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Drittes Kapitel.

Bei dem Gendarmen und den Fronen herrschte am nächsten Morgen arge Bestürzung, als sie die Flucht ihres Gefangenen entdeckten. Noch schwer im Kopfe und von Bange geschüttelt, trat Mac Guffog mit der Unglücksbotschaft vor den Friedensrichter, kam aber mit einem ernsten Rüffel davon. Ueber dem Eifer, des Entsprungenen habhaft zu werden, schien Glossin der Pflicht, die lässigen Wächter zu strafen, zu vergessen. Den Häschern legte er vor allem ans Herz, in den ruinenhaften Ueberbleibseln von Derncleugh, wo Landstreicher oft nachts Zuflucht suchten, Nachsuche zu halten. Darauf eilte er selbst auf Umwegen durch den Wald von Warroch zu der Höhle, wo er den Schleichhändler zu treffen dachte, von dem er dort in größerer Ruhe Nachricht über die Rückkehr des Erben von Ellangowan zu bekommen rechnete.

Wie ein Fuchs, der, um den Hunden auszuweichen, im Zickzack herumfährt, suchte Glossin sich dem Orte der Zusammenkunft zu nähern, ohne durch eine Spur im Schnee seinen Weg zu verraten. O, wie wünschte er, daß es schneite, daß der Schnee doch seine Tritte verdeckte! denn fand sie einer der Spürhunde, so war es außer Zweifel, daß er sie verfolgte!

Er stieg nicht ohne Beschwerde die Klippe hinab, und kletterte zwischen den Felsen und den Spritzwellen, die die Flut auf den Strand spülte, ängstlich umher, bald aufwärts schauend, ob ihn jemand von der Höhe bemerkte, bald unruhig auf die See blickend, ob ein Boot sich zeigte, das ihn beobachten könnte. Aber selbst diese Regungen eines von Selbstsucht erfüllten Gemüts erstarben, als er zu der Stelle kam, wo Kennedys Leichnam gefunden worden war. Noch sah man das Felsstück, das mit ihm oder hinter ihm her gestürzt war; es hatte sich mit kleinen Schaltieren bedeckt und war mit Seegras überwachsen, aber von den umherliegenden Felsstücken noch immer deutlich zu unterscheiden. Daß er der Stelle bisher fürsorglich aus dem Wege gegangen war, läßt sich denken – und als er sie nun zum erstenmal seit dem unglücklichen Tage wieder erblickte, stand die schreckliche Szene mit allem ihrem Grausen urplötzlich vor seiner bebenden Seele. Es fiel ihm ein, wie er sich damals ängstlich aus der Höhle vorschlich und behutsam unter die erschrockenen Männer gemischt hatte, die um den Leichnam herum standen, immer zitternd vor der wahrscheinlichen Frage, woher denn er gekommen; es fiel ihm ein, wie er im Bewußtsein seiner Schuld die Blicke von dem gräßlichen Schauspiele abgewendet hatte. Das Wehgeschrei seines Wohltäters: »O mein Kind!« klang ihm wieder in den Ohren ... »O Gott!« rief er da, »ist alles, was ich gewonnen, der Angst wert, die seitdem mein Leben verbittert hat? O, läge ich doch, wo jener Unglückliche liegt, und stände er doch an meiner Stelle hier lebend und gesund! – Doch all diese Klagen kommen zu spät!«

