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Fünfzehntes Kapitel.

Wir verließen Woodbourne in dem Augenblick, als Oberst Mannering seinen vertrauten Diener mit Aufträgen entließ, worauf er in Gedanken sich wieder in das Wohnzimmer begab. Die beiden Mädchen waren über sein Aussehen fast erschrocken, wußten aber, daß er selbst von Personen, die er herzlich liebte, neugierige oder teilnehmende Fragen nicht leiden mochte. Man setzte sich zum Tee, und die Stille wurde nicht unterbrochen, bis plötzlich ein Wagen vorfuhr und die Glocke Besuch ankündigte .. »Doch sicher noch einige Stunden zu früh,« sagte Mannering halblaut.

Bald öffnete ein Diener die Tür und meldete Herrn Pleydell aus Edinburg. Mannering hieß ihn mit herzlichem Händedruck willkommen ... »Sie kommen mir gerade recht, Freund,« sagte er, – »ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich die erste Gelegenheit zu einem Besuche wahrnehmen würde; und wenn ich mich in dem Augenblicke von Edinburg losmache, da der Gerichtshof seine Sitzungen eröffnet, so ist das gewiß kein kleines Opfer; aber ich war der Meinung, meine Anwesenheit möchte hier von Nutzen sein; obendrein habe ich hier einem Zeugenverhöre anzuwohnen. Aber möchten Sie mich nicht den Damen vorstellen? .. Die eine kenne ich ja bereits – wenigstens lassen mich die bekannten Familienzüge nicht über ihre Abkunft im Zweifel ... Fräulein Bertram – Fräulein Lucy! – sehr erfreut, Sie wieder einmal zu sehen!« – Und also sprechend, legte er den Arm um ihre Taille und gab ihr einen herzhaften Kuß auf beide Wangen; Lucy errötete wohl, störte aber den lustigen alten Herrn nicht, der mit den Worten: » On n'arrête pas dans un si beau chemin,« sich bei der Tochter des Obersten, als sie ihm vorgestellt wurde, die gleiche Freiheit herausnahm, Julie machte sich, herzlich lachend, aber nicht minder tief errötend, los. »Bitte tausendmal um Verzeihung,« sagte Pleydell mit einer Verbeugung, die nichts weniger als linkisch war. »Alter und alte Sitten geben Vorrechte, und ich weiß wirklich nicht, ob ich's lebhafter bedaure, schon Anrecht darauf zu haben, als ich mich glücklich fühle, Gelegenheit zu so angenehmer Wahrung solchen Anrechts zu finden.«

»Wer es versteht,« versetzte Julie lachend, »Missetaten durch so schmeichelhafte Worte gut zu machen, versetzt doch in Zweifel, ob ihm gestattet werden darf, sich unter den Schutz der genannten Eigenschaften zu flüchten!«

»Du hast mehr denn recht, Julie, zu solcher Rede,« meinte der Oberst, »denn mein lieber Freund Pleydell ist ein sehr schlimmer Herr. – Als ich zum letztenmal das Vergnügen hatte, ihn zu sehen, saß er schon um acht Uhr früh im Tête-á-Tête mit einer reizenden Dame.«

»Allerdings, lieber Oberst, aber Sie sollten doch nicht unerwähnt lassen, daß ich diese Gunst mehr meiner Schokolade als meiner Persönlichkeit zu verdanken hatte, denn solch einsichtsvolle Jungfrau wie die Rebekka, läßt sich nun einmal kein X für ein U machen.«

»Was mich daran erinnert, Herr Pleydell,« fiel Julie ein, »Ihnen noch die Aufforderung zum Tee schuldig zu sein – wobei ich freilich voraussetze, daß Sie bereits zu Mittag gespeist haben.«

»So gut, verehrtes Fräulein, wie sich in einem schottischen Wirtshause speisen läßt.«

»Sagen wir statt gut, lieber schlecht, Freund Pleydell,« versetzte der Oberst, nach der Klingelschnur greifend; »da müssen wir schon für Besseres sorgen,«

