ist doch ganz etwas anderes, wenn ein Spitzbube auf offener Straße eine Kleinigkeit stiehlt, als wenn er das gleiche Verbrechen in einer Kirche begeht: im ersten Falle ist's weiter nichts als ein gemeiner Diebstahl, im andern aber Tempel- oder Kirchenraub. Im gleichen Verhältnisse sollte also, der richtigen Stufenfolge in der bürgerlichen Gesellschaft gemäß, die Strafe für Beleidigung auch nach dem Range der Person, gegen die sie verübt wird, bemessen, beziehungsweise erhöht werden.«

Glossin antwortete mit einer tiefen Verbeugung und bemerkte, daß, wenn dergleichen verderbliche Lehren tatsächlich Eingang finden sollten, Vanbeest Brown vom Gericht auch aus anderm Grunde noch in Anspruch genommen werden dürfte.

»Vanbeest Brown heißt er?« fiel Hazlewood ein,. »Gerechter Gott, und durch solch unbekannten Menschen ist meines Sohnes Leben bedroht worden, das Schlüsselbein der rechten Schulter zerrissen und verschoben, und etwas geronnenes Blut, wie in dem Berichte unseres Wundarztes ausdrücklich geschrieben steht, in Acromium abgesetzt worden.«

»Ja, wahrlich, Sir Robert, man kann den Gedanken kaum ertragen,« erwiderte Glossin. »Aber ich bitte tausendmal um Verzeihung, daß ich noch einmal darauf zurückkomme; ein Mensch eben dieses Namens ist, wie aus diesen Blättern hier erhellt« – er zeigte Hatteraicks Schiffsbuch vor – »Steuermann auf dem Schleichhändlerschiffe, dessen Mannschaft einen Angriff auf Woodbourne gewagt hat; ohne Zweifel einunddieselbe Person.«

»Ganz gewiß, lieber Glossin. Man würde ja selbst den gemeinsten Menschen unrecht tun, wenn man glauben wollte, es könnte unter ihnen zwei geben, die einen, jedem Ohre so häßlich klingenden Namen führen.«

»Zweifelsohne, Sir Robert; aber Sie werden bemerken, daß solcher Umstand solch verzweifelte Tat eines Menschen erklärt. Sie werden das Motiv des Verbrechens finden, Sir Robert, wenn Sie den Fall untersuchen; ich meinesteils aber kann den Verdacht nicht unterdrücken, daß Rache die einzige Triebfeder zu dem Verbrechen gewesen, da Ihr Herr Sohn sich bei der Verteidigung von Woodbourne gegen das Gesindel und diesen Schurken so rühmlich hervorgetan hat.«

»Ich will den Fall untersuchen und feststellen, lieber Herr Glossin, möchte mich aber schon jetzt der Meinung zuneigen, daß Sie die richtige Lösung dieses Rätsels oder Geheimnisses gegeben haben. Ja, Rache muß es sein – und Du mein Herrgott! von wem und gegen wen? Gegen meinen lieben Sohn Charles ausbrütet und ausgeführt von einem Vanbeest Brown! Wir leben doch wahrhaftig in einer sehr schlimmen Zeit,« fuhr der Baron fort, und verriet durch den freundlichen Zusatz: »mein würdiger Nachbar,« wie schnell Glossin in seiner Gunst gestiegen – »in einer gar schrecklichen Zeit; alle Fundamente der bürgerlichen Ordnung sind erschüttert – ach! wie war's doch so ganz anders, als ich ins Leben trat, da war der Gebrauch von Schwertern, Pistolen und andern Waffen dem Adel vorbehalten, und das gemeine Volk war auf die Waffen angewiesen, die ihnen die Natur verliehen, oder auf Knüttel, die sie sich im ersten besten Walde brechen, schneiden oder hauen mußten. Aber der Gefangene soll hereingeführt werden, damit wir seiner wenigstens jetzt los werden.«

So geschah es. Glossin, dem das Gewissen doch nicht recht Ruhe ließ, hielt es für besser, seinem Amtsbruder die äußere Führung des Falles zu überlassen, hielt die Augen auf den Tisch geheftet, augenscheinlich erpicht auf die Durchsicht der diesbezüglichen Schriftstücke, und warf nur hin und wieder ein Wort dazwischen, wenn er merkte, daß Ritter Hazlewood stecken zu bleiben drohte, was ihm oft einmal passierte, trotzdem oder weil er beflissen war, den strengen Ernst des Richters mit der Würde des Oberhauptes eines alten Geschlechts zu vereinigen. Unten am Tischende wird er postiert, Frone,« herrschte er die Schergen an und den Gefangenen: »Ins Gesicht soll Ihr mir sehen, verstanden? und auf die Fragen, die ich an Euch richten werde, habt Ihr laut und vernehmlich zu antworten, – verstanden?«