Diese qualvollen Empfindungen bekämpfend, schlich er zu der Höhle, die der Stelle, wo man den Leichnam gefunden, so nahe war, daß die Schleichhändler in ihrem Zufluchtsorte alles, was die Umstehenden über das Schicksal des Ermordeten gesprochen, hatten hören müssen. Die enge Oeffnung der Höhle lag an der Vorderseite der Klippe hinter einem aufrecht stehenden schwarzen Felsblocke, der zweierlei Zweck erfüllte: dem Unkundigen den Eingang zu ihr zu verbergen, dem Kundigen aber ihre Lage zu verraten. Der Raum zwischen dem Felsblocke und der Klippe war sehr enge, und dermaßen mit Sand und Schutt angefüllt, daß man selbst bei sorgfältigem Suchen die Höhle nicht hätte entdecken können, ohne zuvor wegzuräumen, was die Flut vor ihrem Zugang gespült hatte. Um sie noch unauffindbarer zu machen, verstopften die Schleichhändler, sobald sie in dem Schlupfwinkel waren, die Oeffnung gewöhnlich mit welkem Seegras, das sie so locker zu schlichten wußten, daß es aussah, als sei es von den Wogen hinweggeschwemmt worden. Dirk Hatteraick war dieser Vorsicht nicht bloß eingedenk, sondern hatte sie auch jetzt nicht außer acht gelassen. Ein so kühner, verwegener Mann Glossin war, so klopfte ihm das Herz doch und die Kniee schlotterten ihm heftig, als er sich jetzt rüstete, in jenen Schlupfwinkel der schlimmsten Verbrecher zu kriechen und mit Dirk Hatteraick zu verhandeln, den er als den tollkühnsten, rohesten, verzweifeltsten von allen zur Genüge kannte. »Aber er hat keinen Vorteil dabei, mir zu schaden,« dachte er bei sich und suchte Trost hierin. Er vergaß aber nichtsdestoweniger, seine Taschenpistolen nachzusehen, ehe er das Seegras wegräumte und auf Händen und Beinen in die Höhle kroch. Der Eingang war so niedrig und eng, daß ein Mensch nur kriechend hineingelangen konnte; gleich dahinter breitete sich die Höhle zu einem hohen, geräumigen Gewölbe. Kies von herrlicher Reinheit bedeckte den allmählich ansteigenden Boden. Noch ehe Glossin sich wieder auf die Beine emporgerichtet hatte, dröhnte Hatteraicks rauhe, aber gedämpfte Stimme, durch die Windungen der Höhle ... »Alle Schock Teufel! bist Du's?«

»Seid Ihr im Finstern?« fragte Glossin.

»Im Finstern? Zum Henker ja! Woher sollt ich Licht kriegen?«

»Ich bringe Licht,« antwortete Glossin, schlug Feuer an und steckte eine kleine Handleuchte an.

»Ihr müßt auch Feuer anmachen,« herrschte Hatteraick ihm zu, »ich bin schon ganz erfroren.«

»Ja, kalt ist's hier, sehr kalt,« versetzte Glossin und suchte Faßdauben und Holz zusammen, das vielleicht seit Hatteraicks letztem Aufenthalte hier herumgelegen hatte.

»Kalt? Alle Schock Teufel! Ich habe mich bloß warm halten können durch Auf- und Niedergehen – ein gottvermaledeites Loch, diese Höhle! Ein Glück, daß mir die lustigen Zechstunden einfielen, die wir hier verlebt haben.«

Die Flamme fing an hell aufzulodern. Hatteraick wandte sein braunes Gesicht gegen das Feuer und hielt die rauhen nervigen Hände begierig darüber. Der Flackerschein erhellte seine wilden, finstern Züge. Der Rauch, der dem von Kälte erstarrten Mann mit Erstickung drohte, wirbelte ihm um den Kopf und stieg zu dem finstern Gewölbe auf, um seinen Ausgang durch verborgene Felsspalten zu suchen, durch die, wenn die Flut hereintrat, Luft zugeführt werden mochte. »Ich bringe Euch was zum Frühstück mit,« sagte Glossin wieder und holte Brot und Fleisch und Schnaps aus seinen Taschen hervor. Hatteraick griff begierig nach der Flasche und tat einen kräftigen Zug ... »Das schmeckt! das wärmt den Magen!« rief er lustig und stimmte ein paar Strophen eines deutschen Trinkliedes an:

Saufen Bier und Branntewein,
Schmeißen allen die Fenster ein;
Ich bin liederlich.
Du bist liederlich,
Sind wir nicht liederliche Leut!