»Bitte, lassen Sie lieber,« antwortete Pleydell; »ich habe, als ich mich unten ein Weilchen aufhielt, um die Reisegamaschen abzustreifen, die mir doch ein bißchen zu weit waren –« hierbei warf er einen selbstgefälligen Blick auf sein für seine Jahre noch immer recht stattliches Bein, – »ein Wörtlein mit Ihrem Barnes und mit einer recht verständigen Person, die ich für Ihre Wirtschafterin angesehen – gesprochen, und dabei ist ausgemacht worden, daß dem Abendtische ein paar Wildenten beigefügt werden sollen – wir haben uns auch ein bißchen über die dazu notwendige Sauce unterhalten, und da ich bei genannter Dame hierüber die gleichen Ansichten fand, wie ich sie habe, so gestatten Sie mir wohl, mit der Magenfüllung so lange zu warten, bis die gute Dame mit ihrem lukullischen Werke erscheint,«

»Aber wir essen heute früher als gewöhnlich,« sagte der Oberst,

»Damit bin ich von Herzen einverstanden,« erwiderte Pleydell, »doch mache ich mir aus, daß die Gesellschaft der beiden jungen Damen mir bis dahin nicht verloren geht. Ich liebe die coena, das Mahl der Alten, und das gesellige Glas, das die Spinngewebe, mit denen uns Geschäfte und Sorgen tagtäglich das Gehirn umziehen, aus der Seele spült.«

Den beiden Mädchen machte das lebhafte Wesen des alten Herrn und die ruhige Unbefangenheit, womit er die Bedürfnisse seiner epikuräischen Gemächlichkeit kund gab, viel Vergnügen; vor allem aber fand Julie Gefallen an ihm und widmete ihm eine so schmeichelhafte Aufmerksamkeit, daß die Artigkeiten auf beiden Seiten gar kein Ende nehmen wollten.

Nach dem Thee faßte der Oberst den Arm des Rechtsgelehrten und führte ihn in eine, an das Wohnzimmer anstoßende Studierstube, in der es abends nie an Licht und Feuer fehlte.

»Wie ich sehe,« begann hier Pleydell, »haben Sie mir etwas über Ellangowan zu sagen. Ist's irdischer oder himmlischer Art? Was spricht mein kriegerischer Albumasar? Haben Sie die Sterne befragt und die Zukunft berechnet?«

»Nein, lieber Pleydell, Sie sind der einzige Ptolemäus, an den ich mich bei gegenwärtigem Anlasse wenden will, denn ich habe, ein anderer Prospero, meinen Stab zerbrochen und mein Buch ins Meer versenkt. Aber große Neuigkeiten, trotz allem, lieber Freund – trotz allem! Unsere Sibylle Meg Merrilies ist heute vor dem Magister erschienen und mag den Biedermann nicht wenig erschreckt haben,«

»Was Sie sagen!«

»Ja, und mir hat sie die Ehre eines Schriftwechsels angetan, in der Annahme, ich sei in die Geheimnisse der Sterndeutung noch eben so tief eingeweiht, wie zur Zeit unserer ersten Begegnung. Hier ist das Blättchen, das der Magister mir behändigt hat.«

Pleydell setzte hurtig die Brille auf die Nase. »Was für ein Gekritzel, Inizialbuchstaben so spitz und gerade wie die Spanferkelrippen! Ich kann's nicht entziffern – wenigstens nur langsam,«

»Lesen Sie doch laut,« meinte Mannering.

»Versuchen will ich's ... Ihr könnt's wohl suchen, wißt's aber nicht zu finden. Ihr gabt Euch Mühe, ein wackliges Haus zu stützen, hattet aber etwas wie Ahnung, es wieder erstehen zu sehen. Helft jetzt bei dem Werke, das nahe ist, wie Ihr das ferne Schicksal im Auge hieltet. Laßt heute nacht um zehn Uhr beim Graben von Portanferry einen Wagen halten und die Leute nach Woobourne bringen, die die Eurigen fragen werden, ob sie da seien, in Gottes Namen. Halt, nun kommen gar Verse:

Was dunkel ist, soll Licht
Und Unrecht werden Recht,
Und Bertrams Recht und Bertrams Macht
Auf Ellangowan sind erwacht.«

Fürwahr, ein Brief mit sieben Siegeln,« rief Pleydell, »der kumäischen Sibylle würdig. Und wie haben Sie sich dazu verhalten?«