»Zunächst möchte ich Auskunft darüber fordern, wen ich in Ihnen vor mir habe? Den Männern, die mich hergebracht, hat's nicht beliebt, mir darüber Bescheid zu geben.«

»Was hat Namen und Stand mit den Fragen zu tun, die ich Euch vorlege?«

»Am Ende wenig oder gar nichts! aber auf meine Lust zu antworten, könnte es von merklichem Einflüsse sein.«

»Nun, dann wißt, daß Ihr in mir Sir Robert Hazlewood, Friedensrichter, und einen Amtskollegen aus derselben Grafschaft vor Euch habt. Daran laßt Euch genügen!«

Diese Mitteilung hatte aber die erwartete Wirkung ganz und gar nicht, und so war es nicht zu verwundern, daß bei Sir Robert in dem Verhör, das er führte, eine ständig wachsende Abneigung gegen den Gefangenen sich bemerkbar machte, »Ihr heißt Vanbeest Brown?«

»Ja.«

»Stand, Gewerbe?«

»Rittmeister im königlich britischen Dragonerregiment Nr. 7.«

Der Baronet hörte die Antwort mit Verwunderung, fand aber seine Zuversicht schnell wieder, als er Glossins spöttisches Lächeln sah. »Wir dürften wohl, mein Lieber, bevor wir auseinandergehen, eine bescheidenere Rangordnung für Euch finden .. Kennt Ihr den jungen Hazlewood von Hazlewood?«

»Zuvörderst verlange ich diejenige Behandlung, die meinem Stande gebührt, und dulde keinen Zweifel an meinen Angaben,« versetzte Bertram; »ich habe den Herrn, der meines Wissens sich so nennt, ein einziges Mal gesehen, und leider unter höchst leidigen Umständen.«

»Ihr räumt also ein, dem jungen Manne durch einen Schuß nach dem Leben getrachtet zu haben? ihm bei diesem Versuche das Schlüsselbein der rechten Schulter gefährlich verletzt zu haben?«

»Ich kann bloß sagen, Herr, daß ich nicht weiß, ob der junge Mann schwer oder leicht verwundet worden – versichre Ihnen aber, daß mir der Unfall aus tiefstem Herzen leid tut. Er geriet mir auf einem schmalen Pfade in den Weg, den er mit zwei Damen und einem Diener ging, und ehe ich vorbei war, oder sie ansprechen konnte, riß der junge Mann dem Diener die Flinte aus der Hand, legte auf mich an und befahl mir hochmütig, meiner Wege zu gehen. Ich fühlte mich nicht geneigt, mich seiner herrischen Weisung zu fügen, aber auch nicht in der Lage, ihn im Besitz seiner Waffe zu lassen, von der er in so unbesonnener Weise Gebrauch machen wollte. Deshalb suchte ich ihm die Waffe aus der Hand zu winden; dabei aber entlud sich die Flinte, und auf diese Weise bekam der junge Mann zu meinem tiefsten Bedauern, eine empfindlichere Züchtigung, als ich ihm wünschte; nichtsdestoweniger erfüllt es mich mit Befriedigung, daß er mit einem blauen Auge davonkommen wird.«

»Ihr bekennt also,« nahm der Baronet, sein Gesicht im Gefühl der gekränkten Amtswürde in tiefe Falten legend, »daß Ihr dem jungen Herrn Hazlewood vorsätzlich auf offener Straße sein Gewehr abgenommen, das heißt aus der Hand gerissen habt? .. Darauf, mein lieber Nachbar, wollen wir fußen,« wandte er sich an Glossin, »das wird die Haftnahme begründen.«

»Sie werden das Richtige schon anordnen, Sir Robert, aber eine Bemerkung gestatten Sie mir wohl: es kam doch auch einiges, was die Schleichhändler betraf, in Betracht,.«

»Ganz recht, mein lieber Glossin ... Vanbeest Brown, Ihr nennt Euch Rittmeister in königlichen Diensten? Dabei seid Ihr doch bloß Steuermann eines Schmugglerschiffes und Genosse und Helfershelfer von Schmugglern!«

»Hätte ich nicht einen alten Herrn in Ihnen vor Augen,« erwiderte Bertram, »und müßte ich Sie nicht in grobem Irrtum befangen halten, so sollte Ihnen diese Rede nicht so leicht hingehen.« »Alter Herr ... grober Irrtum,« wiederholte Hazlewood, »ich frage hierauf, Vanbeest Brown! können Sie sich durch Legitimationspapiere ausweisen?«

»Momentan nicht; aber nach Eingang der nächsten oder übernächsten Post.«

»Wie kommt Ihr als britischer Rittmeister dazu, Euch ohne Legitimation und ohne Gepäck, ja ohne Eurem Rang und Stande zukömmliche Attribute in Schottland auf Reisen zu befinden?«