»Gut gesagt, mein Herzenshauptmann!« rief Glossin und stimmte in den Zecherton ein, indem er das Lied weiter sang:

Branntwein vollauf, auch Wein soll fließen,
Frisch die Fenster eingeschmissen!
War'n drei wilde Jungen doch,
Wilde Jungen war'n wir doch,
Du auf dem Land, und ich auf dem Sand,
Und Hans am Galgen hoch – hoch – hoch!

Ei, nicht wahr, das paßt zu Eurer Weise? – Aber nun laßt uns von unsern Geschäften reden!«

»Von Eurem Geschäfte, bitte!« fiel ihm Hatteraick ins Wort. »Mein's war abgetan, sobald ich die Kette los war.«

»Geduld, mein Freund! ich will Euch bald klar machen, daß unser Vorteil ein und derselbe ist,« hob Glossin wieder an und setzte, als Hatteraick ihm mit einem trocknen Husten antwortete, nach einer Pause hinzu: »Sagt 'mal, wie kam's denn, daß Ihr den Knaben habt entwischen lassen?«

»Alle Schock Teufel! was ging er mich an? Leutnant Brown übergab ihn seinem Vetter im Hause Vanbeest und Vanbrüggen zu Middleburg, band ihnen das Märchen auf, der Junge sei in einem Gefecht mit Schnapphähnen eingefangen worden, und ließ ihn ihnen als Laufjungen – von Entwischen lassen, Glossin, ist keine Rede; bloß gekümmert hab ich mich nicht weiter um ihn.«

»So – und Laufjunge ist er geblieben, – he?«

»O bewahre! der alte Herr hatte bald einen Narren an dem Jungen gefressen, hat ihm seinen Namen gegeben, hat ihn die Kaufmannschaft erlernen lassen und hat ihn nach Indien geschickt. Ich glaube gar, er hätte ihn wieder hierher geschickt, hätte sein Vetter ihm nicht gesagt, daß es mit dem Freihandel auf lange Zeit aus sein dürfte, wenn der Junge wieder nach Schottland käme.«

»Ob er jetzt über seine Herkunft was weiß?«

»Wie kann ich sagen, was er jetzt weiß oder nicht weiß! Aber auf mancherlei besinnen konnte er sich. In seinem zehnten Jahre beschwatzte er einen anderen Jungen – auch aus England – mein Boot zu stehlen, um in sein Land, wie er's nannte, zurückzukehren, und ehe wir sie einholen konnten, war das Boot schon weit weg – im Meere hätt' es untergehen müssen –«

»O, wäre es doch untergegangen – und er mit!«

»Ja, ich war selbst so fuchswild auf ihn, daß ich ihm einen derben Puff versetzte – aber der Junge schwamm wie eine Ente! Eine Stunde lang habe ich ihn Wasser schlucken lassen, um ihn Mores zu lernen, und Hab ihn erst wieder ins Boot hereingenommen, als er unterzusinken drohte. Meiner Treu! Euch wird er schon was zu knacken geben!«

»Aber wie ist er denn aus Indien hergekommen?« fragte Glossin gespannt.

»Woher soll ich das wissen? Das Haus hatte falliert, und das hat uns in Middleburg auch böse getroffen; drum schickten sie mich wieder hierher, ob sich mit meinen alten Bekannten etwas machen lasse; die alten Faxen seien längst vergessen, dachten wir. Ich hatte auf den beiden letzten Reisen einen hübschen Handel in Gang gebracht; aber der dumme Brown, der Spitzbube, hat alles wieder verbuttert dadurch, daß er sich vom Obersten hat anschießen lassen.«

»Und warum wart Ihr nicht dort?«

»Alle Schock Teufel! Ich kenne keine Furcht – aber so weit ins Land hinein durfte ich mich doch nicht wagen; meine Fährte hätte man gar leicht finden können.«

»Allerdings – aber – um wieder auf den Jungen zu kommen –«

»Ja, das geht Euch an,« sagte Hatteraick.