»Nun, eine Gelegenheit, Licht in die Sache zu bringen, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Das Weib mag ja nicht ganz bei Verstand sein, und vielleicht beruht alles, was sie redet, bloß auf Einbildung: aber Sie waren ja selbst der Meinung, daß Meg Merrilies von der wunderlichen Geschichte mehr wisse, als sie je gesagt habe,«

»Sie haben den Pagen also an den bezeichneten Ort geschickt?«

»Wenn ich ja sage, lachen Sie mich vielleicht aus!«

»Ich? ganz gewiß nicht! Ich möchte eher meinen, es sei das klügste, was Sie tun konnten.« »Nun, schlimmstenfalls wäre der Fuhrlohn hinausgeworfen gewesen. Kurz und gut, ich habe einen Vierspänner von Kippletringan abgehen lassen und den Kutscher angewiesen, sich nach dem Schreiben zu verhalten. Einen harten Stand wird er in der kalten Nacht freilich haben, wenn wir falsch berichtet wurden.«

»Wir dürften meiner Ansicht nach das Gegenteil erfahren. Die alte Hexe hat ihre Rolle so lange gespielt, daß sie endlich selbst daran glaubt oder, falls ihr Tun nur eitel Trug und sie dabei tatsächlich frei von Selbsttäuschung sein sollte, vielleicht darauf sehen zu müssen meint, daß sie nicht aus der Rolle fällt. Eins darf ich sagen, daß bei ihr alle gewöhnlichen Mittel, aus einem Menschen was herauszubringen, nichts gefruchtet haben. Das klügste, was wir tun können, dürfte vielleicht noch sein, ihr die Sache ganz in die Hand zu geben, – ich meine, es ihr zu überlassen, wie sie dabei vorgehen will. Nun, sind wir fertig? Oder haben Sie noch etwas auf dem Herzen? Wenn nicht, so wollen wir zu unseren schönen Damen zurückgehen.«

»Ich fühle mich heute über die Maßen erregt und – doch nein, ich habe nichts mehr auf dem Herzen, bloß die Minuten zählen werde ich, bis der Wagen kommt. Daß Sie meine Ungeduld teilen, darf ich freilich nicht erwarten.«

»Warum nicht? Gewohnheit ist die Mutter alles Schlendrians, im Tun wie im Denken. Drum nehme ich gewiß lebhaften Anteil an Ihrem Empfinden, werde aber über die Zwischenzeit wohl hinwegkommen, wenn die jungen Damen so nett sein wollen, uns mit etwas Musik zu unterhalten.«

Mit diesen Worten stand er auf und ging in das Wohnzimmer, wo sich Julie auf seine Bitte ans Klavier setzte. Lucy Bertram, die im Vortrag von Liedern ihrer Heimat Vorzügliches leistete, begleitete die Freundin, die zuletzt noch ein Paar Sonaten von Diabelli zum besten gab. Der alte Rechtsgelehrte, der einem Edinburger Musikkränzchen angehörte, und das Cello leidlich spielte, war so erbaut über diese improvisierte Abendunterhaltung, daß ihm die Wildenten ganz aus dem Gedächtnis gekommen zu sein schienen, als Lakai Barnes zur Abendtafel invitierte.

»Sage Mrs. Allan,« befahl der Oberst dem Diener, »sie möge sich auf weitere Gäste einrichten. Ich rechne – wollte sagen hoffe, daß wir heute abend noch Gesellschaft bekommen. Bleib Du mit den übrigen Leuten auf! Das äußere Hoftor wird heute nicht eher geschlossen, als ich Befehl dazu gebe.«

»Aber wer könnte noch kommen, Papa?« fragte Julie verwundert. »Nun, ein paar Fremde vielleicht, die heute abend noch mit mir sprechen wollen – in Geschäften natürlich, es ist aber auch noch ganz ungewiß.«

»Wir werden Ihnen aber die Störung nicht verzeihen, außer sie bringen eine ebenso freundliche Laune, ein ebenso offenes Herz mit, wie mein Freund, und wie er sich selbst zu nennen liebt, Verehrer, Herr Pleydell,« erwiderte Julie.