»Mich hat das Unglück betroffen, in die Hände von Räubern zu geraten –«

»Oho! dann seid Ihr also der Mann, der mit der Post nach Kippletringan fuhr, den Postillon auf offener Straße halten und ihn durch zwei Spießgesellen durchprügeln ließ, weil er ihm das Gepäck nicht mitnehmen lassen wollte?«

»Mit der Post, Herr, bin ich allerdings gefahren, habe mich aber auf dem Wege nach Kippletringan verlaufen. Die Wirtin dort wird mir gern bestätigen, daß ich gleich nach meiner Ankunft nach dem Postillon fragte.«

»Und wo habt Ihr genächtigt, – he? Im Schnee doch gewiß nicht?«

Bertram gedachte des der Zigeunerin gegebenen Versprechens und suchte seine Gedanken zu sammeln – dann erwiderte er: »Ich kann momentan keine Antwort hierauf geben.«

»Kann ich mir denken, mein Lieber! Im verfallenen Turm von Derncleugh seid Ihr gewesen – he?«

»Ich wiederhole, daß ich auf diese Frage zunächst die Antwort verweigere.«

»Nun, dann wandert Ihr wieder ins Loch, mein Vanbeest Brown – was anders gibt's nicht! Seht Euch dieses Papier hier an! Ihr seid doch der darin genannte Vanbeest-Brown?«

Glossin hatte unter die Papiere ein Paar Bertram gehörige geschoben, die von den Fronen in dem Gewölbe, worin die Räuber das Felleisen geplündert hatten, gefunden wurden waren.

»Ein Paar von den Papieren gehören mir,« versetzte Bertram, »und befanden sich, als mein Gepäck gestohlen wurde, in meiner Reisetasche. Aber ich sehe, daß man gerade diejenigen davon herausgesucht hat, die mir für Rang und Stand keinerlei Ausweis bieten, was in andern recht wohl der Fall gewesen wäre; sie sind auch mit Schiffspapieren und andern Schriftstücken zusammengesteckt, die mich nichts angehen, sondern einem Manne gleichen Namens gehören mögen.«

»Und Ihr wollt mir einreden, Freund, daß zwei Menschen in der Welt herumlaufen, die einen so absonderlichen Namen, obendrein von so üblem Klange führen?«

»Warum sollte das nicht der Fall sein? gibt es doch einen alten und einen jungen Hazlewood – und es sollte keinen alten und keinen jungen Vanbeest Brown geben können? Aber lieber ein Paar Worte im Ernste! Ich bin in Holland erzogen worden und weiß, daß der Name Brown, so unangenehm er britischen Ohren auch klingen mag –«

Glossin, der recht gut merkte, daß der Arrestant sich auf einen ihm gefahrvollen Boden zu begeben anschickte, warf hier freilich unnötigerweise, ein Wort dazwischen, das Hazlewood ablenken sollte – denn der Aerger über den vermessenen Vergleich, den Bertram zwischen ihm und sich gezogen, hatte ihn ganz sprachlos gemacht. Die Stirn runzelnd, zog er langsam den Atem ein.

»Sir Robert,« fiel ihm Glossin ins Wort, »sofern ich meine Meinung äußern darf, könnten wir den Fall doch jetzt auf sich beruhen lassen. Von den Beweisen abgesehen, die wir schon in Händen haben, erklärt einer der Frone sich zu der eidlichen Aussage bereit, daß sich der Gefangene, als ihm heute morgen der Säbel abgenommen wurde, widersetzt hat. Vielleicht kann uns der junge Mann sagen, wie er zu der Waffe gekommen ist. Der Fron behauptet, sie schon bei dem Ueberfall auf Woodbourne bei den Schleichhändlern gesehen zu haben.«

»Auf diese Frage werde ich keine Antwort geben,« erwiderte Bertram.

»Es verdient noch eins Berücksichtigung,« nahm Glossin wieder das Wort. »Arrestant hat der Wirtin in Kippletringan ein Päckchen mit Goldmünzen und andern Wertsachen übergeben; vielleicht wäre die Frage am Platze, Sir Robert, wie er zu solchem doch keinesfalls alltäglichen Besitztum gekommen sei.«

»Vanbeest Brown, Ihr hört die Frage des Herrn – was habt Ihr darauf zu antworten?«

»Besondere Gründe legen mir die Pflicht auf, auch hierauf die Antwort zu verweigern.«

»Dann wird unsere Pflicht uns nötigen, Euch in Haft zu behalten.«

»Was man nicht hindern kann, das muß man geschehen lassen, ich gebe aber anheim, den Schritt reiflich zu überdenken. Ich wiederhole, daß ich Rittmeister in der königlich britischen Armee bin, daß ich eben aus Indien zurückkomme, also unmöglich mit Schleichhändlern zu tun haben oder gehabt haben kann. Mein Oberstleutnant befindet sich momentan in Nottingham, der Major und die andern Offiziere liegen in Kingston an der Themse in Quartier, und ich erkläre, mich jeder Strafe willig zu unterwerfen, sofern sich mit der nächsten oder übernächsten Nottinghamer oder Kingstoner Post meine Aussagen nicht bestätigen sollten.«