»Wißt Ihr auch ganz bestimmt, daß er wieder im Lande ist?«

»Gabriel hat ihn im Gebirge gesehen,«

»Gabriel? Wer ist das?«

»Ein Zigeuner, der hier vor achtzehn Jahren zum Dienste gepreßt wurde. Er warnte uns vor dem Spürhund an dem Tage, da Kennedy umkam, und sagte uns, daß Kennedy uns verpetzt hätte. Die Zigeuner waren dem Kennedy ohnedies nicht grün. Gabriel ging nach Ostindien im gleichen Schiffe mit Eurem Junker und kannte ihn recht gut, wenn auch der andere sich nicht auf ihn besinnen mochte. Gabriel ging ihm aus dem Wege, weil er desertiert war und auf holländischen Schiffen gegen England gedient hatte, aber er ließ es uns gleich wissen, daß der Musje hier sei. Doch was geht das uns an!«

»Also wirklich hier im Lande, Hatteraick?« fragte Glossin – »auf Treue und Gewissen!«

»Alle Schock Teufel, ja doch! Was denkt Ihr denn von mir?«

»Daß Ihr ein verwegener Raufbold seid,« dachte Glossin, fragte aber laut weiter: »Wer von Euch hat den Hazlewood angeschossen?«

»Ei, meint Ihr denn, wir seien toll? Von uns keiner. Nach dem dummen Streiche, den Brown bei Woodbourne gemacht, war's aus hier für uns –«

»Nun, Brown soll ja den Hazlewood angeschossen haben.«

»Nicht unser Leutnant, das kann ich Euch versichern. Der lag schon sechs Fuß tief unter Derncleugher Erde tags vorher, ehe das passierte.«

Jetzt ging Glossin mit einemmale ein Licht auf ... »Sagtet Ihr nicht, der Junker, wie Ihr ihn nennt, hieße Brown?«

»Ja, Vanbeest Brown. Der alte Vanbeest Brown hat ihm seinen Namen gegeben.«

»Dann, meiner Sixen!« rief Glossin, sich die Hände reibend, »dann ist er's auch, der das Verbrechen begangen hat.«

»Was geht's uns an!« versetzte Hatteraick.

Glossin schwieg und schmiedete nun an der Hand solch ausgiebiger Hilfe seinen Plan, rückte auch dem Schleichhändler gleich vertraulich näher ... »Ihr wißt, lieber Hatteraick, vor allen Dingen ist's notwendig für uns beide, den jungen Menschen uns vom Leibe zu schaffen.«

»Hm!« machte der Schleichhändler.

»Es soll mir ferne sein, ihm Böses zu wünschen,« sagte Glossin wieder, »wenn – wenn es auf andere Art geschehen kann. Aber weil er den gleichen Namen mit Eurem Leutnant führt, der in die Geschichte bei Woodbourne verwickelt war, und ferner, weil er den Hazlewood angeschossen hat, könnte es sich doch machen, daß er hinter Schloß und Riegel kommt.«

»Aber was soll das Euch helfen? Er muß doch wieder herausgelassen werden, so bald er seine andere Flagge bekennt.«

»Ganz recht, Freund Hatteraick! Aber zu einstweiliger Verhaftung wird's doch kommen, und die wird so lange dauern, bis er aus England, oder sonst woher, Ausweise bekommt. Ich weiß doch, Kapitän, wie es in unserm Rechtsstaate zugeht, und lasse mich auf keine Bürgschaft ein, und wenn er mit der besten und sichersten anträte, bis er das zweite Verhör passiert hat – nun, wo denkt Ihr wohl, daß ich ihn einsperren lassen will?«

»Was geht's mich an!« rief Hatteraick wieder.