»O, Fräulein Julie,« versetzte Pleydell, ihr höflich den Arm reichend, um sie ins Speisezimmer zu führen: »es hat eine Zeit gegeben – damals als ich von Utrecht nach England zurückkam, anno 1788 –«

»O bloß nicht tempi passati streifen, Herr Pleydell, wir haben Sie lieber, so wie Sie jetzt sind, Utrecht! Du lieber Gott! Ein Glück für uns, daß Sie all die spätere Zeit darauf verwandt haben, sich von den Schlacken Ihrer holländischen Kultur wieder zu säubern.«

»O, bitte sehr, mein Fräulein, die Holländer sind weit galanter gegen Frauen, als ihre quecksilbrigen Nachbarn zugeben wollen: Pünktlich wie die Uhr sind sie in ihren Huldigungsbeweisen.«

»Das möchte mich bald ennuyieren,« meinte Julie.

»Und von unerschütterlichem Ebenmaße in allem Tun und Lassen.«

»Was mich noch viel weniger reizen könnte!«

»Und hat Ihnen Ihr Galan sechsmal dreihundertfünfundsechzig Tage lang den Pelzkragen um den Hals gelegt und das Kohlenbecken unter die Füße geschoben, im Winter Sie im Sitzwägelchen über das Eis und im Sommer im Kabriolett durch den Staub gefahren, so dürfen Sie ihm ohne Grund und Entschuldigung über Nacht den Abschied geben am zweitausendeinhundertundneunzigsten Tage – so lange wird ungefähr, das Schaltjahr nicht gerechnet, die Periode der supponierten Verehrung dauern, – und nicht einmal in dieser Zeitspanne wird sich für Ihre Empfindungen die mindeste Veranlassung zu Besorgnissen, daß Mynheer durch seine Zärtlichkeit in irgendwelche Schwulitäten kommen könnte, geboten haben,«

»Nun, Herr Pleydell, das letzte ist wahrlich Empfehlung für einen Sohn Hollands – doch müßten Gläser und Herzen in der Welt dann alles Wertes verlustig gehen, wenn sie nicht zerbrechlich wären.«

»Darum, liebes Fräulein, ist es ja doch ebenso schwer, Herzen zu finden, die noch brechen, und eben darum möchte ich jetzt mein Glas erheben – aber ich sehe, Herr Sampson hält die Augen schon geschlossen und die Hände gefaltet, um das Tischgebet zu sprechen – und die Wildenten sehen gar zu appetitlich aus –«

Damit setzte er sich und setzte alles Süßholzraspeln außer Kurs, um den die Tafel zierenden Finessen schottischer Küche alle gebührende Ehre zu erweisen. Geraume Zeit ließ er nichts mehr von sich hören, eine kleine Lobrede auf die Köchin ausgenommen, bis ihn endlich Julie unterbrach. »Ei, ei, Herr Pleydell, gleich am ersten Tage muß ich es erleben, daß mir ein so schlimmer Rivale um Ihre Verehrung erwächst?«

»Bitte um Pardon, schönes Fräulein, einzig und allein Ihre Strenge hat mich zu der Taktlosigkeit verführt, mir in Ihrer Gegenwart einen guten Happenpappen schmecken zu lassen. Wie ließe sich Ihrer Strenge stand halten, wollte man nicht für Auffrischung der Kräfte sorgen? Nach diesem und keinem andern Grundsätze vergönnen Sie mir, bitte, die Freiheit, Ihnen ein Gläschen zu kredenzen?«

»Wohl auch Utrechter Sitte?«

»Bitte um Pardon, liebes Fräulein. »Die Franzosen, bekanntlich Muster in der Galanterie gegen das schöne Geschlecht, geben dem Gastwirte den Namen Restaurateur, doch sicher im Hinblick auf die Stärkung und Erfrischung, die er dem geknickten Liebhaber zu bieten vermag, der sich vom Busen seiner gestrengen Herzensdame hinweg an den seinen flüchtet – wie auch ich jetzt tun möchte, indem ich Herrn Sampson bitte, mir noch einen Entenflügel zu reichen,«

Während der alte Herr, durch Juliens Lebhaftigkeit und Aufmerksamkeit erfreut, sie und sich selber zu unterhalten suchte, konnte Mannering seine Ungeduld nicht mehr bemeistern, stand von der Tafel auf unter dem Vorwande, nie viel zu Abend zu essen, rannte in der Stube auf und nieder, trat bald ans Fenster, um in die Nacht hinauszusehen, lauschte bald unruhig, ob sich nicht draußen ein Wagen hören ließe, und verließ endlich, von seiner Ungeduld getrieben, das Zimmer, stülpte sich den Hut auf, warf den Mantel über und lief draußen auf dem Baumwege herum, der zu dem Landhause führte.