»Alles ganz gut und schön,« fiel ihm Glossin ins Wort, besorgt, daß Bertrams letzte Antwort nicht ohne Eindruck auf Hazlewood bleiben dürfte, war es doch keine Kleinigkeit, einen Offizier – wenn Bertram wirklich diesen Rang bekleidete – in Arrest zu setzen .. »alles ganz gut und schön, aber es fehlt doch an jeglichem Zeugnis für Ihre Behauptungen!«

»Zwei Personen, denen ich bekannt bin, lassen sich namhaft machen: ein Landmann im Liddestale, mit Namen Dinmont, der indessen über mich nicht mehr aussagen könnte, als ich selbst gesagt und eben wiederholt habe ...«

»Und der andere?« fragte Hazlewood

»Aus besonderen Gründen persönlicher Natur nenne ich ihn nicht gern; ich habe in Indien unter ihm gedient – aber er ist im Grunde solch ein Ehrenmann, daß er mir sein Zeugnis nicht verweigern wird.«

»Und wer ist's? dieser wackere Bürge? Wohl ein verabschiedeter Wachtmeister oder Feldwebel?« meinte Glossin,

»Herr Oberst Mannering.«

»Mannering!« rief Glossin, »wer wäre Schwerenot! wohl darauf gekommen?«

»Oberst Mannering,« wiederholte jetzt auch Hazlewood und gewann auf einmal die Meinung, daß er doch vielleicht zu weit gegangen sei. »Lieber Glossin,« wandte er sich leise an seinen Kollegen, »der junge Mann hat, von seinem gewöhnlichen Namen und etwas unfeinem Benehmen abgesehen, doch etwas von einem Manne von Stande an sich, scheint wenigstens in halbwegs guter Gesellschaft sich bewegt zu haben – ein Offizierspatent in Indien zu erlangen, soll ja nicht schwierig sein. Ich hielte es doch für am besten, die Rückkehr des zurzeit in Edinburg befindlichen Obersten abzuwarten.«

»Ganz, wie Sie meinen, Sir Robert,« antwortete Glossin, »ganz, wie Sie meinen – aber ich stelle es Ihrem Ermessen anheim, ob wir befugt sein möchten, den Arrestanten auf Aussagen hin aus der Haft zu entlassen, die durch Zeugen nicht erwiesen sind.« Er sah recht gut, daß sein Kollege sich unsicher fühlte, und setzte, um die Sache zum Schlusse zu bringen, devot hinzu: »Ich darf wohl die gehorsamste Frage stellen, ob es sich nicht mehr empfehle, den jungen Mann, statt ins Stadtgefängnis, nach dem Stockhaus von Portanferry zu bringen, wo er in sicheren Verwahrsam genommen werden kann, ohne den Blicken von all und jedem ausgesetzt zu sein – ich meine, dieser Umstand verdiente für den Fall, daß seine Angaben nicht aller Wahrheit entbehren, einige Berücksichtigung.«

»Der Gedanke läßt sich hören,« erwiderte der Baronet, »wir haben in Portanferry zur Beschützung des Zollgebäudes eine Militärwache – die uns Bürgschaft genug sein kann für die Sicherheit unseres Arrestanten. – Sie haben recht, Glossin, lassen wir ihn dorthin abführen – oder vielmehr, autorisieren wir ihn zum Aufenthalte daselbst!«

Glossin verabschiedete sich mit unzähligen Bücklingen. Die beiden Amtsbrüder wechselten noch ein paar höfliche Worte; und auf dem Heimweg führte Glossin das folgende Selbstgespräch: »So! und nun zu Hatteraick! die Wache eskamotiert, und dann den Wurf gewagt! Aber hurtig, hurtig! Ist das ein Glücksfall, daß Mannering in Edinburg ist! Die Bekanntschaft zwischen ihm und diesem Brown setzt mich in neue Gefahr. Aber wie wäre es, wenn ich mich mit dem Erben verständigte?« meinte er, sein Pferd anhaltend, »schließlich fände er sich bereit, eine schickliche Summe als Abstandsgeld an mich zu zahlen – und dann würde ich den Hatteraick los? Aber nein, nein! es sind der Augen zuviel auf mich gerichtet – lassen wir's lieber beim ersten Entschlusse!« . ... Und seinem Pferde die Sporen in die Seiten jagend, ritt er im Galopp davon, getrieben von dem Gedanken, seinen Plan so schnell wie möglich in Ausführung zu setzen.


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