»Oho, Kamerad, viel, sehr viel! Ihr wißt, daß Euer konfisziertes Gut im Zollhause zu Portanferry, der kleinen Fischerstadt, liegt. Ins Arbeitshaus, nahe beim Zollhause, sperr ich ihn ein! Die Soldaten sollen über Land marschieren, dafür will ich sorgen. Ihr landet dort in der Nacht, holt Euch Euer Gut und nehmt den Junker Brown mit nach Blissingen ... He?«

»Ja, oder mit nach Amerika?«

»Wohin Ihr wollt,« versetzte Glossin.

»Oder – werfe ihn über Bord?«

»Nein, zu Gewalttätigkeit mag ich nicht raten.«

»Nun, das überlaßt nur mir! In dieser Hinsicht kenne ich Euch von alter Zeit her – aber sagt mir' bloß, was hab' ich davon?« fragte Hatteraick.

»Ist's denn Euer Vorteil nicht so gut wie der meinige? Und habe ich Euch nicht heute morgen in Freiheit gesetzt?«

»Ihr mich? Das habe ich mir selbst zu danken.«

»Keine dummen Späße, Dirk! Noch einmal, es geht Euch an so gut wie mich,« sagte Glossin.

»Was schwatzt Ihr bloß immer von mir? Habt denn nicht Ihr dem Junker sein ganzes Erbe genommen? In meine Hände ist doch von all seinem Gute kein Heller gekommen.«

»Still, still! Diesmal geht's halbpart mit dem Gewinne!«

»So? Halbpart soll's gehen? Das Gut auch?«

»Was? das Gut auch? Aber was sind das für Ideen! Wir können doch nicht zusammen in Ellangowan wohnen.«

»Aber den halben Wert könnt Ihr mir auszahlen! Mit Euch zusammen wohnen? Nein! das mag ich nicht. Ich kaufe mir eine Villa in Middleburg und einen Blumengarten – und dann soll mich kein Bürgermeister mehr scheren!«

»Ja, mit einem hölzernen Löwen vor der Tür und einer gemalten Schildwache im Garten mit einer Pfeife im Munde. Aber, Hatteraick, was können Euch all Eure Lusthäuser und Blumengärten in Holland nützen, wenn Ihr hier in Schottland an den Galgen kommt?«

»An den Galgen?« wiederholte Hatteraick, und sein Gesicht legte sich in finstre Falten.

»Freilich, Kapitän! Vor dem Schicksal, als Mörder und Kindsräuber den Galgen zu zieren, bewahrt Euch kein Teufel, sobald der junge Bertram wiederkommt und der tapfere Hauptmann einmal bei seinem Handel erwischt wird. Man schwatzt ja viel von Frieden, und wer weiß, ob Euch die General-Staaten nicht, ihren neuen Bundesgenossen zu gefallen, am Ende gar ausliefern möchten, selbst wenn Ihr Euch in der Heimat sicher fühlen solltet.« – Glossin schwieg hinterhältig.

»Alle Schock Teufel! mir kommt's fast vor, als ob Ihr recht hättet!« rief Hatteraick.

»Meint aber ja nicht, ich wollte unhöflich sein,« erwiderte Glossin, als er sah, daß seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten, und ließ eine Banknote in Hatteraicks Hände gleiten.

»Ist das alles?« brummte der Schleichhändler. »Ihr habt als Schweigegeld den Wert einer halben Ladung bekommen – und dabei mußten wir uns um alles Weitere selbst kümmern!«

»Aber, Freundchen, Ihr vergeßt, daß Ihr doch Euer Gut wiederbekommen sollt!«

»Ja, doch auf die Gefahr hin, mir den Hals dabei zu brechen? Dazu brauchen wir Euch, Schockschwerenot, doch nicht!«

»Das bezweifle ich doch, Kapitän. Ein Dutzend Rotröcke dürftet Ihr ohne meine Hilfe ganz sicher im Zollhause finden. Laßt Euch zureden. Ich will so freigebig sein, wie nur möglich, aber ganz ohne Gewissen dürft Ihr auch nicht sein!«

»Macht mich nicht wild!« rief Hatteraick – »Ihr raubt und mordet, und laßt mich für Euch rauben und morden und den Seelenverkäufer machen – und nun redet Ihr mir von Gewissen! Könnt Ihr Euch den Jungen nicht auf bequemere Weise vom Halse schaffen?«

»Nein, auf keine andere Weise als daß ich ihn Euch überlasse,« versetzte Glossin.