»Wenn sich der Oberst doch nicht nachts ins Freie hinauswagen möchte!« sagte Lucy; »Sie haben wohl von dem Schrecken gehört, Herr Pleydell, den wir jüngst hier ausgestanden haben?«

»Mit den Schleichhändlern meinen Sie?« fragte der Advokat; »das sind ja alte Bekannte von mir, habe vor langer Zeit, als ich hier Sheriff war, einige dieser Brüder nach Nummer Sicher gebracht.«

»Einer hat seinen Rachedurst an uns stillen wollen – ach! waren das schreckliche Stunden!« rief Lucy.

»Sie meinen Herrn Hazlewoods Verwundung?« fiel Pleydell ein, »davon habe ich auch gehört.«

»Sie können sich gar nicht denken, Herr Pleydell, wie es uns angegriffen hat, Fräulein Mannering und mich! war's doch ein Räuber, der auf uns losstürzte, gleich schrecklich durch seine Stärke, wie durch den wilden Ausdruck seines Gesichts,«

»Die Sache liegt hier nämlich so, Herr Pleydell,« nahm Julie hier das Wort, die ihren Verdruß über diese, wenn auch unabsichtliche, so doch nicht minder garstige Schmähung ihres Anbeters nicht länger unterdrücken konnte, »daß der junge Hazlewood bei den Damen der hiesigen Gegend für solchen Seladon gehalten wird, daß ihm keiner ein Haar krümmen oder auch nur zu nahe treten darf, ohne gleich für einen Strauchdieb oder einen Fra Diavolo gehalten zu werden.«

»Oho!« dachte Pleydell, ein scharfer Beobachter, wie es ja sein Beruf schon mit sich bringt, »zwischen den beiden Mädchen ist doch sicher etwas nicht ganz in Ordnung!« – »Ich habe den jungen Herrn Hazlewood,« wandte er sich an Julien, »schon seit Jahren nicht gesehen, und so muß ich schon wohl oder übel unsern Damen ihr Recht lassen; aber glauben Sie mir, Sie mögen spotten, soviel Sie wollen, wer wirklich hübsche junge Männer sehen will, der muß nach Holland gehen. Einen schönern Mann, als den jungen Vanbost oder Vanbuster, oder wie der barbarische Name sonst geheißen haben mag, habe ich mein Lebtag nicht wiedergesehen.«

Nun war die Reihe an Julien, aus der Fassung zu kommen; zum Glück trat gerade jetzt der Oberst wieder herein ... »Ich höre noch nichts,« sagte er; »doch bleiben wir noch beisammen. Wo ist Sampson, unser Magister?«

»Hier, Herr!«

»Was haben Sie da für ein Buch in der Hand, lieber Sampson?«

»De Lyra, Herr! Ich wollte Herrn Pleydell um seine Meinung über eine streitige Stelle bitten.«

»Lieber Herr Sampson,« beschied ihn Pleydell, »dazu bringen Sie mich momentan nicht, so lange mich ein kräftigeres Metall anzieht, wie unsere schönen Damen, die ich noch immer zu bestimmen hoffe, eins mit mir zu singen, heißt es doch in Edinburg, daß sich mein Baß ganz gut hören lassen könne – lassen Sie also Ihren de Lyra vorläufig von der Tagesordnung, mein Lieber.«

Sampson klappte das Buch zu, nicht wenig verwundert, wie sich ein so gelehrter Mann wie Herr Pleydell mit dergleichen Tand befassen könne. Den alten Herrn ließ es aber jetzt sehr kalt, ob er seinen Ruf als Gelehrter in Gefahr setzte oder nicht, sondern füllte seinen Humpen mit Burgunder und animierte, mit seiner schon stark »lädierten« Stimme die Melodie zum »alten Matrosen« anstimmend, die jungen Damen lustig, ihn zu begleiten – wozu sich beide auch nicht lange nötigen ließen.

Endlich schlug es ein Uhr ... »Heute wird's nichts mehr werden,« meinte Mannering, schon lange am Ende seiner Geduld, und wollte eben vom Fenster wegtreten, – doch was nun folgt, erheischt ein besonderes Kapitel.


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