»Mir? Ha, das heißt ihn ans Messer liefern! Nun – wenn's sein muß, so muß es sein; aber erraten könnt Ihr es, was daraus werden kann.«

»Mein Lieber, hoffentlich wird solche Härte nicht von nöten sein,« meinte Glossin wieder hinterhältig.

»Härte?« wiederholte Hatteraick in einem Tone, der sich wie ein Seufzer anhörte. – »Ich wollte, Ihr hättet geträumt, wie ich, als ich wieder in dieser verdammten Höhle steckte und mich auf dem dürren Seegrase zum Schlafen hinstrecken wollte. Da sah ich den Mann in seinem Blute – mit dem gebrochenen Rückgrate und dem Felsblock daneben, den ich auf ihn gewälzt hatte – ha! geschworen hättet Ihr, er läge da, wo Ihr steht, und zuckte wie ein von einem Fußtritt zermalmter Frosch –«

»Was soll der Unsinn!« fiel ihm Glossin ins Wort. »Wenn Ihr zum Hasenfuß geworden, dann freilich ist das Spiel aus; aber dann auch mit uns beiden!«

»Zum Hasenfuß? Nein! ich habe nicht darum gelebt, daß ich am Ende zittern sollte.«

»Wohlan, trinken wir noch eins! Ihr habt Euch das Herz noch nicht erwärmt, merk' ich. – Und nun sagt mir, was ist aus Eurer alten Mannschaft geworden?«

»Tot, alles tot, gehängt, ertrunken, im Zuchthaus! Brown war der letzte. Nur Zigeuner Gabriel ist noch da. Aber der wird auch wohl ruhig sitzen, um seinetwillen, oder wegen seiner Muhme, der alten Meg.«

»Wer ist das?«

»Meg Merrilies, die alte Teufelsbrut von einer Zigeunerhexe,« antwortete Hatteraick.

»Die lebt noch? und ist hier im Lande?«

»Ja hier. Sie war neulich in Derncleugh, mit zwei von meinen Leuten und einigen Zigeunern.«

»Wieder ein Quälgeist mehr, Hauptmann. Wird sie nicht petzen?« fragte lauernd Glossin.

»Die nicht, Sie hat uns hoch und teuer geschworen, wenn wir dem Jungen nichts zuleide täten, so wollte sie nichts vom Zöllner sagen. Ich hab ihr im Gefecht einen Hieb über den Arm gegeben, und sie hat lange sitzen müssen, wie Ihr wißt, und doch war sie treu wie Stahl.«

»Ihr habt recht. Aber besser wär es doch, wenn Ihr sie mit nach Zeeland nehmen könntet, oder –«

Hatteraick sprang auf und maß Glossin mit einem grimmigen Blicke ... »Ich sehe den Pferdefuß nicht,« rief er endlich, »und Ihr müßt doch der leibhaftige Teufel sein. Aber die Meg Merrilies ist mit dem Satan in noch engerm Bunde als Ihr! Ich habe nie so schlimmes Wetter gehabt, als seit ich ihr den Arm geritzt habe ... Nein, nein! ich mag nichts mehr mit ihr zu schaffen haben. Doch fürs übrige, wenn unser Handel dabei nicht leidet, so will ich Euch schon von dem Junker befreien; laßt's mich nur wissen, wenn Ihr ihn habt.«

Beide schieden, nachdem sie einig waren, und verabredeten, wo sie einander treffen wollten.


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